• Keine Ergebnisse gefunden

Im Verlauf der Freskierung der beiden Kommunikationsgalerien erfolgte, zu einem heute nicht mehr eindeutig bestimmbaren Zeitpunkt, ein Künstler- und Themenwechsel. Der Akkord vom 30. August 1730 verpflichtete Carlone als Maler der Galerie „gegen Abend“, also im Westen. Scotti wurde mit den Arbeiten in der östlichen Galerie „gegen Morgen“ betraut.250 Die Arbeiten an den Galeriefresken begannen nach Ostern 1731. Am 9. Mai 1731 wurde Carlone im Zusammenhang mit der östlichen

248 HStAS A 248 Bü 2242, Erleüterung über eine, und andere anfrage, die mit dem Retti getroffene accorden, betreffend. Datiert in Stuttgart den 9. August 1734.

249 Kotzurek 2001, S. 43, 46.

250 HStAS A 282 Bü 812, Abschriften der Akkorde mit Scotti und Carlone, jeweils vom 30. August 1730. Im Ansbacher Katalog wird korrekt auf diesen Tatbestand hingewiesen. Kat. Ansbach 1990, S. 159, Nr. 2.

Galerie erwähnt. Die Maler hatten die beiden Galerien untereinander getauscht.251 Die ursprünglich vorgesehenen Themen wurden zunächst noch beibehalten, so dass Carlone in den Kabinetten der Ahnengalerie, nicht in denen der ihm laut Vertrag zugeteilten Bildergalerie, die Opferungen der Iphigenia und der Polyxena malte, während Scotti die Kabinette der Bildergalerie statt derjenigen der Ahnengalerie mit allegorischen Darstellungen ausstattete. Nachdem die Fresken in den Kabinetten fertiggestellt waren, wurden die Bildthemen der Galerien ebenfalls getauscht. Beide Maler hatten dadurch wieder die ihnen in ihren Verträgen zugeteilten Themen darzustellen, allerdings in der jeweils anderen Galerie: Scotti eine auserlesene Historie ohne Scheinarchitektur und Carlone die allegorische Verherrlichung des Hauses Württemberg mit Scheinarchitektur. Zahlten weist lediglich auf den Thementausch und auf den damit verbundenen Bruch in der Logik der Bildprogramme hin. Die Förderung der Künste wird nun in der Ahnengalerie dargestellt, während der laut Zahlten passendere trojanische Sagenkreis in der Bildergalerie ausgebreitet wird.252 Zahlten entgeht dabei, dass zunächst nur die Maler getauscht und erst nach Vollendung der Kabinette das ikonographische Konzept gewechselt wurde.

Schon Fleischhauer hat zurecht darauf aufmerksam gemacht, dass Scottis Vertrag vom 30. August 1730 die Ausmalung der östlichen Ahnengalerie vorsah. Die westliche Bildergalerie sei ihm nachträglich zugewiesen worden.253 Mankes Kritik an Fleischhauer ist nicht gerechtfertigt. Sie bezieht den Vertrag Scottis sofort auf die westliche Bildergalerie und bestreitet, dass Scotti zunächst für die östliche Ahnengalerie vorgesehen war. Auch ihre Aussage, dass „lediglich die in den Kontrakten genannten Galerien, die östliche und die westliche, gegeneinander vertauscht [wurden]“, ist so nicht zu halten. Wie bereits beschrieben, weisen die Kabinette darauf hin, dass zunächst die Künstler und anschließend die Themen getauscht wurden.254

Das bedeutet, dass ursprünglich die westliche Galerie Bilder der Verherrlichung des fürstlichen Ruhmes enthalten und die östliche Galerie dem trojanischen Sagenkreis gewidmet sein sollte.

Zeitpunkt und Ursache für den Themen- und Künstlerwechsel sind nicht eindeutig zu benennen, da entsprechende Quellen bislang nicht gefunden werden konnten. Vielleicht entschied man sich für Carlone als den „besseren“ Maler für die gewichtigere Galerie. Es ist anzunehmen, dass beide Maler zu diesem Zeitpunkt schon über ein Konzept für die Deckengestaltung verfügten, das sie untereinander austauschten, bevor sie schließlich doch wieder ihre ursprünglichen Themen darstellen sollten.255 Zahlten betont die größere Wichtigkeit der östlichen Ahnengalerie, da diese die wichtigeren Schloßteile verband. Sie bildete den Durchgang von den wichtigsten Gastquartieren, der Kirche und

