• Keine Ergebnisse gefunden

Weitere „Modernisierer“ des Rechtsextremismus

Im Dokument in den ländlichen Räumen (Seite 156-160)

Aufklärung

7 Die beschleunigte Modernisierung des Rechtsextremismus und deren

7.2 Weitere „Modernisierer“ des Rechtsextremismus

Parteien

Auf die Veränderung des Parteienspektrums wurde ausführlich im Kapitel 6 einge-gangen. Die beiden Kleinparteien Die Rechte und III. Weg sind ausgesprochen

be-Europa

wegungsorientiert. Beide stehen begründet im Verdacht, einerseits als Sammelbecken versprengter „freier Kräfte“ zu dienen, andererseits werden sie offen als mögliche Auf-fangbecken für den Fall eines erfolgreichen NPD-Verbotsverfahrens gehandelt.

In ihrer Programmatik im Verhältnis zur NPD eher gemäßigt, stehen Verantwortli-che beider Parteien derzeit als radikale und gewaltfixierte Akteure im Mittelpunkt der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Unterbringung von Flüchtlingen.

Lange Zeit schien die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD), häufig verkürzt

„Identitäre“ genannt, eher ein loser Verbund von Einzelpersonen oder kleinen Grup-pen zu sein, die vor allem mit intellektuellem Gehabe im Internet aktiv waren. Ver-einzelt konnten Gruppen identifiziert werden, die bislang außerhalb des klassischen rechtsextremen Spektrums standen, wie etwa der „Ellwanger Kreis“ (Schwäbische Post, 30.8.2013), eine Gruppe junger Leute, die sich auf verschiedenen Spielwiesen als Rechtsextremisten „ausprobierte“. Meist handelt es sich dabei um junge Männer, im Erscheinungsbild eher studentisch als offen rechtsextrem.

Die „Identitäre Bewegung in Schwaben“ lädt halbjährlich zu einem „Aktivisten-wochenende“ ein. Es dient „vor-rangig der geistigen und kör-perlichen Ertüchtigung“86, sie wollen nicht „rechts“ genannt werden, agieren aber offen is-lamfeindlich und wollen (so der Facebook-Auftritt der Identitären Bewegung Rottweil)

„dem Asylwahnsinn eine Ende machen“.87

Die IBD ist ein Ableger der einige Jahre zuvor in Österreich gegründeten „Identi-tären Bewegung“. Sie verstehen sich als „Elite“, sind eindeutig Teil des „diskursorien-tierten Rechtsextremismus“, der andere Protagonisten der rechtsextremen Szene durch seinen „an moderner Jugendkultur orientierten Ansatz“ inspiriert.88 Die aktivistische Gemeinschaft ist mit einem Teil der rechtsextremen Burschenschaften verzahnt und wird der „Neuen Rechten“ zugeordnet.89 Deren Konzept der „ethnokulturellen Iden-tität“ wendet sich massiv gegen Rassenmischung. In ihren Internetauftritten sowie den wenigen öffentlichen Aktionen umweht die Aktivisten der „Identitären Bewegung“

eine dottergelbe Fahne mit aufgedrucktem Lambda in schwarzem Kreis. Der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets war Schildmotiv der spartanischen Hopliten.

Die Anspielung bezieht sich auf die kleine elitäre Minderheit, die im 5. Jahrhundert vor Christus „sich selbst opfernd“ gegen die Invasion der Perser antrat. In ihrer Bildspra-che auf Facebook und YouTube stellen Identitäre gelegentlich einen Bezug zu dem 2007 uraufgeführten Film „300“ her, einem Kriegsepos, in dem 300 Spartiaten bei Ther-86 www.identitaere -bewegung.de, Zugriff am 15.12.2015

87 de-de.facebook.com/ IdentitaereSchwaben/posts, Zugriff vom 15.12.2015 88 https://burschenschafterpacktaus.wordpress.com, Zugriff am 15.12.2015 89 Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport 2015, S. 53

Provokation

mopylen einem vielfach überlegenen persischen Heer gegenübertreten, um schließlich das „höchste aller Lebensziele“ zu erreichen: „Im Krieg als freier Spartiat zu fallen“.

NS Straight Edge

Schon 2009 haben wir auf das Randphänomen des NS Straight Edge verwiesen (Bund der Deutschen Landjugend 2009, S. 74): „Die aus dem Punk derivierte Jugend-kultur «Straight Edge» («Kein Sex, keine Drogen, kein Alkohol, keine Zigaretten, kein Fleisch…»), deren Hardcore-Musik (bekannteste Bands: «Gorilla Biscuits», «Youth of To-day») einen Gegenpol zu den «destruktiven» Punk-Botschaften bilden sollte, speist sich eher aus humanistisch-ökologischen Ideologieversatzstücken. Eine Minderheit verbindet ihre Suche nach Askese mit Anleihen aus der Religion, wie in dem – heute weitgehend bedeutungslosen – «Krishna-Core». Problematischer sind neuere Strömungen, die sich an einem biozentristischen Weltbild ausrichten und dabei die traditionelle Drogenfeind-schaft mit militantem Veganismus, AbtreibungsgegnerDrogenfeind-schaft und Schwulenfeindlichkeit verbinden. Hier können nun Vertreter eines NS Straight Edge anknüpfen.“

Die nicht sehr zahlreichen „Außenseiter unter den Außenseitern“ sind unverändert in Deutschland, mittlerweile mehr noch in anderen europäischen Ländern vertreten (Ungarn, Frankreich, Russland). Über die russische Subströmung „Hate Edge“ wurden Beziehungen zu deutschen Hatecore Bands, etwa „Brainwash“, „Moshpit“ und „Path of Resistance“ geknüpft. Damit ist die eindeutige Gewaltbefürwortung der rechtsex-tremen Puristen angedeutet. Ihre militante Drogenfeindschaft mündet gelegentlich in Mordaufrufe gegen reale oder auch nur vermeintliche Drogendealer. Im Facebook-Auftritt des NS Straight Edge France (deutschsprachiger Untertitel: „Gemeinschaft“), findet sich ein Aufklebermotiv mit eindeutiger Botschaft. Von einem halb aufgeklapp-ten Rasiermesser tropft Blut. Der Text: „Hospitalise Your Lokal Drug Dealer“. Dahinter steckt auch der für den NS Straight Edge typische Antisemitismus. Für den weltwei-ten Drogenhandel werden einmal mehr die „Nasen“ (wie Juden verächtlich bezeichnet werden) verantwortlich gemacht (Kuhn 2010).

