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Rezeptionsgeschichte: Weibels »Lektion«

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 153-162)

3 Historische Erscheinungs- und Rezeptionsformen von Fake

3.1 After Walker Evans«: Sherrie Levine

3.4.3 Rezeptionsgeschichte: Weibels »Lektion«

Ein unmittelbar zur Ausstellung Inszenierte Kunst Geschichte erschienener Artikel gab sich als eine

»Lektion von Weibel«3, wodurch er schon im Titel eine auktoriale Geste Weibels antizipierte. Durch die Betonung, daß es sich um eine »Lektion« handelt, wurde Weibels Ausstellungsentwurf auf die Kunstkritik ausgedehnt, die vor allem unter der Perspektive, daß sie unter der Kontrolle des Künstlers steht, keine Kunstkritik, sondern eine strategische Ergänzung der künstlerischen Praxis darstellte. Im rhetorischen Verschwimmen der Grenzen zwischen der Stimme des Künstlers und der Stimme des Kunstkritikers offenbart sich die Hegemonie des Künstlers. Der Künstler geriert sich somit als originäre Quelle4, die kaum durch Kommentare oder Kritik erweiterbar scheint. In diesem Sinn rufen die Bildbeschreibungen des Artikels nur die von Weibel suggerierten Klischees versus Masculinism, a.a.O., 64f.

1 Foster, (Dis)agreeable Objects, in: Damaged Goods: Desire and the economy of the object, a.a.O., 17.

2 Diese beiden Begriffe vereinigen in sich die von Benjamin entworfenen und von der diskursiven Formation der Appropriatian art übernommene Qualifizierung künstlerischer Praktiken, vgl.

Benjamin, Der Autor als Produzent, in: ders., a.a.O., 684f.

3 Trenkler, Der Faker als Joker der Kunst. Eine Lektion von Peter Weibel über seine „ Inszenierte Kunstgeschichte“ und andere Möglichkeiten, den klassischen Originalitätsbegriff zu zerstören, a.a.O., 90.

4 Vgl. den Hinweis, daß allen Angaben Bedeutung zukommt: »Alle Namen waren erfunden, alle Stile zusammengeklaubt, alle Ideologien verarbeitet. Doch jeder Name und jede biografische

ab. Trenkler sieht in Weibels alias Louise Langfords Bildern einen Reflex von Pollock und Warhol, woraus er kurzschließt, daß diese Praxis sich auf diese Künstler bezieht.1 Betrachtet man jedoch Lawlers Fotografie Frieze (1984), sieht man zwar den unteren Rahmen eines Pollock-Gemäldes, aber es scheint hier vor allem um die in einer Sammlung vorgefundene situative Beziehung zu gehen. Aus der Tatsache, daß Ausschnitte von Pollock-Gemälden in Lawlers Fotografien vorkommen, kann geschlossen werden, daß sie seine Gemälde oft in Kunstsammlungen vorfand.

Es handelt sich um eine Fehlinterpretation, wenn dies reduktionistisch ikonografisch behandelt wird und als Anlaß dient, eine monumentale Reproduktion eines Pollock-Gemäldes anzufertigen und mittels des Pseudonyms eine ähnlich subtile Bezugnahme des Vor-Bildes anzunehmen. Indem Weibel dies jedoch suggeriert, zeigt sich seine Negation des Visuellen, der konzeptuellen Formation Lawlers und seine angestrebte definitorische Dominanz, die zu einer semantischen Überdetermination führt.2

Weibels Arbeiten beziehen sich ikonografisch und auch konzeptuell nicht auf Lawlers Strategie der Arrangements, weil sie weder auf den Ausstellungsraum oder die spezifische Betrachtersituation, noch auf eine andere spezifische Präsentationssituation bezugnehmen. Die Arbeit Warenaltar läßt sich nicht auf die Verwendung des Waschmittellogos und nicht hinsichtlich der applizierten Gemäldeabbildungen aus einer konzeptuellen Formation erschließen. Die Darstellungen verharren programmatisch in ihrer Kontingenz, womit Weibel seine Strategie des Fake zu begründen sucht.3 Mit Blick auf Weibels Installationen stellt man fest, daß der Materialeinsatz zwischen Alltagsgegenständen und Medieninstallationen pendelt, was auf einem sehr allgemeinen

Angabe hatte Bedeutung, war kunstgeschichtlich interpretierbar.« Ibid., 84.

