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Magazine und Blogs

Im Dokument in den ländlichen Räumen (Seite 163-167)

Aufklärung

7 Die beschleunigte Modernisierung des Rechtsextremismus und deren

7.4 Magazine und Blogs

Rechtsextreme nutzen zunehmend soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder You-tube, um ihr Gedankengut zu verbreiten. Aufgrund der hohen Reichweite und der Möglichkeit, Inhalte schnell weiterleiten zu können, laufen die sozialen Netzwerke den Websites zunehmend den Rang ab. Besonders weite Verbreitung und Zustimmung finden rechts-extreme Inhalte, wenn sie an aktuelle politische De-batten anknüpfen (jugendschutz.net 2015, S. 3).

Provokativ, gut inszeniert und selbstbewusst auf-tretend stellt die Identitäre Bewegung ein gutes Exempel dar. Die Identitären sind die erste rechtsextreme Bewegung, die vorrangig über ihre Medienpräsenz wahrgenom-men wird. Indem sie reale soziale Missstände in Deutschland und Europa anspricht, bedient die Identitären-Bewegung bestehende Ängste. Sie präsentiert sich als Aktivist, der eine Lösung für die deutschen Probleme gefunden hat.

In jüngster Zeit war es den Rechten ein Leichtes, AsylbewerberInnen und Mus-lime zu Feindbildern zu machen. Facebook-Seiten wie „Nein zum Heim“ oder „Anti-Islamisierung“ sind Beispiele für die Agitation gegen diese Personengruppen. Letztere wurde vom Netz genommen. Dort waren Videos zu sehen, in denen Menschen von 94 Beschluss vom 20. Mai 2014 1 (8) Ss 678/13-AK 15/14

Parolen

IS-Kämpfern brutal gefoltert oder umgebracht wurden. Dieses Material war meist aus dem Kontext gerissen und wurde dafür benutzt, die „wahre Identität“ von Muslimen zu beweisen (ebenda, S.7 f). Traditionelles Feindbild sind unverändert die Juden. Die aktuelle anti-jüdische Propaganda weist vorrangig auf den Nahost-Konflikt. Auf Seiten wie „Israel mordet“ wird unter dem Deckmantel politischer Aufklärung Antisemitis-mus verbreitet.95 Unverändert stark im Netz vertreten sind alte und neue antijüdische Verschwörungstheorien. Unverändert werden auch Homosexuelle, Sinti und Roma

und „Linke“ zu Zielen internetgestützter Gewalt- und Mordphantasien.

Seit der Veröffentlichung der ersten Studie des Bundes der Deutschen Landjugend zum Rechtsextremismus in den ländlichen Räumen hat sich die Zahl der internetge-stützten Medien vervielfacht. In deren Erscheinungsjahr wurden 1.800 rechtsextreme Websites beobachtet (www.netz-gegen-nazis.de vom 14.8.2009). Schon zwei Jahre später hat sich die Anzahl auf 3.700 rechtsextreme Webangebote verdoppelt (jugend-schutz.net 2012). Und wiederum nur zwei Jahre später konnten mehr als 6.100 rechts-extreme Webangebote festgestellt werden (jugendschutz.net 2015, S. 19). Während ein Teil davon entweder den verschiedenen rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien nahesteht (z.B. die Netzseite der NPD-nahen deutsche-stimme.de) oder wie z.B. der „Trutzgauer Bote“ ganz offen den Nationalsozialismus verherrlicht, versuchen andere, ihre rechtsextreme Ausrichtung zu verschleiern. Die wohl wichtigste Plattform,

„Politically Incorrect“ (PI), will „News gegen den Mainstream“ machen und bezeichnet sich dabei als „proamerikanisch“ und „proisraelisch“. Im „Kampf gegen die Islamisie-rung Europas“ wirbt sie regelmäßig für die „Abendspaziergänge“ der Pegida sowie die Veranstaltungen ihrer Ableger in anderen Städten. Weil es auch ein bisschen lustig zu-gehen soll, kann man über die Homepage zu einem „Willkommenskulturtest“ gelangen, dessen Ergebnis über Facebook oder Twitter kommuniziert werden kann.

Über den Heilbronner Rechtsaußen-Publizisten Karl-Heinz Merkle, der seine Hasstiraden gegen den Islam gelegentlich unter dem Pseudonym „Michael Mannhei-mer“ verfasst, wird die Brücke zu dem Internetpranger „Nürnberg 2.0“ geschlagen.

