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2. Gütergewerbereform und Historismus

2.2 Gütergewerbereform

2.2.4 Das Direktorat unter Dyce

Anfang des Jahres 1838 kehrte William Dyce vom Kontinent zurück, auf den er vom Board of Trade geschickt worden war, um das französische und deutsche Kunstgewerbeerzie-hungssystem zu studieren. Nachdem er seinen Bericht dem Verwaltungsgremium vorge-legt hatte und der Direktor der Schule, unterstützt von Vorwürfen wegen Nepotismus, ab-gesetzt worden war52, machte sich Dyce als neuer Direktor daran das deutsche System der Gewerbeschule zu installieren. Zuerst musste jedoch das Problem der geringen Teil-nahme an den Unterrichtseinheiten behoben werden. Nach Macdonald lag sie an den ho-hen Gebühren zur Teilnahme, der Konkurrenz durch das mechanics’ institute und dem Auf-kommen einer weiteren Konkurrenzinstitution. Ewart, Haydon und weitere hatten die Soci-ety for Promoting Practical Design gegründet und organisierten Unterricht in den Fächern Anatomie, Design, Farbe und Zeichnen. Das Besondere war, dass das Zeichnen nicht nur an Antiken geübt wurde, sondern auch am lebenden Modell. Das machte die Schule für HandwerkerInnen attraktiver als die Normal School, da dieses Vorgehen einer KünstlerIn-nen-Ausbildung entspricht. So wurde vom Verwaltungsrat der alte Beschluss zurückge-nommen und nun das Zeichnen nach dem lebenden Modell erlaubt und zu diesem Zweck ein weibliches und ein männliches Modell angestellt.

50 Macdonald 1970, S. 71.

51 Ebd., S. 73–75.

52 Council of the Government School of Design, Bd. 1, 1849, S. 37; Papworth wird abgesetzt und sein Sohn als Sekretär auch.

Der Lehrplan von Dyce sah ein sieben-stufiges System vor, an dessen Ende allerdings erst nach dem Modell gezeichnet werden sollte.53 Eingeschränkt wurde dieses Angebot von der Vorgabe, dass die zukünftig anvisierte Profession der Schülerschaft eben dies auch erforderte. Nach Vorgabe war dies nur in den Gewerben der Fall, wo die menschli-che Figur häufig anzutreffen war. Dazu gehörten die Arabesken-Malerei, die Tapeten-Dru-ckerei und die Metallverarbeitung. In einer dreimonatigen Probezeit zu Beginn der Ausbil-dung mussten die Teilnehmenden angeben, auf welche ornamental manufacture oder de-corative art sie später ihre erlernten Fähigkeiten anwenden wollten.54 Dutta zitiert Dyce aus seinem Lehrbuch für die Normal School of Design mit den Worten: „[..] ornament thus

„ranks midway between the fine arts and the arts purely mechanical, and partakes of the nature of both.„[..] for the architect, so far as imitative art is concerned, is really an orna-mentist.“55

Zur Umsetzung des Gewerbeschulen-Konzepts wurde eine Werkstatt eingerichtet und mit einem Jacquard-Webstuhl ausgestattet. Doch die jungen HandwerkerInnen kannten sich entweder bereits aus in der Textilindustrie oder hatten einfach kein Interesse an der Ausbildung an dem automatisierten Stuhl. So wurde die Werkstatt binnen eines Jahres wieder geschlossen. Da die Teilnehmendenzahl keine Steigerung erfuhr, wurden die Schulgebühren für die Morgenklasse auf ein Viertel und die für die Abendklasse auf die Hälfte reduziert.56 Diese Maßnahme hatte Erfolg und im Jahr 1840 erfuhr die Anzahl eine kontinuierliche Steigerung. 1841 konnten die ersten fortgeschrittenen SchülerInnen zu LehrerInnen für das Ornament-Zeichnen ausgebildet werden. Dadurch sollten die älteren Zeichenlehrer der Akademie ersetzt und der Bedarf der immer mehr werdenden Provinz-schulen gedeckt werden können. Allerdings waren die AbsolventInnenzahlen zu gering, als dass das staatliche Kunsterziehungssystem damit beginnen konnte, sich selbst zu repro-duzieren.57

Mit Provinzschulen sind jene Schulen gemeint, die außerhalb von London lagen. Die Bindung durch das Zentrum in London wurde am Anfang durch Geldzahlungen etabliert.

London bezahlte die Gehälter der Lehrkräfte, soweit vom Board of Trade bewilligt, und die Dependancen mussten selbst für die Räumlichkeiten sorgen. Später wurden weitere Kon-trollinstanzen eingeführt, weil die Schulen sich ohne Aufsicht in Ausbildungsstätten für

Ma-53 Council of the Government School of Design, Bd. 1, 1849, S. 62; Vorschlag zur Einführung auf S. 51.

