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Die Wunderkammer: Das Museum of Jurassic Technology

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 192-200)

3 Historische Erscheinungs- und Rezeptionsformen von Fake

3.6 Das Institut als Fake

3.6.2 Die Wunderkammer: Das Museum of Jurassic Technology

»Eine Kultur ist schon tot, wenn man sie verteidigt, anstatt sie zu ersinnen.«1 Paul Veyne

Das Museum of Jurassic Technology ist seit 1988 in einem ehemaligen Ladenlokal in Los Angeles installiert2 und stellt aber in Einzelfällen auch in anderen Kunstinstitutionen aus3. Kuriositäten wie Miniaturkunstwerke oder ein Horn, das angeblich einer Frau aus dem Hinterkopf wuchs, und seltene entomologische Präparate werden von David Wilson, dem Museumsgründer, in traditionellen Glas-Holz-Vitrinen mit effektvoller Beleuchtung und zum Teil akustischer Erläuterung4 wie in einem Naturkundemuseum präsentiert.5 Alle Objekte werden hinsichtlich Herkunft und Funktion genau beschrieben. Zum Teil stammen sie aus älteren Privatsammlungen oder es wird von fantastischen Entdeckungen berichtet. Somit werden die Objekte entweder über ihren obskuren Status oder ihre Ursprungsgeschichte bezeichnet. Diese und andere erläuternde Texte schaffen den institutionellen Rahmen. Die Texte erzählen die Sammlungsgeschichte und allgemeinen Ereignisse, die zur Aufnahme in die jeweilige Sammlung führten. Aber selbst die Autoren- und Stifternamen zusammen mit den biografischen Einzelheiten klingen viel zu eigenartig-gewöhnlich, um als authentisch angenommen zu werden. Jenseits der Annahme, daß der Betrachter in Nachbarschaft zu Hollywood6 Originale erwarten könne, trotzdem aber auf der Suche nach dem »real thing«7 ist, auratisieren vor allem die Ausstellungstexte (Bücher, Broschüren, Pamphlete, Faltblätter, Abb. 97)8 mit ihren Querverweisen und für die MuseumsbesucherInnen unüberprüfbaren Quellenangaben die Gründergeschichte: »On the

1 Paul Veyne, Die Originalität des Unbekannten. Für eine andere Geschichtsschreibung (1976), Frankfurt/M. 1988, 10.

2 Vgl. Steve Root, Not necessarily the Smithsonian, in: Los Angeles Magazine, 5/90, 63.

3 Vgl. die Präsentation im Rahmen der Ausstellung: Platons Höhle. Erleben, Erkennen, Erinnern, Karl-Ernst-Osthaus Museum, Hagen 25.9. – 4.12.1994 und seitdem in der permanenten

Sammlung.

4 »In those exhibits that feature an audio component, the narrator speaks in a tone familiar from countless educational films: pedantic, slightly pompous, void of ambiguity.« Ralph Rugoff, Beyond Belief: The Museum as Metaphor, in: Lynne Cooke/ Peter Wollen (Hg.), Visual Display. Culture Beyond Appearances, Dia Center for the Arts, Nr. 10, Seattle 1995, 69.

5 »Each object is displayed with all the care the Met lavishes on its mummies: highly focused spotlights, dark, clothlined cases, tiny Plexiglas stands and earphones that provide deadpan Acoustiguide narration.« Aaron Betsky, Metamorphosis and Mythology in Los Angeles: The Museum of Jurassic Technology, in: I.D., Sept. – Okt. 1992, 28.

6 Vgl. Mike Davis, der Los Angeles als ein Szenario zwischen »militarisierter Wüste« (Mike Davis, City of Quartz. Ausgrabungen der Zukunft in Los Angeles (1990), Berlin 1994, 20) und Stadtwüste skizziert, in der der Wahnsinn Methode hat (vgl. ibid., 22), beherrscht von developers, die die umliegende Wüste systematisch kulturalisieren und Hollywood, dem Alter Ego von Los Angeles (vgl. ibid., 36), in dem die Intellektuellen entweder von der Filmindustrie ausgesaugt und in den Wahn getrieben, oder von der Militär- und Raumfahrtindustrie für den Wahn ausgebeutet werden.

7 Vgl. Eco, Reise ins Reich der Hyperrealität, a.a.O., 41. Vgl. auch Miles Orvells Untersuchung:

The Real Thing. Imitation and Authenticity in American Culture 1880 – 1940, a.a.O. 1989.

