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Supranationale Impulse für eine Berichterstattung über strategieorientierte Inhalte über strategieorientierte Inhalte

Informationen kapitalmarktorientierter Unternehmen 1 Bedeutung von Informationen im Kontext des Kapitalmarktes

4 Berichterstattung über strategieorientierte Sachverhalte in der externen Rechnungslegung Sachverhalte in der externen Rechnungslegung

4.3 Der Lagebericht als Kernmedium der Berichterstattung über strategieorientierte Inhalte über strategieorientierte Inhalte

4.3.3 Supranationale Impulse für eine Berichterstattung über strategieorientierte Inhalte über strategieorientierte Inhalte

Eine Normierung von Lageberichtsinstrumenten in den Mitgliedsstaaten der EU erfolgt, wie erwähnt, grds. im Rahmen nationalstaatlicher Normierungsakte, eine einheitliche, supranationale Regelung, insb. eine Vorgabe von Seiten des IASB ist bis zum heutigen Tage nicht zustande gekommen. Gleichwohl wurden in den letzten Jahren vereinzelte Initiativen unternommen, um die europäische Lagebe-richterstattungspraxis rechtssystemübergreifend zu harmonisieren bzw. diese in-haltlich weiterzuentwickeln. Erwähnenswert scheint hier insb. ein Vorschlag der European Accounting Study Group, der im Jahre 2000 vorgelegt wurde.

Weiterhin hat das IASB bereits in 2002 ein Projekt mit dem Titel ,Management Commentary' initiiert, um einen eigenen Vorschlag zur Lageberichterstattung zu erarbeiten und ergo die quantitativ-finanzielle Orientierung der IFRS aufzulösen.

Sowohl jener Beitrag der European Accounting Study Group wie auch der Stand der Diskussion des IASB sind nachfolgend darzustellen, eine Fokussierung auf Forderungen nach strategieorientierten Berichtsinhalten erscheint konsequent:

567 Vgl. zu diesem Gedanken insb. auch Fink/Keck (2004), S. 1085. Die Autoren verweisen darauf, dass eine Berichterstattung zur geplanten Unternehmensentwicklung in der Zu-kunft die ,modernen' Funktionen der Beurteilung sowie der Analyse überhaupt erst er-möglicht und andere Funktionen dem nicht entgegenstehen.

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(a) Vorschlag einer strategiegeleiteten Lageberichterstattung

Bereits im Jahre 2000 stellte die NIVRA, die Vereinigung der Wirtschaftsprüfer der Niederlande, ein von der European Accounting Study Group ausgearbeitetes Positionspapier vor, welches als Beitrag zur internationalen Harmonisierung von Lageberichten zu interpretieren ist.568 Der Lagebericht wird in diesem Papier ex-plizit als ein Medium zur Bereitstellung von Zusatzinformationen zu den im Ab-schluss abgebildeten quantitativen Sachverhalten sowie als ein Mittel zur Über-windung informationeller Grenzen durch Ergänzung bzw. Verdichtung der Ab-schlussdaten positioniert. 569

Bemerkenswert ist an dem Entwurf in erster Linie, dass nicht nur eine strategie-orientierte Lageberichterstattung vorgeschlagen wird, sondern darüber hinaus die Strukturierung des Lageberichts entsprechend der strategischen Ausrichtung des Unternehmens empfohlen wird: ,,The structure of management's analysis should follow explicitly the strategy of the business" sowie „The economic rationale of the business strategy should be used as an explicit framework for a rigorous and balanced analysis. "570 Statt die Unternehmensstrategie also lediglich als bedeut-samen Bestandteil eines Lageberichts anzusehen, wird diese hier zum zentralen Gliederungsprinzip erhoben, die Strategie wird zur strukturierenden Logik eines Lageberichts. 571 Allerdings identifiziert jener Entwurf auch potenzielle Nachteile strategieorientierter Lageberichterstattung, die mögliche Wettbewerbssensitivität der Berichtsinhalte, Haftungsrisiken sowie die Verlässlichkeit der Informationen werden thematisiert.572

Zwar scheint der Entwurf der European Accounting Study Group auf den ersten Blick weitestgehend unkonkret, da er keine detaillierten Berichtsanforderungen

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Vgl. grdl. NIVRA (2000). Das Positionspapier wurde erarbeitet durch die sog. European Accounting Study Group unter Mitwirkung verschiedener europäischer Standardsetter, u.a. waren auch zwei Vertreter Deutschlands an der Ausarbeitung beteiligt.

