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8 Die Deckenbilder der Ahnengalerie und ihrer Vorzimmer

8.3 Gesamtwirkung von Vorzimmern und Galerie

Der Eindruck den der Betrachter heute von der Scheinarchitektur gewinnt, wird durch die klassizistische Umgestaltung getrübt, da diese der illusionistischen Malerei ihre überzeugende Logik nahm.516 Dennoch wird die Farbigkeit des Deckenbildes durch eine graurosa und blassgelbe Stuckmarmorverkleidung der Wände aufgenommen.517

geschaffen hat, thematisiert nicht die Göttlichkeit des Herrschers, sondern vielmehr seine Größe als siegreicher Feldherr. Dieser Aspekt ist Eberhard Ludwig angesichts seiner Teilnahme am Spanischen Erbfolgekrieg sicherlich wichtig gewesen.

Alexander der Große wird laut Hansmann im Deckenbildzyklus der Ahnengalerie als Beschützer der Künste gefeiert, der Malerei und Bildhauerei fördert. Beide Szenen fügen sich seiner Meinung nach konsequent in das „poetisch-historische Gewebe der Darstellungen“ ein, wobei den Mittelpunkt die Allegorie der Protection der Künste durch fürstliche Großmut bildet. Alexander der Große, der im 17.

und 18. Jahrhundert aufgrund seines Heldenmutes, seiner Eroberungen und seiner Förderung von Kunst und Wissenschaft als vorbildlich galt, wird laut Hansmann mit Eberhard Ludwig parallel gesetzt.522 Laut Höper repräsentiert Alexander das antike Ideal des Herrschers, während Lysipp als der bedeutendste Bildhauer der Antike mit dem Reiterstandbild für den ewigen Ruhm des Herrschers sorgt.523

In den beiden Darstellungen Alexanders mit Apelles und Lysipp kommt aber auch der Wettstreit der Künste zum Ausdruck. Alexander und Apelles (Malerei) werden Alexander und Lysipp (Skulptur) gegenüber gestellt. Auch im Hauptfeld der Ahnengalerie wird der Wettstreit in der Rangordnung von Architektur, Malerei und Skulptur aufgegriffen. Poesie und Musik werden dort in der weniger bedeutsamen Figurengruppe dargestellt, die von Liberalitas nicht direkt belohnt wird.

Leonardo da Vinci äußerte sich in seinem Trattato della pittura vehement für den Primat der Malerei gegenüber der Dichtkunst, Musik und Skulptur. Bildhauerei ist für Leonardo keine Wissenschaft, sondern eine handwerkslastige Kunst.524 Vasari setzte in der zweiten Auflage seiner Künstlerviten 1568 im Vorwort Malerei und Skulptur gleichrangig auf eine Stufe. Diese Gleichsetzung begründet er mit der für beide gemeinsamen Basis: der Verbindlichkeit des Disegno. In Ludwigsburg wird dies im Scheinkuppelfeld mit der Allegorie der Künste und den zugeordneten Nebenfeldern deutlich (Abb. 7 - 9). Für Vasari ist die Malerei naturgetreue Wiedergabe der Wirklichkeit, Abbildung der Stoffe usw.

Disegno erscheint Vasari noch mehr als Wissenschaft, weniger als Idee. Nach Cellini wird der Disegno in einem Abstraktionsprozeß von körperlichen Formen her gewonnen. Nach Cellini ist die

„wahre Zeichnung“ der „Schatten des Runden“, woraus er folgert, dass „Runde“ müsse der „Vater der Zeichnung“ sein. Jacopo Pontormo hält, ebenso wie Varchi, den Disegno für das Fundament der Künste. Er zieht die Malerei vor, da sie das von der Natur gegebene verbessert.525 Varchi vertritt die Ansicht, dass Malerei und Skulptur in ihrer Substanz eine einzige Kunst sind, woraus er schließt, dass die Malerei ebenso edel ist wie die Skulptur. Die Identität des Zwecks liefert den Ausgangspunkt der Herleitung. Die Herleitung wiederum überträgt die „künstlerische Nachahmung der Natur“ in Begriffe der Logik. Disegno bildet die gemeinsame Ursache von Malerei und Skulptur. Unterschiede gibt es dagegen zum Beispiel in der Universalität der Malerei und der Dauer der Skulptur, zum Teil in der