8 »Boorishly academic panels of text legitimize even the quirkiest exhibits, [...]« Ralph Rugoff, Planned Obliscence, in: LA weekly, 21.6.91, 39.

Foundation of the Museum: The Thums. Gardeners & Botanists« von »Illera Edoh«, zu einem bedeutsamen Gründungsmanifest. Außerdem läßt sich darin ebenso eine Persiflage wie eine Hommage an die selbsthistorisierende Stimme musealer Institutionen entdecken, wie sie sich vor allem als Museen privater Sammler, als Ausstellungsräume obskurer Vereinigungen und zur Selbstdarstellung der Hollywoodfilmindustrie in Los Angeles finden.1 Diesem pedantisch produzierten Modell folgt auch das historisierende Layout der Broschüre, obwohl wissenschaftlich exakte Angaben über die Entstehung des Museums vorenthalten bleiben: Ob die Abbildung der Truhe, die angeblich einen Teil der Sammlung enthielt, auf dem Deckblatt absichtlich so unscharf abgebildet wird, daß sie nicht stilistisch eingeordnet werden kann oder gezeichnet ist, bleibt offen.

Die Angaben zur Institution sparen nicht an kleinsten Details, so bieten sie zum Beispiel eine genaue Aufführung der Mitglieder und ihre institutionellen Funktionen als auch der Titel der Schriftenreihe und die Finanzierungsstruktur des Museums. Dabei mischen sich fiktive mit authentischen Elementen. Dies läßt sich auch auf das Spektrum der Objekte beziehen, das wie im Fall des typischen Bestandteils einer Wunderkammer, einer »Fruchtsteinschnitzerei«, ein bekanntes Motiv (Landschaftsdarstellung und Kreuzigungsszene) in der im Mittelalter hochgeschätzten Drechselkunst in eine minimale Dimension verkleinert. Dagegen scheint es sich bei einer »Stinkameise« um blanke Erfindung zu handeln. Unter einem polierten Glassturz ist das Präparat einer relativ großen Ameise zu sehen, die erst durch die begleitende Legende ihre skurrile Erscheinung erhält. Auf dem Dschungelboden beheimatet, inhaliert sie die Sporen eines Pilzes, der ihr Gehirn befällt, so informiert die Beschriftung; dadurch bereits in einem verwirrten Zustand, erklimmt sie eine Pflanze, um sich daran festzubeißen; der Pilz, der mittlerweile ihr Nervensystem verzehrt hat, wächst aus ihrem Kopf, aus dem nach einiger Zeit neue Sporen auf den Dschungelboden herabfallen und weitere Ameisen infizieren.

Die durch das sensible Zusammenspiel des räumlichen Zeichensystems erzeugte Atmosphäre der Authentizität2 wird sogar durch leere Vitrinen unterstützt, an denen sich der Hinweis findet: »Exhibit temporarily removed for study«3. So geriert sich die Lücke, die Leerstelle, als Zeichen scheinbarer Echtheit der Ausstellung. Selbst die Informationsbroschüren und Taschenbücher, die Teilaspekte der Sammlungsgenealogie behandeln und die Herzen der Bibliophilen höher schlagen lassen, vermeiden subtil, zu konkret zu werden. Auch der Begriff »Jurassic« im Museumstitel weist auf eine prähistorische Kultur am unteren Nil hin, aus der sich keine Objekte in der Ausstellung finden und so in eine interpretatorische Sackgasse führt.4 Ralph Rugoff kommt in seiner Untersuchung

1 Vgl. Rugoff, Beyond Belief, a.a.O., 74ff.

2 Wie Clifford zeigt, wird Authentizität im ethnologischen Museum hergestellt, »[...] indem Objekte und Gebräuche von ihrer bestehenden historischen Situation abgetrennt werden.« James Clifford, Sich selbst sammeln (1988), in: G. Korff/ M. Roth, Das historische Museum: Labor, Schaubühne, Identitätsfabrik, Frankfurt/M. 1990, 101.