Beide wörtlichen Zitate sind NJVRA (2000), S. 16 entnommen.

NIVRA (2000), S. 21. Eine konsequente Umsetzung des Management Approach macht folglich eine strategiegeleitete Lageberichterstattung unmittelbar erforderlich. Als Kern-Berichtsinhalte sind genannt: Vision, finanzielle und nicht-finanzielle Ziele, strategische Ausrichtung (Produkt-Markt-Kombinationen), Ressourceneinsatz, Risiken, Chancen.

Vgl. Steinmeyer (2009), S. 394; NIVRA (2000), S. 21.

Vgl. NIVRA (2000), S. 32ff.

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spezifiziert, sondern i.W. auf den Vorschlag, die Unternehmensstrategie als pri-märe Strukturierungslogik des Lageberichts zu verwenden, fokussiert. Doch er-folgt jene Konzentration bewusst: Die Verfasser positionieren ihren Entwurf ex-plizit als Gegenmodell zur fortwährenden Ausweitung der Berichtsinhalte.573 Einen weiteren Vorschlag für eine internationale Vereinheitlichung von Lagebe-richtsinstrumenten stellte im Jahr 2003 eine Arbeitsgruppe des IOSCO, des Ver-bandes der internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden, vor. Vorgelegt werden allerdings lediglich Prinzipien für die internationale Lageberichterstattung, ohne klare Empfehlungen für eine konkrete inhaltliche Ausgestaltung zu unterbreiten.

Interessant an dem Vorschlag ist jedoch, dass der Lagebericht ebenfalls explizit als verbales Berichtsmedium beschrieben wird, das primär qualitative Angaben vermittelt und insofern eine notwendige Ergänzung des Abschlusses darstellt.574 Wenngleich eine Berichterstattung zu strategieorientierten Inhalten nicht explizit gefordert ist, kann die Berücksichtigung derartiger Informationen als vollständig konform mit den formulierten Prinzipien gelten.

In beiden Entwürfen wird der Lagebericht folglich aufgrund seiner verbalen Er-läuterungen als kritisches Pendant zum Jahresabschluss und somit als wesentlich für ein solides Verständnis der Lage einer berichtenden Gesellschaft positioniert.

Aus internationaler Perspektive muss der Lagebericht also ebenfalls als ideal ge-eignet für eine Berichterstattung zu strategieorientierten Sachverhalten gelten.575 Wenngleich der Vorschlag der European Accounting Study Group deutlich über eine strategieorientierte Berichterstattung hinausgeht, da die Strategie sogar als die Richtschnur des Lageberichts empfohlen wird, unterstreicht dieser nicht nur eindrücklich die Relevanz, sondern auch die Notwendigkeit strategieorientierter Berichtsinhalte innerhalb von Lageberichtsinstrumenten.

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Vgl. NIVRA (2000), u.a. S. 6f. Ziel war es insb., einen Diskussionsprozess zur Weiter-entwicklung der internationalen Lageberichterstattung zu initiieren, das impliziert einen Verzicht auf konkrete Vorgaben für die Ausgestaltung des Lageberichts.

Vgl. grdl. IOSCO (2003). Das Technical Committee der ,International Organization of Securities Commissions' (IOSCO, Verband der internationalen Wertpapieraufsichtsbe-hörden) erlässt vereinzelt Hinweise an Standardsetter und Unternehmen zur Rechnungs-legung, die jedoch i.d.R. recht kurz und abstrakt gehalten sind.

Konsequenterweise umfasst das hier zitierte Papier auch nur sechs Seiten.

Vgl. hierzu bspw. Hartmann (2006 ), S. 31 Off.