1 »[...] die Amerikanerin Louise Langford schuf in postmoderner Tradition, die sich auf Jackson Pollock und Andy Warhol bezieht, freigelegte Fresken verschiedener Firmenlogos.« Trenkler, Der Faker als Joker der Kunst, a.a.O., 84.

2 Dies kann in Analogie zum problematischen Verhältnis zwischen seinen theoretischen Behauptungen und seiner Video- und Simulationskunst gesehen werden: »Seine digitalen Bildräume können die technischen Möglichkeiten höchstens im Prinzip aufzeigen, aber nicht in Perfektion durchführen. Alles kommt für die Programmatik der Videokunst daher darauf an, ihren Wert aus dem Prinzip Digitalität abzuleiten, die Konkretion des Sichtbaren dagegen zu

vergleichgültigen. [...] Mit dieser Strategie tritt Weibels Videokunst in die Fußstapfen seiner Konzeptkunst und bleibt wie diese semantisch überdeterminiert.« Werner Köster, Ein Nomade zwischen Kunst und Wissenschaft. Über Peter Weibel als Vertreter des Techno-Diskurses, in:

Merkur, Heft 9/10, 1993, 801.

3 Vgl. Weibels Definition: »Anstatt des Wortes ‘Fälschung’ hat sich in der Kunstszene der Begriff

‘faken’ durchgesetzt, um die ideologischen Konstruktionen, um diese Schleier zu zerreißen. Der Faker ist nicht einer, der Originalwerke fälscht, da er ja nicht imitiert. Sondern er setzt Fiktionen in die Luft, er schafft ‘Kopien ohne Original’. Für eine Kopie brauche ich normalerweise ein Original, [...], das ich nachmale und dann als echten van Gogh ausgebe. Anders der Faker: Er behauptet nichts Falsches, er schafft Paraphrasen, Hypothesen. Fake ist wie ein Virus, der die

Schwachstellen des Diskurses der Kunst aufdeckt. Die Begriffe Original, Kopie und Fälschung zu entkernen und ihnen andere Begriffe wie Fiktion, Paraphrase, Rekonstruktion, Simulation oder

‘Kopie ohne Original’ entgegenzustellen, ist eine große Errungenschaft der Kunst der Gegenwart.«

Trenkler, Der Faker als Joker der Kunst, a.a.O., 87.

Verständnis des Readymade-Begriffs zu basieren scheint1; nicht die situationsbezogene Spezifik seiner Vor-Bilder, sondern eine allgemeine Reproduktion von Waren der Kunst wird hier instrumentalisiert. Dies fällt vor allem dann auf, wenn man Weibels Arbeiten mit anderen zeitgenössischen Strategien vergleicht, die sich ebenfalls auf eine Rezeption der Appropriation art beziehen.

Dazu läßt sich das Projekt Meisterwerke der Fotokunst von Wolfgang Vollmer und Ulrich Tillmanns anführen. Sie stellen bekannte Fotografien nach, zum Beispiel August Sanders Fotografie von drei Bauern im Sonntagsanzug (1913).2 In der Verschiebung zwischen Wiedererkennen und Differenz realisieren die BetrachterInnen ihre eigene Position: Weder referieren die Fotografien eindeutig kritisch auf ihr Vorbild, noch entwickeln oder analysieren sie eine besondere fotografische Verfahrensweise, sondern reinszenieren die historische Situation mit anderen Personen. Der fiktive Sammler Klaus Peter Schnüttger-Webs, der angeblich diese Fotosammlung unterstützt und seit Mitte der 80er Jahre ein Museum betreibt, ergänzt das Projekt um ein institutionelles Fake.3

