• Keine Ergebnisse gefunden

Der Katalog zur Ausstellung William Morris 1834–1896 aus dem Jahr 1996 ist ein umfas-sendes Kompendium über das mannigfaltige Schaffen des Künstlers. Wie es für Ausstel-lungen üblich ist, tritt uns das Schaffen in Form der einzelnen Werke vor Augen. Morris Werk ist so umfangreich, dass der Katalog acht Sektionen bildet, die die einzelnen Medien behandeln, in denen er arbeitete. Beim Studium der einzelnen Sektionen mit Hilfe des nicht weniger umfangreichen Anhangs fällt der Umstand auf, dass im Gegensatz zu den meisten anderen Medien keine systematische Erfassung des Möbelschaffens von William Morris existiert. Nun lässt sich einwenden, dass Morris auch nur eine handvoll Möbel ent-worfen hat und die Sektion, verfasst von Francis Collard, tatsächlich die Möbelentwürfe von Philip Webb bespricht, der in den Anfangsjahren von Morris, Marshall, Faulkner & Co.

die Position des Möbeldesigners inne hatte und im Gegensatz zu seinem berühmten Freund eine relativ unbekannte Figur blieb. Doch auch von Webbs Möbelentwürfen gibt es keine systematische Erschließung. Bemerkenswert ist dieser Umstand, weil der Name Wil-liam Morris nach wie vor viele Menschen in die Museen lockt, ebenso wie die mit diesem Namen verbundene Arts and Crafts Movement. Im Rahmen von Sonderausstellungen zu William Morris und der Arts and Crafts Movement wurden die Möbel von Webb immer wie-der einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Zwischen 1960 und 2018 gab es circa alle vier Jahre eine Ausstellung mit mindestens einem von Webb entworfenen Möbel. Dazu kommt ihre permanente Präsentation unter anderem im Victoria and Albert Museum, in der Art Gallery of South Australia, in der William Morris Gallery, im Museum of Modern Art und dem Musée d’Orsay. Zwischen 1980 und 2012 kamen außerdem acht Bücher heraus, die keine Ausstellungskataloge oder Sammlungsverzeichnise waren, in denen mindestens ein Möbel mit einigen Details genannt oder abgebildet wurde.1 Weiterhin gab es alleine in den Dependancen der großen Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s ungefähr zehn Verstei-gerungen von Möbeln, die Webb zugeschrieben sind.

Somit ist es an der Zeit, die vereinzelten Informationen und Betrachtungen über die Möbel zum Möbel-Werk Philip Webbs zusammenzustellen. Denn nur in der Gesamtbe-trachtung ist es möglich, Webbs Entwürfe in die Kunstgeschichte des englischen Möbels des 19. Jahrhunderts einzureihen, die ihnen schon allein der ständigen Aufmerksamkeit durch die Öffentlichkeit, geneigten KäuferInnen und der Forschung wegen bereits seit 50 Jahren zukommt.

1 Im Anhang sind die Ausstellungskataloge und Monographien aufgelistet.

Dabei stand der Architekt immer im Schatten seines Freundes William Morris, für den er eines der bekanntesten englischen Häuser des 19. Jahrhunderts entwarf: Red House.

