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Beurteilung der Wertorientierung der Rechnungslegung Dem Management steht in erster Linie das im vorherigen Abschnitt vorgestellte

Informationen kapitalmarktorientierter Unternehmen 1 Bedeutung von Informationen im Kontext des Kapitalmarktes

4 Berichterstattung über strategieorientierte Sachverhalte in der externen Rechnungslegung Sachverhalte in der externen Rechnungslegung

4.1.2 Beurteilung der Wertorientierung der Rechnungslegung Dem Management steht in erster Linie das im vorherigen Abschnitt vorgestellte

Instrumentarium der externen Rechnungslegung zur Verfügung, um die Akteure am Kapitalmarkt über Veränderungen des Unternehmenswertes zu unterrichten.

Wie in B 1.3 bereits angedeutet, scheint die externe Rechnungslegung allerdings nicht unmittelbar als informationelle Basis von Anlageentscheidungen bzw. als Medium der Wertkommunikation hilfreich: Während die Rechnungslegung den Bilanzwert als zentralen Wertmaßstab abbildet, benötigen die Investoren für die Fundierung der Entscheidungen prognostische, risikoadjustierte Zahlungsstrom-profile, um ihrerseits einen inneren Wert zu errechnen und um diesen schließlich mit der gegenwärtig realisierten Marktbewertung abzugleichen.468

Zwei Aspekte treten folglich in den Vordergrund, an denen eine Beurteilung der Wertorientierung der Rechnungslegung erfolgen kann: zum einen der Bezug zu Zahlungsstromgrößen zur Errechnung eines inneren Wertes durch die Investoren und die Fähigkeit zur Abbildung des inneren Wertes in Form des Bilanzwertes.

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Vgl. Hahn/Hungenberg (2001), S. 13f. bzw. die Wertkonzeptionen in Abschnitt B 1.1.3.

Vgl. Ruhwedel/Schultze (2002a), S. 602. Dies gilt unter der Prämisse funktionierender, Informationen verarbeitender Kapitalmärkte, so Copeland et al. (2002), S. 40. Als Beleg für die Relevanz der , Wert-Kommunikation' ist die Entstehung von Investor Relations-Abteilungen zu sehen, empirisch für Fortune 500-Unternehmen Rao/Sivakumar (1999).

Der errechnete innere Wert stellt den Grenzpreis einer Anlageentscheidung dar: Durch Vergleich mit der Marktbewertung werden Über- sowie Unterbewertungen transparent.

Schätzungen des inneren Wertes erfordern Informationen zu den Determinanten der zu-künftigen Zahlungsströme, die die Rechnungslegung jedoch kaum bereitstellen kann, so auch Labhart/Volkart (2001), S. 115; Rappaport (1998), S. 33, der davon ausgeht, dass realiter Fehlallokationen kaum zu vermeiden sind. Vgl. ggf. nochmals Abb. 3 (S. 17).

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(a) Bezug der Rechnungslegung zu Zahlungsstromgrößen

Die benötigte Entscheidungsgrundlage der Investoren, künftige und diskontierte, risikoadjustierte Zahlungsgrößen, ist in ihre drei Bestandteile - Zahlungsströme, Zinssatz bzw. Kapitalbasis und ,Zukunft'- zu zerlegen, um schließlich zu über-prüfen, inwieweit sich die Rechnungslegung als Informationsquelle eignet:

Es erscheint bereits auf den ersten Blick nachvollziehbar, dass die Rechnungs-legung keine unmittelbar geeignete Informationsgrundlage für eine Bestimmung von Zahlungsströmen darstellt. Das ist auch als Begründung dafür zu sehen, dass Verfahren der wertorientierten Steuerung die Ermittlung des inneren Wertes auf Basis buchhalterischer Daten vornehmen, um einen Orientierungspunkt für den inneren Wert zu erhalten. Jedoch ist zu beachten, dass buchhalterische Erfolgs-größen nur mit Hilfe substanzieller Korrekturen zahlungsorientierten Daten ent-sprechen;469 analytische wie empirische Belege zeigen konsequenterweise, dass buchhalterische Gewinne nur schwachen Bezug zum Marktwert besitzen.470 Darüber hinaus ist die mangelnde Berücksichtigung des Risikos - und dement-sprechend die Bestimmung risikogerechter Kapitalkosten sowie der Vermögens-basis - als Grund für die geringe Eignung der externen Rechnungslegung als in-formationelle Basis für Investorenentscheide zu benennen.471 Gerade der letztge-nannte Aspekt hat sich im Zuge fortschreitenden Wandels von kapitalintensiver zu einer wissensbasierten Produktion verschärft: Zahlreiche erfolgsrelevante und werttreibende Faktoren sind im bilanziellen Vermögen nicht mit abgedeckt.472 469