Auch die beiden Arbeiten The Ideal Collection I und II von Ashley Bickerton (1988) weisen eine Grundkonzeption auf, die eine sehr spezifische Referenz auf das Vor-Bild inszenieren: Eine Reihe von Kunstwerken wird aus der Geschichte der Kunst ikonisch angeeignet und in einem medial genau definierten Rahmen präsentiert. Handelt es sich bei Vollmer und Tillmann um eine Persiflage des gerade betriebenen Vintage-Print-Kults in der Fotokunst, entwirft Bickerton ein Kunstobjekt, das in seinem »Professional Design« die eigene Konstruiertheit als Display visualisiert. Damit reduziert Bickerton die in New York zur Konvention erstarrte Appropriation art auf ihre reine Konzeption: ein Kunstobjekt, das bestimmte Bildbezüge durch kleine Abbildungen herstellt, das seine eigene Warenform mittels integrierter Verpackung und Tragegriffen in seiner Präsentationsform anzeigt.

Thomas Dreher ordnet Weibels Arbeiten trotz ihrer paradoxen Struktur systematisch in Kategorien konzeptuellen Verfahrensweisen zu. Während Dreher die Installation For Presentation and Display:

Ideal Settings von Louise Lawler und Allan McCollum als eklektizistische Wiederholung der Arbeit von Art & Language bezeichnet4, versteht er Weibels Warenaltar als dessen konkrete Umkehrung, der »Annäherung an [eine] Warenaura«: Es »[...] zeigt sich die Qualität von Weibels umgekehrtem Vorgehen: Es setzt das Thema der neokonzeptuellen Kunst in der Umkehrung voraus. Die Umkehrung führt zu einer Komplexierung.« Indem Dreher die neokonzeptuelle Kunst »[...] als

1 Weibels Forderung nach der ausschließlichen Verwendung von Readymades zur Aufhebung der

»historisch codierte[n] Ontologie des Kunstwerks« (19), um das »neue Kunstwerk« (22) zu schaffen, zeigt sein reduktivistisches Readymadeverständnis, vgl. Weibel, Errata, a.a.O., 19–22.

2 Vgl. Ulrich Tillmann, Wolfgang Vollmer, Meisterwerke der Fotokunst, Köln 1985.

3 Vgl. Friedemann Malsch, Das neue Museum – vor dem Ende?, in: Kunstforum International, Bd.

86, Nov./Dez. 1986, 314ff.

4 Vgl. Thomas Dreher, Kontextreflexive Kunst. Selbst- und Fremdbezüge in intermedialen Präsentationsformen, in: Weibel (Hg.), KontextKunst. Die Kunst der 90er Jahre, Köln 1995, 99.

Modell der zeitgenössischen Warendistribution« bezeichnet, »der sich Kunst nur in der Fiktion ihrer Produzenten noch zu entziehen vermag«1, kommt er zu der Ansicht, daß die neokonzeptuelle Appropriation art genau dies behauptet hätte. Es kann nach den Ausführungen zu Lawler weder von ihr noch von McCollum gesagt werden, daß sie sich nicht der Warenfunktion ihrer Praktiken bewußt gewesen wären und beabsichtigten, sich der Warendistribution zu entziehen.

Darüberhinaus kann, falls Dreher sich allgemein auf die Neokonzpetkunst bezieht, ihm entgegengehalten werden, daß Jeff Koons sogar sein unternehmerisches Interesse an der Kunst betonte.2

Es fehlt Weibels Arbeit die visuelle Ambivalenz, die ein interpretatorisches Spiel der BetrachterInnen iniziieren könnte. Zudem läßt Weibels großes Spektrum künstlerischer Verfahrensweisen auch innerhalb der einzelnen Werkgruppen die konzeptuelle Definition eines Mediums vermissen; denn mit den vorgelegten heterogenen Gestaltungsweisen kann er nicht wirklich den Begriff der Originalität und der Repräsentation der Appropriation art bekämpfen.