Gegnern wird ein „neuer Nürnberger Kriegsverbrecherprozess“ angedroht (wiki.ar-tikel20.com, auch: de.indymedia.org, Zugriff jeweils am 20.11.2015).

Ein Ableger der sich intellektuell gerierenden neurechten Zeitschrift „Sezession“ ist das vorwiegend von Götz Kubitschek betriebene Netztagebuch „Sezession im Netz“.

Im Spektrum der neurechten Magazine und Internetauftritte bemüht sich die

„Blaue Narzisse“ um einen akademischen Anstrich und gibt sich mit dem Träger „Ver-ein Journalismus und Jugendkultur Chemnitz e.V.“ betont unauffällig. Vorsitzender ist Felix Menzel, ein Ex-Burschenschaftler. Er gilt als Teil der „Bewegungselite“ der

„Identitären Bewegung“ in Deutschland (Hentges / Kökgiran / Nottbohm 2014, S. 13). Die Zeitschrift „Compact“ erscheint als Hochglanzpostille. Mittlerweile werden 30.000 Exemplare einer Ausgabe verkauft. In ihr sowie in der Online-Ausgabe www.

95 https://www.facebook.com/israelmordet/?fref=ts, Zugriff vom 04.11.2015

compactonline.de spielen sich der von der extremen Linken zur Rechten gewanderte vormalige „Konkret“-Journalist Jürgen Elsässer, Pegida und andere Rechtspopulisten in elaborierter Sprache die Propagandabrocken zu.

Die Nähe zu der skurril-rechtsextremen Kleinpartei „Die Reichsbürger“ wird regel-mäßig auf dem Weblog „derhonigmannsagt.wordpress.com“ deutlich. Über Youtube sind täglich „Die Honigmann-Nachrichten“ zu sehen. Über die zugehörige Homepage können auch diverse Honigprodukte bestellt werden.

„Kopp online“ ist ein Internetangebot des Rottenburger Kopp-Verlages. Viele ken-nen den Verlag durch seine regelmäßige mehrseitige Werbung in Fernsehzeitungen, in der für krude „Gesundheitsbücher“ geworben wird.96 Weniger bekannt ist dessen weiteres Buchsegment. In diesem kommt es vor allem zur Verbreitung von Verschwö-rungstheorien mit demokratiefeindlichen, antisemitischen, rassistischen und sexisti-schen Bezügen (netz-gegen-nazis, Zugriff vom 20.11.2015).

Ebenfalls im Feld des verschwörungstheoretisch unterlegten Rechtsextremismus angelegt ist der Blog „lupo cattivo“. Mit klar antisemitischer, auf Geschichtsrevisionis-mus ausgerichteter Linie bewegt er sich in vielen Beiträgen im Nebulösen, deutet an und stoppt dabei stets haarscharf vor der Grenze zu strafrechtlich sanktionierbaren Aussagen, feiert die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, ohne selbst den Holocaust leugnen zu müssen97. Verlinkt ist dieser Blog mit rund 40 anderen Blogs und Websites.

Nachfolgend werden Beispiele aufgrund ihrer Besonderheiten herausgestellt:

Die offen fremdenfeindliche „Alpenschau“ umrankt ihre rassistischen Kommentie-rungen mit sonnigen Alpenpanoramen, bewirbt sowohl die Skandalschriften von Akif Pirinçci als auch Tourismusorte in Tirol, Slowenien – und hat geschaltete Werbung, deren Spektrum von völkischem Schrifttum über „Fightwear“ und zweifelhafte „Über-lebens- und Gesundheitsprodukte“ bis zu Angeboten der Deutschen Bahn reicht.

„Die Einfachste Umgehung Rechtlichen Unfugs“ (DEURU) ist zum einen eine Art Rechtsberatung mit deutlich fremdenfeindlichen Einfärbungen. Der Blog setzt sich ein für „Meinungsfreiheit im Internet“, womit die ungehinderte Verbreitung rechts-extremer, volksverhetzender Inhalte gemeint ist. Zum anderen wird folgender Service angeboten:

„Nach Ihrer Anmeldung erhalten Sie von uns ein Impressum aus Südamerika und wir übernehmen in diesem Moment die Verantwortung für Ihren Webauftritt. Das Ganze wird durch einen mündlichen Vertrag in Form einer monatlichen Zahlung … abgesichert.

