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Weibels Institution

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 162-167)

3 Historische Erscheinungs- und Rezeptionsformen von Fake

3.1 After Walker Evans«: Sherrie Levine

3.4.4 Weibels Institution

Möglicherweise hatte Weibel Marcel Prousts »Mélanges« (1900–1907) im Sinn, in denen dieser, John Ruskins Schriften größtenteils wörtlich übernehmend, seine eigene Kunsttheorie am deutlichsten formulierte; so hätte nun auch Weibel in den Worten bestimmter zeitgenössischer KritikerInnen seine eigene Kunsttheorie am konzisesten formuliert. Der Unterschied besteht jedoch darin, daß Weibel nicht wirklich versucht, mit den Worten und den Bildern der angedeuteten TheoretikerInnen und KünstlerInnen zu sprechen, sondern nur mit seinen eigenen Worten in parodistischen Verweisen spricht.

Weibels Strategie bewegt sich zwischen Fake als programmatischer Subversion und Fake als institutionelle Strategie, die er als theoretische Institutionskritik maskiert. Er bewegt sich wie kein anderer Künstler zwischen den Bereichen der Kunst- und der Wissenschaftstheorie, wobei seine Argumentation von Analogien und sprachlichen Bildern geprägt ist.3 Die Gefahr, die von seinem Issue hopping und seiner modisch angehauchten Rede über Kunst und Wissenschaft ausgeht, die sich aufgrund ihrer vorgeblichen Neuigkeit oft einer Überprüfbarkeit entzieht, ist die allgemeine Diskreditierung von KonzeptkünstlerInnen4, die sich ebenfalls theoretisch und praktisch verhalten.

Die kunsttheoretische Beschäftigung mit Peter Weibels Praktiken bewegt sich zwischen den beiden Extremen der Kritik seiner Inszenierungen als rein institutionskritisch angelegtem

1 »Politisch betrachtet ist auch der „ Kontext Kunst“ ein Machtspiel.« Seyfarth, Kunsttheorie als Schnittstellenphilosophie, a.a.O., 30.

2 Vgl. Weibel, Logo-Kunst, a.a.O., 111. Schließlich resümiert Weibel: »Die Funktion der Kunst als Konverter der Corporate Identity in einem logothetischen Prozeß ermöglicht den beliebigen Transfer, die beliebige Kreuzung aller Signifikanten, aber wie schon anfangs gesagt, schließlich doch auf der Schiene binärer Oppositionen. Denn auch der Signifikant des Produkts löst sich vom Produkt, wird frei und setzt sich dann auf dem gegenteiligen Signifikat nieder.« Ibid., 113.

3 Vgl. Köster, Ein Nomade zwischen Kunst und Wissenschaft, a.a.O., 805.

4 Vgl. ibid., 806.

Opportunismus und dem dagegen gerichteten Einwand, daß gerade in dieser Ambivalenz das kritische Potenzial von Weibels Praxis liegt, und nur durch ihren Erfolg die auf Halb- oder sehr spezifischem Wissen basierende Institution der Kunst ad absurdum geführt wird.

