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Weitergehende Beschränkungen der Meinungsfreiheit

KAPITEL 5: ÜBERPRÜFUNG DER RECHTSWIRKSAMKEIT

B. Vereins- bzw. verbandsrechtliche Regelungen

VI. Weitergehende Beschränkungen der Meinungsfreiheit

Die bereits existierenden Verbandsregelungen (insbesondere § 9 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB) erfassen ausschließlich politische sowie diskriminierende und beleidigende Äußerungen in jedweder Form. Interessant ist die Frage, ob es zweckmäßig und rechtlich möglich wäre, darüber hinaus Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit der Spieler vorzunehmen, etwa einen Zustimmungsvorbehalt analog zu § 2 Abs. 1 S. 2 lit. i) S. 2 MAV946 zu regeln.

Hiergegen bestehen jedoch erhebliche Bedenken:

1. Beschränkung nur im Rahmen des Verbandszwecks

Wie bereits im Rahmen des Prüfungsumfangs erläutert,947 hat sich jede einzelne Verbands- bzw. Vereinsregelung am Verbands- bzw. Vereinszweck zu orientieren und ist andernfalls als unangemessen anzusehen.

Die von den Verbänden verfolgten Zwecke erfordern jedoch keine über die bisherigen Regelungen hinausgehenden Beschränkungen der Meinungsfreiheit.

Zweck des DFB ist gem. § 4 DFB-Satzung insbesondere die Organisation und Führung des Fußballsports (§ 4 Nr. 1 DFB-Satzung) sowie die Vermittlung von Werten im und durch den Fußball, etwa Fair Play, Toleranz und Respekt (§ 4 Nr. 2 lit. a)-d) DFB-Satzung).948 Nach § 2 DFB-Satzung tritt der DFB rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen und anderen diskriminierenden oder menschenverachtenden Verhaltensweisen entgegen.949 Diese Verhaltensweisen werden in § 9 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB näher konkretisiert und unter Strafe

946 Vgl. Kapitel 5 A. II. 5 d) (1).

947 Vgl. Kapitel 5 B. IV. 2 a) (1).

948 § 4 der DFB-Satzung im Anhang IV.

949 § 2 der DFB-Satzung im Anhang IV.

gestellt.950 Eine darüber hinausgehende Kontrolle und Steuerung der Meinungsfreiheit des einzelnen Lizenzspielers ist zur Erfüllung des Verbandszwecks „Organisation und Führung des Fußballsports“ und zum Schutz der grundrechtlichen Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG nicht erforderlich.

Ähnlich verhält es sich beim Ligaverband. Gem. § 4 Nr. 1 Ligaverband-Satzung ist das Betreiben der Lizenzligen sowie die Lizenzvergabe an Vereine und Spieler Primäraufgabe des Ligaverbandes.951 Genau wie der DFB als Spitzenverband vermittelt der Ligaverband den Fair-Play-Gedanken und tritt verfassungsfeindlichen oder fremdenfeindlichen Verhaltensweisen entgegen.952 Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB gilt gem. § 1 Nr. 1 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB auch für den Ligaverband.953 Analog zum DFB ist die weitergehende Beschränkung der Meinungsfreiheit einzelner Spieler dem Verbandszweck des Ligaverbandes in keiner Weise zuträglich.

Insofern wäre jegliche weitergehende Meinungsbeschränkung bereits vom selbstgesetzten Zweck der Verbände nicht mehr erfasst. In der Praxis zeigt sich, dass eine gezielte Kontrolle und Steuerung der Meinungsäußerung der Lizenzspieler weder vom Zweck des DFB oder des Ligaverbandes, noch vom Willen der Verbände gedeckt ist. Im Ergebnis blieb selbst die Kritik von Philipp Lahm an den ehemaligen Bundestrainern Jürgen Klinsmann und Rudi Völler ohne Konsequenzen von Seiten des DFB. Immerhin ging es dabei um taktische Konzepte sowie um die interne Einstellung der jeweiligen Bundestrainer, also um Informationen, die ohne weiteres einer Geheimhaltungspflicht unterstellt werden könnten.954

Den Verbänden geht es erkennbar nur darum, beleidigende und schädigende Meinungsäußerungen zu unterbinden. Insofern wären die allgemeinen Gesetze i. S. d.