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Es muss erwähnt werden, dass buchhalterische Erfolgsgrößen unter bestimmen Voraus-setzungen einer geldwerten Betrachtung entsprechen, wie grdl. Lücke (1955) sowie be-reits Preinreich (1938) darstellen. Labhart/Volkart (2001), S. 115 bemerken jedoch, dass dieser Spezialfall bei gängigen Rechnungslegungssystemen kaum noch eintritt, da sich bewertungstechnische Verschiebungen nicht mehr innerhalb finiter Zeiträume auflösen.

Vgl. Labhart/Volkart (2001), S. l 16f. Einen Beleg für jenen schwachen Zusammenhang zwischen buchhalterischen Gewinnen und dem Marktwert bringt bspw. Lev ( 1989).

Vgl. Labhart/Volkart (2001), S. 115, S. 123 und v.a. Fn. 15, die primär auf die fehlende Einheitlichkeit sowie z.T. erhebliche Simplifizierungen bei der Ermittlung von Kapital-kosten hinweisen, bspw. auf die fehlende Berücksichtigung von Bereichsspezifika.

Beispielhaft zu nennen sind Marken sowie Kundenbeziehungen, aufgebautes Wissen in Prozessen und Produkten, Potenziale und Ausbildung oder Erfahrungen der Mitarbeiter.

Letzteres gilt zwar nicht als Vermögensgegenstand, interessanterweise hat sich jedoch die Bezeichnung , Human Capital' oder , Jntellectual Capital' seit Jahren durchgesetzt.

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Zudem ist die fehlende Zukunftsorientierung als Ursache dafür zu nennen, dass die Rechnungslegung den Informationsanforderungen von Kapitalmarktakteuren nicht gerecht wird: Investitionsentscheidungen sowie Bewertungsüberlegungen sind zukunftsorientiert ausgerichtet und folglich auf zukünftigen Erwartungen zu basieren, die Rechnungslegung aber ist primär auf die vergangenheitsorientierte Rechenschaftsablage ausgerichtet.473 Daher wird regelmäßig eine verpflichtende Offenlegung zukunftsgerichteter Größen seitens der Unternehmen gefordert, wie bspw. in Form von Gewinnprognosen, da insb. das Management hohe Prognose-kompetenz besitzen dürfte. Auch würde es dem Kapitalmarkt so ermöglicht, das Management bzgl. der Prognosen zu beurteilen und Schlüsse auf dessen Qualität zu ziehen - eine ,erziehende' Wirkung der Veröffentlichung wäre zu erwarten.474 (b) Abbildung des inneren Wertes mit dem Bilanzwert

Wie zuvor dargestellt wurde, stellt die Rechnungslegung eine unzureichende In-formationsbasis für die Schätzung von Zahlungsströmen dar. Darüber hinaus ist aber auch die wesentliche Zielgröße der externen Rechnungslegung, der Bilanz-wert, kein geeigneter Indikator des inneren Wertes, wie sich i.d.R. in einer deut-lichen Differenz zwischen innerem und Bilanzwert manifestiert. Jene Wertlücke resultiert meist aus den Vorschriften zur Bilanzierung,475 eine Begründung dafür ist in den einschlägigen Ansatz- sowie Bewertungsvorschriften zu finden:476 Es kann - und dies wird durch die erwähnte Verschiebung innerhalb der betrieb-lichen Leistungserbringung zunehmend bedeutsam - als kaum realistisch ange-sehen werden, alle relevanten Potenziale, die einen Beitrag zu Wertsteigerungen leisten, als Vermögenswerte in der Bilanz abzubilden, da diese z.T. gar nicht als Vermögenswerte im Sinne der Rechnungslegung gelten und deshalb unmittelbar

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Vgl. bspw. Schultze et al. (2007), S. 564.

Die Diskussion wird insb. in der angelsächsischen Literatur geführt, vgl. bspw. Penman (1980); Begley/Feltham (2002). Auch Unternehmensexterne, v.a. Analysten, publizieren Prognosen zu Gewinngrößen - diejenigen der Manager werden als valider angesehen.