Konzeptuelle Kunstpraktiken zeichnen sich durch ihre präzise Definition des Verhältnisses von Darstellung und Präsentation – der Repräsentation – aus; das hier vorliegende Mißverhältnis zwischen Dargestelltem und Darstellung wurde anhand der Mißinterpretation von Lawler deutlich;

Weibels Präsentation läßt sich nur über seine institutionelle Definition nachvollziehen, weil die einzelnen Segmente der Ausstellung keine Reflexe eindeutiger konzeptueller Formationen konsequent verfolgen.

Auffällig ist das unspezifische Verhältnis zwischen den Ausstellungsobjekten, den Texten, den Abbildungen und den Künstler- und Theoretikerpseudonymen im Katalog. Es handelt sich um strategische Setzungen, die sich theoretisch-parodistisch auf die Präsentationen beziehen. Der Literaturwissenschaftler Werner Köster kommt in seiner Kritik von Weibels Diskurs deshalb anläßlich einer anderen Ausstellung zu dem Schluß: »All dies ist sehr sinnfällige, konzeptgeleitete und mit wenig Deutungsspielraum ins Werk gesetzte Kunst, deren Wesentliches nicht in der Gestaltung, sondern in der Deutung liegt.«3

Weibel setzt damit ein paradoxes Verweissystem in Gang: Wie er im Text »Logo-Kunst« schreibt, überkreuzen sich die Bedeutungen4, und obwohl er für ein Bilderwissen plädiert, das das Wissen

1 Ibid., Anm. 76, 112.

2 Vgl. Jeff Koons, Ten Years later, H. Kontova/ G. Politi, in: Flash Art, Sommer 1997, 105.

3 Köster, Ein Nomade zwischen Kunst und Wissenschaft, a.a.O., 800.

4 »In der Logothetik sucht man ja nicht das dem Signifikanten entsprechende gleiche Signifikat auf, sondern das dem Signifikanten entgegengesetzte Signifikat. Es handelt sich dabei also um einen Bruch, eine Brechung, eine Kreuzung. [...] Die Logothetik ist eine lektonische Antithetik, welche das gegenteilige, konträre Signifikat eines Signifikanten aufsucht.« Peter Weibel, Logo-Kunst. Die künftige Methode der Bildbetrachtung, in: G.-J. Lischka (Hg.), Philosophen-Künstler, Berlin 1986, 89f.

im Bild und nicht in einem separaten Text lokalisiert1, behauptet er, die »logothetische Kunst«

bewirke eine Umkehrung der »klassischen Ikonografie«.2 Nimmt man dies zum Ansatzpunkt einer Betrachtung seiner Arbeiten, fällt auf, daß sie ohne textuelle Referenzen nicht auskommen:

Weibels Ikonografie bewegt sich in einem denkbar breiten Beziehungsrahmen. Bis hierhin zeichnet sich zwischen dem Anspruch seiner Texte und seinen Installationen insofern ein Widerspruch darin ab, als er seine Arbeiten in einen bestimmten theoretischen Kontext situiert, ohne daß dies selbstreflexiv in ihrer konzeptuellen Formation evident würde. Weibels behauptete Umkehrung der

»klassischen Ikonografie« läßt sich nur aus einem Verständnis der Ikonografie erklären, das annimmt, daß sie sich rein auf motivische Bild-zu-Bild-Beziehungen begründet. Die labyrinthische Struktur des logothetischen Bildes erscheint aus dieser Perspektive wie eine von Weibel entworfene Legitimation für die Präsentation unspezifischer Objekte, die aber nicht der behaupteten »Durchlöcherung des Realen«3 dient, sondern genau entgegengesetzt auf traditionelle Weise, das Reale seiner Präsentation formuliert. Daß Weibels nur formulierte Zerstörung der Appropriation art und der Institution der Kunstgeschichte nicht als realer Anspruch gelten kann, geht aus seiner eigenen Kommentierung hervor, ein Zeichen sei auf keine Bedeutung mehr fixiert. Dies beruft sich auf Baudrillards Simulakren-Theorie, die behauptet, daß die Referenten aufgelöst seien, weshalb die Signifikanten frei fließen.4

