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Kleidung und Symbole

Im Dokument in den ländlichen Räumen (Seite 160-163)

Aufklärung

7 Die beschleunigte Modernisierung des Rechtsextremismus und deren

7.3 Kleidung und Symbole

Die alten, brachial wirkenden Kleidungsstile der Rechtsextremen existieren noch. Aber allein seit der Veröffentlichung der ersten Landjugendstudie (2009) vollzog sich ein solch dynamischer Prozess der Erweiterung von Angeboten, Labeln, Vertrieben und Accessoires, dass hier nur exemplarische Darstellungen vorgenommen werden können und ansonsten auf die angegebenen Quellen und den Materialteil verwiesen werden muss.

Wer heute in Springerstiefeln und Bomberjacke daherkommt, trägt entweder be-wusst „old school“, rettet die alten Klamotten des sehr viel älteren Bruders oder gar bereits des Vaters vor dem Kleidersack oder hat schon den Anschluss verloren. Am ehesten kleiden sich ältere Skinheadgruppen „traditionell“. Offen getragene faschis-tische Zeichen findet man auch unter Hooligans. In Bremen hat sich kürzlich eine der ältesten rechtsextremen Hooligangruppen aufgelöst. Man vermutet, dass die „Stan-darte Bremen“, die neben dem Gruppenlogo den Schriftzug „Blut und Ehre“ – die Lo-sung der Hitlerjugend – angebracht hatte („Weserkurier“ vom 26.1.2015), mit ihrer Selbstaufl ösung die Konsequenz aus einem abschließenden Bundesgerichtshof-Urteil zog, wonach einschlägig in Erscheinung getretene Hooligan-Gruppen als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können. Zeitgleich und wohl aus ähnlichen Grün-den hat sich auch der berüchtigte „Nordsturm Brema“ aufgelöst, dessen Mitglieder mit offen zur Schau gestellten Hakenkreuzen auf der „Kampfbekleidung“ noch heute im Internet posieren. Die Kontroverse über Lonsdale-Kleidung ist beendet. Die Firma hat sich mit aufwendigen Werbekampagnen und gezielter Unterstützung antirassistischer Initiativen so deutlich von den Neonazis distanziert, dass diese sich grummelnd von der Marke abwandten. Die Firmen-Kampagne „Lonsdale loves all Colours“ mündet in den Satz: „Eine Marke, die ein Mensch wie Muhammad Ali getragen hatte, darf nicht zum Erkennungszeichen von Faschisten werden.“91

Die in Königs Wusterhausen ansässige Firma „Erik and Sons“, die E&S-Produkte und „Consdaple“-Kleidung vertreibt, arbeitet bei letzterer bewusst mit einem

Schein-91 www.londsdale.de/geschichte/rebirth-wie-londsdale-die-nazis-los-wurde, Zugriff vom 17.11.2015

anglizismus. Das englische Wort Constaple wird so verändert, dass – wenn z.B. ein T-Shirt bei offener Jacke getragen wird – die Buchstabenfolge NSDAP sichtbar wird.

Nachdem Lonsdale in der NS-Szene „unbrauchbar“ geworden ist, greifen Neonazis gerne auf „Consdaple“ zurück. „Eric and Sons“ produziert und vertreibt auch unter eigenem Namen neben eher sportlicher Kleidung solche mit starken Anlehnungen an NS-Symbolik.

Ursprünglich ebenfalls in Königs Wusterhausen beheimatet war die NS-Kleider-marke „Thor Steinar“, die mittlerweile zur MediaTex GmbH mit Sitz in Mittenwalde gehört. „Thor Steinar“ hat mehrere eigene Läden in Deutschland (z.B. in Hamburg, Es-sen, Schwerin, Halle; Ende 2015 schloss die Rostocker Niederlassung mit einem „Räu-mungsverkauf “), aber auch in England, Italien, Kroatien, Finnland, Schweden, Tsche-chien, der Ukraine sowie rund 20 Niederlassungen in Russland, ferner Versande in Frankreich, Dänemark und den Niederlanden. „Thor Steinar“ bedient die Kundschaft mit völkischer Symbolik und sportlicher Kleidung des „modernen rechtsextremen Lifestyles“.

Einen eindeutig rechtsextremen Hintergrund hat die in Dresden ansässige Kleider-marke „Greifvogel Wear“. Unter dem Motto „Kampf war schon immer der Vater aller Dinge“ werden z.B. „Blut und Eisen“-T-Shirts vertrieben.

„Ansgar Aryan“ (aus dem oberpfälzischen Mantel) stellt ebenfalls einen deutlich sichtbaren Bezug zum Nationalsozialismus bzw. zu den gängigen Motiven der Rechts-extremen her. Die Firma tritt regelmäßig im In- und Ausland als Sponsor rechtsextre-mer Konzerte auf.92

Marken wie „Erik and Sons“ oder „Ansgar Aryan“ nutzen gezielt Aussagen, Mythen und Symbole der germanischen Kultur, um den Bezug zu Wikingern und Germanen herauszustellen und damit zu suggerieren, dass diese Stämme die arischen Ursprünge der deutschen Bevölkerung sind. Die Botschaften werden in die alten Zeichen wie z.B.

die verschiedenartigen keltischen Knoten eingebunden, um nicht auf den ersten Blick offensichtlich zu sein.

Der Odin Versand vertreibt Shirts mit den Motiven „Hate Combat“, „Hatedance“

und – welch doppeldeutiges Wortspiel – „Gassenhauer“.

