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Lawlers Konzept des Bildarrangements

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 123-126)

3 Historische Erscheinungs- und Rezeptionsformen von Fake

3.1 After Walker Evans«: Sherrie Levine

3.3.1 Lawlers Konzept des Bildarrangements

In einer Gruppenausstellung mit Cindy Sherman und Adrian Piper im Artists Space (1979)1 präsentierte Louise Lawler2 das nur für diese Ausstellung geliehene Gemälde eines Rennpferdes von Henry Stullman. Ein Bühnenscheinwerfer war auf das Gemälde gerichtet, der andere auf die BetrachterInnen, so daß sie geblendet wurden und nachts ihr Schatten durch die Fensterfront auf die Straße fiel.3 Konventionelle Präsentationsmittel wurden so stark betont, daß sie nicht nur selbst zum Kunstwerk wurden, sondern auch die BetrachterInnen sich der Involvierung in die Installation nicht entziehen konnten.

Diese Art von Überinszenierung wirft die Frage auf, wo die konstitutiven Grenzen dieser Kunstpraxis verlaufen. Wie sich aus den Berichten über diese Ausstellung ablesen läßt, wurde ihre Praxis der Appropriation schon zu dieser Zeit gegenüber der gleichzeitigen historischen Ausstellung Art about Art hervorgehoben.4 Das Charakteristikum von Lawlers Fotografien bestand in ihren Bezügen zu Praktiken anderer KünstlerInnen – sie bewegte sich im gleichen künstlerischen Umfeld, in dem auch Levine und Prince aktiv waren5 –, und in ihrem selbsterklärenden Bezug auf die jeweiligen Präsentationsräume. In ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Metro Pictures An Arrangement of Pictures (1982) zeigte sie bereits ihre Verfahrensweise, künstlerische Arbeiten anderer zu Bild-Arrangements zusammenzustellen.6 Lawler nahm über die Adressenliste der Galerie Kontakt zu Sammlern auf, um deren private Kunstsammlungen in Wohnungen zu fotografieren. Diesen Fotografien waren die hinteren Räume der Galerie vorbehalten, während Lawler im vorderen Raum Arbeiten von befreundeten KünstlerInnen zeigte7, die sie auf eine im Galeriekontext ungewöhnliche Weise präsentierte.

Beispielsweise benannte sie das Arrangement (Allan McCollum and other Artists) Lemon (1981, Abb. 62) nach den Namen derjenigen KünstlerInnen, deren Bilder dort zusammengestellt waren und nach der Farbe des Wandhintergrunds, die das Arrangement zu einem Bild subsummierte. Die

1 Louise Lawler, Adrian Piper & Cindy Sherman have agreed to participate in an exhibition organized by Janelle Reiring at Artists Space, 23.9. – 28.10.1979, New York.

2 Geboren 1947 in Bronxville, New York (USA), B.F.A. an der Cornell University 1969.

3 Vgl. die Beschreibung von Louise Lawler und die ausführlichste Erläuterung bei Andrea Fraser, In and Out of Place (1985), in: Peter Weibel (Hg.), KontextKunst. Die Kunst der 90er, Köln 1994, 385.

4 Diese Ausstellung wurde bereits im Kapitel über die diskursive Formation der Appropriation art besprochen; Busche erwähnt Lawlers Installation als positives Beispiel; vgl. Ernst Busche, Bericht aus New York, in: Das Kunstwerk, 1/1979, 39.

5 Cameron zählt sie mit Cindy Sherman zu den vier wichtigsten FotografInnen bei Metro Pictures;

vgl. Cameron, Die Kunst und ihre Wiederholung, a.a.O., 286.

6 Vgl. Kate Linker, Rites of Exchange, in: Artforum, November 1986, 99.

7 Cindy Sherman, Laurie Simmons, James Welling, Jack Goldstein, Robert Longo.

Heterogenität der Bilder wurde durch diesen einfachen Trick aus den Präsentationspraktiken des Museums des 19. Jahrhunderts zu einer homogenen Wandinstallation. Da sich keine verbindende Ikonografie feststellen ließ, entstand ein Pastiche völlig unterschiedlicher Bildelementen wie auf der Seite eines Kunstmagazins. Bestenfalls die Tatsache, daß alle KünstlerInnen aus dem gleichen sozialen künstlerischen Milieu stammen, könnte als verbindender Aspekt verstanden werden.