Es war 1859 das erste von rund 50 Häusern in seiner langen Karriere, dessen Bau er lei-tete. Zwar war Webb durch seine Ausbildung bei einem der führenden Anhänger des Go-thic Revivals und seinen Freundeskreis um die Präraffaeliten herum schon zu Beginn sei-ner Karriere mit den Größen des damaligen Kunstgeschehens bekannt, doch zogen ihn Ruhm und öffentliche Aufmerksamkeit nie an. Morris und Webb gründeten im Jahr 1877 die Society for the Protection of Ancient Buildings und schlossen sich damit der Position des conservatism2 in Fragen der Restaurierung historischer Monumente an, die John Ru-skin in The Seven Lamps of Architecture entwickelt hatte. Die im Gründungsmanifest der SPAB festgehaltenen Grundsätze finden heute noch Anwendung.3 Als Folge fertigten Mor-ris & Co.4 keine Buntglasfenster mehr für Restaurierungsmaßnahmen an, da sie die Fens-ter nach mittelalFens-terlicher Herstellungsart ausführten. Sie folgten dem Grundsatz des con-servatism ungeachtet der Auftragseinbußen für die Firma und stellten keine historischen Kopien mehr her, um Gebäude zu einer früheren eventuell nie existenten Stileinheit zu-rückzuführen.5 Webb machte bei seinen Bauaufträgen einen so geringen Schnitt, dass die Steuerbehörde ihm keinen Glauben über seine Einnahmen schenkte. Webb stellte im spä-teren Verlauf seiner Karriere Assistenten zum Kopieren und zum Beaufsichtigen des Bau-fortschritts an, jedoch nicht für Entwurfsarbeiten, die er bis zu den Schutzbeschlägen für Türen alle selbst tätigte. Erst 1901 begab sich Webb in den Ruhestand und zog nach Sus-sex aufs Land, wo er regelmäßig von einer neuen Generation von Architekten und seinen Freunden aufgesucht wurde, bis er 1915 im Alter von 84 Jahren starb. Damit sind die we-sentlichen Stationen im Leben Webbs beschrieben, das vor allem durch seine Tätigkeit als Architekt geprägt ist. Ein noch nicht herausgestellter Aspekt dieser Tätigkeit sind Webbs zahlreiche Entwürfe für Möbel.

Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, ein systematisches Œuvre-Verzeichnis der Möbe-lentwürfe Philip Webbs zu erstellen. Die Ausgangslage bilden 40 Entwürfe für Möbel von Webb, die zwischen 1858 und 1897 getätigt wurden. Dabei handelt es sich um Möbel, die Webb als Beteiligter von Morris & Co. entworfen hatte, wie die vier Stücke für die Weltaus-stellung 1862, aber auch um solche, die er im Zuge seiner Tätigkeit als Architekt entwarf.

2 White 1962, S. 174.

3 Burman 2005, S. 79.

4 Die Firma hieß von 1861 bis 1875 Morris, Marshall, Faulkner & Co. Im weiteren Verlauf wird die Firma der Einfachheit wegen nur Morris & Co. genannt.

5 Harvey 1996, S. 205–207.

Es befinden sich viele Möbeltypen darunter und auch besondere Typen für den sakralen Gebrauch. Es sind Einzelanfertigungen, aber auch solche, die in unterschiedlichen oder identischen Ausführungen durch KundInnen von Morris & Co. erworben worden sind.

Die Debatten, die sich anhand des Werkes eines Begründers der Arts and Crafts Mo-vement führen lassen, sind annähernd 100 Jahre nach der Gründung des Bauhauses noch virulent. Aber vor allem beleuchten sie die Anfänge einer der weitreichendsten künst-lerischen Bewegungen der Moderne, die nahezu auf der ganzen Welt rezipiert wird. Die Idee, Kunst und Handwerk zu verbinden, wird in der vorliegenden Arbeit bis zu Immanuel Kant zurück verfolgt, wo sie als solche noch nicht auftritt, aber als der Versuch den Men-schen aus der Natur herauszuheben und Arbeit als anthropologische Determinante zu set-zen. Durch Arbeit interagiert der Mensch mit dem anderen, mit der Natur, wobei sich hier bereits das kulturschaffende Potenzial von Arbeit abzeichnet. Die genaue Bestimmung von Arbeit wird von Kant mit einer starken Gewichtung auf geistige Arbeit vorgenommen. Bei der Betrachtung der sozialen Wirklichkeit wurde aber klar, dass Arbeit häufig in anderer Art ausgeführt wurde, wobei sich diese Wirklichkeit im Laufe des 19. Jahrhunderts durch die zunehmende Industrialisierung noch verstärkte. Ein Markstein zur kritischen Bewertung des Verhältnisses zwischen dem Menschen und seiner Arbeit, bezeichnet als Entfrem-dung, etablierte sich zusehends, doch erst in den 1920er Jahren auch im theoretischen Umfeld des Marxismus. Das Verhältnis von geistiger und körperlicher Arbeit in einer Tätig-keit ist eng verbunden mit einer Hierarchisierung in der gesamtgesellschaftlichen Arbeits-organisation, wobei ein hoher körperlicher Anteil der Natur nahe steht und eine Entfrem-dung von sich selbst als Mensch zur Folge hat. Dieser Hierarchisierung soll mit der Verbin-dung von Kunst und Handwerk entgegen gewirkt werden, jedoch basiert die Konzeption der Fortschrittsgeschichte auf einer Entfernung von der Natur, wodurch man sich mit die-ser Proklamation im 19. Jahrhundert gegen den Zeitgeist stellte. Historisch rückwärtsge-wandt im Sinne von Geschichte ist dann auch der stolze Vortrag von Handwerk in dieser Kunstströmung, der Arbeit als kulturellen Ausdruck betont und den technischen Fortschritt außer Acht lässt.

