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Status der Kodifizierung einer strategieorientierten Berichterstattung im Lagebericht Berichterstattung im Lagebericht

Informationen kapitalmarktorientierter Unternehmen 1 Bedeutung von Informationen im Kontext des Kapitalmarktes

4 Berichterstattung über strategieorientierte Sachverhalte in der externen Rechnungslegung Sachverhalte in der externen Rechnungslegung

4.3 Der Lagebericht als Kernmedium der Berichterstattung über strategieorientierte Inhalte über strategieorientierte Inhalte

4.3.2 Status der Kodifizierung einer strategieorientierten Berichterstattung im Lagebericht Berichterstattung im Lagebericht

Wie dargestellt wurde, erscheint der Lagebericht als zweite unabhängige Säule der externen Berichterstattung und entkoppelt von den GoB in idealer Weise für eine Bereitstellung qualitativ-verbaler Informationen geeignet. Demzufolge böte er sich gleichfalls für eine Berichterstattung zu strategieorientierten Inhalten an, die als primärer Berichtsinhalt verschiedener Value Reporting-Konzeptionen ab-geleitet und deren Relevanz für die Kapitalmarktakteure aufgezeigt wurde.546 Im Status quo sind strategieorientierte Berichtsinhalte eindeutig als Element der freiwilligen Berichterstattung zu charakterisieren, eine explizite Forderung nach Strategieinhalten findet sich in den relevanten Rechtsgrundlagen der deutschen Lageberichterstattung bis dato nicht, was angesichts der generellen Zielsetzung der Lageberichterstattung, über die Lage der Gesellschaft und deren voraussicht-liche Entwicklung zu berichten, bereits als fragwürdig beurteilt wurde.547 Bemerkenswert ist indes, dass sich der deutsche Gesetzgeber sowie der deutsche Standardsetter im Zuge der Erarbeitung des BilReG bzw. des konkretisierenden DRS 15 bereits intensiv mit einer Kodifizierung strategieorientierter Berichtsan-forderungen auseinandergesetzt haben, wie die folgenden Ausführungen zeigen:

(a) Kodifizierung von strategieorientierten Berichtsinhalten im HGB Eine explizite Forderung nach strategieorientierten Berichtsinhalten erfolgte im Rahmen des Referentenentwurfs zum BilReG, der für die Neufassung des § 289 Abs. 1 S. 4 die folgende Formulierung vorschlug: ,,ferner sind im Lagebericht die wesentlichen Ziele und Strategien der gesetzlichen Vertreter der

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Vgl. Kajüter (2004), S. 197; Schultze et al. (2007), S. 563f.

Vgl. Streim (1995), S. 719ff., der explizit empfiehlt, den Lagebericht als Instrument zur externen strategieorientierten Kommunikation zu nutzen.

Es wird nochmals Bezug genommen auf die Formulierung in§§ 289 Abs. !, 315 Abs. 1 HGB, welche die ,Generalnorm der Lageberichterstattung' beinhalten, vgl. auch S. 103.

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schaft zu beschreiben sowie die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesent-lichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern."548 Der Gesetzgeber zielte mit diesem im Dezember 2003 vorgelegten Entwurf eindeutig auf die Er-höhung des Gehalts an strategieorientierten Informationen im Lagebericht ab.549 Diese Formulierung fand sich ebenso nahezu wortgleich im Regierungsentwurf zum BilReG, der im Oktober 2004 eingebracht wurde.550 Allerdings empfahl der Rechtsausschuss im Anschluß die ersatzlose Streichung des Berichtsteils mit der Begründung der voraussichtlich nur mangelnden Beachtung jener Norm, ,,da die Unternehmen hierzu keine konkreten Angaben machen werden und möglicher-weise auch nicht machen können"551 . Schließlich enthielt die finale Fassung des BilReG, die am 09.12.2004 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde und am darauffolgenden Tag in Kraft trat, keine Berichterstattungspflicht für Strategie-angaben. 552 Diese Änderung wurde von Seiten der Rechnungslegungsforschung und -lehre heftig kritisiert, was die Bedeutung von bzw. die Aufmerksamkeit für strategieorientierte Berichtsinhalte erneut deutlich unterstreicht.553

(b) Kodifizierung von Strategieinhalten in DRS 15 bzw. E-DRS 20 Der Entwurf eines Rechnungslegungs Standards zur Lageberichterstattung (sog.