Aus der Rezeptionsgeschichte der Ausstellung Inszenierte Kunst Geschichte läßt sich schließen, daß sie für Weibels weitere Karriere als ein Schlüsselereignis gelten kann.1 Da er seine Autorschaft mit der Strategie des Fake verband, scheint sich sein Anspruch einer in ihrer Totalität nicht repräsentierbaren Praxis anzunähern. Denn die semantische Überdeterminierung seiner eher bescheiden visualisierten Objekte, die er programmatisch mit den Installationen demonstriert, scheint nur parodistisch lesbar; die überbetonten theoretischen Verweise können als ironische Anspielung auf die zeitgenössische Kunsttheorie verstanden werden, womit er jedoch keine nachvollziehbare epistemologische Aussage intendiert – entweder man glaubt ihm, oder man läßt es. Auch im Zusammenhang des vorliegenden Texts und seiner Thematisierung von Weibels Strategie ist dieses beschriebene Schema wirksam geworden. Die ExegetInnen tragen unweigerlich und unvermeidlich, aber objektivierend zur Selbsthistorisierung Weibels bei. Anstatt seine Kunstpraxis durch eine konzeptuelle Reduktion (hinsichtlich Medium, Intention, Sujet, Konzeption, Motiv, Strategie und Kontext) einer Interpretation zu öffnen, dominiert der Künstler sowohl die visuelle Manifestation als auch den institutionellen Kontext ihres Erscheinens. Für seinen Anspruch, frei über die Bedeutung der von ihm benutzten Zeichen zu verfügen, setzt er andere AutorInnen ein, die seine künstlerische Funktion beglaubigen. Bezieht man darauf seine auffallend programmatische oder gar apodiktische Rhetorik2 und seine politischen Aktivitäten in Gremien und Staatsposten3, läßt sich der Schluß ziehen, daß Weibel sein eigenes Künstler-Imperium konstituiert.

Weibel äußert im Text über »Louise Langford« die Vision, daß das, »was auf uns zukommt, eine Corporate Art«4 sei. Dem fügt er die kritische Note hinzu, die postmoderne Kunst habe sich rein affirmativ verhalten und bliebe im Dilemma zwischen Komplizenschaft und Dissidenz gefangen.5

1 Seyfarth bewertet Folgendes positiv: »Indem er seine Werke auf verschiedene Tendenzen der Kunst der letzten zwanzig Jahre verteilt, hat er sich anstatt in einen in alle wichtigen Trends eingeschrieben.« Seyfarth, Kunst als Schnittstellenphilosophie, a.a.O., 29. Dabei handelt es sich um eine apodiktische Behauptung, und wenn dies zuträfe, bedeutete dies eine

kulturkolonialistische Geste Weibels.

2 Durch Weibels Vokabular und seine Rezeptionsgeschichte zieht sich ein technizistischer

Totalitarismus mit Vokabeln wie »Totalinszenierung«, »Übertrumpfung und Zerstörung«, »reaktive Installationen«; am schärfsten formuliert findet sich Weibels kulturkolonialistische Grundhaltung in dem Text: Peter Weibel, Territorium und Technik, in: Ars Electronica (Hg.), Philosophien der neuen Technologien, Berlin 1989, 81.

3 Vgl. Seyfarth, Kunsttheorie als Schnittstellenphilosophie, a.a.O., 30.

4 Weibel, Logo-Kunst, a.a.O., 91.

5 »In der herrschenden Logik des Kapitals, wo es nicht um Wahrheit geht, sondern um Profit, wurde Kritik als Warenform zur optimalen Form der Anpassung. Dafür und dagegen, Komplize und Dissident des Systems gleichzeitig sein zu wollen, ist das Dilemma der postmodernen Kunst.«

Weibel alias Laura Wehn-Kraus, a.a.O., 87.

Beides läßt sich kritisch auf seine eigene Strategie beziehen: Mit seiner kulturpessimistischen Klage über die Komplizenschaft der Galerienkunst versucht er seine eigene Komplizenschaft mit der staatlichen Institution und dem Kunsthandel zu legitimieren.1 Dies wird vor allem dann fragwürdig, wenn er als Kurator mit einer korporativen Rhetorik behauptet, daß er auch das Museum als Instrument der Kunstgeschichte zerstören will. Weibel benutzt lediglich die Maske des Anarchisten, um der Institution seine eigene Originalität, in Form seiner mit eindeutiger Identität ausgestatteten Person, aufzuprägen. Denn die Bemerkung, daß Weibel sich »selbst ins Zentrum«2 setzt, trifft seine Strategie im Sinn eines traditionellen Künstlerindividuums, das nun auch die Institution selbst steuert.3 Diese institutionelle Strategie steht im Widerspruch zu den bisher vorgestellten Fakes.