251 HStAS A 248 Bü 2268, Anfrage Frisonis vom 27. März 1731, Anbringen vom 9. Mai 1731.

252 Zahlten, Achill 1977, S. 8 und Anm. 11.

253 Fleischhauer, Barock 1981, S. 220.

254 Manke 1974, Anm. 8.

255 Zahlten zog bereits für die Deckenfresken des Ludwigsburger Ordenssaales eine Verwendung von Carlones Entwürfen durch Scotti in Betracht. Siehe Zahlten, Ordenssaal 1985, S. 78 ff. und 82.

den Ministerwohnungen zu den fürstlichen Appartements und den Festsälen.256 Unklar bleibt, ob die Bestimmung der Galerien als Ahnen- und Bildergalerie auch schon wie heute verteilt war, oder ob in diesem Bereich auch ein Wechsel stattfand. Da sich die Ahnengalerie auf der vom Neuen Corps de Logis aus rechten Seite jedoch näher bei dem Appartement des Herzogs befindet, ist es wahrscheinlich, dass ihr als wichtiger Legitimationsbasis des herzoglichen Machtanspruchs schon immer der östliche Galerieraum zugeteilt werden sollte.

Möglicherweise wurde der trojanische Krieg bei näherer Überlegung als unpassendes Thema für den Weg zum Theater des Schlosses empfunden. Unzweifelhaft passt das Thema besser zu der Bildergalerie, die zum Ordenssaal im Ordensbau führt. Im Ordenssaal fanden die Feste des Sankt Hubertus Jagdordens statt, der durchaus auch kriegerische Aspekte aufwies. Besonders kamen diese in dem leider 1721 aufgrund von Wasserschäden abgebrochenen ersten Ordenssaal im Riesenbau zum Ausdruck.257 Wenger schreibt dazu: „Im Ordenssal des Riesenbaus von 1713/14 stand der kriegerische Aspekt des Ritterordens unter der Führung des im Spanischen Erbfolgekrieg siegreichen Feldherrn Eberhard Ludwig fast gänzlich im Mittelpunkt.“258 Dieser kriegerische Ton ist in dem noch erhaltenen ludwigsburger Ordenssaal im Ordensbau zwar abgeschwächt, zu Gunsten der triumphierenden Tugend und dem Sieg über die Laster durch Virtus Heroica, aber er lässt sich dennoch nicht ganz verleugnen. Herzog Eberhard Ludwig stellte seinen Jagdorden unter das Motto Amicitiae Virtutisque Foedus (Bund der Freundschaft und der Tugend). Er wollte durch den Jagdorden eine auserwählte

„Gesellschaft Edler Ehr- und Tugend-liebender Personen“ um sich versammeln. Die Rittergemeinschaft des Jagdordens sollte als Beispiel der Tugend und Ehre auftreten. In Kampf und Turnier sollten sich die Ritter durch Tapferkeit, Ehre und Redlichkeit auszeichnen. Sie sollten Recht und Gerechtigkeit fördern, Mitleid mit den Schwachen haben sowie Witwen, Waisen oder Kirchendiener schützen.259 Das Deckenbild der Bildergalerie passt zu diesem Themenkreis. Mit dem Untergang Trojas enthält auch dieses Bild einen kriegerischen Aspekt, der aber nicht mehr im Zentrum der Bildaussage steht. Eigentliches Thema ist unter anderem eine Mahnung an den Fürsten, sich tugendhaft zu verhalten.260

256 Zahlten meint wahrscheinlich den Festsaal im Neuen Corps de Logis. Aber auch der Weg zum Ordenssaal könnte durch die Ahnengalerie, das Neue Corps de Logis und anschließend durch die Bildergalerie eine Passage aller wichtigen Repräsentationsräume des Neuen Corps de Logis beinhaltet haben. Siehe Zahlten, Achill 1977, S.

8 und Anm. 11.

257 Der Ordenssaal im Riesenbau entstand in der Zeit zwischen 1712 und 1715. Er befand sich in dem sogenannten Riesenbau, der dem Ordensbau gegenüberliegt, in dem sich der heute noch erhaltene Ordenssaal befindet. Durch zwei erhaltene Entwürfe und archivalische Quellen konnte Michael Wenger das Bildprogramm rekonstruieren, das sowohl in der Stuckausstattung als auch in den Gemälden kriegerische Themen aufnahm, in Form von Waffentrophäen, in Rüstung dargestellten Rittern und der Apotheose des trojanischen Kriegshelden Aeneas. Wenger, Jagdorden 2004, S. 111 ff.

