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Die schrille Vielfalt des Rechtspopulismus

Im Dokument in den ländlichen Räumen (Seite 187-190)

8 Herausforderung Rechtspopulismus

8.2. Die schrille Vielfalt des Rechtspopulismus

Wie dargestellt, geht der Rechtspopulismus weiter zurück als zu den Ursprüngen von AfD und Pegida. Ulrike Baureithel (2015) verweist auf den Kulturwissenschaftler Andreas Huysken, der nach den Gewaltexzessen der 1990er-Jahre ein „xenophobes Dreieck“ ausmachte, das von den rechtsradikalen Populisten geschickt genutzt wurde.

Mit dem Wegfall des „fremden Deutschen“ (des jeweils anderen Staates; d.V.) sei der historisch gewachsene „natürliche“ Feind verloren gegangen und durch den „stören-den“ Ausländer ersetzt worden. Hinzu kommt ein Staatsbürgerschaftsrecht, das dazu führt, dass ein in dritter Generation hierzulande geborener Türke als weniger deutsch gilt als ein „Blutsdeutscher“ von der Wolga oder aus Kasachstan. Ferner wird sichtbar, dass der politische Rechtspopulismus sich aufgrund der emotionalen und psychischen Disposition seiner Mitläufer unschwer mit Verschwörungstheorien aller Art vermengt.

Neben die Angst vor der Islamisierung unserer Gesellschaft tritt – wie etwa bei klei-124 Werner A. Perger ist ein langjährig tätiger politischer Journalist. Zuletzt war er Leiter des

Politik-ressorts der Wochenzeitung „Die Zeit“.

Populismus

neren Aufmärschen des Münchner Pegida-Ablegers – immer wieder der „traditionelle“

Antisemitismus, und sei es in Form neuer Varianten der uralten Idiotie von der „Ver-schwörung des Weltjudentums“.

Eine Studie der TU Dresden widerlegt einmal mehr die falsche Annahme, wonach sich die Anhängerschaft des Rechtsextremismus bzw. des Rechtspopulismus vor allem aus dem Kreis deklassierter Jugendlicher, Arbeitsloser und Kleinrentner speise. Der Politikwissenschaftler Hans Vorländer hat 2015 die schwierige Aufgabe bewältigt, die Frage zu erhellen, welche Personenkreise sich an den Dresdener Montagsdemonstra-tionen von Pegida beteiligen. Als zentrales Ergebnis seiner Erhebung hält er fest: „Der

«typische» Pegida-Demonstrant entstammt der Mittelschicht, ist gut gebildet, berufstätig, verfügt über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches Nettoeinkom-men, ist 48 Jahre alt, männlich, gehört keiner Konfession an, weist keine Parteigebunden-heit aus und stammt aus Dresden oder Sachsen.“125

Letzteres hat natürlich maßgeblich mit der Wahl des Veranstaltungsortes zu tun.

75% der Befragten sind Männer, nur 2% sind arbeitslos. Immerhin 28% besitzen einen Hochschulabschluss. Fast zwei Drittel geben an, keiner Partei verbunden zu sein.126 17%

sympathisieren mit der AfD, 9% mit der CDU und 4% mit der NPD (ebenda).

Mehr als die Hälfte gibt an, aus Unzufriedenheit mit der Politik teilzunehmen. Ein Fünftel sieht in der Teilnahme an den Kundgebungen vor allem eine Kritik an den Medien. 15% formulieren grundlegende Vorbehalte gegenüber Zuwanderern und Asyl-bewerbern und 5% fürchten sich vor allem vor religiös oder ideologisch motivierter Gewalt (ebenda).

Zwischen Pegida- und AfD-Anhängern gibt es Überschneidungen. Und vor allem im ersten Halbjahr 2016 stand für beide Organisationen die massive Kritik der „Über-fremdung“ im Vordergrund. Dabei wird oft übersehen, dass die AfD derzeit noch keine gefestigte Partei ist. Derzeit weist sie noch mehrere Flügel auf:

• Die ursprünglich dominierende neoliberale eurokritische Strömung ist stark ge-schrumpft und wird heute von einem kleinen Kreis um Jörg Meuthen repräsentiert.

• Dann gibt es die Nationalkonservativen, deren Staatsverständnis im 19. Jahrhun-dert wurzelt. Zu diesen zählt der brandenburgische Vorsitzende Alexander Gau-land.

• Verschiedene Gruppen konservativer Christen finden sich in der Islamfeindlich-keit, im Versuch, ein antiquiertes Familienbild zu bewahren und in der Ableh-nung nichtkonventioneller sexueller Orientierungen. Eine typische Vertreterin ist Frauke Petry.

125 www.tu-dresden.de/aktuelles, Zugriff vom 1.3.2016

126 Hier sei ausdrücklich auf die besondere Hellfeld-Dunkelfeld-Problematik verwiesen, die Befra-gungen zu politischen Orientierungen unter „angespannten Verhältnissen“ erzeugen, wie dies eine aufgeheizte Demonstration darstellt. Zu vermuten ist, dass Befragte unter diesen Bedingungen eher als sonst dazu neigen, parteipolitische Präferenzen zu verschweigen.