E-DRS 20) kann - da er, wie zuvor in Abschnitt B 3.3.2 ausgeführt, zeitlich be-reits vor dem RefE-BilReG vorgelegt wurde - als zentraler Ausgangspunkt der Kodifizierung strategieorientierter Berichtsinhalte in den einschlägigen Normen

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BMJ (2003), RefE-BilReG, Entwurf zu§ 289 Abs. 1 S. 4 HGB, S. 5.

Vgl. BMJ (2003), RefE-BilReG, Begründung zum RefE-BilReG, S. 25.

Vgl. Dt. Bundestag (2004), ST-Drucksache 15/3419, RegE-BilReG, Entwurf zu § 289 Abs. 1 S. 4 HGB, S. 8. Vgl. auch Greinert (2004), S. 54 mit der spitzen, aber korrekten Anmerkung, dass die „Ziele für die Kapitalgesellschaft", nicht jedoch die persönlichen Ziele des Managements zu beschreiben sind. Dieser offensichtliche Fauxpas des RefE-BilReG wurde bei Einbringung des Regierungsentwurfs in den Dt. Bundestag korrigiert.

Vgl. Dt. Bundestag (2004), ST-Drucksache 15/4054, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, S. 37f. Dieser Bericht wurde am 27.10.2004 vorgelegt.

Vgl. die Änderungen der HGB-Norrnen im BGBI. (2004), S. 3166ff., zu§ 289 Abs. 1 S.

4 HGB (S. 3167) und zu § 315 Abs. 1 S. 4 HGB (S. 3169) in der Fassung nach BilReG.

Vgl. exemplarisch die Anmerkungen bei Baetge/Prigge (2006), S. 404; Buchheim/Knarr (2006), S. 415ff.; Fink/Keck (2005), S. 138; Freidank/Steinmeyer (2005), S. 2514 sowie Kaiser (2005a), S. 408ff. Als Ursache für eine Streichung dieses Passus vermuten bspw.

Baetge/Heumann (2006b), S. 349f. intensive Lobbyarbeit der Unternehmen, denkbar ist der Verweis auf die Wettbewerbssensitivität der Angaben, vgl. hierzu Abschnitt B 2.3.3.

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der deutschen Lageberichterstattung gelten: Obgleich die Modernisierungsricht-linie keinen Berichtsteil zu Zielen und Strategien vorsah, wurde dieser vom DSR proaktiv vorgeschlagen.554 Eine entsprechende Darstellung hat gemäß E-DRS 20 nicht nur die finanziellen bzw. nicht-finanziellen Ziele, sondern auch diejenigen Faktoren, Entwicklungen, Chancen und Risiken zu umfassen, die das Erreichen der Ziele wesentlich deterrninieren.555 Folglich empfahl der DSR eindeutig, den Lagebericht zu einem Medium der strategieorientierten Berichterstattung zu ent-wickeln.556 Im Anschluss an die Streichung der expliziten Forderung derartiger Inhalte im parallel erarbeiteten BilReG wurde dies ebenfalls im finalen DRS 15 reflektiert, inhaltliche Anhaltspunkte zur Strategie blieben jedoch erhalten.557 Obwohl die Kodifizierung der Berichterstattung zu strategieorientierten Inhalten folglich im Rahmen der Erarbeitung des BilReG diskutiert wurde, ist diese unter Hinweis auf die mangelnde Relevanz und die Wettbewerbssensitivität verworfen worden.558 Der deutsche Gesetzgeber bzw. sein Standardsetter haben somit nach h.M. in der einschlägigen Literatur die Chance vertan, im internationalen Kon-text eine Vorreiterrolle bzgl. einer Berichterstattung über strategieorientierte

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Vgl. DSR (2003), Tz. 34ff. Insofern ging der DSR mit jenem E-DRS 20 über Vorgaben der EU hinaus, denn ein Berichtsteil zur Strategie war keine Voraussetzung einer richt-liniengetreuen Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie (siehe Richtlinie 2003/51/EG), vgl. Kirsch/Scheele (2003), S. 2737. Es entspricht jedoch grds. dem Anspruch des DSR, sich als Impulsgeber im Bereich der Rechnungslegungsvorschriften zu positionieren.

Vgl. DSR (2003), Tz. 36ff. Darüber hinaus stellt der DSR den Management Approach als Lageberichtsgrundsatz auf und verlangt - konsequenterweise - eine Erläuterung von Zielen und Strategien aus Sicht des Managements, vgl. ebenda, Tz. 28.

Kritik wurde am E-DRS 20 geübt hinsichtlich des recht unkonkret wirkenden Strategie-begriffs in Tz. 1, vgl. Greinert (2004), S. 57f. sowie der zusammenhangslosen Berück-sichtigung strategischer Elemente in mehreren Berichtsteilen, so Scheele (2006), S. 169.