Unter diesem Thema steht im Katalog auch der Abdruck des Texts »Transästhetik« von Jean Baudrillard, mit dem Weibel seine Ausstellung in einen Kontext mit der Theorie der Simulation stellte. Baudrillard behauptet dort, daß die Kultur, nachdem sie durch die Einführung seiner Simulakrentheorie »hyperreal« geworden war, in einen Zustand der »Transästhetik« eingegangen sei. Als viertes Simulakrum führt er das des Fraktalstadiums ein.5 Dies bezeichnet Baudrillard als das »aktuelle Schema unserer Kultur«6, womit er sich allerdings selbst widerspricht, da eine

1 »Die logothetische Kunst versucht gerade zu zeigen, daß die Kunst der Ort der Wahrheit wird, indem sie eben nicht in der Funktion des Realen steht, daß Kunst nur dann zum Topos der Sprache wird, daß Kunst eben nur dann zu uns spricht, wenn sie in die Wahrheit des Realen sistiert, in welcher ja die Kunst nur eine Realität zweiten Rangens darstellt, nämlich die Illusion.«

Ibid., 87.

2 Ibid., 99.

3 »Diese labyrinthische Struktur des Bildes ist eben, was ich Logothetik nennen möchte.« Ibid., 96.

4 Vgl. Ibid., 101.

5 »Nach dem Naturzustand, dem Warenzustand und dem strukturellen Stadium des Werts ist heute sein fraktales Stadium erreicht. Dem ersten Zustand entsprach ein natürlicher Referent, der Wert entwickelte sich in Verbindung zu einem natürlichen Gebrauch der Welt. Dem zweiten entsprach ein allgemeiner Referenzwert, der Wert entwickelte sich in Verbindung mit der Logik der Ware.

Dem dritten Stadium entsprach ein Code, in diesem Stadium entfaltet sich der Wert in

Zusammenhang mit einer Gesamtheit von Paradigmen. Im vierten Stadium, das ich das fraktale Stadium des Werts nennen werde, sein Virus- oder Strahlungsstadium, zerstreut sich der Wert in alle Richtungen und in alle Zwischenräume, ohne irgendeinen Bezug worauf auch immer, durch reine Kontiguität.« Jean Baudrillard, Transästhetik, in: Weibel, Inszenierte Kunst Geschichte, a.a.O., 12.

6 Ibid.

angeblich referenzlose Ästhetik nicht mehr schematisch bezeichnet werden kann. Baudrillard setzt hier einen Verlust jeglicher Distinktion der Zeichen an, der ihm zu einer apokalyptischen Betrachtung der Kultur gerät.1 Trotz aller begrifflichen und epistemologischen Unschärfen dieses Textes leitet Weibel daraus ein Paradigma der Kontingenz ab, das als sein wesentliches Theorem aufzufassen ist. Zudem treibt er die Simulakren-Theorie in Wortspiele, die nicht nur von ihrer eigenen Redundanz zwischen Original und Kopie handeln, sondern auch seinen hegemonialen Anspruch verkünden, die Kunst und Kunstgeschichte zum Ende zu bringen und dadurch selbst einen Neuanfang zu markieren.2

Auch anläßlich eines Symposions zum Thema Original3 vereinigt Weibel die unterschiedlichsten künstlerischen und theoretischen Ansätze, ohne sie in ihrer Differenz zu betonen. Weibel bezieht dort die Rede vom Original und der Kopie gar auf das »Kloning« – ein damals relativ neuer und schon überaus disparat diskutierter Begriff – und fügt dem Abbildungen seiner Ausstellung Inszenierte Kunst Geschichte hinzu. Weibels Argumentation tendiert dazu, die traditionelle Originaldichotomie einschließlich ihrer Moral durch eine euphorische Förderung des Kloning-Prinzips4 zu ersetzen. Dem scheint ein Denkfehler zugrunde zu liegen, denn ein Klon ist im Sinne Goodmans eine aleatorische Reproduktion, weshalb die Kopie, die immer eine des autografischen Originals ist (oder des antipodischen Fälschers), nicht mit ihm identisch sein kann. Auffällig ist, daß Weibel diese Idee in derselben antagonistischen Rhetorik verfolgt, nur unter umgekehrten Vorzeichen.5