Es ist festzustellen, dass dies keine HGB-spezifische Problematik ist. Gleichfalls ist die IFRS-Rechnungslegung nicht dazu geeignet, die Informationsbedürfnisse der Investoren zu befriedigen, eine Differenz zwischen Bilanzwert bzw. innerem Wert würde sich den-noch einstellen. Vgl. hierzu bspw. Streim (2000), S.113.

Es sei - zur Illustration der folgenden Ausführungen - nochmals auf Abb. 3 (S. 17) der vorliegenden Arbeit verwiesen.

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erfolgswirksam zu berücksichtigen sind.477 Ähnlich verhält es sich auch mit den Potenzialen, die zwar u.U. hohen Einfluss auf die Leistungserbringung besitzen, aber wegen ihres qualitativen Charakters monetär nicht abbildbar sind.478 Neben diesen ansatzorientierten Ursachen führt zudem die Bewertung von ange-setzten Vermögenswerten zu Wertdifferenzen: Dabei ist insb. auf die nicht voll-ständige Berücksichtigung von Zeitwerten für die Vermögenswerte in der Bilanz abzustellen.479 Darüber hinaus ist der nach wie vor gültige Grundsatz der Einzel-bewertung für Buchvermögen anzusprechen, der zur Konsequenz hat, dass nicht einzeln zu bewertende Werte im originären Geschäftswert aufgehen und folglich nicht abgebildet werden können.480 Schließlich wird eine Berücksichtigung sog.

Verbundeffekte zwischen einzelnen Vermögenswerten unmöglich gemacht.

Neben diesen Aspekten, die auf die Bilanzierung vorhandener Vermögenswerte abstellen, trägt auch die Nichtberücksichtigung der ,Zukunft' zu Wertlücken bei:

Dies umfasst in der Zukunft liegende Geschäfte und Erfolgspotenziale sowie v.a.

Strategien für die Zukunft, die nicht in der Bilanz abgebildet sind. Ein ,objektiv richtiger' innerer Wert ist ergo mit der Rechnungslegung nicht darstellbar.481

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Die Diskussionswürdigkeit dieser Vorgehensweise zeigt sich prägnant am Beispiel von Forschungsaufwendungen, die als Investition in zukünftige Werte par excellence gelten sollten. In der Folge ergeben sich so stille Reserven aus nicht bilanzierten Vermögens-werten. Vgl. zu den Vermögens-Kriterien der IFRS Baetge/Beermann (1998), S. 164.

Ursächlich hierfür ist insb. die primär quantitative Ausrichtung der IFRS, welche auf die Darstellung der wirtschaftlichen Lage anhand eines Periodenergebnisses abstellt.

So könnten bspw. immaterielle Vermögensgegenstände nur dann mit einem Fair Value bewertet werden, sofern ein aktiver Markt existiert und sich aus diesem ein Zeitwert ab-leiten lässt, vgl. IASB (2009d), IAS 38, Tz. 38.75 bzw. 38.8. Grds. entwickelt das IASB das Thema der Zeitwert-Bewertung weiter, für einzelne Posten sind vom Anschaffungs-kostenprinzip losgelöste Bewertungen möglich, vgl. Ballwieser et al. (2004), S. 532ff.

Eine Ausweitung ist zu erwarten, aktuell ist aber ein durchgängiger Bewertungsmaßstab nicht etabliert, daher ist eine imparitätische Berücksichtigung zu konstatieren, was zu eingeschränkter Verlässlichkeit bzw. zu Informationsgrenzen der IFRS führt. Vgl. dazu bspw. kritisch Kley (2001), ders. (2003); Landsman (2007), jüngst Wagenhofer (2008).

Vgl. bspw. Ballwieser et al. (2004), S. 541; Kessler (2005), S. 73f.

Vgl. hierzu ggf. nochmals Abschnitt B 1.1.3. Der innere Wert eines Unternehmens kann grds. durch Gesamtunternehmensbewertung als Zukunftserfolgswert abgeleitet werden.

Eine Annäherung des IFRS-Bilanzwertes ist theoretisch möglich über den sog. Reinver-mögenswert auf Einzelbewertungsbasis, d.h. durch Bewertung aller Vermögensgegen-stände mit dem Zeitwert, vgl. für einen Überblick Heumann (2005), S. 27 und S. 50.

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