Die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Annahme geht also davon aus, dass ein leitendes Motiv in der gesellschaftlichen Debatte um Kunst im allgemeinen und bei Webb im speziellen das Verhältnis von Kunst und Arbeit darstellt. Dementsprechend förde-re ich das Motiv in der zeitgenössischen Kunsttheorie zu Tage, weise es in der öffentlichen Debatte über Kunst nach und lege die Verwobenheit der Theorie des Kunsthistorikers

John Ruskin mit diesem Diskussionsstrang dar, der als bedeutendster Einfluss für Webb gilt. Anschließend wird anhand ausgewählter biografischer Details der Beteiligten das Durchdringen des zugrunde liegenden Motivs bis auf die individuelle Ebene nachverfolgt und am Schluss, das sich in Webbs Möbelschaffen ausdrückende Verhältnis von Kunst und Arbeit beschrieben.

Somit beginnt Kapitel 2 mit einer kurzen Darlegung des Verhältnisses von Kunst und Arbeit bei Immanuel Kant nach Rudloff. Darin bestimmt Kant Arbeit als selbstbestimmt und zugleich abbildend, antizipierend und schöpferisch anhand der Unterscheidung von

menschlichem Handeln und tierischem Tun. Danach konstatiert Kant, dass diese Bedin-gungen menschlichen Handelns nur noch im gesellschaftlichen Teilbereich Kunst vorhan-den seien. Es ergibt sich nach Kant, dass Kunst unentfremdeter Arbeit entspricht und Kunst und Lohnarbeit getrennt seien.

Mit diesem Konzept von Kunst analysiere ich im darauffolgenden Abschnitt den Dis-kurs um die Reform der Güterherstellung, die mit dem 1836 einberufenen Select Commit-tee on Arts and Manufactures begann, durch die Einrichtung eines nationalen Systems der Kunsterziehung eine erste Institutionalisierung erfuhr und in der Gründung des South Ken-sington Museums, dem heutigen Victoria and Albert Museum, gipfelte. Die Parteien der Auseinandersetzung waren die Royal Academy of Arts und die Wirtschaftskammer Groß-britanniens, deren Ziel es war, den Güterabsatz durch bessere Entwürfe, besonders in Konkurrenz zu Frankreich, zu erhöhen. Durch die Analyse der Debatte um die Ausgestal-tung des nationalen Systems zur Kunsterziehung lässt sich zeigen, dass Kants Bestim-mung von Kunst als unentfremdete Arbeit die Funktionsbeschreibung von Kunst in der bür-gerlichen Gesellschaft darstellt, dessen Konstituenten und ihre genaueren Beschreibun-gen dem Diskurs entnommen werden können: Freiheit von Zwecken, Losgelöstheit von le-benspraktischen Bezügen, geniehaftes Schaffen und freie Regelanwendung. Als letzter wichtiger Punkt aus der Analyse ist festzuhalten, dass das kunsttheoretische Konzept vom Ornament, besonders anschaulich am Architekturornament, dazu geeignet ist, den gesell-schaftlichen Teilbereich Kunst mit dem Bereich der Lebenspraxis zu verbinden, die sich in erster Linie durch ihre Nicht- beziehungsweise Zweckgebundenheit unterscheiden.