3 Vgl. Rugoff, Beyond Belief, a.a.O., 74ff.

4 »As you can see, we’re a small natural history museum with an emphasis on curiosities and technological innovation. [...] We’re definitively interested in presenting phenomena that other

des Museums zu dem Schluß: »Taken together, these observations lead to an irrevocable conclusion: the museum isn’t what it says it is.«1 Genau auf dieser Täuschung basiert – wie er selbst bemerkt – das Interesse, daß in diesen Präsentationen geweckt wird. Denn der Selbstwiderspruch hebt nicht die museale Macht auf, die eine Präsentation trägt und behauptet.2 Die Selbstinszenierung von Museumsästhetik und Skurrilität oder gar Unwahrscheinlichkeit der Objekte rechnet mit dem ganzen Spektrum möglicher Besucherreaktionen. Sie involviert einen Teil der BetrachterInnen, sich darauf einzulassen, bei anderen dagegen erzeugt dies Ablehnung, wie sie typisch für entschleierte Fälschungen ist, die sogar einige veranlaßt, ihr Eintrittsgeld zurückzuverlangen; andere schließlich durchwandern die Sammlung einfach ratlos und verlassen sie irritiert, aber in dem Gefühl, ein wirkliches Museum besucht zu haben.3 Für die verunsichernde Ambiguität ist die immer wieder gestellte Frage bezeichnend: »Is it a true story? One can never be sure at the MJT, where a number of exhibits [...] strain credulity.«4 Die präsentierten Objekte und Legenden entführen die BetrachterInnen in eine Zone des Halbwissens, die ihre Neugier besonders anstachelt.5

In ihren Interpretationen des Museum of Jurassic Technology beziehen sich die AutorInnen vor allem auf die narrative, literarische Konzeption, auf der die Funktion dieses Kunstprojekts basiert und die die BetrachterInnen involviert. Zwar wird hervorgehoben, daß nicht die Institution oder die Objekte falsch sind, die Echtheit der präsentierten Objekte kann aber nicht nachgewiesen werden.

Es wird davon ausgegangen, daß ihre Geschichten und Legenden fiktiv sind, weil der Ursprung, die Herkunft oder die Funktion der Objekte zu unwahrscheinlich klingen. Gerade aber die Ursprungsgeschichten werden als Hoax somit als wesentlicher diskursiver Aspekt der natural history museums seem unwilling to present. The name lends a sense of what’s inside but doesn’t refer to a specific geologic time [...].« David Wilson, in: Lawrence Weschler, Mr.’s Wilsons Cabinet of Wonder. Pronged Ants, horned Humans, Mice on Toast, and other Marvels of Jurassic Technology, New York 1995, 26.

1 Rugoff, Beyond Belief, a.a.O., 70.

2 »Die Herstellung von Bedeutung in der musealen Klassifizierung und Präsentation wird als adäquate Repräsentation mystifiziert. Zeit und Ordnung der Sammlung löschen die konkrete gesellschaftliche Arbeit ihrer Erzeugung aus.« Clifford, Sich selbst sammeln, a.a.O., 91.

3 Vgl. »On a busy evening not long ago, several visitors became visibly angry while viewing the exhibits. People have called the museum a fraud, Wilson says.« David Wharton, Weird Science.

Palm’s quirky Museum of Jurassic Technology offers curioser and curioser displays, likely to prompt more questions than they answer, in: L.A. Times, 31.12.89, 92; Vgl. Frederick Rose, Next thing you know, they’ll show us a slithy tove, in: Wall Street Journal, 19.7.89, A9.

4 Rugoff, Planned Obliscence, a.a.O., 39.

5 »Der Besucher, ganz damit beschäftigt, die Glaubwürdigkeit der seltsamen Objekte abzuwägen, die als authetisch gepriesen werden, sucht sich, verunsichert, in den Texten kundig zu machen. Er ahnt, daß der Sache so recht nicht zu trauen ist. Andererseits: Ist man Experte genug, um sogleich alles in das Reich der Legende zu verweisen? Die wundersamen Dinge rücken den Betrachter selbst ins Blickfeld, und im Zweifel werden wir zu Augenzeugen unserer geheimen Wünsche.« Axel Dossmann, Arche Noah, maßstabsgetreu. Das Museum of Jurassic Technology im Karl-Ernst-Osthaus-Museum der Stadt Hagen, in: FAZ, 6.3.96, 38.

institutionellen Ästhetik deutlich, die den Objekten ihren Status und ihre Bedeutung geben.

Entgegen der Täuschung, auf der eine traditionelle Fälschung basiert, wird nicht die Institution des Museums oder die KäuferInnen, sondern die BetrachterInnen vom Fake getäuscht, wobei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist, daß diese es genießen. Das Museum als Wunderkammer bildet den Rahmen für die Fälschung und legitimiert seine eigene Funktion gleichzeitig damit, daß das Fake sich nicht sofort zu erkennen gibt.