Weibels Rhetorik folgt einer grundsätzlichen Affirmation technischer Entwicklungen, um eine avantgardistische Position zu behaupten. Sein Avantgardismus besteht darin, verschiedene künstlerische wie theoretische Kategorien anzuführen, aus deren zuvor behaupteter Kontingenz eine Verunklärung ihrer Inhalte hervorgerufen und schließlich allgemeingültige Paradigmen abgeleitet werden. Weibel analogisiert auf fatale Weise »erfolgreiche, d.h. lebens- und reproduktionsfähige Gene« mit »Erfolgreiche[r] Kunst und kulturelle[n] Muster[n]«, die sich unter

»Selektionsdruck« nach dem »Prinzip des „ Survival of the Fittest“ «4 durchsetzen müssen. Mit dieser Tendenz zum Prinzip eines kulturellen Darwinismus sowie seiner impliziten Selbsthistorisierung geht es ihm um eine Dominierung der Institution. Seine nur behauptete Intention der Zerstörung der Institution der Kunstgeschichte spricht vermeintlich in einer modernistisch-avantgardistischen Rhetorik, die seinen nachdrücklichen Anspruch auf diese Institution zu legitimieren glaubt. Mit dieser Strategie entwickelt er eine hegemoniale Geschichtsschreibung, die sich in seinen nachfolgenden Projekten fortschreibt5; die fatale Konsequenz der Ausstellung KontextKunst war, daß er mit seiner institutionell erlangten Macht eine ganze Bewegung künstlerischer Praktiken historisierend in einen Stil verwandelt und somit die

1 »Weibel, der österreichische Berufsachtundsechziger auf seinem langen und erfolgreichen Marsch durch die Institutionen, ist jetzt etwas passiert, was seinen Ruf, ein aufrechter Avantgardist und Anarchist zu sein, gründlich abträglich werden könnte: Er ist in Verruf geraten, sowohl im Dienst des Staates als auch im Sold des Kunsthandels zu stehen. [...] Zum Vorwurf der

Kunsthandel-Abhängigkeit kommt noch ein weiterer, der einer hemmungslosen Ämteranhäufung.«

J.T. [sic.], Der phänomenale Österreicher, in: Süddeutsche Zeitung, 3.12.92.

2 Noever, Zum Thema, in: Weibel, Inszenierte Kunstgeschichte, a.a.O., 7.

3 Seine Autorschaft wird dadurch bestätigt, daß vielfach auf seine ausgefallene Konzeption des Fake hingewiesen wird: »Die Ausstellung war er, und alles gefakt [sic].« Darauf folgt der Hinweis, daß Weibel sich schon seit Jahren mit dem Problem »Original« beschäftigt, und ein langes Zitat, das er mit Kant beginnt, wodurch seine Kompetenz bestätigt zu sein scheint; Trenkler, Der Faker als Joker der Kunst, a.a.O., 84

4 Vgl. Weibel, Digitale Doubles, a.a.O., 181.

5 Vgl. zu den Effekten von Weibels Machtstreben am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe:

Ruth Händler, Im Karlsruher ZKM-Container: Anschwellende Machtfülle, in: art. Das Kunstmagazin, 7/2000, 134.

Diskussion darüber beendet.1

Indem er ein künstlerisches Bild nur noch als Begriff des Markenzeichens, als Logo, definiert, scheint es von korporativen Interessen bestimmt. Diese Hypothese dient ihm als Voraussetzung für seine Parodie von Künstlernamen und Bildern, was ihn darin zu bekräftigen scheint, die selbst angeeigneten künstlerischen Bilder zu instrumentalisieren, da sie seiner Meinung nach sowieso nicht einer Verwertung und damit einer Instrumentalisierung entgehen können. Diese institutionelle Strategie2 des Fake besteht darin, mittels der theoretischen Texte von der Simulation eine kritische Rhetorik über das Original und die Autorschaft einzuschlagen, seinen Kunstwerken aber trotzdem einen Originalstatus zu zuweisen, auch wenn ein Teil der Installationen nach der Ausstellung zerstört wurde.3 Sie materialisierten eine doppelte Verneinung, die letztlich eine Affirmation bedeutet: Insofern zeigen sie die Grundproblematik projektorientierter Kunstpraxis, die sich zugunsten der Semantik programmatisch einer visuellen Elaboration auf der Präsentationsebene verweigert.4

