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Rezeptionsgeschichte: affirmativ, kulturkritisch und frauenfeindlich

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 106-119)

3 Historische Erscheinungs- und Rezeptionsformen von Fake

3.1 After Walker Evans«: Sherrie Levine

3.2.2 Rezeptionsgeschichte: affirmativ, kulturkritisch und frauenfeindlich

Princes vermeintlich affirmative Haltung wurde zum Streitfall. Nachdem Douglas Crimp dessen Praxis in seinem zweiten programmatischen Text nach der Pictures-Ausstellung The Photographic Activity of Postmodernism (1980) als Kritik des Warenfetischismus interpretiert hatte, verurteilte er zwei Jahre später die modifizierten Strategien von Prince3. Crimps Kritik erscheint im Ausstellungskatalog Image Scavengers: Photography, dem Appropriation als organisierendes Prinzip zugrunde liegt, und ist seinerseits als Versuch zu werten, seine eigene Konzeption der Appropriation als postmodernen epistemologischen Differenzbegriff gegen die Integration in das kunsthistorische Vokabular der Nachahmung zu plazieren.4 Dagegen hebt Abigail Solomon-Godeau die subtile Kritik von Princes postmoderner Fotografie hervor.5 Die Interpretationen als strategisch affirmative Kritik der Konsumgesellschaft lassen sich auch auf Hal Fosters grundlegende Untersuchung von Princes Fotografien von Reisewerbung, Nachtclub- und Kinowerbung (1984) beziehen. Foster sieht im Gegensatz zu Crimp in dieser Serie zwar eine Akzeptanz ihrer massenmedialen Funktion, die Prince aber mittels einer simulativen Praxis sowohl darstellt als auch analysiert. Vor allem erkannte Foster in dieser Neuinszenierung der Werbeästhetik die darin intendierte Verdopplung der Verführungsstrategie: Es geht Prince nicht um die didaktische Vorführung der Manipulation von Werbung und den Vorwurf der Falschheit der Bilder, sondern um eine Analyse der suggestiven und simulativen Funktionsweisen.6 So widersprach Foster vor allem darin Crimp, daß dieser die Fotografien von Sherman und Prince als

1 Greg Hilty, Diamonds Dirt: Richard Prince’s Greatest Hits, a.a.O., 27.

2 Richard Prince, Why I Go To The Movie Alone, New York 1983, 63.

3 Douglas Crimp, Die Aneignung der Aneignung (1982), in: ders. , Über die Ruinen des Museums, a.a.O., 151.

4 Vgl. seinen Hinweis darauf anläßlich der Neuveröffentlichung: Ibid., 342.

5 Als »act of selective appropriation and rephotography and the accent and inflection he imposes, function to expose both the image’s overdetermination, and – far more unsettling – the deathly glittering, and hypnotic lure of the commodity fetish itself«, so daß »the photographic act is essentially one of critical and analytical mimicry«. Abigail Solomon-Godeau, Photography at the Dock, in: The Art of Memory – The Loss of History, Museum of Contemporary Art, New York 1985, 51.

6 »His enterprise is less a critique of the false image than an exploration of simulation.« Hal Foster, The Expressive Fallacy (1983), in: ders., Recodings, a.a.O., 68f.

selbstreflexive Praxis begriff, die das Kunstobjekt als sozial konstruierte Konsumware und im Spektakel der Konsumgesellschaft involviert definierten.1 Später widmet sich Foster noch dezidierter der visuellen Formation von Princes Appropriationen mit der Intention, die fotorealistische Malerei des Superrealismus von der fotografischen Appropriation zu unterscheiden.

Der Superrealismus beutete eine fotografische Wertigkeit im Sinne des Illusionismus, aber im Interesse der Malerei aus und läßt dabei den Aspekt der Reproduzierbarkeit außer acht. Dagegen benutzt die Appropriation art die fotografische Reproduzierbarkeit hinsichtlich der Frage malerischer Einzigartigkeit. Ihre postmoderne Kritik der Repräsentation bezog Foster auf künstlerische Kategorien und dokumentarische Genres der Medienmythen und sexuellen Stereotypen. Er polarisierte ihre Widersprüche darin, daß der Superrealismus durch seine ausgearbeitete Oberfläche den Betrachter einlädt, sich fast schizophren zu amüsieren, während dementgegen die Appropriation art in ihrer Zurschaustellung des Illusionismus den Betrachter veranlaßt, durch ihre Oberfläche kritisch hindurchzusehen.2 Die Ambiguität von Princes Arbeiten verhinderte so, daß sie in die Konsumentenfantasie involviert werden, die er denaturiert, wie Foster meint. Deshalb erscheint für ihn Princes Kritik so präzise, weil sie ein Bewußtsein veranschaulicht, das vor dem Bild gespalten ist.3 In diesem Sinne erscheint die Wirklichkeit im Superrealismus entsprechend des Konzepts des Illusionismus von der Erscheinung überwältigt, während die Appropriation art die Darstellung als Konstruktion präsentiert.

