• Keine Ergebnisse gefunden

Problembereiche strategieorientierter Informationen

Informationen kapitalmarktorientierter Unternehmen 1 Bedeutung von Informationen im Kontext des Kapitalmarktes

2 Strategisches Management zur

2.3 Informationelle Perspektive der Strategie am Kapitalmarkt .1 Ableitung der Bedeutung strategieorientierter Informationen .1 Ableitung der Bedeutung strategieorientierter Informationen

2.3.3 Problembereiche strategieorientierter Informationen

Wenngleich die Bedeutung sowie Entscheidungsnützlichkeit strategieorientierter Informationen für den Kapitalmarkt offensichtlich scheint, sind in der Literatur zwei wesentliche Einwände zu vernehmen, welche als Argumente gegen die Be-reitstellung derartiger Angaben ins Feld geführt werden:

Als zentraler Hinderungsgrund für die Kommunikation strategieorientierter An-gaben gilt v.a. die Befürchtung negativer Wettbewerbswirkungen.298 Es wird ein Spannungsfeld zwischen der Bereitstellung aussagekräftiger Informationen und dem Schutz strategischer Wettbewerbsvorteile geltend gemacht; befürchtet wird, dass Wettbewerber aus den publizierten Inhalten sensitive und wettbewerbsrele-vante Informationen gewinnen könnten.299 Es scheint plausibel, dass - aufgrund höherer Verlässlichkeit - in erster Linie von einem Unternehmen selbst bereitge-stellte Angaben aufgegriffen würden, bspw. für Konkurrenzanalyen - strategie-orientierten Informationen käme dabei sicherlich besondere Bedeutung zu. 300 In der Literatur wird diese Befürchtung der Unternehmenspraxis grds. akzeptiert, doch werden auch Gegenargumente genannt, die die Veröffentlichung strategie-orientierter Informationen rechtfertigen:301 Zunächst wird darauf verwiesen, dass

298

299 300

301

Vgl. Günther et al. (2003), S. 456. Die Autoren zeigen empirisch die erwartete Wettbe-werbsschädlichkeit als Kernargument gegen die Bereitstellung von Strategieangaben.

Vgl. bspw. Günther/Beyer (2001), S. 1628, ähnlich auch Heinen (2002), S. 22.

Vgl. Greinert (2004), S. 54f.; Labhart/Volkart (2001), S. l 18f. oder Henselmann (2005), S. 300, der in der Strategie eine besondere kritische Informationskomponente sieht. Es erscheint nachvollziehbar, dass Informationen, die für Investoren entscheidungsnützlich sind, für Wettbewerber nicht irrelevant sein werden. Mit ähnlicher Argumentation auch Krystek/Müller (1998). Moxter (2003), S. 295f. ergänzt, dass Investoren kaum Interesse daran haben würden, dass aufgrund der Offenlegung von Strategieinformationen die Er-folgswahrscheinlichkeit ihrer Anlage gefährdet wird.

Vgl. Baetge/Heumann (2006b), S. 349. Außerdem Beiersdorf/Buchheim (2006), S. 98;

Fink/Keck (2005), S. 138; Kaiser (2005a), S. 408, sowie gleichlautend dies. (2005b).

Tom Sieber - 978-3-631-75150-3

auch ohne die explizite Veröffentlichung derartiger Angaben de facto zahlreiche entsprechend relevante Angaben diffundieren, welche von Konkurrenten aufge-griffen werden könnten.302 Auch wird angemerkt, dass Unternehmen selbst und v .a. proaktiv strategieorientierte Informationen preisgeben - meist jedoch unsys-tematisch und unter impliziter Billigung einer ungleichen Verteilung relevanter lnformationen.303 Ergo muss der Unternehmenspraxis entgegengehalten werden, dass eine als Kernargument vorgebrachte Wettbewerbssensitivität von strategie-orientierten Informationen in der Realität bereits dauerhaft missachtet wird. Um-fassende, im Rahmen der Kapitalmarktkommunikation bereitgestellte Angaben zu strategieorientierten Sachverhalten würden hingegen nicht nur Einheitlichkeit der Information, sondern auch deren Verlässlichkeit sicherstellen. Dies wird z.T.

