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Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit

KAPITEL 4: ALLGEMEINE AUSFÜHRUNGEN ZUR

C. Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit

Nunmehr wird der Schutzbereich der Meinungsfreiheit näher beleuchtet, um einen Überblick darüber zu gewinnen, welche Meinungen in welchem Umfange geschützt sind.

Der sog. Schutzbereich des Grundrechts (teilweise auch Normbereich genannt), definiert den grundrechtlich geschützten Lebensbereich bzw. das Verhalten, welches durch das jeweilige Grundrecht vor staatlichen Eingriffen geschützt werden soll.

Bewegt sich der Einzelne mit seinem Verhalten im Rahmen des Schutzbereichs, so bezeichnet man dies auch als Grundrechtsgebrauch bzw. Grundrechtsausübung.322 Je weiter die Schutzbereiche der Grundrechte verstanden werden, desto eher erscheint staatliches Handeln als Eingriff, je enger sie verstanden werden, desto weniger gerät der Staat mit den Grundrechten in Konflikt.323 Die Bestimmung des Schutzbereichs eines Grundrechts richtet sich nach den gängigen juristischen Auslegungsmethoden, also nach Wortlaut, Historie, systematischer Stellung sowie Zweck (Telos) der Norm.324 Schutzbereich und Eingriff sind nicht selten aufeinander bezogen, so dass die Bestimmung des Schutzbereichs bereits mit Blick auf den Eingriff vorgenommen wird.325 Im Rahmen des Schutzbereichs unterscheidet man weiter den sachlichen Schutzbereich (nachfolgend unter I.) und den persönlichen Schutzbereich (nachfolgend unter II.).

320 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 4 Rn. 110.

321 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 4 Rn. 113.

322 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 6 Rn. 212 ff..

323 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 6 Rn. 239.

324 Volkmann, JZ 2005, 261 (267).

325 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 6 Rn. 249.

I. Der sachliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit

Um den Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfassend zu bestimmen, wird zunächst der Begriff der Meinung selbst geklärt und werden anschließend die geschützten Verhaltensweisen dargelegt.

1. Meinungsbegriff

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff Meinung grundsätzlich weit zu verstehen.326 Er umfasst jedes Stellung beziehende Dafürhalten und Meinen im Rahmen geistiger Auseinandersetzungen und anderer sozialer Kommunikation, das heißt jede Ansicht, Auffassung, Anschauung, Überzeugung, Einschätzung, Stellungnahme sowie jede Wertung und jedes (Wert-)Urteil.327 In erster Linie sind Meinungsäußerungen demnach Werturteile, die gerade durch ihre Subjektivität gekennzeichnet sind.328

In diesem Zusammenhang ist es irrelevant, welche Themen, Zwecke und Inhalte die Meinung betrifft329, ob die Meinung abwegig oder wertlos330, falsch oder richtig331 ist oder einen grundsätzlichen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt oder nicht332. Ebenso erfasst der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG sachliche oder unsachliche333, rationale oder emotionale334, begründete oder unbegründete335 Meinungen gleichermaßen und schließt auch beleidigende und abwertende Meinungen336 auf dieser Ebene nicht aus. Jedenfalls tatbestandlich geschützt sind auch solche Meinungsäußerungen, die bei Dritten politische, rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile auslösen können.337 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts vermag dies den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG ebenso wenig einzuschränken wie etwaige

328 Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 13 Rn. 594.

329 Wendt, in: von Münch/Kunig, Kommentar, Art. 5 GG Rn. 11; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 62.

330 BVerfGE 85, 1 (15); BVerfGE 93, 266 (289); Wendt, in: von Münch/Kunig, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 8.

331 BVerfGE 85, 1 (15).

332 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 62.

333 BVerfGE 61, 1 (9 f.); BVerfGE 93, 266 (289).

334 BVerfGE 85, 1 (15); BVerfGE, 93 266 (289); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 62.

335 BVerfGE 61, 1 (7); BVerfGE 90, 241 (247).

336 BVerfGE 61, 1 (7 f.); BVerfGE 93, 266 (289).

337 BGHZ 45, 296 (307 f.); BGHZ 65, 325 (333 f.); BGH, NJW 1987, 2746 (2747).

wirtschaftliche Interessen oder Wettbewerbsabsichten des Äußernden; diese können aber bei der Abwägung nach Art. 5 Abs. 2 GG Berücksichtigung finden.338

Von den Werturteilen lassen sich die sog. Tatsachenbehauptungen unterscheiden, die im Gegensatz zu den subjektiven Werturteilen einem Wahrheitsbeweis zugänglich sind.339 Das Bundesverfassungsgericht bezieht in seinen weiten Meinungsbegriff die Tatsachenbehauptungen dann ein, wenn sie „Voraussetzung der Bildung von Meinungen“ sind340 bzw. mit Werturteilen verbunden oder vermischt auftreten341. In der Literatur wird die Aufnahme der Tatsachenbehauptung in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG damit gerechtfertigt, dass eine Tatsachenbehauptung stets in einem wertenden Kontext stehe, da sie schon durch die Auswahl der Tatsachen oder die Art und Weise ihrer Mitteilung von wertenden Elementen durchzogen werde.342 In negativer Hinsicht schützt Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG auch das Recht, eine Meinung gerade nicht zu haben und nicht zu äußern, da niemand gezwungen werden kann, eine fremde Meinung als seine eigene verbreiten zu müssen.343

Nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen dagegen bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen sowie falsche Informationen und unrichtige Zitate, da diese nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts kein schützenswertes Gut sind.344 Nicht geschützt ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die sog. Schmähkritik, die dem Achtungsanspruch des Einzelnen zuwiderläuft.345 Hierunter zu fassen sind Wertungen von Personen, bei denen es in erster Linie um eine Verunglimpfung, nicht aber um eine Auseinandersetzung in der Sache geht.346

338 BVerfG, NJW 1992, 1153 (1153); BGHZ 130, 196 (203 f.).

339 BVerfGE 90, 241 (247); BVerfGE 94, 1 (8); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 3.

340 BVerfGE 85, 1 (15); Pieroth/Schlink, Grundrechte, § 13 Rn. 598; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 3; Bethge, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 27.

341 BVerfGE 61, 1 (9); Bethge, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 29.

342 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 5 GG Rn. 63; Pieroth/Schlink, Grundrechte,

§ 13 Rn. 597.

343 BVerfGE 65, 1 (40 f.); BVerfGE 95, 173 (182); Kannengießer, in: Schmid-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 GG Rn. 4; Bethge, in: Sachs, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 38a;

Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 74.

344 BVerfGE 85, 1 (15); BVerfGE 90, 241 (249); BVerfGE 99, 185 (197); Hufen, in: Deutsche Sektion der Internationalen Juristen-Kommission, Meinungsfreiheit, S. 1 (4); Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 64.

345 BVerfGE 66, 116 (151); Kannengießer, in: Schmid-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 GG Rn. 5; einschränkend: BVerfGE 82, 43 (51).

346 BVerfGE 85, 1 (16); BVerfGE 82, 272 (283 f.); Buchner, ZfA 1982, 49 (70).

2. Geschützte Verhaltensweisen

Art. 5 Abs. 1 GG schützt das Recht, die Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten, wobei diese Aufzählung nur beispielhaft ist; geschützt wird schlicht jede Art und Weise sowie der Inhalt der Äußerung.347 Dies schließt auch neuere Formen der Äußerung, etwa im Internet mittels sog. sozialer Netzwerke (z. B. Facebook etc.) ein.348 Besonders geschützt ist auch die Möglichkeit, mit seiner Meinung nach eigener Wahl des Ortes, des Zeitpunktes und der sonstigen Umstände der Äußerung auf andere geistig einwirken zu können.349

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt aber nur den geistigen Meinungskampf, also eine Auseinandersetzung mit Worten.350 Nicht mehr in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG fällt daher eine Meinungsäußerung, die eine „rein geistige“

Wirkung der Meinung überschreitet. 351 II. Der persönliche Schutzbereich

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt jede Person, die eine der geschützten Tätigkeiten ausübt;352 natürliche Personen ungeachtet ihrer Nationalität oder Minderjährigkeit,353 juristische Personen des Privatrechts oder sonstige Personenvereinigungen (wie etwa politische Parteien oder Vereine)354. Mithin sind sowohl Spieler als auch Verbände und Clubs Grundrechtsberechtigte.

III. Verhältnis zu anderen Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG

Art. 5 Abs. 1 enthält insgesamt fünf Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Var. 1 GG).

Klarstellend sei hier festgehalten, dass auch dann, wenn Meinungsäußerungen – wie im Lizenzfußball üblich – durch Presse oder Rundfunk gegenüber der breiten Masse veröffentlicht werden, nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 GG weiter einschlägig

347 BVerfGE 54, 129 (138 f.); BVerfGE 60, 234 (241); BVerfGE 68, 226 (230 f.); BVerfGE 76, 171 (192); BVerfGE 97, 391 (398 f.).

348 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG-Kommentar, Art. 5 GG Rn. 67.

349 BVerfGE 93, 266 (289); BVerfGE 97, 391 (398 f.); BVerfGE 93, 266 (289).

350 BVerfGE 25, 256 (265); BVerfGE 62, 230 (245).

351 BVerfGE 25, 256 (265); BVerfGE 62, 230 (245).

352 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 5 GG Rn. 114.

353 Schulze-Fielitz, in: Dreier, Grundgesetzkommentar, Art. 5 GG Rn. 115.

354 BVerfGE 85, 1 (11 ff.); BVerfG, NJW 2000, 2413 (2414).

bleibt.355 Die Meinungsfreiheit hat hinter der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG zurückzutreten.356 Die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG tritt ihrerseits hinter der Meinungsfreiheit zurück.357

D. Voraussetzungen für einen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit