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7 Die Freskanten der Deckenbilder in den Kommunikationsgalerien

7.1 Carlo Innocenzo Carlone (1686 – 1775)

Die Kabinette der Ahnengalerie legen nahe, daß die Einzelszenen zum trojanischen Krieg ursprünglich weniger eng angelegt waren oder daß sie zunächst weitere Szenen enthalten sollten.

Nachdem die Kabinette bereits fertiggestellt waren, entschied man sich offenbar, die Szenen zu komprimieren.

an der Französischen Akademie in Rom zugelassen. Er zeichnete und modellierte nach Modellen und nutzte die Gelegenheit in öffentlichen und privaten Sammlungen alte Meister und zeitgenössische Künstler zu studieren. In seinen entscheidenden Lehrjahren stand Carlone unter dem Einfluß vielfältiger Eindrücke. Voss sieht darin eine Ursache dafür, dass Carlones Kunst so wenig von bestimmten lokalen Schulen beeinflusst zu sein scheint und betont, dass Carlone von Kindheit an seinen eigenen Weg gegangen sei.264 Im Gegensatz zu Voss erkennen Hansmann, Prohaska und Barigozzi-Brini Einflüsse von Giulio Quaglio, Francesco Trevisani, Sebastiano Ricci und ganz besonders von Giovanni Antonio Pellegrini auf Carlones Malerei. Krückmann ergänzt die Liste noch durch Pietro da Cortona. Es bleibt unklar, ob zwischen Carlone und Ricci in Rom oder Venedig ein persönlicher Kontakt zustande kam.265 Als wichtigstes Vorbild für Carlone und die Wiener Deckenmalerei nennt Matsche Sebastiano Riccis Fresken im Palazzo Marucelli-Fenzi in Florenz aus dem Jahr 1706/07.266

Bereits 1702 hatte der damals vierzehnjährige Carlone seinem Lehrmeister Quaglio, zu dem der Kontakt nie abgebrochen war, bei der Ausmalung des Langhauses im Laibacher Dom geholfen. Er unterstützte ihn auch bei Aufträgen in Udine, Gradisca und Gorizia/Görz.267 Um 1712 bis 1714 machte Carlone laut Johann Caspar Füssli erste Versuche in der Freskomalerei in einigen kleineren Werken am Passauer Dom, die allerdings nicht erhalten sind.268 Gegen 1720 nahm er seinen ständigen Wohnsitz in Wien. Voss weist allerdings darauf hin, dass Carlone sich dort nicht immer aufgehalten haben kann, da er zeitgleich mit seinem Auftrag zur Ausmalung des Oberen Belvedere auch andere Arbeiten ausgeführt habe.269

Carlone war einer der meistbeschäftigsten Künstler seiner Zeit. Krapf zählt zu seinen wichtigsten Aufträgen das Palais Daun-Kinsky (1716), Ludwigsburg (1720/21 und 1730/33)270, das Palais

264 Voss 1961, S. 239 ff.; Barigozzi-Brini 1991, S. 163. Prohaska hält einen Studienaufenthalt in Rom von 1708 bis 1711 für wahrscheinlich. Er weist darauf hin, dass sich Aufenthalte Carlones in Trevisanis Werkstatt und an der Französischen Akademie nicht nachweisen lassen. Dennoch nimmt Prohaska sie als wahrscheinlich an, da sich Einflüsse der Römischen Malerei des beginnenden 18. Jahrhunderts bei Carlone finden. Er sieht Einflüsse der arkadischen, puristisch-eleganten Malerei Trevisanis, Benedetto Lutis, Carlo Marattas und Giovanni

Odazzis. Da zahlreiche akademische Studien Carlones nach Aktmodellen erhalten sind, schließt Prohaska auf ein Lernverhältnis an der Französischen Akademie und eine damit verbundene klassische Ausbildung Carlones.

Prohaska 2004, S. 104, 106; Garas 1989, S. 82; Hansmann, Kat. Bonn 1989, S. 250; Barigozzi Brini/Garas 1967, S. 17 ff.

265 Hansmann, Kat. Bonn 1989, S. 250; Prohaska 2004, S. 104, 106; Krückmann 1990, S. 92; Barigozzi-Brini 1991, S. 164. Laut Prohaska hat Carlone den Winter 1705/06 in Venedig verbracht. Ein zweiter

Venedigaufenthalt folgte möglicherweise zwischen Sommer 1706 und Frühjahr 1708.

266 Matsche 1999, S. 330; Roettgen 2007, S. 330.

267 Voss 1961, S. 242; Garas 1989, S. 82; Hansmann, Kat. Bonn 1989, S. 250; Prohaska 2004, S. 104, 106.

268 Garas 1986, S. 7; Voss 1961, S. 243. Erste Werke Carlo Carlones in Passau sind nach Voss bereits ca. 1709 entstanden, als Carlone etwa 23 Jahre alt war.

