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Wertorientierte Berichterstattung als Lösungsansatz

Informationen kapitalmarktorientierter Unternehmen 1 Bedeutung von Informationen im Kontext des Kapitalmarktes

4 Berichterstattung über strategieorientierte Sachverhalte in der externen Rechnungslegung Sachverhalte in der externen Rechnungslegung

4.1.3 Wertorientierte Berichterstattung als Lösungsansatz

Wenn die Rechnungslegung per se nicht geeignet ist, den ,tatsächlichen' inneren Wert zu kommunizieren, könnte eine ergänzende, explizit kapitalmarktorientiert ausgerichtete Berichterstattung erfolgen, die eine Darstellung der für ein Unter-nehmen relevanten Werttreiber ermöglicht, um Investoren bei der Schätzung des inneren Werts und insofern bei ihren Allokationsentscheiden zu unterstützen.482 Für eine solche Ergänzungsleistung und kapitalmarktorientierte Ausrichtung der traditionellen Finanzberichterstattung erscheint eine Berichterstattung zu nicht-finanziellen Sachverhalten, wertorientierten Angaben sowie kritischen Erfolgs-faktoren und zukunftsorientierten Indikatoren der langfristigen Entwicklung des Unternehmens adäquat.483 Als Abgrenzungskriterium kann insofern gelten, dass es sich dabei um Informationen zu sämtlichen Ressourcen handelt, die bilanziell bislang nicht oder nicht vollständig als materielle sowie finanzielle Güter erfasst werden - und deshalb als Wertkomponente unberücksichtigt bleiben: ,,However, financial statements do not provide all the information that users may need to make economic decisions since they largely portray the financial effects of past events and do not necessarily provide non-financial information."484

An dieser Stelle wird die kapitalmarktinduzierte Bedeutung des Lageberichts be-reits greifbar - er scheint das Berichtsinstrument zu sein, das geeignet wäre, die benötigten Informationen bereitzustellen, ohne jedoch das System der externen Rechnungslegung zu verlassen bzw. ohne dieses in seiner Struktur grds. in Frage zu stellen.485 Vielmehr wäre zu erwarten, dass das System der Rechnungslegung einen idealen Rahmen zur wertorientierten Berichterstattung innerhalb des Lage-berichts bietet, indem sich deren zentrale Attribute der Verlässlichkeit bzw. Ver-bindlichkeit idealerweise positiv auf die erweiterten Berichtsinhalte auswirken.

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Faktoren mit Einfluss auf den inneren Wert werden auch als Werttreiber bezeichnet. Sie gelten als zentrale Determinanten für unternehmerischen Erfolg, vgl. Krüger/Schwarz (1990), S. l 79f. Die wertorientierte Berichterstattung muss in der Lage sein, Werttreiber zu identifizieren und zu kommunizieren, vgl. so Fischer/Wenzel (2004), S. 305f.

Vgl. Fischer/Wenzel (2002), S. 327, auch Böcking (1998), S. 44.

IASB (2009a), Tz. 13. Das IASB gesteht folglich einen Mangel an nicht-finanziellen In-formationen, den das IFRS-Regelwerk des IASB bewirkt, ein.

Vgl. ähnlich Haller/Dietrich (2001c), S. 166; Krawitz/Hartmann (2003), S. 303.

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Es wurde bereits aufgezeigt, dass die IFRS als wesentlicher Rechnungslegungs-standard der kapitalmarktorientierten Unternehmen in Europa gegenwärtig kein dediziertes Berichtsinstrument für nicht-finanzielle Inhalte bereithalten, ein dem Lagebericht nach HGB vergleichbares Instrument für die qualitativ-verbale Be-richterstattung existiert nicht.486 Obwohl dies auf den ersten Blick unvollständig wirken mag, erfolgt die Konzentration der IFRS auf finanzielle Transparenz be-wusst - schließlich wird in der Realität aufgrund nationalstaatlicher Vorschriften innerhalb der EU, spezifisch in Deutschland, stets ein Lagebericht aufgestellt.487 Jener kann schließlich als das wesentliche Berichtsinstrument der Kapitalmarkt-kommunikation zu wertorientierten bzw. nicht-finanziellen Inhalten gelten - und ist in seiner Bedeutung folglich kaum zu überschätzen.488

Die vorstehenden Ausführungen zu den bestehenden Unzulänglichkeiten der ex-ternen Rechnungslegung zur Kommunikation wertrelevanter Sachverhalte sind wohlgemerkt explizit aus der Kapitalmarktperspektive zu betrachten: Trotz einer Konzentration auf die besprochenen Einschränkungen ist die Rechnungslegung nicht ernsthaft in Frage zu stellen: Sie hat verschiedenen Zwecken zu dienen und diversen Adressatengruppen simultan gerecht zu werden und kann als durchaus