Sie können sich dann immer darauf berufen, dass Sie die Verantwortung an uns ausge-lagert haben. Da für uns die Bestimmungen des § 5 Telemediengesetz TMG nicht gelten, kann uns auch kein Anwalt belangen.“98

96 mit Titeln wie „Heilung des Unheilbaren“, „Wie Sie Ihre Selbstheilungskräfte aktivieren“ oder

„Wunderwurzel Kurkuma“

97 lupocattivoblog.com, Zugriff vom 18.11.2015

98 www.deuru.com/wie-funktioniert unser Service, Zugriff vom 19.11.2015

Über de.gravatar.com/unbequemewahrheit/ erreicht man diverse Blogs der extre-men Rechten99 und erhält auch Anweisungen zur technischen Installation von Grava-tar100-URLs, Gravatar-Bildern und Gravatar-Profilen über „ApIs“. Letztere erfordern keine Authentifizierung und weisen Wege für Implementierungen, die ein nicht iden-tifizierbares Surfen im Netz ermöglichen.

Die „Kompakt-Nachrichten“ werben im Untertitel: „Wir sprechen Deutsch“. Her-ausgeber ist der Nationale Bildungskreis“, der vorgibt, eine Hauptverwaltung in Groß-britannien zu haben. Als „Direktor“ firmiert der frühere Magdeburger Politologiestu-dent und NPD-Stadtrat Matthias Gärtner.

„Widerstand.Info“ besteht seit 2002 und versteht sich als Plattform der freien Kräfte und der Kameradschaften. Diese betreiben z.T. eigene Blogs und Websites, häufig – nicht nur inhaltlich – minderer Qualität.

Über den Web-Auftritt des „Antisem Versands“ gelangt man auch zum „Tremonia Podcast“, der im Logo die gekreuzten Hämmer der in Deutschland verbotenen „Ham-mer-Skins“ führt. Über diesen Podcast können technisch hochwertige Hörsendungen zu aktuellen Themen abgerufen werden.

Im oberpfälzischen Mantel hat der NPD-Funktionär eine Online-Sendung FSN.

TV101, mit Stream- und Hörfunkanteilen ausgestrahlt. Vorübergehend wurden die Ausstrahlungen von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien im September 2014 verboten (Cruzcampo 2014). Mittlerweile ist der Sender mit dem Namenszusatz

„Voice of the Voiceless“

wieder auf Sendung.

Sonntags von 19 bis 21 Uhr wird ein Live-Stream gesendet. Über

Radio FSN (Motto: „Hören macht frei“) können vorprogrammierte Hörfunksendun-gen und Musikbeiträge abgerufen werden. Als Moderatoren präsentieren sich – mit Schal vermummt – „H8“ und -mit der Larve des Anonymus – „Vendetta“ (www.fsn-tv.de, Zugriff am 30.11.2015).

Im Bereich der offen rechtsextremen Portale kommt es immer wieder zu Sperren im Internet, Ausstiegen und Neugründungen, somit zu einer gewissen Zersplitterung.

Derzeit sind Altermedia, Thiaz.net und das ebenfalls rechtsextreme „DeutschlandEcho“

99 Der Blogger „Do Gui Life!” verbirgt sich hinter einem Avatar (einer nicht realen virtuellen Figur) und verwendet ein Logo mit dem Text: „Free Zyklon B – to the first six million customers“.

100 Ein Gravatar (Globally recognized Avatar) ist ein global verfügbarer Avatar. Verknüpft mit einer Mailadresse auf einem Server im Ausland, der gestattet, diesen Gravatar hochzuladen, kann der Nutzer seinen Avatar hinterlassen, ohne sich bei den jeweiligen Blogs registrieren zu lassen.

101 FSN steht im Szene-Jargon für „frei, sozial und national“.

Webangebote

vom Netz102. Auch der Blog der mit Spontan-Maskeraden irritierenden „Spreelichter“

wird in Deutschland unterdrückt.

Es dauerte annähernd zehn Jahre, bis die in der ersten Ausgabe (Bund der Deut-schen Landjugend 2009, S. 76) erwähnte Homepage der „Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen“ gelöscht wurde. Aktuell steht die Domain www.

naso-mzbi.de zum Verkauf (Zugriff am 22.11.2015).

Diesen berechtigten Sperrungen und Unterdrückungen steht jedoch eine Vielzahl von Neugründungen gegenüber, was zeigt, dass dem Staats- und Jugendmedienschutz nicht die nö-tigen Ressourcen zur Verfügung stehen, um auf rechtsextreme Propaganda (mit zum Teil menschenverachtender Hetze im Netz) adäquat reagieren zu können.

Im Dokument in den ländlichen Räumen (Seite 163-167)

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