Anstatt eigener Arbeiten präsentierte Lawler die ihrer Freundinnen und Freunde, wodurch sie eine auktoriale Verschiebung von der eigenen Produktion zur Reproduktion ihres sozialen Umfelds vollzog.

Mit einer anderen Verfahrensweise arrangierte Lawler die Arbeit (Stevie Wonder) Livingroom Corner, Arranged by Mr. and Mrs. Burton Tremain, New York City (1984, Abb. 63). Sie dokumentierte das vorgefundene Arrangement und betitelte es nach den Namen des Sammlerehepaars und nach dem auf dem Fernsehmonitor erscheinenden Musiker. Ihre Fotografie würde in einer formalistischen Beschreibung wahrscheinlich als eine farblich und räumlich ausgewogene Komposition bezeichnet werden. Das bestandsaufnehmende Fotografieren mit einer konventionellen Kleinbildkamera läßt eine traditionelle dokumentarische Vorgehensweise vermuten.1 Hinsichtlich ihrer plansymmetrischen Perspektive handelt es sich um eine Verfahrensweise der Reproduktion, die sich in den Konventionen von dokumentarischen Interieuraufnahmen beispielsweise von Walker Evans bewegen. Es handelt sich aber nicht um eine Dokumentation, weil Lawler mittels ihrer Betitelung und Inszenierung eigene Fragen stellt, die über ein dokumentarisches Interesse hinausgehen. Das wird besonders deutlich, wenn Lawler das Kunstwerk nur in einem Detailausschnitt fotografiert, dafür aber das bezeichnende Etikett lesbar wird. Die Verschiebung des Fokus vom Kunstwerk auf seine Klassifikation bringt seine Funktionalisierung, den Präsentationsort mit seinem Zweck und die jeweilige Art der Taxonomie in einen unmittelbaren Zusammenhang.2 Einerseits deutet sich darin eine völlig andere Verfahrensweise hinsichtlich Funktion, Intention und Konzeption als in einer Ausstellungsdokumentation an; andererseits dokumentieren sich in den Differenzen der abgebildeten Signaturschilder die unterschiedlichen repräsentativen, ökonomischen oder politischen Absichten, die die jeweilige Institution mit der Präsentation verbindet. Auf keinen Fall bildet das traditionelle Original das Zentrum der Fotografie, sondern die Präsentationsweise. Da diese hier als wertbildende Genealogie der Besitzverhältnisse erscheint, läßt sich eine ähnliche Intention vermuten, wie sie im Kapitel B. II. 1. als konzeptuell-konkrete Präsentationsform von Hans Haacke anhand von Manets Spargel-Stilleben (1974) vorgestellt wurde. Das Bild, das traditionell durch seine idealisierte und zweckfreie Schönheit charakterisiert ist, erscheint nun als Verdinglichung eines obsessiven Besitzwunsches.

1 Vgl. Johannes Meinhardt, Louise Lawler. Die Orte der Kunst – Kontext, Situation, Markt, in:

KontextKunst, a.a.O., 171 und 173.

2 Vgl. die Differenz zur Reprofotografie: Thomas Weski, Kunst als Analyse. Zu den fotografischen Arbeiten von Louise Lawler, in: Louise Lawler, For Sale, Ostfildern 1994, 53.

Lawlers künstlerische Praktiken lassen sich nicht auf eine einheitliche Verfahrensweise des Arrangements reduzieren, sondern erstrecken sich auf das gesamte Betätigungsspektrum der Kunst, in dem sie als Künstlerin, als Kuratorin und als Wissenschaftlerin agiert. Damit akzentuiert sie, daß »nicht nur die Künstler ästhetische Bedeutung und Werte« produzieren, »sondern auch oft anonyme Gruppen von Besuchern, Sammlern, Museums- und Galeriemitarbeitern, und schließlich der kulturelle Apparat, in dem sich diese Positionen voneinander abgrenzen.«1 Mit dieser Vorgehensweise, mit der sie sich in der von ihr erwarteten Rolle differenziert verhält, behauptet sie sich als Künstlerin nicht nur symbolisch gegenüber ihrer Funktionalisierung, sondern thematisiert auch die unsichtbaren Konventionen. Dazu können die Titel ihrer Arbeiten als konzeptuelle und situative Aussagen gelesen werden, in die ihre für die selbe Arbeit oft wechselnden Legenden2 miteinzubeziehen sind. Denn wie Solomon-Godeau betont, »it is the caption, after and above all, that establishes the meaning«3. Ein gutes Beispiel dafür ist Lawlers Titel für eine Installation: »Now That We Have Your Attention What Are We Going To Say?«4 In dieser Frage bezieht sie ihre eigene Praxis auf die der Konzeptkunst inhärente selbstkritische Frage nach dem Inhalt und der Intention im Verhältnis zur Präsentation.