Art. 5 Abs. 2 GG (etwa Strafrechtsnormen, Deliktsrecht etc.) vollkommen ausreichend, um den Verbandszwecken Rechnung zu tragen und entsprechende Äußerungen zu verhindern. Die zusätzliche Sanktionierung einschlägiger Verhaltensweisen durch Verbandsregelungen erzeugt lediglich einen dem Verbandszweck zuträglichen Abschreckungseffekt durch empfindliche Strafen.

950 § 9 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB im Anhang VIII.

951 § 4 der Ligaverband-Satzung im Anhang III.

952 § 2 der Ligaverband-Satzung im Anhang III.

953 § 1 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB im Anhang VIII.

954 Vgl. Kapitel 5 A. II. 5. e) (2).

Zudem ist zu berücksichtigen, dass jegliche private Meinungsäußerungen mangels Verbindung zum Verbandszweck von vornherein nicht durch Verbandsnormen beschränkt werden dürften.955 Insofern wird ein weitläufiger Lebensbereich den Verbandsregelungen gänzlich entzogen.

2. Entgegenstehende Mitgliederinteressen

Weitergehende Beschränkungen von Art. 5 Abs. 1 GG durch Verbandsregelungen lassen sich auch nicht mit den Interessen der Mitglieder (hier der Lizenzclubs bzw. der untergeordneten Verbände) begründen, die bei der Gestaltung der Verbandssatzung maßgeblich zu berücksichtigen sind.956 Eine weitergehende Regelung zur Meinungsbeschränkung der Spieler in der DFB-Satzung könnte etwa auf Basis eines berechtigten Interesses der Lizenzclubs erfolgen, die ausweislich der Verbandspyramide957 mittelbare Mitglieder des DFB (über den Ligaverband als Mittler) sind. Entsprechend müsste für eine solche Regelung in der Ligaverband-Satzung ebenfalls ein Interesse der Lizenzclubs an einer verbandsrechtlichen Regelung vorliegen.

An einer über die existierenden verbandsrechtlichen Regelungen hinausgehenden Beschränkung der Meinungsfreiheit und Sanktionierung von Meinungsäußerungen der Lizenzspieler durch Verbandsnormen dürfte von Seiten der Lizenzclubs jedoch kaum Interesse bestehen. Die Durchsetzung einer solchen Regelung obläge dem DFB als alleinigem Inhaber der Verbandsgewalt.958 Dies würde erhebliche Praktikabilitätsprobleme mit sich bringen. Insbesondere dürfte der DFB nur schwerlich in der Lage sein, die jedem Club innewohnenden Besonderheiten in der gleichen Weise bei der Einschätzung der Sachlage zu beurteilen, soweit eine Meinungsäußerung zumindest auch die Sphäre des Clubs berührt. Der DFB hat zudem in der Regel kein ersichtliches Interesse an der Verfolgung solcher Meinungsäußerungen, die den einzelnen Club betreffen. Dies muss Sache zwischen Spielern und Clubs bleiben.

Umgekehrt besteht von Seiten der Clubs kein Interesse, dem Verband weitere Kontrollmöglichkeiten und Strafgewalt über ihre Lizenzspieler zuzubilligen, soweit nicht eine tatsächliche Schädigung des Verbands vorliegt.

955 Vgl. Kapitel 5 B. IV. 2. a) (1).

956 Vgl. Kapitel 4 E. I. 4. b).

957 Vgl. Kapitel 2 B. I..

958 Vgl. Kapitel 2 A. V. 1..

Zudem hingen auch die Strafart und das Strafmaß von der Beurteilung des zuständigen Verbandsorgans ab. Dies kann aber nicht im Sinne der Clubs sein, da verschiedene Strafarten (etwa Suspendierung, Spielsperren etc.) erhebliche Nachteile auch für die Clubs mit sich bringen. Musterbeispiel hierfür ist § 9 Nr. 2 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, wonach bei mehrfachen Verstößen der Lizenzspieler auch für deren Clubs Konsequenzen vom Punktabzug bis hin zum Verlust der Spielklasse drohen.959 Bereits insofern ist den Clubs daran gelegen, die Kontrolle über Meinungsäußerungen ihrer Spieler sowie damit verbundener Sanktionen zu behalten.