54 Macdonald 1970, S. 80–82.

55 Zit. n. Dutta 2007, S. 127.

56 Council of the Government School of Design, Bd. 1, 1849, S. 50.

57 Macdonald 1970, S. 83–84.

lerInnen verwandelten. So geschah es auch in Manchester 1840, von wo aus der erste An-trag auf Unterstützung gestellt worden war.

Bereits im Oktober 1838 wurde eine Design-Schule in Manchester gegründet. Die Initi-ative dazu ging von Haydon aus, der mit der Einrichtung einer Kunstschule für Design nach französischem Vorbild in London und Vorträgen in verschiedenen Städten gegen die offiziellen Design-Schulen agitierte. Damit erreichte er einen Banker aus der Stadt und zu-sammen mit weiteren UnternehmerInnen riefen sie die School of Design ins Leben. Der eingesetzte Lehrer war Maler und für ihn führte in der Ausbildung seiner Schülerschaft kein Weg am Zeichnen nach dem lebenden Modell vorbei. Der ehrenamtliche Sekretär der Schule folgte diesem Anliegen prinzipiell: „If there was not the distinction between High and Ornamental Art, we should get a better standard.“58 Das endlose Kopieren von Orna-mentformen lehnte er ab und trat für ein Studium der Natur ein. Aus der starken Konzen-tration des Unterrichts auf das Zeichnen ergab sich dann, dass die fortgeschritteneren SchülerInnen sich der Kunst widmen wollten und nicht dem Design. Die UnternehmerIn-nen in dem Verwaltungsrat der Schule sahen das nicht als Problem an und legten auch keinen Wert auf eine Art Berufsausbildung. Vielmehr waren sie stolz auf ihre Kunstschule und empfanden den Einfluss von Kunst als förderlich für die HandwerkerInnen in den Kali-ko-Druckereien.

Es dauerte bis zur Ratssitzung im Februar 1842, dass die angefragten Gelder für die offizielle Normal School of Design in Manchester bewilligt worden waren.59 1843 entschied sich das Board of Trade bereits die Schule inspizieren zu lassen und schickte dazu Dyce nach Manchester. Zuvor übersandte Dyce dem Lehrer vor Ort das Regelwerk der Design-Schule, wonach niemand unterrichtet werden sollte, der oder die es anstrebte KünstlerIn zu werden. Auch im Verwaltungsrat geriet der Zeichenunterricht unter Beschuss und die Klasse am Morgen, in der nach der Natur gezeichnet wurde, wurde eingestellt und durch eine Ornamentklasse ersetzt. Außerdem wurden Gipsabgüsse von antiken Ornamentfor-men angeschafft.60 Im Vorwort zu dem von Dyce in den 1840ern entwickelten Lehrbuch für die Design-Schulen hielt er fest, dass die griechischen Ornamente keine Anwendung ex-akter geometrischer Berechnungen seien, sondern nur Annäherungen an diese, weswe-gen der zeitweswe-genössische Ornamentist sich zwischen künstlerischer Imitation und prakti-scher Geometrie bewegen müsse.61 Die fortgeschrittenere Schülerschaft verließ daraufhin

58 Ebd., S. 86.

59 Council of the Government School of Design, Bd. 1, 1849, S. 115.

60 Council of the Government School of Design, Bd. 1, 1849, S. 182–183.

61 Abgedruckt in: Dutta 2007, S. 122.

die Schule und nahm entweder an Haydons Unterrichtsklassen teil wie in London oder sie organisierte sich selbst Räume und Modelle zur Übung. Als Dyce in Manchester ankam, verlangte er die Einführung von geometrischen Entwürfen, Zeichenbüchern und Papier mit Gitternetz. Im Gespräch mit UnternehmerInnen musste Dyce feststellen, dass sie über das Training im Freihandzeichnen und den Einfluss von Kunst generell sagten, dass es den Fähigkeiten und dem Geschmack der HandwerkerInnen zu gute kam, die nämlich bereits im Weben und Musterzeichnen befähigt seien. Sie äußerten sogar die Befürchtung, dass bei der Einführung von Training im Musterzeichnen UnterstützerInnen der Schule absprin-gen würden. Nachdem Dyce nach London zurückgekehrt war, wurde ein Brief mit seinen Anweisungen verfasst und nach Manchester geschickt, um die Intervention offiziell zu ma-chen. Danach wechselte Dyce auf den Posten des Inspektors der Provinzschulen und ein neuer Leiter für Sommerset House wurde eingesetzt und damit auch für die Aufsicht der Dependancen.62