522 Hansmann, Kat. Bonn 1989, Kat. Nr. 29, S. 263.

523 Höper 2004, S. 28.

524 Krohm 2002, S. 122.

525 Krohm 2002, S. 126, 128 f.; Barocchi 2001, S. 98 ff.

Schwierigkeit und so fort. Varchi stellt Dichtung und Skulptur, Malerei und Skulptur sowie Malerei und Dichtung einander gegenüber. Er betont die Gemeinsamkeit der Zwecke – Nachahmung der Natur – und die Verschiedenheit der Mittel. Dichtung ahmt mit Worten nach, während die Malerei Farben nutzt, Maler ahmen das Äußere nach, während Dichter sich dem Inneren widmen, also Gedanken und Leidenschaften des Geistes. Unter Berufung auf Plinius und Alberti sieht Varchi Gemeinsamkeiten von Malerei und Dichtkunst unter anderem in der Entscheidungsfreiheit der Komposition, Klugheit und Fleiß.526

Leonardo war auch der Ansicht, dass die Malerei die Poesie bei der Wiedergabe von Historien überflügelte. Statuen seien diesem Problem auch nicht gewachsen, allenfalls noch Reliefs. Die Poesie sei nicht in der Lage, eine simultane Darstellung zu erreichen, sondern könne nur in Sequenzen schildern. Die Wiedergabe einer „Historia“ war schon von Leon Battista Alberti als Herausforderung der Malerei betrachtet worden.527

Die Bildfelder der Morgendämmerung und des Sonnenaufgangs, Aurora und Apoll, feiern das Reich des Lichtes und der Zeit, aber auch das Reich der Kunst. Der Fürst bringt seinem Land Erleuchtung in Form von Kunst und Wissenschaft. Indem er sich diesen Tätigkeitsfeldern widmet, überwindet er die Vergänglichkeit und erreicht, dass sein Ruhm ewig währt. Die Liebe hat über den Krieg gesiegt, Mars schlummert friedlich im Schoße der Venus. Die Dauerhaftigkeit des Friedens kommt zum Ausdruck, indem Pax die Wut besiegt und die noch unter dem Bildfeld von Mars und Venus in Ketten schmachtenden Gefangenen befreit. Dadurch, dass die Wut besiegt ist, wurde Kriegen und Konflikten die Nahrung entzogen. Den Gefangenen ist vergeben, sie sind frei. Nichts steht der friedlichen Entwicklung des Herzogtums Württemberg mehr entgegen. Im Hauptfeld schließlich entfalten sich die Künste und Wissenschaften zum vollen Ruhm ihres Fürsten, der sich ihnen gegenüber als äußerst großzügig und dankbar erweist. In diesem Reich des Friedens und der Künste haben Laster und Dämonen keine Chance mehr. Sie werden von Licht, Frieden und Virtus vertrieben.

Die beiden Deckenbilder der Kabinette, die ursprünglich als Einleitung für die Darstellungen des trojanischen Krieges gedacht waren, passen in gewissem Sinne auch zu den Botschaften der Ahnengalerie, handelt es sich doch um die Opferungshandlungen zu Beginn und zum Ende des berühmten Krieges. Die beiden Kabinette verstärken somit die Botschaft, dass der siegreich beendete Krieg Basis und Voraussetzung für die kulturelle Blüte des Herzogtums Württemberg war.

Gleichzeitig kann die Opferung der Iphigenia auch als Mahnung an den Betrachter verstanden werden, es nicht an Gottesfurcht fehlen zu lassen.528

526 Barocchi 2001, S. 96.

527 Krohm 2002, S. 128 f.

528 Posner 1991, S. 401 f.; Scherer 1963, S. 124 ff.