Zudem wurde grds. an der Berücksichtigung strategieorientierter Berichtsinhalte Kritik geübt, so bspw. vom IDW, vgl. DSR (2004a), Protokoll der Diskussion zu E-DRS 20.

Dies erfolgte zwangsläufig, da der DSR mit seinen Standards nicht über den gesetzlich gesetzten Rahmen hinausgehen darf. Dies zeigt sich auch bereits in E-DRS 20 n.F., vgl.

DSR (2004b). Hinweise auf strategieorientierte Angaben finden sich in DRS 15, Tz. 29, der die Darstellung von Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken - also Elementen der strategischen Analyse - fordert, sowie in DRS 15, Tz. 34, der einen Bericht über die Planung bzw. Erwartungen des Managements fordert - ohne dies explizit Strategie zu nennen, vgl. grdl. bei DSR (2005), DRS 15 bzw. aktuell DSR (2010), DRS 15 n.F.

Vgl. Dt. Bundestag (2004), ST-Drucksache 15/4054, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, v.a. S. 38: ,,werden sich aus den entsprechenden Anforderungen keine wesentlichen zusätzlichen Informationen über das Unternehmen ergeben".

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halte einzunehmen sowie den Lagebericht wertorientierter auszugestalten.559 Die Option der freiwilligen Berichterstattung blieb davon gleichwohl unberührt.560 (c) Normkonformität einer strategieorientierten Berichterstattung

Unabhängig von der konkreten Kodifizierung der Lageberichterstattung können bereits auf Basis der in den grdl. Normen der §§ 289 bzw. 315 HGB - sowohl in der Fassung vor als auch nach Bi!ReG - genannten Funktionen des Lageberichts inhaltliche Bezüge zur Strategie hergestellt und somit die Normkonformität der Berichterstattung über strategieorientierte Sachverhalte abgeleitet werden:561 Unter Rückgriff auf die ,traditionellen' Funktionen des Lageberichts - einer Er-gänzung und einer Verdichtung - eröffnet v.a. die zeitliche ErEr-gänzungsfunktion die Möglichkeit zur Rechtfertigung strategieorientierter Berichtsinhalte, da diese per se prognostischer Natur sind und einen Abschluss insofern zeitlich ergänzen.

Allerdings ist die sachliche Ergänzungsfunktion ebenfalls in der Lage, strategie-orientierte Inhalte zu rechtfertigen, da es sich bei diesen in erster Linie um nicht-finanzielle, qualitativ-verbale Inhalte handelt, die im Abschluss nicht dargestellt werden (können) und insofern unmittelbar ergänzenden Charakter erhalten.562 Gleichfalls kann die Verdichtungsfunktion als Argumentation für eine strategie-orientierte Berichterstattung genutzt werden, da vom Lagebericht gefordert wird, die quantitativen Angaben des Abschlusses zu einem kohärenten Gesamtbild zu verdichten sowie gesamthaft zu bewerten.563 Als übergeordneter Referenzpunkt

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Das war das eigentliche Ziel des DSR, vgl. DSR (2003), Anhang C 2 (E-DRS 20), Tz. 3.

Auch Baetge/Prigge (2006), S. 404; Fink/Keck (2005), S. 138; Scheele (2006), S. 176.

Argumentiert wurde, dass aus dem Wort „zumindest" in § 289 Abs. 1 S. 4 HGB in der Fassung vor BilReG die Zulässigkeit freiwilliger Angaben klar abgeleitet werden kann, vgl. Baetge et al. (2009b), S. 727, S. 768, dies. (2009a), S. 513; Kajüter (2004a), S. 200.

Dieses Wort wurde im Rahmen des BilReG gestrichen, vgl. Dt. Bundestag (2004), BT-Drucksache 15/3419, RegE-BilReG, S. 30. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine ,redaktionelle Vereinfachung', vgl. ebenda. Ein generelles Verbot freiwilliger Bericht-erstattung kann daraus jedenfalls nicht abgeleitet werden, vgl. Ellrott, (2006), Rn. 112.

Vgl. hier u.a. Scheele (2006), S. 158ff.; Fink/Keck (2004); Krumbholz (1994), S. 129ff.

Die Ergänzungsfunktion wurde mit Inkrafttreten des BiRiLiG in 1985 etabliert. Vorge-sehen ist die Ergänzung in sachlicher Hinsicht, d.h. Aspekte der wirtschaftlichen Lage, die nicht zur Vermögens-, Finanz-, Ertragslage zählen, und in zeitlicher Sicht, zur Über-windung der Vergangenheitsorientierung. Vgl. Kirsch/Köhrrnann (2007), Tz. 4ff.