Mit diesen aus der Debatte generierten Analysekategorien untersuche ich im letzten Abschnitt das Kapitel The Nature of Gothic aus dem kunsthistorischen Werk The Stones of Venice (1851–1853) von John Ruskin. Nach einer Darlegung der Hauptmerkmale der Kunst der Gotik nach Ruskin wird ersichtlich, dass er Kants Bestimmung von Kunst als

un-entfremdeter Arbeit folgt. Dadurch kann er die gotische Epoche als Folie benutzen, vor der sich die entfremdeten Zustände der zeitgenössischen Arbeiterschaft abheben. Damit kommt er seinem didaktischen Auftrag als Historiker nach und stellt einen Gegenwartsbe-zug zu seiner Kunsttheorie her. Mit Hilfe der Analysekategorien lässt sich weiter aufzeigen, dass Ruskin das Ornament als verbindendes Element zwischen dem gesellschaftlichen Teilbereich Kunst und dem lebenspraktischen Bereich in Stellung bringt, so wie es bereits im Diskurs um die Gütergewerbereform diskutiert wurde. Der rein konstruktive Aspekt in der Architektur widmet sich dem zweckgerichteten Errichten einer Behausung zur De-ckung wesentlicher menschlicher Bedürfnisse. Die Verzierung dieser Wände und Decken mit Architekturornament würde den lebenspraktischen Bereich mit dem Teilbereich der Kunst verbinden. Über diesen außer-künstlerischen Einfluss, die Bedürfnisbefriedigung durch die Behausung, kommt Ruskin dann auf außer-individuelle Faktoren beim Kunst-schaffen zu sprechen, womit er über Kant hinausweist, der alle Vorbedingungen in das ausführende Subjekt legt, das mit Hilfe freier Regelanwendung aus sich selbst heraus schöpferisch als Genie agiert. Auf der einen Seite stellt Ruskin das Klima heraus, das den Winkel des Giebels bestimme, und auf der anderen Seite die Arbeitsbedingungen, unter denen die Handwerkenden ihre Arbeit ausführen. Während der Winkel der Giebel in einer spezifischen Region eine Kongruenz mit der Menge an Niederschlag aufweist, ist eine Kongruenz zwischen den Arbeitsbedingungen und den konkreten Formen des Ornaments nicht herzustellen.

Schon vor Ruskin sah Winkelmann in den Formen der Antike demokratische Prinzipien verkörpert. Winkelmann hatte allerdings keine Vorstellung davon, wie sich diese Prinzipien konkret in der Form niederschlagen. Daraus ergibt sich, dass Ruskin in Ansätzen eine Kunstsoziologie betrieb, aber vor allem, dass die Zugänge zur Vergangenheit einer Belie-bigkeit unterworfen sind und Bezüge je nach Motivation hergestellt wurden. Die Motivation von Ruskin war eine antagonistische Position gegenüber seiner Gegenwart und ihrer Vor-stellung von Politischer Ökonomie und klassizistischen Werten. Denn da Form und Inhalt sich im Idealfall entsprechen und die zeitgenössische Formgebung als schlecht bewertet wurde, was unter anderem der Wille zur Reform der Güterherstellung zeigt und die negati-ve Rezeption der ersten Weltausstellung zum Ausdruck bringt, müssen deren Inhalte für eine wirkliche Reform ebenfalls missbilligt werden. Das Verhältnis von Kunst und Arbeit bei Ruskin lässt sich heruntergebrochen so beschreiben, dass unfreie ArbeiterInnen hässliche Gegenstände verfertigen und damit keine Kunst zustande brächten. Damit folgt er Kant

und seiner Bestimmung von Kunst als unentfremdete Arbeit, aber erweitert sie im Sinne ei-ner Kunstsoziologie, die den Grad der Arbeitsteilung als ablesbar in der Formgebung be-trachtet.

Im darauffolgenden Kapitel 3 findet eine Beschreibung des sozialen Kontexts des Künstlers statt, um die Intentionen des Milieus, in welchem er sich bewegte, herauszuar-beiten. Damit soll der Umfang der Bezüge zu Ruskins Vorstellungswelt nachverfolgt wer-den. Dies ist in Ansätzen bereits bei Naylor 1980 und Swenarton 1989 geschehen, vom Umfang her aber in geringerem Ausmaß. Dazu werden der Künstler Webb und die Men-schen, mit denen er beruflich verbunden war, in den Vordergrund gestellt.