Die von Weibel aus Baudrillards Theorie abgeleitete kontingente Bilddeutung wird so zu einer institutionell legitimierten Vorgehensweise, die sich nach konzeptuellen Maßstäben nicht nur unkritisch gegenüber den eigenen epistemologischen und medialen Verfahrensweisen verhält, sondern auch die verwendeten Materialien nur als selbsterzeugte Klischees einverleibt. Dabei läßt Weibel die sensible Handwerklichkeit eines Fälschers vermissen: Denn die Plumpheit seiner Anspielungen und simplifizierten Basteleien wiederspricht der Genauigkeit in der Verfahrensweise, der Spezifität in der Herstellung von Bezügen und der intimen Kenntnis der jeweils adressierten Kontexte.

Weibel inszeniert nicht etwa feine Verschiebungen des Rahmens, die sich wie Lawlers Arrangements den Interpretationen öffnen, sondern er verankert und postuliert die künstlerische

1 Vgl. Stefan Germer, Unter Geiern, Texte zur Kunst, Nr. 19, August 1995, 85f.

2 An dieser Stelle sei Romann Schuler widersprochen, die von einer »Taktik« Weibels spricht, da er im Sinn der Nomadentheorie angeblich »dislokativ« handelt (Schuler, Einführung zum Werk Peter Weibels, a.a.O., 16); da Weibel aber spätestens seit der Ausstellung »Inszenierte Kunst

Geschichte« mit der Macht der Institution handelt, wie aus seinen vielen Ämtern hervorgeht, kann er nicht mehr wie vorher als subversiv, sondern muß als institutions affirmativ bezeichnet werden.

Deshalb sollte bei seinen Verfahrensweisen im Sinn von Michel de Certeau von einem

institutionellen Handeln, also einer Strategie gesprochen werden (Michel de Certeau, Kunst des Handlens, Berlin 1988, 87ff). Außerdem gilt, was Weibel selbst bezüglich des Kunstfeldes bemerkt, daß Veränderungen nur durch Partizipation bewirkt werden können: »Kritik, die keinen Konsens erreicht, wird irrelevant, so wie Werke, die keinen Konsens erzielen, irrelevant bleiben.« Peter Weibel, Kunst als soziale Konstruktion, in: Konstruktivismus und Kognitionswissenschaft. Kulturelle Wurzeln und Ergebnisse, A. Müller, K. H. Müller, F. Stadler (Hg.), Wien und New York 1997, 185.

3 Vgl. die ursprüngliche Konzeption: »Ein Katalog ohne Ausstellung über Objekte, die es nicht gibt, wäre das Ideal gewesen.« Weibel, Errata, a.a.O., 18.

4 Man macht es sich zu einfach, wenn man für die teilweise Kritik, die Weibels Installationen entgegensteht, nur ihre Neuartigkeit und ihren experimentellen Charakter (vgl. Schuler, Einführung zum Werk Peter Weibels, a.a.O., 15), nicht aber ihre oft nur provisorische Realisierung

verantwortlich macht.

Praxis institutionell, sodaß er das Mehr des Fake nicht der Interpretation zugesteht, sondern seiner eigenen auktorialen institutionellen Konstruktion. In diesem Sinne verkündet die Symbolik des Ausstellungseingangs, wie er zu Beginn dieses Kapitels dargestellt wurde, die pathetische Sprache des globalen und historischen Anspruchs eines mächtigen Künstlers. Über der Weltkarte prangt sein Fake im Namen der Institution: »Peter Weibel: Inszenierte Kunst Geschichte«.

3.5 »Four American Artists«: Guillaume Bijl

»Der Raum wird vom Diskurs geschaffen, den die Philosophie aufrechterhält, und ohne Raum gibt es keine Philosophie.« Mark Wigley1

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 162-167)