Darüberhinaus verweigern die Texte offensichtlich eindeutige Aussagen über die wahre Motivation des Museums, obwohl sie sich als solche gerieren. Denn durch Querverweise und Hinweise, daß hier den Quellen nicht ganz zu trauen sei1, erzeugt die Geschichtschreibung ein authentisches Klima, wie es nicht nur für Kuriositätenkabinette, sondern für alle musealen Präsentationen typisch ist. Darin reflektiert sich die der Geschichtsschreibung eigene Fiktion der linearen Abfolge von Ereignissen, aber auch der Hinweis, daß der Betrachter sich eine eigene Genealogie aus dem Gegebenen bilden muß. In diesem Sinne loben die Zeitschriftenartikel die Intention des MJT, den Betrachter zu irritieren, um eine Hinterfragung des kulturellen Systems anzuregen. Dagegen enthält sich Weschler bei seinem Versuch, den Geschichten des MJT auf den Grund zu gehen, nicht einer gewissen Selbstherrlichkeit hinsichtlich seiner Entdeckung und Entschleierung des kuriosen Museums. Aus Sicht der zeitgenössischen Kunst ist seine anthropologische Darstellung des Museumsdirektors David Wilson jedoch fraglich, da sie Wilson in Bezug auf seine Konstruktion der Wunderkammer als Original vorführt.2 Allerdings folgt dies dem Topos, die historische Wunderkammer immer auf die Autorschaft eines bestimmten Sammlers zu beziehen, indem dessen Obsessionen als konstitutiv betrachtet werden. In diesem Sinn werden psychologische Muster des unsystematischen, aber Vollständigkeit anstrebenden Sammelns entworfen.

Die Konzeption des MJT bezieht sich auf BetrachterInnen, die gar keine echten Objekte erwarten, sondern die fasziniert sind von dem über den skurrilen Objekten und ihren Ursprungsmythen schwebenden Verdacht der Täuschung und Fälschung – einem Rezeptionsverhalten des Fake. In dieser Übersteigerung künstlerischer und institutioneller Begründungsmythen scheint auch die Untersuchung des konventionellen Wertesystems intendiert, sich nicht einem kulturellen Diktat von Konventionen zu unterwerfen und so eine eindeutige Genealogie der Institution zu verweigern;

dabei wird die Funktion der Präsentation konzeptkünstlerisch selbst vorgeführt: »The sheer craft of the mechanism of representation, framing and focusing is the essence of this art.«3 Die erfundenen Objekte reflektieren das Spiel aus Darstellung und Präsentation selbst. Im Gegensatz zu der jedem Detail eines Museumsobjekts immanenten Behauptung der Wahrheit wird die Täuschung hier zum Selbstzweck der Wahrnehmung. Erst der in Gang gesetzte Prozeß des Zweifelns an der Echtheit im Verhältnis zu dem bürgerlichen Bedürfnis der Suche nach dem Ursprung läßt die

1 Illera Edoh, The Thums. Gardeners & Botanists, a.a.O., o.S.

2 Vgl. Weschler, Mr. Wilson’s Cabinet of Wonder, a.a.O., 25.

3 Betsky, Metamorphosis and Mythology in Los Angeles, a.a.O., 29.

Wirkungsweise des MJT zur Entfaltung kommen. Selbst über Weschlers Recherchen hinaus pflanzen sich Zweifel hinsichtlich der Authentizität der Objekte fort, weil das System der wissenschaftlichen Beschreibung und historischen Einordnung, das die Erklärung der Welt intendiert, in einen Zustand vor das 17. Jahrhundert zurückgeführt wird. Letztlich ist das MJT ein visionäres Bild: »It’s a vision that tempts us to replace a love of truth with a taste for sham.«1 Die Präsentationsform einer Wunderkammer scheint es zu ermöglichen, ungewöhnlich disparate Objekte zu präsentieren, die sich außerhalb der künstlerischen Normen und historisierenden Zwänge eines Kanons bewegen. Dies bedeutet nicht, daß entsprechende Bezüge nicht hergestellt werden sollen, zumal keine autonome Repräsentation vorausgesetzt werden kann. Um den Verfremdungseffekt durch eine entsubjektivierende Loslösung vom Museumsdirektor noch zu steigern, kuratiert Wilson, wie bereits beschrieben, fiktive Privatsammlungen, die sich auf diese Weise mit unterschiedlichen Motivationen – scheinbar unabhängig von seinen eigenen – legitimieren lassen. Die vermeintliche Irrelevanz der Präsentation für die Rede über die zeitgenössische Kunst ermöglicht es, die Objekte im Rahmen ihrer Institution mit scheinbarer Echtheit auszustatten, die jedoch gleichzeitig die Authentizität im allgemeinen als Konstrukt sichtbar werden läßt. Die Fiktion, die durch eine institutionell sanktionierte Referenz zwischen einem Objekt und seinem Ursprung erzeugt wird, bezieht sich auf die kolonialistische Welteroberungsgeste, die zuerst in der Wunderkammer und im Museum des 18. Jahrhunderts angelegt ist. In diesem Zusammenhang sei an die Ausstellung The Civilization of Llhuros erinnert.

