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Vereinsgewalt / Verbandsgewalt

KAPITEL 2: EINFÜHRUNG IN DAS RECHTLICHE UMFELD DES

A. Zum Begriffsgebrauch

V. Vereinsgewalt / Verbandsgewalt

Eng im Zusammenhang mit dem Begriff der Vereins- bzw. Verbandsautonomie ist der Begriff der Vereins- bzw. Verbandsgewalt zu sehen.

72 Fritzweiler/von Coelln, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, Rn. 23; Steiner, NJW 1991, 2729 (2730).

73 Habscheid, in: Schroeder/Kauffmann, Sport und Recht, S. 158 (159); Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 182 f..

74 Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 269; Vieweg, Normsetzung und -anwendung, S. 182; Bohn, Regel und Recht, S. 29; Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 11.

75 Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 11.

76 Bohn, Regel und Recht, S. 13, 30.

77 Bohn, Regel und Recht, S. 31.

78 BVerfGE 84, 372 (378); Monheim, Sportlerrechte und Sportgerichte, S. 13.

79 Nicklisch, Inhaltskontrolle von Verbandsnormen, S. 15.

1. Allgemeines

Die Vereinsgewalt ist ein selbständiger Teil der Vereinsautonomie zur Durchsetzung des Vereinszwecks, der im Bereich der Vereinssphäre Wirksamkeit entfaltet.80 Die Vereinsgewalt ist nach überwiegender Auffassung Geltungsgrund für sog.

Vereinsstrafen.81 Hierzu hat der Bundesgerichtshof in der sog. Reiter-Entscheidung ausgeführt, dass die Befugnis zur Setzung einer Regel notwendig das Recht zur Androhung von Sanktionen und deren Vollzug für den Fall der Regelverletzung umschließe.82 Begründet hat er das Bedürfnis nach Vereinsgewalt damit, dass der Sport in seiner Gesamtheit ebenso wie jeder Einzelne, der am organisierten Sportbetrieb aktiv teilhaben will, auf die Existenz einheitlich organisierender Regelungen unumgänglich angewiesen sei.83 Der personelle Anwendungsbereich der Vereinsgewalt ist beschränkt auf die Vereinsmitglieder, die sich durch ihren Vereinsbeitritt der Vereinsverfassung freiwillig unterworfen haben.84

An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Übertragung der Vereinsgewalt auf Dritte, etwa auf den Verband, grundsätzlich möglich ist.85 So regelt etwa § 14 Nr. 1 d) DFB-Satzung, dass sämtliche Mitgliedsverbände (Landes- und Regionalverbände sowie der Ligaverband) verpflichtet sind, „ihre eigene und die ihnen von ihren Mitgliedern überlassene Vereinsstrafgewalt dem DFB zur Ausübung durch seine Rechtsorgane im Rahmen seiner Zuständigkeit zu übertragen“.86 Analog übertragen die lizenzierten Clubs als direkte Mitglieder des Ligaverbands (§ 7 Ligaverband-Satzung) gem. § 11 c) Ligaverband-Satzung ihre Vereinsstrafgewalt auf den Ligaverband.87 Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übertragung der Vereinsgewalt ist die sog. Doppelverankerung der Übertragung, d.h. die Ausübung der Strafgewalt gegenüber dem Mitglied durch den übergeordneten Verband muss in den Satzungen beider Beteiligten verankert sein.88

80 Hadding, in: Soergel, BGB-Kommentar, § 25 BGB Rn. 37.

81 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 35; Hadding, in: Soergel, BGB-Kommentar, § 25 BGB Rn. 37.

82 BGHZ 128, 93 (98).

83 BGHZ 128, 93 (98); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (98).

84 BGHZ 21, 370 (373); BGHZ 28, 131 (133).

85 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 35.

86 § 14 Nr. 1 d) der DFB-Satzung im Anhang IV.

87 §§ 7, 11 c) der Ligaverband-Satzung im Anhang III.

88 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 145, 481; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB-Kommentar,

§ 25 BGB Rn. 50; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, Rn. 674.