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(b) Vorschlag des IASB zur strategieorientierten Lageberichterstattung Auch das IASB hat - als der für die Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen in Europa relevanter Standardsetter - die Debatte um eine den Ab-schluss ergänzende, primär qualitativ-verbale Berichterstattung aufgegriffen und daher Ende 2005 einen Entwurf zur eigenständigen Lageberichterstattung inner-halb des IFRS-Regelsystems vorgelegt.576 Dies ist insofern ein bemerkenswerter Schritt, als im Falle einer Realisierung eines entsprechenden Standards auch die Normierungskompetenz zum Lagebericht auf das IASB übergehen und insofern das beschriebene Zwei-Säulen-Modell der Vergangenheit angehören würde.

In seiner Begründung zu dem am 27.10.2005 veröffentlichten Diskussionspapier zur Lageberichterstattung verweist das IASB577 auf die Notwendigkeit einer in-haltlichen Ergänzung der primär quantitativ-monetär orientierten Financial State-ments um weitere Berichtselemente.578 Folgerichtig schlägt das IASB einen sog.

,Management Commentary' vor, der zur Veröffentlichung nicht-finanzieller und verbaler Berichtsinhalte und folglich zur Überwindung informationeller Grenzen von IFRS-Abschlüssen dienen sollte.579 Dieser vorgelegte Entwurf ist gleichfalls prinzipienbasiert und gibt nur Mindestinhalte für die Lageberichterstattung vor

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Vgl. bspw. Fink (2006), S. 141, auch Kirsch/Scheele (2006), S. 89; IASB (2005), Tz. 7:

,,financial statements are not sufficient to meet the objectives of financial reporting."

Das Management Commentary-Projekt wurde bereits im Oktober 2002 aufgesetzt, um die bekannte Lücke im IFRS-System zu schließen, vgl. IASB (2005), S. 3. Das Projekt-team wurde mit Vertretern verschiedener nationaler Standardsetter sowie externer Ex-perten besetzt, wobei insb. Staaten inkludiert wurden, welche bereits lange Erfahrung in der Lageberichterstattung haben, z.B. Deutschland, Kanada.

Interessant ist, dass das IASB nur als Herausgeber genannt ist und betont wird, dass das Diskussionspapier auf den Ausarbeitungen der Projektgruppe beruht: ,,A paper prepared for the IASB by staff of its partner standardsetters and others", IASB (2005), Deckblatt sowie „Accordingly, the recommendations do not necessarily represent the views of the IASB or its partner standardsetters", so IASB (2005), S. 2.

Vgl. IASB (2005), u.a. Tz. 4. Das Diskussionspapier, vorgelegt am 27.10.2005, basiert auf einem bereits im Dezember 2004 vorgelegten vorläufigen Entwurf. Ziel war es, eine Debatte über die Notwendigkeit und Ausgestaltung des Management Commentary zu initiieren, vgl. hierzu Beiersdorf/Buchheim (2006), S. 97. Dr. Regine Buchheim gehört als Vertreterin des DRSC dem Projektteam zum Management Commentary an.

Vgl. IASB (2005), Tz. 6ff. Trotz diverser Unterschiede im Detail kann grds. festgestellt werden, dass der Management Commentary vergleichbar dem dt. Lagebericht als zweite Säule der Berichterstattung positioniert wird, vgl. ebenda, Tz. 158 sowie S. 12.

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fünf Kernbestandteile sollen mit Hilfe des Management Commentary abgedeckt werden, wobei ,Ziele & Strategien' eine explizite Berichtskategorie darstellt.580 Nach einer Phase der Kommentierung dieses Entwurfs bis April 2006 sowie an-schließender Diskussion veröffentlichte das IASB über drei Jahre später, im Juni 2009, einen sog. Exposure Draft zum Management Commentary.581 Dieser folgt dem Diskussionspapier weitgehend und sieht folgerichtig eine Berichtskategorie ,Ziele & Strategien' vor, allerdings wird das zuvor genannte Ziel eines eigenen Standards zur Lageberichterstattung mit dem Exposure Draft aufgegeben.582 Wenngleich der Projektverlauf und das bisherige Ergebnis dieses IASB-Projekts einen ernüchternden Eindruck hinterlassen mögen,583 wird die grds. Ausrichtung der vorliegenden Arbeit unterstützt: Sowohl das Projektteam als auch die Mehr-heit der kommentierenden Institutionen bestätigen eindrucksvoll die Bedeutung und gleichfalls die Notwendigkeit strategieorientierter Berichtsinhalte innerhalb von Lageberichtsinstrumenten.