Die Biografie von Webb deckt den Zeitraum von seiner Jugend in Oxford bis zur Grün-dung von Morris & Co. im Jahr 1861 ab. Der Morris-Kreis wird dabei in seiner Historie von den ersten Begegnungen bis zur gemeinsamen Gründung der Inneneinrichtungsfirma an-hand unterschiedlicher Stationen dargestellt. Selektiv betreffen sie alle die Verbindung der Themen Kunst und Arbeit. Im Zeitschriftenprojekt The Oxford and Cambridge Magazine treffen bis auf Webb ein Großteil der Beteiligten zum ersten Mal zusammen und diskutie-ren unter anderem Architektur und Arbeitsorganisation in Zusammenhang mit gotischen Kathedralbauten. Im working men’s college geben Dante Gabriel Rossetti und Ford Madox Brown ArbeiterInnen Kunstunterricht, nachdem sie Ruskin dazu ermuntert hatte seinem Beispiel zu folgen. Während Webbs Ausbildung bei dem Architekten George Edmund Street in Oxford trafen er und Morris zum ersten Mal zusammen. Nachdem Street sein Büro nach London verlegte, folgten ihm Webb und Morris in die Hauptstadt. Morris bezog dort zusammen mit seinem Studienfreund Edward Burne-Jones eine Wohnung in Blooms-bury Camden, in der zuvor Rossetti gelebt hatte und die gegenüber dem working men’s college lag. Morris, Burne-Jones und Webb reisten gemeinsam auf den Kontinent, um die gotischen Kathedralen Nordfrankreichs zu besichtigen. Auf der Reise beschloss Morris, dass Webb für ihn Red House entwerfen sollte, das Morris und seiner zukünftigen Frau Jane Burden nach der Heirat für einige Jahre als zu Hause dienen sollte. Red House war der erste Hausbau des angehenden Architekten Webb in seiner langen Laufbahn und es stellt eines der Hauptwerke seines Schaffens dar. Der Freundeskreis, der auch Rossetti und Brown sowie weitere Studienkollegen von Morris und Burne-Jones mit einschloss, wuchs immer mehr zusammen. Als Hochzeitsgeschenk gehörte zur Ersteinrichtung von Red House die Prioress’s Tale Wardrobe (101), das erste von Webb entworfene Möbel-stück, zu dem Burne-Jones die Bemalung beisteuerte. Alle gemeinsam bemalten sie die

Wände des neuen Hauses mit mittelalterlich anmutenden Mustern und gelangten darüber zu der Idee eine Inneneinrichtungsfirma zu gründen, bei der eine gotische Bauhütte den Mittelalter-Enthusiasten als Vorbild gedient haben konnte. Für die Rekrutierung geeigneter Handwerkender griffen sie auf ihre Verbindungen zum working men’s college und zum In-dustrial Home of Destitute Boys zurück. Diese beiden Institutionen waren durch personelle Überschneidungen miteinander verbunden, nicht zuletzt über einen ersten Auftraggeber von Webb mit Namen William Gillum. Durch das Aufzeigen der Verwobenheit der persönli-chen Beziehungen in Zusammenhang mit gemeinsamen Interessen ist von einer geteilten Idee von Kunst und Arbeit auszugehen. Wie Webb dieses Verhältnis gestaltete, wird die Auswertung seines Möbelwerkes ergeben.

