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3. Biographisches

3.6 Bloomsbury, Camden

Kehren wir zurück in das Jahr 1856, von wo der Exkurs von Webbs Biografie aus in die Leben der Präraffaeliten und ihres Bekanntenkreises gestartet worden war. Webb und Morris hatten sich in Streets Büro kennengelernt, dem sie Ende des Sommers 1856 nach London in sein neues Büro folgten, nachdem sich Burne-Jones mit Rossetti bekannt ge-macht hatte. Bis zum Ende des Jahres gab Morris seine Beschäftigung unter dem Einfluss von Rossetti auf, um nicht mehr Architekt, sondern Maler zu werden. Die Doppelbelastung den Tag über in Streets Büro zu arbeiten und abends mit Burne-Jones Zeichenkurse zu besuchen, musste eine Konsequenz nach sich ziehen. Ein Brief aus dieser Zeit belegt Morris Interesse an politisch-sozialen Projekten mitzuwirken aus der Notwendigkeit her-aus, dass die Verhältnisse für ihn nicht zufriedenstellend seien. Doch in diesem Abschnitt seines Lebens konnte er dieses Interesse und seinen Anspruch an Selbstverwirklichung nicht zusammenbringen, denn in dem Brief heißt es: „I can’t enter into politico-social sub-jects with any interest, for on the whole I see that things are in a muddle, and I have no power or vocation to set them right in ever so little a degree. My work is the embodiment of dreams in one form or another.“190 Burne-Jones und Morris zogen nach kurzer Zeit in Lon-don in eine gemeinsame Wohnung im Red Lion Square Nummer 17. Die Wohnung war

190 Mackail 1901, S. 107.

vermittelt durch Rossetti, der zuvor darin gewohnt hatte.191 Der Red Lion Square ist von oben betrachtet ein Rechteck, an dessen äußerem Rand Häuser stehen. Da damals der Platz in der Mitte nicht bebaut war192, lag Morris und Burne-Jones Wohnung gegenüber dem working men’s college, welches sich in der Hausnummer 31 befand193. Allerdings la-gen die Wohngemeinschaft und die Schule nur rund ein Jahr lang vis-à-vis, da das Col-lege 1857 in die Great Ormond Street Nummer 45 umzog.194 In dieser Zeit entwickelte Morris ein Interesse daran, sich in verschiedenen Gewerben zu üben: Modellieren in Ton,

191 Burne-Jones 1906 I, S. 146.

192 Mapco 2014, abgerufen unter http://london1851.com/cross12.htm [20.12.2018] und Mapco 2014, abge-rufen unter http://london1864.com/stanford15.htm [20.12.2018].

193 Harrison 2007, S. 30.

194 Ebd., S. 89.

Abbildung 2: Karte von Bloomsbury aus dem Jahr 1862. © Copyright David Hale/MAPCO 2006–2019.

Schnitzen in Holz und Meißeln in Stein sowie Buchillumination.195 Schon in früheren Jah-ren schrieb er Geschichten und Gedichte. Nach seinem abgebrochenem Studium der Theologie war Morris dabei, sich im Leben weiter zu orientieren und probierte dazu ver-schiedene Beschäftigungen aus.

Die Great Ormond Street liegt ungefähr drei Straßenzüge entfernt und war wiederum dieselbe Straße, in die Webb nach seinem Fortgang aus Oxford gezogen war. Nach einem kurzen Intermezzo in der Liverpool Street wohnte Webb in direkter Nachbarschaft des working men’s college.196 Wann Webb innerhalb der Great Ormond Street umzog, ist nicht klar, doch spätestens 1867 wohnte er nachweislich in der Hausnummer 7.197 1859 muss Webb aber noch in der Hausnummer 41 gewohnt haben, also drei Nummern entfernt vom College, da Morris mit seiner Frau Jane nach der gemeinsamen Hochzeitsreise nur ein paar Türen weiter von Webbs Wohnung provisorisch eingerichtete Zimmer bezogen hat-ten.198 Provisorisch war das Arrangement, weil zur selben Zeit Red House gebaut wurde, in das Morris und Jane nach der Fertigstellung einziehen sollten. Als Morris und Jane 1865 Red House verließen und zurück nach London zogen, wählten sie für ihr neues Zuhause die Straße, die am südwestlichen Ende der Great Ormond Street gelegen ist. Sie zogen also in direkte Nachbarschaft von Webb und dem working men’s college. Noch im selben Jahr brachten sie auch die Firma in dem Haus unter, deren Arbeitsstätten bis dahin noch im Red Lion Square verblieben waren199. Im Queen Square wohnte auch Maurice, der Gründer des working men’s college, bis er 1865 in den nahegelegenen Russel Square zog. Bereits ein Jahr zuvor hatte sich im Queen Square das working women’s college an-gesiedelt und Morris, der auf derselben Straßenseite wohnte, lieh dem College Zeichnun-gen von Burne-Jones, um das Café zu dekorieren. Das women’s college arbeitete mit dem men’s college zusammen, wo es zuvor bereits vereinzelte Klassen für Frauen gab. Die An-fangsausstattung für das working women’s college bezog die Gründerin Elizabeth Malle-son aus der Portman Hall School, die geschlossen worden war, da sich die Verantwortli-chen mehr auf die Agitation für das Frauenwahlrecht konzentrieren wollten.200

Das Quartier in London mit Namen Bloomsbury wurde im Nachhinein dafür berühmt, der Ort zu sein, wo sich gesellschaftlich engagierte Einrichtungen niederließen. An einer

195 Mackail 1901, S. 103.

196 Kirk 2005, S. 15; Lethaby 1935, S. 20; Im Katalog der Ausstellung der Königlichen Akademie von 1858 ist im Index zu Webb allerdings Liverpool Street 41 eingetragen, S. 62.

197 Vgl. Kirk 2005, S. 19 und Lethaby 1935, S. 26 und 30.

198 Kirk 2005, S. 20.

199 Mackail 1901, S. 165.

200 Ashton 2012, S. 263 bis 265.

Geschichte, geschrieben im Jahr 1885, lässt sich die Berühmtheit festmachen. Unter den engagierten Institutionen im Queen Square wurde in der Geschichte neben Morris & Co.

ein Kinderkrankenhaus und das working women’s college erwähnt.201 Webb und Morris wohnten für eine geraume Zeit in dieser Gegend und unterhielten auch Kontakte zu den anderen ansässigen Institutionen. Sie konnten sich somit mit diesem Milieu identifizieren.