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Wenngleich innerhalb der IFRS ein zum Lagebericht adäquates Instrument gegenwärtig nicht existiert, findet sich in IAS 1.13 dennoch ein Hinweis auf einen „financial review by management", also einen qualitativ-verbalen Managementbericht, u.a. über Einflüsse von Umweltbedingungen bzw. über Ressourcen, die nicht in der Bilanz abgebildet sind, vgl. IASB (2009c), IAS 1, Tz. 13. Dieser besitzt aber keine Verbindlichkeit, vgl. Baetge et al. (2009a), S. 514; Krawitz/Hartmann (2003), S. 302. Zuvor existierte eine Berichts-empfehlung in IAS 1, heute nur noch die Feststellung, dass viele Unternehmen derartige Berichtsinhalte in praxi bereitstellen. Eine Motivation zur freiwilligen Aufstellung ist de facto nicht gegeben, eine Grundlage zur umfassenden Kommunikation nicht-finanzieller Inhalte ergibt sich aus den IAS/IFRS folglich nicht.

Das IASB gesteht daher bereits im Framework der IFRS Defizite bzgl. nicht-finanzieller Berichterstattung ein, vgl. IASB (2009a), Tz. 13. Dies wird v.a. begründet mit der Ziel-setzung, wirtschaftliche Sachverhalte allein auf finanzieller Basis abzubilden, vgl. eben-da, Tz. 12. Ebenso kann der supranationale Charakter der IFRS als Begründung dienen:

Da stets nationalstaatliche Rechtsnormen (z.B. Haftungsrecht) anzuwenden sind, scheint die vergangenheitsorientierte und finanziell ausgerichtete Berichterstattung eher als ein-heitlicher Rechnungslegungsrahmen durchsetzbar als eine Berichterstattung unter Ver-wendung qualitativer, nicht-finanzieller Inhalte. In Deutschland resultiert die Pflicht zur Aufstellung des Lageberichts daher aus §§ 289 bzw. 315 HGB, vgl. Abschnitt B 3.1.

Vgl. bspw. Fink (2006), S. 14lf.

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bewährte Kompromisslösung gelten.489 Zudem ist - insb. vor dem Hintergrund komplexer realer Strukturen der Unternehmen - ihre Standardisierungsleistung, die nicht nur perioden- sowie branchenübergreifende Vergleichbarkeit, sondern auch eine solide Rechenschaftsablage gewährleistet, zu würdigen.490 Dass Bilanz und Erfolgsrechnung nicht dazu ausgelegt sind, strategische Erfolgsfaktoren der heutigen Zeit abzubilden, darf nicht erstaunen - wenngleich dies auch wiederum nicht als Begründung dienen kann, nicht-finanzielle Größen sowie immaterielle Werte in der Berichterstattung nur unzureichend abzubilden. Für wertorientiert denkende Manager scheint geboten, ergänzend zur normierten Rechnungslegung entscheidungsnützliche Angaben über wesentliche Werttreiber bereitzustellen.491 Das heißt allerdings nicht, dass eine Fortentwicklung der quantitativ-monetären Berichterstattung grds. keine Berechtigung hat - im Gegenteil. Es geht vielmehr um ein optimales Zusammenspiel von verbesserter finanzieller Berichterstattung sowie ihre Flankierung durch ergänzende, wertorientierte Informationen.492 Als Lösungsansatz scheint es also denkbar, die bestehenden Berichtsinstrumente der externen Rechnungslegung, spezifisch den Lagebericht, um wertorientierte Inhalte anzureichern. Dies könnte verschiedene positive Effekte hervorrufen, die sowohl für berichtende Unternehmen als auch für die Akteure am Kapitalmarkt attraktiv klingen: Zunächst würde die erweiterte Berichterstattung das Verständ-nis für die Unternehmensentwicklung fördern und unternehmensindividuelle Ur-sache-Wirkungs-Zusammenhänge transparenter machen. In der Folge könnte ein reduzierender Effekt auf die Risikoposition der Investoren vermutet werden, zu-dem kann intensive wertorientierte Berichterstattung als ein wahrzunehmendes, glaubhaftes Differenzierungsmerkmal seitens eines Kapitalnachfragers gelten.493

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Bzgl. der Heterogenität der Adressaten sei z.B. auf Gläubiger verwiesen, die andere In-formationsbedarfe haben als Aktionäre, vgl. z.B. LabhartN olkart (2001 ), S. 116.

Vgl. Labhart/Volkart (2001), S. 116. Die ggf. als limitierend wahrgenommenen Normen sind hier als notwendige Eigenschaft interpretiert, als „Leitplanken der Aussagekraft".

Vgl. im Detail Stauber (2004), S. l 15ff. Unternehmen, die dies erkennen und sich dazu in der Lage fühlen, können Angaben bereitstellen, deren Publikation nicht verpflichtend ist. Dies würde als glaubhaftes Signal erkannt. Bessere Finanzberichterstattung erübrigt die Notwendigkeit ergänzender Berichterstattung grds. nicht, so Küting (2000a), S. 154.

Vgl. bspw. auch Amir/Lev (1996), S. 4, auch bereits Beermann et al. (1976), S. 197.

Vgl. mit dieser Argumentation bspw. Ruhwedel/Schultze (2002a), S. 604f.

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