• Schließlich gibt es vor allem in den ostdeutschen Ländern Gruppen und Einzelper-sonen, die regelmäßig die Grenze zum Rechtsextremismus überschreiten. Zu diesen gehört Björn Höcke (Vorsitzender der AFD-Fraktion im thüringischen Landtag).

Ungeachtet ihrer Vielstimmigkeit gelangen der Partei auf der Welle der Flüchtlings-problematik Wahlerfolge. Während der baden-württembergische Spitzenkandidat Meuthen schrille Töne vermied, wurde in Sachsen-Anhalt mit völkischen Parolen um die Wählerschaft geworben. In emotional aufgeladenen Situationen können sich auch dann Wahlerfolge einstellen, wenn das Personal Irritierendes von sich gibt:

• Beatrix von Storch, immerhin Mitglied des Europaparlaments, wünscht sich: „Mer-kel nach Chile“ (wohin einst die DDR-Spitzen, die Honeckers, geflüchtet waren).

• Aus Brandenburg ist antisemitische AfD-Hetze zu vermelden.

• In den Kommunalparlamenten Mecklenburg-Vorpommerns kommt es immer wie-der zur Kooperation mit NPD-Abgeordneten.

• Der „völkische“ Wahlkampf in Sachsen-Anhalt hatte seine Ursache in den dort handelnden Personen, aber auch in dem Umstand, dass man dort um das respekta-ble Wählerpotenzial der NPD und anderer rechtsextremer Parteien buhlte.

• Die WählerInnen dort hat nicht abgeschreckt, dass Mitglieder des Landesvorstands Sachsen-Anhalt den Holocaust verharmlosen und Tötungsphantasien gegenüber US-Präsident Barack Obama absondern.

• Björn Höcke: der Rassekunde-Redner, der auch in der NSDAP seinen Platz gefun-den hätte

• Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry wollte auf Flüchtlinge schießen lassen.

Es liegen mittlerweile zahlreiche Belege dafür vor, dass die Grenzen zwischen AfD und Rechtsextremen durchlässig geworden sind. Parlamentarisch und außerparlamenta-risch fungieren sie in wechselnden Rollen als die geistigen Brandstifter, die den Brand-fackelterroristen das Gefühl geben, sie seien „im Namen des Volkes“ zum Vollzug ihrer Schandtaten berechtigt.

Mit Gewalt aufgeladen werden Pegiada-Veranstaltungen vor allem dann, wenn sich Kameradschaftsangehörige und autonome Nationalisten unter die TeilnehmerInnen mischen. Auch die Mitwirkung von Hooligans aus dem HoGeSa-Spektrum lädt Pe-gida-Veranstaltungen gewalttätig auf, und dies nicht nur in Dresden. Die maximal 50 Personen umfassende Stuttgarter Pegida-Demonstration im Mai 2015 setzte sich mehr-heitlich aus rechtsextremen Hooligans wie etwa den Pforzheimer „Berserkern“ und den „VfB-Hooligans Neckar-Fils“ zusammen. Die auf Pegida-Demonstrationen auftau-chenden Flaggen mit rot umrandetem gelbem Kreuz auf schwarzem Grund (alternativ

Flagge

auch: rote Flagge mit gelb umrandetem schwarzem Kreuz)127 werden von Mitgliedern oder Anhängern der „German Defence League (GDL) getragen, einer Splittergruppe, die sich in einzelnen „Legionen“128 dem „Heimatschutz“ widmet und vorgibt, „sich der aus Brüssel gelenkten Diktatur“ zu widersetzen.129

Im Unterschied dazu versucht die AfD, dem Geruch der Anstiftung zur Gewalt zu entkommen. Weil ihre parlamentarischen Mittel aber untauglich sind, haben sich die ostdeutschen Landtags-Fraktionen mittlerweile deutlich radikalisiert. Im Landtag von Sachsen scheinen die Abgeordneten der AfD äußerst inkompetent. Und gerade in Sachsen agieren AfD und Pegida wie „Brüderchen und Schwesterchen“. Auch in Mag-deburg traf man bei den Demonstrationen des Pegida-Ablegers Magida regelmäßig die regionale Prominenz der AfD. Die mit den leisen Tönen, Volksverhetzer und Straftäter spielen sich die Bälle zu.

Dass es – insbesondere im Zusammenhang mit dem Problem der Auslandsein-sätze der Bundeswehr – zu unerwünschten Begegnungen der traditionellen Frie-densbewegung mit Rechtspopulisten kommen kann, zeigte sich 2015 im Rahmen der bundesweiten „Montagsmahnwachen für den Frieden“ (Braun 2015, S. 4 ff). Neben Friedensbewegten zeigten sich an manchen Orten Personen aus dem Umfeld des Ver-schwörungstheoretikers Jürgen Elsässer und der rechten Splittergruppe „Reichsbürger“

(ebenda).

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