Nachdem das spezifisch Visuelle der Appropriation art gegenüber dem Superrealismus abgegrenzt wurde, geht es nun darum, den Unterschied zur Pop art zu analysieren, die das Image vom trivialen Konsumgegenstand bereits als Readymade benutzt hatte. Die Reihung trivialer Motive und die billige Reproduktionstechnik des Siebdrucks bedeutete im Sinne der Konsumkritik nicht nur eine Demokratisierung, sondern auch einen Verstoß gegen die Hierarchisierung der Hochkultur.

Darin besteht der Unterschied zu den Fotografien von Prince, der die in den 70er Jahren zunehmend anerkannte Kunstfotografie scheinbar nur als Reproduktionsmedium benutzte.

Gemeinsam ist den Reproduktionen von Warhol und Prince zwar, daß ihrer Praxis des Aneignens der populären Images eine primäre Affirmation zugrunde liegt. Während Warhol jedoch Bilder von berühmten Personen und symbolisch aufgeladenen Gegenständen in Serien per Siebdruck reproduziert, benutzt Prince auch unpersönliche, belanglose Objekt- und Modedarstellungen, das scheinbar Bedeutungs- und Wertlose aus der Anzeigenwerbung. Der entscheidende Unterschied besteht darin, daß Prince nicht mit der Eindeutigkeit des Glamours medialer Ikonen oder eindeutig negativ konnotierten Images wie einem elektrischen Stuhl oder schockierenden Unfallbildern arbeitet, sondern mit Fotografien von als trivial betrachteten Werbeabbildungen, dem Bildabfall, den ein bestimmtes Verständnis von Hochkultur zu negieren wünscht.4 Da Prince sie nur

1 Vgl. Ibid., 71.

2 Vgl. Foster, The Return of the Real, a.a.O., 145.

3 Vgl. Ibid., 268.

4 Eine solche Hierarchisierung wurde vor allem vertreten von: Clement Greenberg, Avantgarde and

fotografiert und nicht mit einem anderen Medium verfremdet1, handelt es sich um eine konzeptuelle Strategie.

In der Rezeptionsgeschichte fällt auf, daß die Warhol-Rezeption sich ähnlich in zwei Lager aufspaltete wie die von Prince; das eine faßte die Praxis als bewußte Kritik am amerikanischen Warenfetischismus auf, und das andere hielt sie für rein affirmativ.2 Sowohl Warhols als auch Princes Images fehlt eine eindeutig kritische Aussage. Beide künstlerischen Praktiken benötigen eine kritische Rezeptionsleistung, um eine künstlerisch-kritische Funktion zu erhalten.

John Baldessaris und Ed Ruschas serielle Fotografien können als konzeptuelle Positionen in den Vergleich miteinbezogen werden. Was Baldessaris Arbeiten aus der konzeptuellen Kunst hervorhebt, ist seine Verbindung zwischen analytischer Aussage und Narration3, wie seine Arbeit

»The back of all trucks passed while driving from Los Angeles to Santa Barbara« (1963) zeigt.

Dem ähnelt Ruschas Fotoserie von 26 Tankstellen an der Route 66 zwischen Los Angeles und Oklahoma (1963), die jedoch eher in Beziehung zu den neutralen, dokumentarischen Kompositionen von Bernd und Hilla Becher gesetzt werden können. Alle diese Fotografien gehen dokumentarisch direkt von den Objekten aus. Davon müssen Hans-Peter Feldmanns Fotoaneignungen unterschieden werden, der betont konzeptuell-neutralen Schwarzweiß-Reproduktion von Fotografien in billigen Bildheften. Gemeinsam ist diesen konzeptuellen Fotografien der durch eine exakte Festlegung definierte Bildausschnitt; er zeigt eine Serie von Objekten, die im Sinn einer ikonografischen Reihe in einer bestimmten morphologischen Ähnlichkeitsbeziehung zueinander stehen.