2. Unterwerfung Dritter unter die Vereinsgewalt

Ein kontrovers diskutiertes Thema ist die Unterwerfung außenstehender Dritter – namentlich der Lizenzspieler – unter die Vereinsgewalt/Verbandsgewalt. In der Vergangenheit wurde den Verbänden wiederholt vorgeworfen, mittels verbandsrechtlicher Straf- und Disziplinarmaßnahmen unveräußerliche und unantastbare Rechte zu beschneiden und selbst Handlungen der Sportler zu ahnden, die in keiner Beziehung zum Sport stehen und auch nicht spezifisch sportlichen Belangen entgegenstehen.89 Im Zusammenhang mit dem Bundesligaskandal in der Bundesligasaison 1970/71 wurde dem DFB vorgeworfen, er verhänge als privatrechtlicher Verband zu Unrecht Berufsverbote über Leistungssportler.90 Auch die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Beschneidung eines zentralen Grundrechts – der Meinungsfreiheit – auf Basis verbandsrechtlicher und arbeitsvertraglicher Normen.

Insofern muss die Frage gestellt werden, inwieweit sich der Lizenzspieler dem Vereins- und Verbandsrecht überhaupt unterwerfen kann. Als Nichtmitglied und damit Außenstehender untersteht er nämlich weder der Vereinsautonomie und Vereinsgewalt seines Clubs noch der der Verbände.91 Die vereinsrechtlichen Regelungen sind auf das Innenverhältnis des Vereins zu seinen Mitgliedern und Organen beschränkt.92 Für die Anwendbarkeit der entsprechenden Vereinsregelungen für Nichtmitglieder ist demnach ein gesonderter Geltungsgrund erforderlich.93 Die Unterwerfung auch der Lizenzspieler unter die verbandsrechtlichen Regelungen ist im Interesse eines einheitlichen deutschen Fußballsports notwendig, da nur dadurch für alle Fußballspieler dieselben Vorschriften, insbesondere Spiel- und Dopingbestimmungen, Anwendung finden.94 In der Praxis wird versucht, die Unterwerfung der Lizenzspieler unter die Vereinsgewalt der Vereine und Verbände durch das grundsätzlich anerkannte Mittel der Verweisung zu erreichen.95 Gem. § 2 Lizenzvertrag (Spieler) zwischen Ligaverband und Spieler erkennt der Lizenzspieler die Bestimmungen von Ligaverband und DFB als für ihn verbindlich an und unterwirft sich der Vereinsgewalt beider Verbände.96 Entsprechend regelt der Musterarbeitsvertrag in § 1 Abs. 3, dass der Spieler sämtliche Regelungen des DFB und

89 Stern, in: Schroeder/Kauffmann, Sport und Recht, S. 142 (148/151).

90 Westermann, Die Verbandsstrafgewalt und das allgemeine Recht, S. 84.

91 Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 25 BGB Rn. 15; Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB-Kommentar,

§ 25 BGB Rn. 49.

92 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 138.

93 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 124.

94 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 124 f..

95 Butte, Das selbstgeschaffene Recht, S. 180.

96 § 2 des Lizenzvertrages (Spieler) im Anhang V.

des Ligaverbands „ausdrücklich als für ihn verbindlich“ anerkennt und sich deren Bestimmung unterwirft.97 Da Satzungsbestimmungen zu Lasten Dritter im Vereinsrecht unzulässig sind, ist diese Ausdehnung auf die Spieler mittels verbindlicher, rechtsgeschäftlicher Anerkennung der einzig gangbare Weg.98 Diese rechtsgeschäftliche Unterwerfung wird als Ausfluss der Privatautonomie grundsätzlich für zulässig erachtet.99 Dies hat auch der Bundesgerichtshof in der sog. Reiter-Entscheidung so gesehen und dabei den Lizenzvertrag zwischen Ligaverband und Lizenzspieler ausdrücklich als valides Mittel zur Anerkennung des Vereinsrechts bezeichnet.100 Die Unterwerfung darf jedoch nicht zur Umgehung anderweitiger gesetzlicher Regelungen, z. B. zwingenden Vereinsrechts, benutzt werden.101

In der Literatur wird es allerdings zum Teil als unzulässig angesehen, auf diesem Wege einen mitgliedsähnlichen Status des Dritten mit den entsprechenden Pflichten eines Mitglieds zu generieren, ihm aber die damit einhergehenden Rechte vorzuenthalten.102 Wie weit die Unterwerfung unter das Vereinsrechts geht und welche Konsequenzen sich daraus für den Status des Lizenzspielers ergeben, wird zu einem späteren Zeitpunkt näher erörtert.103