auch als Argument genutzt, um eine verpflichtende, standardisierte ,Strategiebe-richterstattung', z.B. als Teilaspekt der Lageberichterstattung, zu fordem.304 Da-rüber hinaus scheint die Diskussion bisweilen zu einseitig geführt, positive Aus-wirkungen einer Strategiekommunikation bleiben weitgehend unbeachtet.305 Weiterhin wird auf Seiten der Unternehmen befürchtet, dass sich aus einer Ver-öffentlichung von strategieorientierten Informationen Haftungskonsequenzen für das Management ergeben könnten. 306 In Deutschland wären sodann die Binnen-haftung von Organmitgliedern sowie die OrganaußenBinnen-haftung zu beachten: Nach

§ 93 Abs. 1 S. 3 AktG haben Organmitglieder die Pflicht zur Verschwiegenheit über vertrauliche Angaben einer Gesellschaft, was nach h.M. strategieorientierte

302

3114 3115

3116

Vgl. Subramanian/Jshak (1998), S. 18. Die Autoren weisen v.a. auf die informationellen Effekte von Vertriebsmannschaften hin. Dies scheint intuitiv nachvollziehbar und kann sicher ausgeweitet werden auf allg. Gespräche innerhalb einer bestimmten Branche, ge-dacht sei auch an Mitarbeiter, die von einem Unternehmen zur Konkurrenz wechseln.

Diese Argumentation findet sich auch beim deutschen Rechnungslegungs-Standardseiter DSR, vgl. DSR (2004b), zu ,Frage 10.) Geschäft und Strategie'. Auch im Rahmen von z.B. Analystengesprächen werden Informationen bereitgestellt, die nicht jeder Investor erhält, vgl. Walmsley et al. (1992) zu den Bewertungseffekten solcher Ereignisse.

Vgl. so bspw. bei DSR (2006), S. 8f. sowie die nachfolgenden Ausführungen.

Diese Ansicht findet sich u.a. bei Meyer (2005), S. 107; Müller (1998), S. 135. Zudem kritisieren Ewert/Wagenhofer (1992), S. 301, dass es viel zu grob sei, nur von negativen Konsequenzen auszugehen, ähnlich bereits Moxter (1962), S. 13.

Vgl. Böcking/Müssig (2003), S. 40. Die Autoren erwarten v.a. dann Probleme, wenn die Pflicht zur Veröffentlichung von Strategieinformationen supranational geregelt würde, da das Haftungsrecht stets nationalstaatlich geregelt ist.

Tom Sieber - 978-3-631-75150-3

Information inkludiert.307 Legt ein Organmitglied schuldhaft derartige Angaben offen, wäre es gern. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG schadenersatzpflichtig.308 Die Frage des Verschuldens dürfte realiter jedoch nicht ohne weiteres zu beantworten sein.

In der Literatur wird daher darauf verwiesen, dass im Falle standardisierter, ver-pflichtender Veröffentlichung von Strategieinformationen dem Sachverhalt einer Pflichtverletzung die Grundlage entzogen würde. 309

Eine Organaußenhaftung ergibt sich zudem aus§§ 37b bzw. c WpHG aufgrund einer fehlerhaften oder unterlassenen Information der Kapitalmärkte.310 Die ent-sprechenden Tatbestandsvoraussetzungen regelt § 15 WpHG, um an bestehende Regelungen der ,Insiderinformation' anzuknüpfen.311 Ergänzend dazu wird seit geraumer Zeit eine Verschärfung des Haftungsrechts diskutiert, ein sog. Kapital-marktinformationshaftungsgesetz wurde vorgelegt, aber nicht verabschiedet.312

307

Vgl. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG, der die Verpflichtung zur Verschwiegenheit über Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse regelt. Davon betroffen sind insb. vertrauliche Angaben Betriebs-und Geheimnisse der Gesellschaft, vgl. Hüffer (2006), § 93, Tz. 7. Strategieinformationen wären als solche Informationen zu charakterisieren, vgl. Kersting/Sohbi (1998), S. 302.

Strenggenommen gilt § 93 AktG nur für Vorstandsmitglieder, § 116 AktG regelt jedoch die Sorgfaltspflichten der Aufsichtsräte und nimmt auf§ 93 AktG explizit Bezug.

Vgl. § 93 Abs. 2 S. 1 AktG, der eine Schadenersatzpflicht vorsieht. Außerdem folgt aus

§ 404 AktG die Strafbarkeit derartigen Handelns. Haftungsvoraussetzung ist die Pflicht-verletzung und das Verschulden, der Grundsatz der Sorgfalt bzw. die Loyalitätspflichten lt. § 93 Abs I S. 3 AktG müssen verletzt sein, vgl. Schneider/Schneider (2005), S. 60.

Vgl. Kersting/Sohbi, (1998) S. 302. Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass un-systematische Veröffentlichung eine Pflichtverletzung gern.§ 93 Abs. 1 AktG darstellt.