Vielleicht entbehrt es nicht eines bezeichnenden Widerspruchs, daß Prince als »one of the art world’s best kept secrets«4 galt, erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre auf dem Kunstmarkt präsent war und eine Bekanntheit erlangte, die sich erst in seiner Retrospektive im Whitney Museum of American Art in New York dokumentiert. Damit ging eine auffällige Änderung seiner Rezeption einher. Die schärfste Kritik wurde von Laura Cottingham geäußert. Sie bezeichnete Princes Fotografien als frauenfeindlich und stellt sie in einen Zusammenhang mit David Salles neo-expressionistischer Malerei und Jeff Koons’ Selbstdarstellungen auf Werbeplakaten mit Frauen in Kitsch, in: Partisan Review 6. Jg. Nr. 5, Herbst 1939, 34–49.

1 »By rephotographing photographs Prince pursued a kind of realism, since, after all, he wasn’t making anything up.« Susan Tallman, The Psychopathology of Everyday Life. Price Prints, Arts Magazine, März 1992, Vol. 66, Nr. 7, 13.

2 Jameson stellt die Frage, wie Warhols Suppendosen, die »anscheinend nicht als kritische oder politische Aussagen funktionieren«, innerhalb der Darstellungen der Postmoderne wieder zu repolitisieren wären; Frederic Jameson, Postmoderne und Utopie, in: R. Weimann, H.U.

Gumbrecht, B. Wagner (Hg.), Postmoderne – globale Differenz, Frankfurt/M. 1992, 83.

3 Genau wegen dieser Verbindung lehnte Kosuth ab, ihn als Konzeptkünstler zu betrachten:

Joseph Kosuth, Art after Philosophy (1969), in: Gerd de Vries (Hg.), Über Kunst. Künstlertexte zum veränderten Verständnis nach 1965, Köln 1974, 169.

4 Clark, Richard Prince interviewed by Larry Clark, a.a.O., 130.

Bikinis und mit der italienischen Pornodarstellerin Cicciolina. Cottingham schrieb Princes Reproduktionen von Abbildungen aus den Medien eine rein affirmative und deshalb frauenfeindliche Funktion zu und behauptete, die KuratorInnen hätten die schlimmsten Arbeiten von ihm nicht gezeigt, um diesen Eindruck abzuschwächen.1 Cottinghams feministische Kritik scheint überhaupt erst durch zwei Faktoren ermöglicht worden zu sein, einerseits durch die Funktion dieser Institution, die Princes Praxis hegemonial institutionalisierte2, und andererseits durch die Aussagen der KatalogautorInnen, daß es absurd sei, Princes Praxis als eine Kritik am Warencharakter zu interpretieren3; es ging wohl auch um eine Abrechnung mit der »new breed of post-structuralist critics«4 der Zeitschriften October, Artforum und Art in America der ersten Hälfte der 80er Jahre.

Aus diesem Abschnitt der Rezeptionsgeschichte wird deutlich, daß durch den Präsentationskontext konnotiert wird, ob es sich um eine konsumkritische Appropriation oder um eine sexistische und frauenfeindliche Darstellung handelt. Der Kritik Cottinghams widerspricht die Literatin Kathy Acker, die mit vergleichbaren Strategien wie Prince in der Literatur verfährt. Sie hält seine Arbeiten gerade wegen seiner gewalthaltigen und sexistischen Darstellungen für Kritik am Patriarchat.5 Cottinghams beobachtete Analogie zu den misogynen Praktiken von Salle und Koons scheint sich auf einen ikonografischen und institutionskritischen Vergleich zu beschränken, denn Princes Konzept widerspricht grundsätzlich Koons’ ironischer Intention, sich selbst in Werbeplakaten zu präsentieren. Allerdings muß – ohne die Absicht, ihre Kritik abzuschwächen – Cottinghams Aussage, daß Prince kein Interesse an der Hinterfragung geschlechtsspezifischer Identitätskonstruktionen habe6, zumindest seine Fotografie mit Cindy Sherman gegenübergestellt werden, die ihn als Frau zeigt. Auch die von Prince verwendeten Ausschnitte von homoerotischen7