Vordergründig für Kampfsportler gedacht, in Wirklichkeit aber auch gerne von Rechtsextremen und Hooligans getragen werden „Fightwear-Produkte“ wie z.B. „Gla-diator Fightwear“ aus Memmingen oder „Yakuza“ aus Bautzen. Auf mehreren Blogs und Seiten der Rechtsextremen wirbt „Khun Pon“. Ganz offen spricht dagegen die in Walderbach (Bayern) ansässige Marke „Walhall Athletik“ die Neonazi-Szene an.

Andere Marken wie zum Beispeil „Rizit“ werden auch von nichtrechten Jugend-lichen, etwa in der HipHop-Szene, getragen. Im Sortiment finden sich aber Motive und Schriftzüge rechter Jugendkultur. Andere Marken wie „Masterrace“ oder „Outlaw“

wollen ohne Umschweife eindeutige Botschaften sichtbar werden lassen. Diese Klei-92 ansgararyan.com/Sponsoring, Zugriff vom 28.11.2015

dung unterstützt mit ihren Aufschriften Gewalt und Hass gegen Ausländer und andere Gruppierungen.

„Troublemaker“ ist eine Marke, die nicht nur von Rechtsradikalen getragen wird, sondern auch von Punks, Hooligans oder in der Hardcore-Szene.

Ganz offen mit dem europäischen Rechtsextremismus in Beziehung steht die in Russland beheimatete Kampfsportmo-demarke „White Rex“, die „Marke für die weißen Völker Europas“. Das

Unterneh-men vertreibt seine Produkte auch in Deutschland und tritt als Sponsor auf.

Die Sportkleidung der Marke „Fred Perry“ wird immer aufgrund des als Logo ver-wendeten Lorbeerkranzes traditionell in der Skinheadszene getragen und dies, obwohl der aus der englischen Arbeiterklasse stammende erfolgreiche Tennisspieler Perry Jude war.

Doch es geht auch wesentlich subtiler. Heiko Koch (2015) berichtet über die Grün-dung der Modemarke „Pivert“ (Grünspecht), die aktuell mit großem Promotionsauf-wand von Akteuren des Casa Pound Italia auf den Markt gebracht wird. Fern aller brachialen NS-, Germanen- und Gewaltbezüge wird „sportliche Herrenmode für je-dermann“ gemacht. Und dennoch: Unverhohlen wirbt man mit imposanten Gebäuden der Mussolini-Architektur.

Über das vielfältige Kleidungsangebot werden auch zahlreiche Botschaften, Logos, Zeichen und Parolen transportiert. Dabei ist das Spektrum der Ausdrucksformen viel-fältig geworden. Neben Primitivem steht Subtiles. Manchmal wird der „Humor“ der Rechtsextremen deutlich, wie z.B. auf T-Shirts mit der Aufschrift: „Lieber Kernkraft als Flüchtlingsstrom“. Viele Labels verwenden Keltenkreuze, Thorhammer (Mjölnir) und Runen in überlieferter oder abgewandelter Form.

Seit Jahrzehnten sind Zahlencodes ein beliebtes Mittel, um Botschaften und Aus-sagen zu verschlüsseln. Ursprünglich verstanden nur Eingeweihte deren Bedeutung.

Sowohl ExpertInnen als auch nichtrechte Jugendliche wissen mittlerweile viele dieser Codes zu deuten. Ein bekanntes Beispiel ist die Zahl 88. Mit der Ziffer ist der Rang des jeweiligen Buchstabens im Alphabet gemeint: 88 = HH, was für „Heil Hitler“ steht.

Andere bekannte und beliebte Zahlencodes sind:

18 = AH = Adolf Hitler 28 = BH = Blood and Honour93 74 = GD = Großdeutschland

124 = ABD = Ausländerbefreites Deutschland 198 = SH = Sieg Heil

1919 = SS

93 „Blood and Honour“: ein in Deutschland seit 2000 verbotenes neonazistisches Netzwerk rechts-extremer Musiker, Bands und Veranstalter. In anderen europäischen Ländern ist es legal. In England wird ein gleichnamiges Magazin produziert und das „28 Radio“ betrieben.

Symbolik

Andere Zahlencodes beziehen sich auf das Datum eines bestimmten Ereignisses, wie 4/20, die amerikanische Schreibweise von Hitlers Geburtstag, die Zahl 14 oder „14 Words“. Damit ist die Aussage des US-Neonazis David Eden Lane gemeint: „We must secure the existence of our people and a future for white children“ („Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft weißer Kinder schützen“).

Daraus leiten sich immer weitere Zahlen- und Kürzelspielereien ab. Ein Beispiel hierfür ist die Zahl 1488. Sie kombiniert den Verweis auf die „14 words“ mit der Zahl 88.

Zahlencodes ersetzen gelegentlich verbotene Zeichen. Nachdem das OLG (Ober-landesgericht) Karlsruhe94 in der Kombination ACAB („All Cops Are Bastards“) eine Beleidigung von Polizisten gesehen hatte, lösten Schriftzüge mit der Zahlenkombina-tion 1312 die alte Buchstabenfolge ab. Neben den Zahlencodes werden auch Akronyme verwendet, um Aussagen in wortbildenden Buchstabenkombinationen zu verschleiern:

W.O.T.A.N = Will of the Aryan WAR = White Aryan Resistance WAW = Weißer arischer Widerstand.

Diese Codes und Akronyme werden vermehrt auf Kleider gedruckt und sind bei Demonstrationen und öffentlichen Versammlungen zu sehen.

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