Zuletzt wäre mit der Regelung der Meinungsbeschränkung auf verbandsrechtlicher Ebene und der damit einhergehenden Übertragung der Durchsetzung der Beschränkung der Meinungsfreiheit auf den DFB auch die Gefahr verbunden, dass Verstöße der Spieler und die entsprechend verhängten Sanktionen häufiger den Weg an die Öffentlichkeit fänden. Die auf Basis des Musterarbeitsvertrages intern verhängten Strafen bleiben der öffentlichen Wahrnehmung bislang häufig entzogen. Das Interesse der Clubs bleibt im Ergebnis also auf die Regelung der Meinungsfreiheitsbeschränkungen im Musterarbeitsvertrag gerichtet, da dessen Regelungen von den Clubs selbst intern durchgesetzt werden.

3. Bedeutung der Meinungsfreiheit

Wie in Kapitel 4 erläutert, kommt der Meinungsfreiheit eine überragende Bedeutung zu.

Mangels Eigenschaft von Verbandsregelungen als allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG960 und mangels Möglichkeit eines Grundrechtsverzichts in Verbandsregelungen961 kann eine meinungsfreiheitsbeschränkende Verbandsregelung nur dann wirksam sein, wenn dies der Vermeidung einer Kollision mit einem schutzwürdigeren, insbesondere grundrechtlichen Interesse dient. So wird durch § 9 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB insbesondere eine Kollision mit der stets vorrangigen Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verhindert; dies ist – wie bereits festgestellt962 – möglich. Darüber hinaus ist jedoch kaum ein Fall denkbar, in dem die Meinungsfreiheit nicht andere grundrechtlich geschützte Belange überragen könnte und damit vorrangig wäre.963

959 § 9 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB im Anhang VIII.

960 Vgl. Kapitel 4 E. I. 2. d).

961 Vgl. Kapitel 4 E. III. 3..

962 Vgl. Kapitel 4 E. I. 4. a).

963 Vgl. Kapitel 4 E. I. 4. g).

4. Ergebnis

Einer über die bestehenden Regelungen hinausgehenden verbandsrechtlichen Regelung zur Beschränkung der Meinungsfreiheit der Lizenzspieler stehen erhebliche Bedenken entgegen. Weitergehende Meinungsbeschränkungen der Lizenzspieler würden sowohl dem Verbandszweck als auch dem Interesse der Verbandsmitglieder, insbesondere der Lizenzclubs, zuwiderlaufen.

VII. Ergebnis

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die bestehenden Verbandsregelungen, insbesondere § 44 DFB-Satzung sowie § 9 Rechts- und Verfahrensordnung des DFB wirksam und geeignet sind, die Meinungsfreiheit des Lizenzspielers einzuschränken.

Die Reichweite dieser Regelungen ist jedoch äußerst begrenzt; die Regelungen erfassen beinahe ausschließlich diskriminierende und beleidigende Verhaltensweisen.

Weitergehende Regelungen zum Eingriff in die Meinungsfreiheit der Lizenzspieler wären in Verbandsregelungen jedoch nicht oder nur in sehr geringem Umfang, insbesondere unter Beachtung des Verbandszweckes möglich. Allerdings ist für einen zusätzlichen Regelungsbedarf und -willen seitens der Verbände auch nichts ersichtlich.

Folgerichtig bedürfen die Verbandsregelungen im Hinblick auf ihre die Meinungsfreiheit beschränkenden Regelungen keiner Anpassung.

Kapitel 6: Schlussbetrachtung und Vorschlag zur Neugestaltung des MAV