1 Vgl. Laura Cottingham, Feminism versus Masculinism, in: Tema Celeste Contemporary Art Review, Winter 1993, 66.

2 Vgl. David A. Ross, Foreword, in: Prince, Whitney Museum, a.a.O., 15.

3 Lewis versteht Princes Fotografien eins-zu-eins mit dem, was sie abbilden, aus einer

kontemplativen Betrachterhaltung heraus (Jim Lewis, Outside World, in: ibid., 62ff); deshalb ist es nicht verwunderlich, daß er zu dem Schluß kommt, sie hätten mit einer konzeptuellen

Untersuchung und einer Kritik der Verdinglichung des Begehrens nichts zu tun, ibid., 75. Allerdings stehen diese Aussagen im Gegensatz zu den von Cottingham beschriebenen

Wandbeschriftungen, die den Cowboy als Gender-Darstellung entwerfen, vgl. Cottingham, Feminism versus Masculinism, a.a.O., 66.

4 Phillips, People keep asking, a.a.O., 30.

5 »In dem Maße, wie Richard Princes Werk scharf und gewalttätig ist, ja ekelhaft, verstörend, schwarz und übervoll an Widersprüchen, in dem Maße nimmt er teil an dem Kampf gegen das Patriarchat.« Kathy Acker, Spiritual America von Richard Prince, in: Parkett. Kunstzeitschrift, 34, 1992, 116.

6 Cottingham, Feminism versus Masculinism, a.a.O. 66.

7 Auch betont er, daß die beste Kunst, die er gesehen habe, homoerotisch war und er von ihr beeinflußt wurde, vgl. Tell me everything. Richard Prince interviewed by Stuart Morgan, Artscribe, Nr. 73, Jan/Feb. 1989, 50. Vgl. auch die Erinnerung, die Clark von Prince hat, wie er mit einem Fotomagazin in der Hand staubsaugt, Clark, Richard Prince interviewed by Larry Clark, a.a.O.,

Zeichnungen von Tom of Finland, den Puderdosen und Girlfriends, die nackt auf Motorrädern posierend von ihren Freunden fotografiert und schließlich in Motorradmagazinen abgebildet werden, reflektieren meiner Ansicht nach genau das »gender caste system, of the signs and signifiers that subordinate women to men«.1 In Princes Strategie scheinen sich eher Anklänge an die schwer zu definierende Camp-Ästhetik2 codiert zu finden. Denn seine von Cottingham Wiederfotografien basierten auf einer affirmativen Verhaltensweise zu den sozial konstituierten Images in Relation zu subkulturellen Rollenmodellen, wozu sie sich jedoch als Reproduktionen subtil different verhalten. Auch die eher konservativen Kunstkritiken unterstreichen anläßlich der Retrospektive eine unkritische Haltung Princes.3 Besonders für die von Prince aus Motorradmagazinen abfotografierten »half nude bikers’ girl-friends«4 wird Prince eine frauendemütigende Intention unterstellt. Auch die Aneignung der Fotografie von Brooke Shields als minderjährige Aktdarstellerin, die er mit Spiritual America (1983) betitelte,5 scheint ganz einem frauenfeindlichen oder gar pädophilen Blick zu entsprechen. Er übernahm die Fotografie unverändert mit einem Hinweis auf den Fotografen.6 Hier handelte es sich faktisch um einen Bilddiebstahl, weil die Rechtsanwälte des Fotografen Garry Gross und Shields’ Mutter, die die Fotografie der Minderjährigen aus Karrieregründen genehmigt hatte, nachforschten, wer für die widerrechtliche Veröffentlichung dieser Fotografie verantwortlich war; sie konnten nicht bis zu ihm vordringen, weil er die Galerie eigens für die Ausstellung gegründet hatte.7 Das Aufsehen, das diese Ausstellung auslöste, wird als Durchbruch in seiner Karriere gewertet.8 Der Unterschied der Fotostrategie von Spritual America zu den Cowboys besteht in der widerrechtlichen Aneignung, das heißt, daß jemand das Copyright einfordert. Letztlich gerät diese immer wieder zitierte 129.

1 Cottingham, Feminism versus Masculinism, a.a.O., 66. Vgl. auch die Leseweise: »Es sind individuelle Identitätsentwürfe, getragen von gesllschaftlichen Konstrukten (nicht zuletzt der sich unterordnenden Frau), bei denen aber die individuelle bzw. subkulturelle Realität weit über den gesellschaftlichen Rahmen hinausgeht.« Salvioni, Richard Prince, Realist, a.a.O., 104.