Dies unterscheidet sich völlig von Olanders Versuch, mit Fake eine von der Moderne unterschiedene Strategie hinsichtlich des Künstlersubjekts und der Zirkulation des Kunstobjektes als Warenfetisch zu entwerfen. Denn Weibel geht es um die biologischen Möglichkeiten, die im Gegensatz zu den symbolisch-politischen Intentionen Olanders stehen. Indem Weibel den Bezug

1 Dies folgt Baudrillards Ansatz, Freuds Begriff des Todestriebs auf die Kultur zu beziehen, was seine Theorie im Nihilismus und der Beliebigkeit enden läßt. Diese Tendenz zeichnet sich teilweise schon in »Der symbolische Tausch und der Tod« ab und verstärkt sich folgend zusehends. Zu welchen Mißverständnissen diese Theorie führen kann, weil der mediale Reproduktionscode vernachlässigt wird, zeigt sich in Baudrillards neuem Buch Das perfekte Verbrechen, München 1996, besonders im Kapitel Der maschinelle Snobismus, vgl. Stefan Römer, Ende mit der Agonie der Hyperrealität?, in: Kunstforum International, Bd. 135, Okt. ‘96 - Jan. 97, 509.

2 »Ich wollte Werke finden, besser als die bekannten, aber derart überbelichtet, daß sie die durch sie repräsentierte Kunstrichtung fast in die Dunkelheit des Lächerlichen verstießen. Überbelichtete Simulakra zerstören die Originale, weil sie besser als diese sind. Sind die Originale aber zerstört, kann es auch keine Simulakra mehr geben, denn diese würden sich ja auf nicht existente Objekte beziehen.« Weibel, Errata, a.a.O., 19.

3 Symposium Salzburger Kunstverein (1993), Salzburg Ostfildern 1995; Teilnehmer waren: Lynne Cooke, Thierry de Duve, Sherrie Levine, Jean de Loisy, Niklas Luhmann, Rainer Metzger, Stephan Schmidt-Wulffen, Elaine Sturtevant, Peter Weibel, Silvia Eiblmayr und Robert Fleck.

4 Vgl. Peter Weibel, Digitale Doubles: Von der Kopie zum Klon. Zweiter Entwurf, Symposium Salzburger Kunstverein, Salzburg Ostfildern 1995, 171.

5 Als Vertreter eines unzeitgemäßen Originals werden dementgegen die Neo-Expressionisten wie Markus Lüpertz angeführt, vgl. Trenkler, Der Faker als Joker der Kunst, a.a.O., 87.

zwischen dem Klonen und der Biologie als künstlerische Konzeption herstellt, scheint er sich implizit konträr zu seiner eigenen »logothetischen« Theorie auf die in einen homogenen Begriff gefaßte Realität zu beziehen. Dagegen wies er in dem Text »Logo-Kunst« auf die Referenzlosigkeit hin, der das Zeichen seit der Postmoderne unterliegt, sowie auf den Verlust des

»ontologischen« Bezugs zwischen Künstler und Kunstwerk. Im Text »Digitale Doubles« definiert Weibel rückblickend seine Ausstellung Inszenierte Kunst Geschichte als Infragestellung der Kunst1 in allen ihren Aspekten, was ihn dazu veranlaßt, aus seinem eigenen homogen dargestellten Werk folgenden allgemeinen Schluß zu ziehen: »Starre Identität wurde zur Hypothese, Sein zur Fiktion.

Der Ursprung des Originals, das ontologische Prinzip, wurde durch die immaterielle virtuelle Speicherung der Information, die Variabilität des Bildinhalts durch den Beobachter und das lebensähnliche (viable) Verhalten des dynamischen Bildes verletzt und versprengt. [...]