258 Wenger, Jagdorden 2004, S. 114.

259 Wenger, Jagdorden 2004, S. 109, 114.

260 Wenger, Jagdorden 2004, S. 118. Wenger entwickelte die These, dass die Bildausstattung des Schlosses Ludwigsburg während der aktiven militärischen Laufbahn Herzog Eberhard Ludwigs ebenfalls unter einem kriegerischen Aspekt stand. Nachdem der Spanische Erbfolgekrieg beendet war und Eberhard Ludwig aus seinem militärischem Engagement keine Vorteile ziehen konnte, hat er laut Wenger sein Bildprogramm neu ausgerichtet auf die Förderung der Kunst und die Verherrlichung fürstlicher Tugenden. Siehe dazu Wenger, Jagdorden 2004, S. 119.

Ein weiterer Grund für den Themenwechsel könnte in der Sonnensymbolik der Ahnengalerie liegen.

Carlone malte nun die auf der Ostseite gelegene Ahnengalerie mit einem Deckenbild zum Thema Gloria dei Principi aus. Ein wesentlicher Aspekt dieses Freskos ist dem Sonnenaufgang und der Morgendämmerung gewidmet, dargestellt durch den Sonnengott Apoll und durch Aurora. Diese Sonnenthematik passt natürlich zu der Galerie, die sich auf der Seite des Sonnenaufganges befindet.

Besonders problematisch für die Deutung der Deckenbilder sind die Themen in den beiden Kabinetten der Ahnengalerie. Im nördlichen Vorzimmer ist die Opferung der Iphigenia dargestellt, im südlichen Vorzimmer die Opferung der Polyxena. Daraus lässt sich schließen, dass die ursprüngliche Leserichtung der Bilder auf das Neue Corps de Logis zulief und nicht von ihm ausging. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Galerie in erster Linie vom Neuen Corps de Logis aus betreten wurde. Der Betrachter hätte dadurch die ursprünglich geplante Geschichte des trojanischen Krieges praktisch rückwärts gelesen. Denkbar ist, dass das Neue Corps de Logis dem Frieden gewidmet sein sollte, nachdem Herzog Eberhard Ludwig seine militärische Laufbahn beendet hatte. Die Galerie hätte somit zum Neuen Corps de Logis das Kriegsende symbolisiert, während die kriegerischen Abschnitte bzw. der Beginn des Krieges zu den bereits bestehenden alten Bauten orientiert war.

Ob eine Veränderung der Deckenbilder in den Kabinetten geplant war, lässt sich heute nicht mehr feststellen, da die Quellen zu dieser Frage keine Antworten liefern. Wahrscheinlich wurden die Bilder der Kabinette zunächst nicht ausgetauscht, da Eberhard Ludwig an der schnellen Fertigstellung des Schlosses gelegen war. Sie konnten zunächst als Rahmenhandlungen für die Ahnengalerie akzeptiert werden, da sie als Anspielung auf die siegreiche militärische Vergangenheit des Herzogs verstanden werden konnten, auf deren Basis er den Frieden seines Landes gesichert und die Voraussetzungen für die Blüte der Künste und Wissenschaften geschaffen hatte. Möglicherweise hat der Tod des Herzogs im Jahr 1733 auch verhindert, dass er die Themen der Kabinette noch verändern ließ. Zum Zeitpunkt des Todes Herzog Eberhard Ludwigs am 31. Oktober 1733 war lediglich die wandfeste Ausstattung in den zentralen Repräsentationsräumen und den Appartements der Westhälfte weitgehend fertiggestellt.

Der Ausbau der Osthälfte, sowie die Dekoration und Möblierung der herzoglichen Räume befanden sich noch in einem Anfangsstadium. Insgesamt wurden die Kosten für die Vollendung der Arbeiten noch auf über 70.000 Gulden geschätzt. Carl Alexander von Württemberg-Winnental trat die Nachfolge Herzog Eberhard Ludwigs an. Er verlegte seine Residenz zunächst wieder nach Stuttgart, plante aber 1736 noch die Fortführung der Bauarbeiten in Ludwigsburg. Durch seinen frühen Tod im Jahr 1737 kam er aber nicht mehr dazu, seine Pläne umzusetzen. Die Bauarbeiten ruhten während der Minderjährigkeit seines Sohnes Carl Eugen.261

261 Kotzurek 2004, S. 122.

Die Kabinette der Ahnengalerie legen nahe, daß die Einzelszenen zum trojanischen Krieg ursprünglich weniger eng angelegt waren oder daß sie zunächst weitere Szenen enthalten sollten.

Nachdem die Kabinette bereits fertiggestellt waren, entschied man sich offenbar, die Szenen zu komprimieren.