Vgl. bspw. Baetge et al. (1989), S. 9.

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für diese Verdichtungsleistung bietet sich de facto nur die Strategie an, da letzt-lich alle Einzelaspekte der Lage eines Unternehmens in Bezug auf ihren Einfluss auf eine Erreichung eines gemeinsamen, übergeordneten Zieles hin zu würdigen wären.564 Wie in B 2.2.2 gezeigt, kann die Operationalisierung dieses allg. Ober-ziels des Unternehmens mit Hilfe des Wettbewerbsvorteils erreicht werden - die Strategie als Plan zur Erreichung dieses zentralen Zieles erscheint sodann als ge-eignete Strukturierungslösung für eine adäquate Berichterstattung zur Lage.

Auch die erst in den letzten Jahren dem Lagebericht zusätzlich zugeschriebenen Funktionen können als Rechtfertigung der strategieorientierten Berichterstattung dienen: So fordert die Beurteilungsfunktion das Management auf, seine eigenen Erwartungen bzgl. der künftigen Entwicklung im Prognosebericht transparent zu machen bzw. diese zu beurteilen. Es scheint auch in diesem Falle ausschließlich die verfolgte Unternehmensstrategie - als Ausdruck der langfristig angestrebten Entwicklungsrichtung des Unternehmens - geeigneter Beurteilungsmaßstab und Bezugsrahmen für die Ausführungen des Managements zu sein.565 Schließlich sollte aufgrund der Analysefunktion des Lageberichts eine systematische Unter-suchung der gegenwärtig oder in der Zukunft für die Lage und Entwicklung des Unternehmens relevanten Faktoren erfolgen. Zu jenen Faktoren, die Einfluss auf die Lage bzw. die Entwicklung des Unternehmens haben, dürfte auch - vor dem Hintergrund ihrer abgeleiteten Bedeutung - die Strategie selbst zählen.566

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Vgl. Baetge ( 1993), Sp. 1331. Der Autor definiert drei Teillagen: eine Vermögens-, eine Finanz- sowie eine Ertragslage. Diese sind gesamthaft, also verdichtet darzustellen. Die Strategie bietet sich als Referenzpunkt an, da sie nicht Teil einer dieser Teillagen ist.

Die Verdichtungsfunktion wurde dem Lagebericht durch das BiRiLiG zugeschrieben.

Vgl. zur Beurteilungsfunktion Kirsch/Köhrmann (2007), Rz. 7ff. Diese Funktion wurde dem Lagebericht durch das KonTraG im Rahmen der Risikoberichterstattung hinzuge-fügt. Das Management hat sodann zu beurteilen, ob berichtspflichtige Risiken bestehen.

Seit dem BilReG ist die Beurteilung in § 289 Abs. 1 S. 4 auch auf Chancen ausgeweitet.

Es wird erkennbar, dass mit der auf S. 103 formulierten Frage, inwieweit eine Berichter-stattung zur Lage sowie zur voraussichtlichen Entwicklung einer Gesellschaft überhaupt möglich ist, ohne jedoch auf die angestrebte Entwicklung, also die strategische Planung des Managements, einzugehen, implizit die Beurteilungsfunktion angesprochen wurde.

Vgl. zur Analysefunktion Höcking et al. (2003), S. 404ff. Diese wurde dem Lagebericht durch das BilReG zugeschrieben, das insg. dessen Berichtscharakter verschärfte. Es ist die Analysefunktion, die den Bericht für den Management Approach öffnet und die Er-gänzung von Angaben der internen Steuerung bewirkt, vgl. DSR (2005), Tz. 15.28.

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Zusammenfassend ist zum rechtlichen Status der strategieorientierten Berichter-stattung im Lagebericht festzustellen, dass trotz diverser Versuche, die explizite Kodifizierung innerhalb der einschlägigen Normen zu verankern, bis dato keine Verpflichtung zur Berichterstattung über strategieorientierte Sachverhalte ableit-bar ist. Gleichwohl können die gesetzlich fixierten Funktionen des Lageberichts verwandt werden, um die entsprechende, freiwillig erfolgende Berichterstattung - unabhängig von der Existenz einer expliziten Verpflichtung - zu rechtfertigen.

Es erscheint daher gleichfalls überlegenswürdig, ob sich auf Grundlage der dar-gestellten Funktionen des Lageberichts nicht sogar eine implizite Verpflichtung zu einer strategieorientierten Berichterstattung ableiten lässt.567

4.3.3 Supranationale Impulse für eine Berichterstattung