Enthierarchisierung der Ästhetik ist das erste Ergebnis des Verzichts auf das Original. Darauf folgt die sich endlos ausfaltende Heterogenität der partikularen Diskurse.«2 Auf diese Weise versucht sich Weibel als Organisator des Symposions unbescheiden selbst zu positionieren, wenn er in der Appropriation art vornehmlich ihren duplizierenden Aspekt hervorhebt, dabei aber die sich beispielsweise zwischen Levines und Sturtevants Positionen öffnenden Differenzen einebnet.3 Die im Katalogvorwort für Weibels Vorgehen bemühten Begriffe zeigen tendenziell, wie er sich selbst darstellt und darstellen läßt: »Der Nomade zwischen Kunst und Wissenschaft ist angetreten, experimentiert im freien Raum, Freiraum für den nie endenwollenden Prozeß seiner Totalinszenierung beanspruchend [...]. Die Moderne, die Inszenierung einer bereits anerkannten Avantgarde attackiert er mit einer totalen Inszenierung.«4 Soll dies als Distanzierung von Weibels totalem Anspruch oder als eine dem Vorwort gemäße Hommage an Weibel verstanden werden?

Die von Weibel ausgerufene »radikale Abschaffung der Kunstgeschichte« läßt sich nicht an seinem kontingenten Referenzverhältnis zwischen künstlerischer und theoretischer Praxis nachvollziehen.

Stattdessen geht es ihm um die Kolonisierung der Kunstgeschichte und der Institution, ganz im Sinn seiner Aussage: »Künstlerische Manifeste, Programme, Ideologien sind Verkaufsstrategien, Strategien der Produktplazierung.«5 Es sei daran erinnert, daß die Intention des Mimens als das Begehren angenommen wird, »[...] Ander(e)s zu werden«6. Die Intention Weibels scheint im Sinne

1 »Die Krise der Identität wurde an den KünstlerInnen wie AutorInnen und die Krise des Originals wurde an den Werken exemplifiziert. Aber das Entscheidende war, daß der Diskurs der Kunst selbst, seine Axiome, seine Ideologie, seine Praktiken durch die Fiktionalisierung in Frage gestellt wurden.« Weibel, Digitale Doubles, a.a.O., 168.

2 Ibid., 168f.

3 Vgl. Weibel, Digitale Doubles, a.a.O., 167, 177, 175 u. 181.

4 Peter Noever, Zum Thema, in: Weibel, Inszenierte Kunst Geschichte, a.a.O., 7.

5 Weibel, Errata, a.a.O., 21.

6 Michael Taussig, Mimesis und Alterität. Eine eigenwillige Geschichte der Sinne (1993), Hamburg 1997, 30.

der Ambivalenz des Fake aber keine differentielle Beziehung und keine reproduktive Referenz zu beabsichtigen, die ihre kontextuellen Unterschiede offenlegt, wie es durch eine ikonische Übernahme der Appropriation art suggeriert wurde. Im Gegenteil sucht Weibel mit der Strategie der verleugneten Parodie1 und der Kontingenz der Zeichen seine eigene Künstleridentität hervorzuheben und aufzuwerten. Trotzdem dies in eine Zeit verstärkter Rezeption der Appropriation art in Europa fällt, gibt er keinen Kommentar zur Appropriation art, sondern versucht,

der Ambivalenz des Fake aber keine differentielle Beziehung und keine reproduktive Referenz zu beabsichtigen, die ihre kontextuellen Unterschiede offenlegt, wie es durch eine ikonische Übernahme der Appropriation art suggeriert wurde. Im Gegenteil sucht Weibel mit der Strategie der verleugneten Parodie1 und der Kontingenz der Zeichen seine eigene Künstleridentität hervorzuheben und aufzuwerten. Trotzdem dies in eine Zeit verstärkter Rezeption der Appropriation art in Europa fällt, gibt er keinen Kommentar zur Appropriation art, sondern versucht,

Im Dokument Der Begriff des Fake (Seite 153-162)