Nach der Beschreibung des Gründungsprozesses von Morris & Co. folgt chronologisch in Kapitel 4 der Œuvre-Katalog von Webbs Möbelentwürfen. In diesem Rahmen findet die Gegenstandssicherung der vorliegenden Arbeit statt. Wo Stücke bereits Teil einer Samm-lung sind, ist diese Sicherung bereits passiert, kann aber wenn möglich verändert oder er-weitert werden. Wertvoll ist die Gegenstandssicherung, weil sie die Vorstufe jeder weiteren analytischen und interpretatorischen Behandlung der Untersuchungsobjekte sein muss.6 Denn besonders vor dem Hintergrund, dass Webbs Möbel auf dem Kunstmarkt veräußert werden und die Entwürfe in zum Teil unterschiedlichen Ausführungen gefertigt wurden, sind nicht-identische Repliken und Falschzuschreibungen an Webb mit geringem Aufwand und pekuniärem Vorteil verbunden. Mit Hilfe eines gesicherten Œuvre-Verzeichnisses kön-nen außerdem durch Vergleich leichter weitere Möbelentwürfe von Webb, als auch weitere Ausführungen bekannter Entwürfe, identifiziert werden. Zwei Unteraspekte der Gegen-standssicherung sind die Ortssicherung und die Alterssicherung. Helfen uns die Ortsüber-lieferungen und die Provenienz die Authentizität der Stücke zu untermauern, können wir mit Hilfe der Alterssicherung die Geschichte von Webbs Möbelschaffen verfassen.

Der Entstehungszeitpunkt der einzelnen Stücke erlaubt es, sie in chronologischer Rei-henfolge darzustellen. Damit ist ein analytischer Zugriff möglich, da wir nun die Werke in Zusammenhang zueinander betrachten können. Dieser Zusammenhang äußert sich in Veränderungen oder dem Ausbleiben von Veränderungen in einzelnen Stücken über die Zeit vor allem in Hinblick auf Form und Konstruktion. Bekommen wir die Veränderungen oder deren Ausbleiben zu fassen, kann Webbs Handschrift beim Entwerfen von Möbeln herausgearbeitet werden.

6 Belting 1996, S. 55.

Folgen die Entwürfe in engem zeitlichen Abstand aufeinander und kann die Alterssi-cherung wegen mangelndem Quellenmaterial nicht exakt passieren, wird davon ausge-gangen, dass optisch identische Formen auf eine enge zeitliche Abfolge der Entwürfe schließen lassen, das Ausbleiben von Veränderungen, weswegen die chronologische Ord-nung der Entwürfe durch die Sortierung nach gleichen Gestaltungsmotiven ergänzt wird.

Weiter wurde die systematische Gruppierung der Stücke im Œuvre-Verzeichnis durch ihre Funktion für den profanen und den sakralen Bereich vorgenommen. Diese zwei Funk-tionsbereiche sind durch die unterschiedlichen Sphären von privat und öffentlich für die sie gedacht sind, grundverschieden, so dass eine eigenständige Betrachtung der Werkkom-plexe angezeigt ist.

Außerdem sind die Stücke nummeriert, um eine eindeutige Namensgebung zur Identi-fikation zu ermöglichen. Die erste Stelle markiert dabei die Einordnung in die Kategorien Frühe Werkphase, Späte Werkphase und Sakrale Möbel, respektive 1,2 und 3. Die Zeh-ner-Stellen stellen die fortlaufende Nummerierung der Stücke in der jeweiligen Kategorie dar und sind höher, umso jünger das Möbel ist.

Der Katalog mit 40 Möbelentwürfen von Webb offenbart in seiner Auswertung mit Hilfe der in Kapitel 2 betriebenen Darstellung von Ruskins Werk über die Kunst der Gotik, dass nur die ersten Entwürfe und ihre Ausführung seinem Konzept von Kunst und Arbeit folgen.

Es sind die mit Szenerien bemalten Stücke, die auf der zweiten Weltausstellung 1862 ge-zeigt wurden, die den Ruf von Morris & Co. als mittelalterliche Werkstatt begründeten und Kunst sowie unentfremdete Arbeit im Sinne des gotischen Handwerkertums in Überein-stimmung brachten. Für Ruskin war das wichtigste Merkmal der Kunst der Gotik ihre

Es sind die mit Szenerien bemalten Stücke, die auf der zweiten Weltausstellung 1862 ge-zeigt wurden, die den Ruf von Morris & Co. als mittelalterliche Werkstatt begründeten und Kunst sowie unentfremdete Arbeit im Sinne des gotischen Handwerkertums in Überein-stimmung brachten. Für Ruskin war das wichtigste Merkmal der Kunst der Gotik ihre