Nipster

Es ist nicht ganz klar, ob das seit kurzem vieldiskutierte Auftreten von „Nipstern“ mit-tel- oder langfristig zu einer relevanten Strömung interhalb des deutschen und euro-päischen Rechtsextremismus führen wird. „Wenn sich der Nazi mit dem Hipster trifft, entsteht der Nipster“ schreibt „Die Welt“ (24.08.2014). Dass es sich bei „Nipstern“ zu-mindest zahlenmäßig noch nicht um ein bedeutsames Phänomen handelt, wird daran deutlich, dass alle, ob „Welt“ (ebenda), „Tagesspiegel“ (07.09.2014) oder seriöse Re-chercheportale (www.netz-gegen-nazis.de, Zugriff 16.12.2015) und Blogs (blog.zeit.

de/stoerungsmelder, Zugriff am 16.12.2015) in ihrem Bildmaterial auf das Foto eines jungen Mannes zurückgreifen, der am 16. Januar 2014 beim schon traditionellen Nazi-aufmarsch in Magdeburg im Hipsterlook mit hipstertypischem Jutebeutel aufgetreten ist. Der Beutel trug den im Kontext der stets gewaltgeprägt verlaufenden

Demonst-ration skurril wirkenden Aufdruck: „Bitte nicht schubsen, ich habe einen Joghurt im Beutel“.

Dieser „Nipster“ fand samt Beutel seinen Weg über die „Tageszeitung“ („taz“ / 20.01.2014) in den „Rolling Stone“, der den deutschen „Nipstern“ in seiner internati-onalen Ausgabe eine mehrseitige Reportage widmete (T. Rogers in: „Rolling Stone“, 23.6.2014).

Kein Zweifel: Es wird im Spektrum der dezidiert unmodisch auftretenden Konsumverweigerer auch etliche Rechtsextreme geben. Sie sind zumindest der-zeit lediglich deshalb beachtenswert, weil mit ihnen dokumentiert ist, dass sich die alte Jugendkultur des

„Stiefelfaschismus“ in vielfältiger Weise diversifiziert hat und der Rechtsextremismus auch in Sub- und Jugendkulturen zu finden ist, die sich mehrheitlich davon entschie-den abgrenzen.

Vegane Nazis

Die popkulturelle Groteske findet ihre Fortsetzung mit den ebenfalls zahlenmäßig nicht sehr häufig anzutreffenden „veganen Nazis“: „Kauft keine Coca-Cola-, Nestlé- und Israel-Wixxe“. Ein inhaltlicher Bezug wird von diesen gelegentlich zu Adolf Hitler hergestellt. Seine bekanntermaßen fleischlose Ernährungsweise wird zum Veganismus überhöht.

Eine dieser sich lebensweltnah und zeitgemäß inszenierenden Gruppierungen sind die Neonazis der „Balaclava“-Küche. Sie benennt sich nach der „Balaclava“ genannten Sturmhaube. Mit solchen sind auch zwei junge Männer maskiert, die seit 2014 über Youtube und auf Facebook ihre veganen Kochversuche präsentieren. Sie grüßen mit

„identitärem Gruß“ – ein Hinweis auf die Zugehörigkeit oder die Nähe zur „Identitären Bewegung“ – und verbinden vor der Kamera albernes Jungenverhalten mit veganem Kochen und rechtsextremen Provokationen.90 Ähnliches wird auch auf der neonazisti-schen Website „Wacht am Rhein“ präsentiert.

Deutsche Hilfe für deutsche Obdachlose

Ein Mitarbeiter der „Treberhilfe Dresden“ äußerste sich im November 2015 irritiert über kleiderspendende Bürgerinnen und Bürger, die beim Versuch, ihre Kleiderspende abzugeben, darauf bestanden, dass die gespendeten Dinge nicht an Flüchtlinge, son-dern an „verarmte deutsche Bürger“ gehen. Dahinter steht ein „Deutsches Hilfswerk“, das u.a. mit dem rechtsextremen „Zentralversand“ in Beziehung steht, über den u.a.

T-Shirts mit dem Aufdruck: „Todesstrafe für Kinderschänder – 0% Rückfallquote“ ver-trieben werden.

90 Vgl.: https://www.facebook.com/balaclavakueche/, Zugriff vom 04.11.2015

Nipster

Das „Deutsche Hilfswerk“ lässt dazu verlauten: „Da in den Medien immer nur der Aufruf zur Spende für Flüchtlinge zu lesen ist, sehen wir uns in der Pflicht, den deut-schen Obdachlosen zu helfen“ (www.zentralversand.info, Zugriff am 30.11.2015).

Spenden können über eine bundesweite sowie drei landesbezogene Mailadressen ange-meldet werden. Zur weiteren Unterstützung und Bewerbung werden T-Shirts mit dem Aufdruck „Volkstreue Obdachlosenhilfe“ hergestellt und verwendet.

Im Dokument in den ländlichen Räumen (Seite 156-160)

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE