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3. Biographisches

3.2 Philip Speakman Webb

Philip Speakman Webb wurde am 12. Januar 1831 in Oxford geboren. Als zweites von elf Kindern wuchs er im Haus von Elizabeth, geborene Speakman, auf. Sein Vater Charles Webb war von Beruf Arzt. Im Alter von Drei zog Webb mit seiner Familie innerhalb Oxfords in ein Haus mit großem Garten um. Lethaby stellt Webb als naturverbunden dar und sagt ihm eine große Zuneigung zu Tieren, besonders zu Pferden, nach.128 Mit Vergnügen hat sich Webb an den Jahrmarkt erinnert, der im September nach Oxford kam. Auch Oxford als Bauensemble blieb ihm in guter Erinnerung: „I was born and bred in Oxford, and had no other teacher in art than the impressive objects of the old buildings there, the effect of which on my natural bent has never left me.“129 Mit acht Jahren wurde Webb ins 15 Meilen entfernte Aynho auf ein Internat geschickt. In Webbs Erinnerungen waren es an der

Schu-128 Bei Kirk 2005, S. 11 und 13 sind undatierte Tierzeichnungen von Webb abgedruckt.

129 Zit. n. Lethaby 1935, S. 7; vgl. auch Burman 1999, S. 4 f.

le keine glücklichen Zeiten. In diesem Zusammenhang erwähnt Lethaby, dass Webb sich immer negativ über boy farms geäußert hatte.130 Boy farms sind allerdings Einrichtungen, in denen Waisenkinder oder verhaltensauffällige Kinder eine intensive Betreuung erhalten sollten. Später wird Webb mit dem Industrial Home of Destitute Boys als eine dieser Ein-richtungen in Kontakt kommen. Dort wurden einige seiner ersten Möbelentwürfe gefertigt.

Im Jahr 1848 stirbt Webbs Vater im Alter von 53 Jahren und Webb, nun selbst 18 Jah-re alt, fängt zu Beginn des darauffolgenden JahJah-res eine LehJah-re im Architekturbüro von John Billing in Reading, ungefähr 25 Meilen von Oxford entfernt, an. Am 7. Mai 1852 setzt Bil-ling für Webb ein Empfehlungsschreiben auf, in dem er seine volle Zufriedenheit aus-drückt. Außerdem war Webb in den höchsten Kursen für Zeichnen und „designing“ sehr erfolgreich, besonders in jenen zu einigen gotischen Stilen.131

Im April 1854 verlässt Webb Billing und wechselt in ein Büro in das 90 Meilen von Ox-ford entfernte Wolverhampton. Dort schien er allerdings höchst unzufrieden zu sein, denn er verlässt es nur vier Wochen später wieder, um zu George Edmund Street (1824–1881) zurück nach Oxford zu wechseln. Dafür nimmt Webb eine Halbierung seines Gehalts in Kauf, doch arbeitete er nun in der Straße, in dem sich sein Geburtshaus befand. Street zeichnete sich durch seine Assistenz-Tätigkeit für den Architekten George Gilbert Scott aus. Er war von der Diözese von Oxford zu ihrem Architekten ernannt worden und wurde von der Cambridge Camden Society hoch geschätzt.132 Scott, Street und die Cambridge Camden Society sind durch ihre Bewunderung von Augustus Welby Northmore Pugins Werk verbunden, der für die Gesellschaft das Vereinsembleme entwarf. Pugin (1812–

1852) gehört zu den Begründern des Gothic Revival und ist wichtiger Bezugspunkt für John Ruskins theoretische Betrachtung der Kunst der Gotik. Webb suchte also bewusst den Anschluss an die Schule des Gothic Revival und fand ihn bereits während seiner Aus-bildung.

Webb machte seine Arbeit für Street, der nur sieben Jahre älter war als er, anschei-nend gut, denn nach dem ersten Jahr verdoppelte Street sein Gehalt auf 100 Pfund. Im Juni 1856 wurde Webb Mitglied der Oxford Architectural Society. Im selben Jahr zieht Street allerdings nach London, wohin Webb ihm folgte. Die Vereinigung, der auch Ruskin angehörte, hatte in der Cambridge Camden Society ihr Pendant. Die Gruppen pflegten of-fiziell einen freundschaftlichen Umgang miteinander. Das Publikationsorgan der

Cam-130 Lethaby 1935, S. 8.

131 Das gesamte Schreiben ist bei Lethaby abgedruckt: Ebd., S. 9 f.

132 Kirk 2005, S. 12 f.

bridge Camden Society The Ecclesiologist veröffentlichte Berichte über die Aktivitäten der Gruppe aus Oxford. Deren Aktivitäten gestalteten sich aber in akademischer Weise und betrachteten den Bezug zur Gotik aus antiquarischem Interesse, während die Cambridge Camden Society einen religiösen Feldzug mit der Gotik verband. The Ecclesiologist mo-nierte, dass die Oxford Architectural Society den gotischen Stil nicht als den einzigen wahrhaft christlichen Stil bezeichnen und nicht alle anderen Stile ablehnen würde. Außer-dem wurde kritisiert, dass sie sich nicht für einen grundlegenden Ansatz zu Fragen der Kir-chenrestaurierung und des Kirchenneubaus aussprechen würden. In der Tat richtete die Oxford Architectural Society ihr Interesse auch auf alte Brücken, Gutshäuser und andere Profanbauten.133 Dementsprechend stellte Webb in London 1858 im Rahmen der Ausstel-lung der Architectural Association Entwürfe eines „covered market for a country town“ und einen „public fountain“ aus.134 Während also Pugin als Begründer des Gothic Revival auch religiöse Motive leiteten, schien sich Webb den AnhängerInnen einer säkularen Betrach-tung der Gotik angeschlossen zu haben. Weiter schien Webb ein mindestens kritisches Verhältnis zu der Art oder den Inhalten seiner Ausbildung gehabt zu haben, denn die Ar-chitectural Association London, bei der Webb ausgestellt hatte, wurde 1847 von einer Gruppe von Auszubildenden gegründet, die mit ihrer Lehre unzufrieden waren und den Aufbau einer geregelten Ausbildung selbst in die Hand nehmen wollten.135

Zu Beginn des Jahres 1856 lernte Webb William Morris kennen, der sich zuvor auf sei-ner zweiten Frankreich-Reise dazu entschlossen hatte, der Theologie den Rücken zuzu-kehren und sich der Architektur zuzuwenden, worauf er ebenfalls bei Street eine Lehre be-gann.136 Die Freundschaft zwischen Webb und Morris wird ihr gesamtes Leben lang an-dauern und zusammen werden sie in Hinblick auf unser Interesse das wichtige Projekt, in dessen Rahmen ein großer Teil der Möbel entstanden ist, gestalten: Morris & Co. Kurz be-vor sich die beiden kennenlernten, also unabhängig von Morris, kaufte Webb im Dezem-ber 1855 Ruskins The Stones of Venice in der drei-bändigen Auflage.137 Im zweiten Band ist das berühmte Kapitel The Nature of Gothic enthalten, in dem Ruskin darlegt, dass in der Freiheit des gotischen Handwerkenden der Grund für die Superiorität des gotischen Stils gegenüber den anderen Stilen liege. Ruskins historisierende Darstellung der Arbeits-bedingungen der Handwerkenden, führt er in dem Kapitel aus, würden in direktem

Zusam-133 White 1962, S. 24; S. 42–44.

134 The Architectural Exhibition 1858, S. 46.

135 Bottoms 2010, abgerufen unter: https://www.aaschool.ac.uk/AASCHOOL/LIBRARY/aahistory.php [20.12.2018].

136 Mackail 1901, S. 78.

137 Lethaby 1979, S. 235.

menhang stehen mit den zur Zeit der Gotik entwickelten Ornamentformen. In den 1890er Jahren legte Morris das Kapitel erneut auf. Festzuhalten ist, dass Webb Ruskin direkt rezi-pierte, die Gotik schätze, allerdings nicht für ihre religiösen Implikationen, und einen anti-quarischen Ansatz beim Studium ihrer Formen wählte.

3.3 William Morris und The Oxford and