2 Vgl. die erste unkritische und gegenüber der schwulen Subkultur ignorante Darstellung bei:

Susan Sontag, Anmerkungen zu ›Camp‹ (1964), in: dies., Kunst und Antikunst, Frankfurt/M. 1982, 322ff. Vgl. auch die aus einer Revision von Susan Sontags Theorie entwickelten Ansätze: Moe Meyer (Hg.), The Politics and Poetics of Camp, London, New York 1994; vgl. Franziska Rollers konzise Zusammenfassung zu Camp: Franziska Roller, Abba, Barbie, Cordsamthosen. Ein Wegweiser zum prima Geschmack, Leipzig 1997, S. 204–207.

3 »They [die frühen Fotografien] don’t seem to criticize contemporary culture as much as mutely mimic it, or even passively celebrate it.« Roberta Smith, Richard Prince, Questioning the Definition of Originality, in: The New York Times, 8.5.1992.

4 Ibid.

5 Format 8x10“ ; der Titel stammt von einer Detailfotografie des Zuggeschirrs eines Wallachs von Alfred Stieglitz von 1923; abgebildet in: Prince, Whitney Museum, a.a.O., 85.

6 Der Text der Einladunsgkarte lautet: »Brooke Shields by Gary Grossman by Richard Prince«; vgl.

Tell me everything. Richard Prince interviewed by Stuart Morgan, a.a.O., 49.

7 Vgl. ibid.; Brooks, Spiritual America, a.a.O., 85ff.

8 Evelyn Schels, Bad Boy der Kunstszene, in: Elle, 3/94, 300.

Anekdote ebenso wie die von der fingierten John Dogg-Gallery1 zur mystifizierenden Legende, wenn es darum geht, die Subversivität2 seiner Strategien darzustellen. So wird sie mißverständlich in eine historische Linie mit Dada und der Pop art gestellt3: »Grundsätzlich bestreitend, es gäbe überhaupt so etwas wie die Pop-art, nehme ich jene nicht besonders ernst, die mir unterstellen, dem nachzueifern oder deren Ideale, Vorstellungen und Intentionen zu teilen. Es ließe sich lediglich sagen, daß ich dem Mainstream angehöre, also irgendwie populär bin. Nur bin ich es eigentlich nicht. Einerseits bekannt, bin ich andererseits unbekannt.«4 Obwohl Princes Praktiken eher in Verbindung mit den in den 70er Jahren verbreiteten Produzentengalerien und deren Parodien in den 80er Jahren gesehen werden müssen. Princes auch im nachhinein nicht ganz durchschaubare Inszenierungen erzeugen zusammen mit den Sujets der »trashigen« Fotografien und dem romantischen Versuch, eine Antihaltung gegenüber dem hochkulturell orientierten Kunstfeld in subversiven Posen zu behaupten5, die Attraktivität für eine Rezeption in Deutschland Mitte der 90er Jahre. Dort findet man das Lebensgefühl der 80er Jahre formuliert6, was sich weniger in den Motiven selbst, sondern eher in dem mit dem Abgebildeten konnotierten Kult vermittelt. Als Voraussetzung dafür gilt, daß diese Form der »Subversion« nur mittels der Affirmation der Rahmenbedingungen funktioniert.7

Princes Faszination an reproduzierten Werbedarstellungen oder Medienimages wird mittels einer Reproduktion einem kritischen Reflexionsprozeß unterzogen; dies zeigt er in den Katalogabbildungen zum Teil durch eine Blaufilterung und durch in Schärfegraden variierte Wiederholungen an. Jenseits von einfacher Kritik der Massenkommunikation oder Konsumkritik formuliert Wallis analog zu Princes Strategie das implizit ambivalente Verhältnis, »daß – selbst ausschließlich ökonomische Interessen in den Bildern der Werbung vorausgesetzt – was an diesen Bildern berührt und fasziniert, nicht gänzlich zu leugnen ist. Lust muß nicht der politisch korrekten Unlust zum Opfer fallen. Was wir brauchen, worauf Prince’ Geschichten zielen, sind vielleicht viel

1 Dabei handelt es sich um eine wenige Monate von Lisa Spillman, Richard Prince, Colin de Land geführte Galerie in SoHo; so de Land in einem Gespräch mit dem Autor am 31.10.96.

2 Während sich Prince gegen alle Kategorisierungen wehrt, ist ihm der Aspekt der Subversivität für seine Praxis in den 80er Jahren durchaus sympathisch: Prince, Ein Gespräch mit Jocks, a.a.O., 296.