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Vgl. IASB (2005), Tz. IO0ff. Eine inhaltliche Anlehnung an DRS I 5 bzgl. der Berichts-kategorien ist erkennbar, vgl. die Gliederungsempfehlung in DSR (2005), DRS 15.93.

Das IASB überlässt unter Hinweis auf die Individualität von Unternehmen diesen eine Bestimmung von Detaillierungsgrad und Struktur des Berichts. Dieses Spannungsver-hältnis von Standardisierung zur Sicherung von Vollständigkeit und Vergleichbarkeit sowie dem Erfordernis nach individueller Ausgestaltung nennt schon Stobbe (1988), S.

305 das „Dilemma des Lageberichts".

Vgl. IASB (2009e). Als Reaktion auf das Diskussionspapier erhielt das IASB insg. 117 Briefe zur Kommentierung, vgl. hier IASB (2007b). Es wird weitgehend bestätigt, dass Lageberichte zur Ergänzung einer Finanzberichterstattung notwendig sind, wenngleich nur rund 50% der Kommentare die Entwicklung des Management Commentary als eine Priorität des IASB ansehen, vgl. ebenda, S. 7. Auch die Frage nach der formalen Ausge-staltung (Leitlinie vs. Standard) ergibt ein geteiltes Bild, vgl. ebenda, S. 12. Die inhalt-lichen Elemente, insb. die Berichtskategorie ,Ziele & Strategien', werden klar bestätigt, vgl. S. 37ff. Positive Anmerkungen hierzu von dt. Seite insb. von der Volkswagen AG, Munich Re AG und Allianz SE, kritisch dagegen das IDW, vgl. jeweils (2006).

Vgl. IASB (2009e). Dieser Exposure Draft stand bis zum 01.03.2010 für Kommentare seitens der Öffentlichkeit zur Verfügung, vgl. ebenda, S. 2. Das IASB stellt klar, dass es einen eigenen IFRS ,Management Commentary' nicht geben wird, als Ziel des Projekts wird nunmehr die Verabschiedung unverbindlicher Leitlinien genannt, vgl. ebenda, S. 4.

Kajüter/Guttmeier (2009), S. 2333 sehen dies als eine interessante „Sonderstellung".

Die Zeitdauer seit Aufsetzen jenes Projekts, die Abkehr vom zunächst angestrebten Ziel eines Standards sowie die Tatsache, dass sich drei von 14 Mitgliedern des Boards gegen eine Veröffentlichung des Exposure Drafts aussprachen, hinterlassen den ernüchternden Eindruck, vgl. IASB (2009e), S. 33 zu den „Alternative views on exposure draft".

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Aus Sicht der deutschen Rechnungslegung muss zudem konstatiert werden, dass dieser Entwurf des IASB inhaltlich weit hinter den detaillierten Formulierungen des DRS 15 zurückbleibt.584 Zwar gelänge es dem IASB grds., mit dem Manage-ment ComManage-mentary eine identifizierte Lücke im Regelwerk der Finanzberichter-stattung der IFRS zu schließen, allerdings muss der vorliegende Exposure Draft als ,.Minimallösung" kritisiert werden und es erscheint kaum realistisch, dass bei Verabschiedung in Form unverbindlicher Leitlinien die ursprünglichen Ziele der Harmonisierung und qualitativen Verbesserung der Lageberichterstattung inner-halb des Geltungsbereichs der IFRS erreicht werden können.585

4.4 Freiwillige »Strategieberichterstattung« im Lagebericht