Norman Daly präsentierte Anfang der 70er Jahre Objekte dieser bisher unentdeckten Zivilisation in US-amerikanischen Universitätsmuseen2 und unter anderem auch im Kölner Römisch-Germanischen Museum.3 Die museale Inszenierung sowie die ethnografische Objekttaxonomie evozieren eine fantastische Aura des neuen Alten, Unentdeckten und nur schwer nachvollziehbaren Fremden. Eine Karte dieser archäologischen Fiktion zeigte einen Landstrich, den niemand kannte. Ganz im Sinn des Eingangszitats von Paul Veyne hatte Daly seine eigene Kultur ersonnen und alle Objekte selbst aus gefundenen Gegenständen angefertigt. Dieses Projekt fällt in die Zeit, in der die Hippiegeneration in die letzten vom Massentourismus noch nicht heimgesuchten Gebiete vordrang.

Da sowohl für Dalys Projekt als auch das MJT ein taxonomischer Blick von der Ästhetik eines Naturkundemuseums vorausgesetzt wird, entwirft die Präsentationsform scheinbar einen

1 Rugoff, Beyond Belief, a.a.O., 80.

2 Das vorliegende Magazin ist wie ein ethnologischer Ausstellungskatalog aufgebaut, in dem Daly nicht offensichtlich als Künstler auftritt; vgl. Llhurosian Artifacts, in: Cornell Alumni News, März 1972, 19ff.

3 Hier wird Daly von Anfang an als Künstler vorgestellt, der diese fremde Kultur erfunden hat; vgl.

Llhuros. Eine entdeckte Kultur, zusammengestellt von A. Dickenson, White Museum, Cornell University, Ithaca, New York, D. Ronte, E. Weiß, H. Westermann-Angershausen, Wallraf-Richartz Museum Köln, unter Leitung von N. Daly, 1974.

entsprechenden Wahrheitsanspruch.1 Das von Foucault in Die Ordnung der Dinge untersuchte Klassifikationssystem der Taxonomien wird auch durch das MJT formal wiederholt, es wird jedoch durch die Anwendung auf skurrile Objekte fiktionalisiert. Die Intention dieser auratischen Inszenierungen, scheint – auf ähnliche Weise wie Bijls Installationen – in der Obsession für die Fiktion selbst zu lauern. Wie Weschler jedoch herausfindet, kommen tatsächlich »Hörner« an Menschen vor2, es gibt eine Ameise, allerdings unter einem anderen Namen, die in ähnlicher Weise von einem Pilz befallen wird3; auch eine Sammlung existiert, die der fiktiven Stifterfamilie Thum des MJT ähnelt.4 Das Museum, daß sich selbst nach einem in ihm gezeigten vermeintlichen Miniaturmodell der Arche Noah als The Arch bezeichnet, also die Arche, die das Überleben der vom Aussterben bedrohten Spezies sichert, basiert somit auf einem System mehr oder weniger willkürlich variabler Referenzen auf wissenschaftliche Vorläufer, die aber für die BetrachterInnen nie unmittelbar ablesbar sind.