3 Vgl. Brooks, Spiritual America, a.a.O., 90ff.

4 Prince, Ein Gespräch mit Jocks, a.a.O., 284.

5 Damit nimmt er eine ähnliche Haltung zum Kunstmainstream, wie sie Punk zur Popmusik in den 70er Jahren einnahm: auf demselben Feld mit einem hochgradig provokanten Anspruch, die etablierte Kunst in ihrem Wertesystem zu erschüttern.Er sieht den Unterschied zwischen seiner und Warhols Praxis »wie damals, als die Sex Pistols die Rolling Stones ablösten.« Ibid.

6 Vgl. Markus Frehrking, Richard Prince remixed, in: Pakt. Fotografie und Medienkunst, Nr. 7, 1995, 24f, 38.

7 Vgl. welche Mischung aus Provokation und politischer Haltung Anfang der 80er Jahre mit dem Begriff Punk assoziiert wurde: Richard Goldstein, The first radical Art Show of the ‘80s, in: Julie Ault (Hg.), Cultural Economies: Histories from the Alternative Arts Movement, The Drawing Center, New York 1996, 37.

mehr neue Kriterien im Umgang mit eben jener Lust, die von visueller Überfrachtung, Ekstase und Exzess ausgeht.«1

Prince sprach stellvertretend für die erste Generation, die mit dem Medium Fernsehen aufgewachsen ist. Er meinte, daß die Menschen zu den entsubjektivierten Darstellungen in den Medien ein engeres persönliches Verhältnis entwickelt hatten als zu den für sie unerreichbaren originalen Persönlichkeiten. Das sind für ihn die wirklichen Originale.2 In diesen entfremdeten Gefühlen definierte er die Medienrezeption als vorherrschendes Wirklichkeitsmodell, wobei die narrative Form seiner Texte auch als seine Ablehnung der theoretisierenden Konzeptkunsttexte der älteren Künstlergeneration verstanden werden kann. Man könnte so weit gehen zu behaupten, daß die ihn unterstützende Kunsttheorie zu Anfang der 80er Jahre als Reflex auf die Konzeptkunst die ideologie- und epistemologiekritische Funktion für die Appropriation art formulierte. Deshalb bestand bei Prince wie auch bei Levine der Bedarf, sich davon zu distanzieren.

Dadurch erlangte ihre Arbeit neue Facetten, was nicht als die Sprache der Werbung mißverstanden werden sollte. Ein wichtiger Unterschied, den Princes Fotografien zur Werbung aufweisen, besteht darin, daß ihre Rhetorik nicht an die allgemeine Konsumgesellschaft, sondern an die BetrachterInnen von Kunst adressiert ist. Es kann deshalb nicht davon gesprochen werden, daß es sich bei Princes Arbeiten um dieselben Motive handelt, die in den Werbefotografien zu sehen sind. Denn Prince verband mit ihrer Auswahl und Kopie eine andere Intention als die Werbung.3 Sein Interesse richtete sich auf die gesamte Darstellung: Princes Motiv ist das Image der Werbeabbildung, nicht nur der Cowboy an sich. Das Motiv, das wiederholt wird, ist die gesamte Darstellungstrategie. Wie es John Miller formuliert, affirmierte Prince nicht nur die Schönheit des Abgebildeten, sondern auch die Schönheit der Codierung als Objekt.4 Gerade weil es sich bei den Werbeabbildungen um emotional überdeterminierte Sujets handelt, war bei Prince nicht das Abgebildete, sondern die Darstellung der Vorbilder der Gegenstand seiner fotografischen Praxis.

Deshalb verstehe ich seine Strategie als eine ikonologisch-konzeptuelle Analyse.5

Prince differenziert sehr genau, wie er seine Fotografien in Ausstellung, Künstlerbuch oder Katalog präsentiert. In Ausstellungen werden sie traditionell gerahmt, dagegen erscheinen sie in seinen Katalogen meist randlos und werden oft unscharf und blaugefiltert jeweils im selben Band

1 Wallis, Freuden der Geistlosigkeit, a.a.O., 73.

2 Vgl. Prince, in: Ein Gespräch mit Jocks, a.a.O., 294.

3 Es handelt sich um ein Mißverständnis, daß sich Princes Fotografien auf Teenager beziehen: vgl.

Lewis, Richard Prince: Notes toward a supreme fiction, a.a.O., 6; Lewis, Outside World, 75.

Lewis, Richard Prince: Notes toward a supreme fiction, a.a.O., 6; Lewis, Outside World, 75.

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