Zu den von Lawler appropriierten Verfahrensweisen zählen auch ihre Pressemitteilungen5 und andere Paraphernalien, mit denen sie die traditionellen Medien der Kunst erweitert und trivialisiert:

Streichholzheftchen, Einladungskarten, Trinkgläser und Flugblätter.6 Den Begriff »Paraphernalien«

habe ich nicht nur gewählt, weil er das »Zubehör« der Institution benennt, sondern vor allem, weil damit auch das außer der Mitgift eingebrachte Sondervermögen einer Frau gemeint ist; Lawler bringt in diesem Sinne ihre Werbegeschenke ein, was in der konventionellen Ausstellungssituation doppelt unerwartet ist: sie kosten nichts, und sie multiplizieren ein künstlerisches Statement mit zeitgenössischen Werbemethoden. In Bezug auf diese zum Teil anonymen Verfahrensweisen erscheint es folgerichtig, daß sie es meist ablehnte, monolithische Kataloge über ihre

1 Fraser, In and Out of Place, a.a.O., 348.

2 Vgl. Johannes Meinhardt, Substitute, Surrogate und Supplemente, in: Allan Mc Collum, Richard Prince, Louise Lawler, Barbara Bloom, Larry Johnson, Galerie Isabella Kacprzak, Stuttgart o.J. (ca.

1987), 15.

3 Abigail Solomon-Godeau, Photography at the Dock, in: The Art of Memory – The Loss of History, New Museum of Contemporary Art, New York 1985, 48.

4 Bei der gleichnamigen Ausstellung in der Galerie Metro Pictures waren nur nachts durch das Fenster der Galerie auf eine Wand projizierte Dias zu sehen: Slides at Night: Now That We Have Your Attention What Are We Going To Say?, Metro Pictures 1985. Vgl. dazu: Fraser, In and Out of Place, a.a.O., 391.

5 Vgl. Camerons Hinweis auf die Pressemitteilung, in der Lawler und McCollum anläßlich ihrer Ausstellung in der Nature Morte Gallery die Schaffung eines dritten Kunstviertels nach Uptown und SoHo kritisieren; Cameron, Die Kunst und ihre Wiederholung, a.a.O., 299.

6 »Die Verwendung dieser Formate bedeutet eine doppelte Verlagerung: Sie bringt damit die oft unsichtbaren marginalen ‘Krücken’ der Kunst in die Galerie und siedelt die eigene Praxis an den

‘Rändern’ an, bei der Produktion, Adaptierung und der Kritik des Rahmens.« Fraser, In and Out of Place, a.a.O., 124.

Einzelausstellungen1 zu produzieren oder Interviews zu geben, die immer mit der Erzeugung einer Authentizität das Ziel verfolgen, eine Höherbewertung der künstlerischen Arbeiten durch die Institution zu erreichen. Eine wichtige Bedeutung nimmt auch ihre Gestaltung des Layouts von kunsttheoretischen Büchern ein, womit sie ihre Strategie des Bildarrangements auf die zweidimensionale Ebene des Buches ausdehnt, das die Rezeption von dreidimensionaler Kunst reflektiert und beeinflußt.2

Für Lawlers Strategie scheint zunächst die Vorgehensweise entscheidend, daß ihre Fotografien den Rahmen von ausgewählten Kunstwerken erweitern, der sie konventionellerweise begrenzt, und so die Institution in ihr Bild konstitutiv einbezieht. Da Lawler jeweils sehr unterschiedliche Akzentuierungen vornimmt, läßt sich die Hypothese aufstellen, daß sie mit ihren Konzeptionen spezifische institutionelle Fragestellungen konzeptuell3 reflektiert und sich ihrer Rolle gegenüber differenziert verhält.4

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 123-126)