Vgl. §§ 37b bzw. c WpHG. Diese wurden durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz im Jahre 2002 eingefügt und können als Reaktion des Gesetzgebers u.a. auf die Ereignisse am ,Neuen Markt' gelten, vgl. Gerber (2004), S. 1794; Sünner (2004), S. 2460ff.

Ein weiteres Haftungsrecht ist in § 331 Nr. 1 HGB kodifiziert und ahndet die unrichtige Wiedergabe der Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht durch Organmitglieder.

Vgl.§ 15 WpHG. Der Gesetzgeber hat in§§ 37b bzw. c WpHG keine neue begriffliche Definition verwendet und daher in§ 15 den Begriff der ,Insiderinformation' eingeführt, der neben Insidertatsachen auch sog. ,Ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsachen' umfasst.

Dieser greift auch für zukunftsorientierte Angaben, vgl. Steck/Schmitz (2005), S. 190.

Insiderinformationen liegen gern.§ 13 Abs I S. 2 WpHG v.a. dann vor, wenn ein durch-schnittlich verständiger Anleger diese Angaben in seinem Entscheidungskalkül berück-sichtigen würde. Für Strategieinformationen trifft dies zu, vgl. Ziemons (2004), S. 538.

Vgl. bspw. Köhler et al. (2004), S. 2625f.; Sünner (2004), S. 2462f. Mit dem Gesetzent-wurf zum Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz (KapinHaG) sollte insb. die Haftung der Organmitglieder ausgedehnt werden, damit jene nach außen für unrichtige Angaben haften. Der Entwurf wird derzeit nicht weiterverfolgt, vgl. Duve/Basak (2005), S. 2645.

Tom Sieber - 978-3-631-75150-3

Für eine Veröffentlichung von Strategieinformationen erscheint die Debatte über Haftungsgefahren nicht unbedeutend zu sein, da es sich bei derartigen Angaben primär um qualitativ-verbale Angaben handelt und diese zudem durch subjektive Einschätzungen bzw. Urteile geprägt sind. Daher wird die ex post durchgeführte Beurteilung der korrekten Wiedergabe bzw. der objektiven Richtigkeit stets pro-blematisch sein. Jedoch hat auch hinsichtlich des Einwands möglicher Haftungs-konsequenzen zu gelten, dass dieser eher gegen die Praxis der unsystematischen, unregelmäßigen Veröffentlichung spricht als gegen eine Bereitstellung strategie-orientierter Informationen per se: Die systematische, standardisierte sowie an die breite Öffentlichkeit gerichtete Bereitstellung könnte Rechtssicherheit schaffen und Haftungsfragen sodann auf tatsächliche Verstöße beschränken.

In den vorhergehenden Ausführungen ist deutlich geworden, welche Bedeutung strategisches Management - verstanden als Prozess der Gestaltung der künftigen Unternehmensentwicklung - für Unternehmen grds. besitzt. Konsequenterweise sollten strategieorientierte Informationen, also Angaben zu den Elementarphasen des Strategieprozesses, auch für Akteure am Kapitalmarkt von Interesse sein, da jene zukunftsorientierte Informationen für ihre finanziellen Prognosemodelle

be-nötigen, um letztlich Entscheidungen bzgl. der Anlagealternativen fundieren zu können. Strategieorientierte Informationen wären insofern für Investoren als ent-scheidungsrelevant anzusehen, ihre per se eingeschränkte Verlässlichkeit könnte durch eine adäquate Darstellung dieser Angaben verbessert werden. Gravierende Argumente gegen eine Bereitstellung lassen sich jedenfalls nicht erkennen.

Wie bereits in Abschnitt B 1.3 angedeutet, rückt sodann das System der externen Rechnungslegung in den Fokus der Betrachtung: Es stellt einen normierten bzw.

verbindlichen Rahmen für die Informationsbereitstellung zur Verfügung und ist mit dem bewährten Instrument des Lageberichts auch technisch in der Position, dem Kapitalmarkt strategieorientierte Inhalte zu kommunizieren. Der Charakter der Rechnungslegung könnte die Problematik der Verlässlichkeit entschärfen.

Abschnitt B 3 stellt nachfolgend also das System der externen Rechnungslegung der kapitalmarktorientierten Unternehmen in der gebotenen Kürze dar und ver-tieft sodann das Instrument des Lageberichts, um dessen prinzipielle Eignung als Medium zur Berichterstattung über strategieorientierte Inhalte aufzuzeigen. Tom Sieber - 978-3-631-75150-3