Selbst wenn Weschler mittels seiner Recherche einige der unglaublichen Geschichten als in ihrem Kern wahr darstellt, so bleiben trotzdem zwei Effekte: Einerseits geriert sich sein Text als Entschleierung und wahre Erklärung der im Museum angelegten Täuschungen, andererseits pflanzt sich der einmal geweckte Zweifel auch auf Weschlers Rechercheergebnisse fort. – Aber ist seine Version und alle anderen auktorialen Äußerungen über das MJT nicht nur ein Baustein jener labyrinthisch angelegten Täuschung? Damit wird beim Betrachter der Zweifel bezüglich der Authentizität der Objekte eher unterstützt, der für das Museum of Jurassic Technology in Kombination mit einer nostalgischen Aura als zentrales Motiv gelten kann. Auch die Angabe, wann das Museum entstanden ist, kann in diesem Sinn in Frage gestellt werden. Jenseits der Tatsache, daß dieses Datum von Wilson an die Presse gegeben und von dieser bereitwillig verbreitet wurde, lassen sich daraus keine weiteren Schlüsse ziehen, außer daß es ein konstruktives Element des Fake ist, das die Geschichte des MJT formuliert. In der Absicht der Journalisten, dem Museum einen Anfang zu geben, offenbart sich die auktoriale Intention, den Fake in eine wahre Geschichte einzuschreiben; da diese wahren Daten so jedoch als ein äußerst unsicheres Gefüge deutlich werden, zeigt sich, daß es nicht hilfreich ist, das Dargestellte zu verifizieren.

Um so interessanter erscheint die Rhetorik der AutorInnen, weil sie als Interpretationsmodelle die impliziten BetrachterInnen des Museums darstellen. Im Gegensatz zu Weschler, der das Museum zu entschleiern sucht, in dem er aus mysteriösen Zufällen ein Netz von Beweisen knüpft, wird Rugoff, nachdem er mehrere Artikel über das MJT geschrieben hat, schließlich selbst zum Komplizen des Museums, indem er einen Essay in einer Veröffentlichung des Museums schreibt.

1 Vgl. die Motive für ethnologische und archäologische Täuschung sind nicht nur akademischer Ehrgeiz, in: Hans Peter Duerr (Hg.), Authentizität und Betrug in der Ethnologie, Frankfurt/M. 1987.

2 Vgl. Weschler, Mr. Wilson’s Cabinet of Wonder, a.a.O., 138ff.

3 Vgl. ibid., 67f.

4 Vgl. ibid., 91.

Jenseits der Feststellung, daß sich ein Museum immer aus Fiktion und Geschichte konstituiert, scheint in der Rezeption ein Prinzip der sich selbst multiplizierenden Identität des Museums aktiviert, das, selbstreferenziell zwischen den Kategorien eines Museums und einer Kunstinstallation changierend, eine Art »Meta-Museum« oder ein »Museum über Museologie«1 in Funktion setzt. Dazu stellt sich die Frage, ob Broodthaers’ museologische Kritik am Repräsentationssystem aktualisiert wird, oder ob durch das Ausweichen auf kunstunspezifische Objekte und Problemfelder jegliche Konkretion einer Ambivalenz geöffnet wird. Im Gegensatz zur konzeptkünstlerisch analytischen Vorgehensweise von Broodthaers handelt es sich beim MJT um provozierte Unsicherheiten, die irritierend wirken, jedoch nicht analysiert oder konkret kritisiert werden, weil sie damit ihren ambivalenten Status gefährden würden. Konnte aus Broodthaers’

Museum die museumskonstituierende Fiktion abgeleitet werden, wie der Blick von einer ikonografischen Vorgabe zur Konstitution der Ausstellung regiert wird, läßt sich hier keine Eindeutigkeit feststellen. In diesem Sinne sieht Rugoff eine spezielle Rezeptionsform am Werk, die er mit dem Starren auf ein Rockplattencover vergleicht: Höchste Konzentration bei der Entzifferung der kryptischen Beschriftung mit einer gleichzeitig an Trance grenzenden totalen Involvierung und immanenten Zerstreuung. Das, was er in diesem Zusammenhang mit »stoned thinking«2 meint, ist seiner Meinung nach, weniger die Überwindung von Unglauben als die Lenkung in einen Bereich jenseits des Glaubens. Indem er diesen anderen Blick als primäre Wahrnehmungsform in dieser

Museum die museumskonstituierende Fiktion abgeleitet werden, wie der Blick von einer ikonografischen Vorgabe zur Konstitution der Ausstellung regiert wird, läßt sich hier keine Eindeutigkeit feststellen. In diesem Sinne sieht Rugoff eine spezielle Rezeptionsform am Werk, die er mit dem Starren auf ein Rockplattencover vergleicht: Höchste Konzentration bei der Entzifferung der kryptischen Beschriftung mit einer gleichzeitig an Trance grenzenden totalen Involvierung und immanenten Zerstreuung. Das, was er in diesem Zusammenhang mit »stoned thinking«2 meint, ist seiner Meinung nach, weniger die Überwindung von Unglauben als die Lenkung in einen Bereich jenseits des Glaubens. Indem er diesen anderen Blick als primäre Wahrnehmungsform in dieser

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