269 Voss 1961, S. 244; Garas 1989, S. 82; Hansmann, Kat. Bonn 1989, S. 250, Prohaska 2004, S. 104, 106.

Abweichend von Füßli wird als Übersiedelungszeitraum nach Wien auch 1715 genannt.

270 Bevor Carlone die Ahnengalerie ausmalte, hatte er seine Tätigkeit in Österreich um 1720 einmal kurz unterbrochen, um bei der Ausstattung der ludwigsburger Hofkapelle mitzuwirken. Garas vermutet, dass er das bestellte Altarblatt bereits 1717 fertiggestellt hatte. Garas 1989, S. 84 f.; Garas 1962, S. 267, 273; Garas 1986, S.

9; Prohaska 2004, S. 108; Voss 1961, S. 250; Lubitz1989, S. 62.

Gallas in Prag, Ansbach (1734) und Augustusburg bei Brühl (1750/52).271 Für die bislang wenig erschlossene frühe Schaffensphase Carlones wagte Garas neue Zuschreibungen, in denen sie erste selbständige Werke des Künstlers in Innsbruck, Rattenberg und Linz erkennt. Laut Garas war Carlone an den bedeutendsten Kunstunternehmen beteiligt.272 Carlones wichtigste Auftraggeber waren Prinz Eugen von Savoyen, die Herzöge Eberhard Ludwig und Carl Eugen von Württemberg, Markgraf Carl Wilhelm Friedrich von Ansbach und Clemens August von Bayern (Kurfürst in Köln).273 Nach der Vollendung der Ansbacher Fresken 1735, kehrten Carlo Carlone und sein Bruder Diego nach Italien zurück.274 Erst zu Beginnn des Jahres 1736 kam Carlone aus Italien an den württembergischen Hof zurück, um Hofmaler unter Herzog Karl Alexander zu werden. Nach dessen Tod reiste Carlone im August 1737 wieder nach Italien, wo er im Anschluss überwiegend tätig war. Aus dieser Zeit stammt ein erhaltenes Selbstbildnis, das ihn im Kreise seiner Familie zeigt.275 Erst zu Beginn der 1750er Jahre unterbrach er seine Arbeiten in Italien noch einmal, um Fresken in Brühl zu malen.276

Carlone führte oft mehrere Arbeiten gleichzeitig durch. Sobald er einen Freskoauftrag begonnen hatte, nahm er bereits den nächsten an. Entwürfe für die Ausführungen entstanden bereits Jahre vor ihrer Umsetzung. Um die parallel laufenden Aufträge zu betreuen, reiste Carlone von Ort zu Ort.277 Seine Werke zeigen untereinander zahlreiche Übereinstimmungen. Er übernahm und variierte Kompositionen, Figurengruppen und Einzelfiguren je nach Bedarf für seine Bilder. Unter Dekorationskünstlern war es üblich, aus einem solchen Motivfundus zu schöpfen. Unterstützt wurde eine solche Arbeitsweise durch die Auftraggeber, die sich gerne auf bewährte Konzeptionen des Malers verließen und aus den Skizzen, die Carlone mit sich führte, Darstellungen und Kompositionen wählten. Übereinstimmungen im Aufgabenbereich und die internationale Anwendung bzw.

Verständlichkeit der Sinnbildsprache erlaubten die Verwendung derselben Allegorien oder mythologischen Darstellungen in derselben Auffassung in verschiedenen Ländern bzw. an verschiedenen Höfen. Hansmann vertritt darüber hinaus die Ansicht, dass hinter der wiederholten Verwendung von figürlichen und architektonischen Motiven die Überzeugung stand, dass sich aus der Summe bewährter künstlerischer Formen eine bessere gewinnen lassen müsse, wobei die Notwendigkeit von Neuschöpfungen nicht ausgeschlossen gewesen sei. Carlone wandte dieses Prinzip auch bei seinen Freskenarbeiten der 1730er Jahre in Süddeutschland an.278

271 Krapf 2005, S. 44; Garas 1989, S. 82; Garas 1962, S. 266 f. Krapf nennt zusätzlich noch Pommersfelden.

272 Garas 1986, S. 7 f.; Garas 1989, S. 82; Hansmann, Kat. Bonn 1989, S. 250; Prohaska 2004, S. 104, 106 ff.;

Voss 1961, S. 244. Die Werke wurden bis dato anderen Künstlern zugeschrieben.

273 Hansmann 1989, S. 95; Voss 1961, S. 244; Garas 1989, S. 82; Garas 1962, S. 266 f. Das Fresko im Marmorsaal des Oberen Belvedere in Wien ist ein Hauptwerk Carlones in Wien und entstand im Auftrag des Prinzen Eugen in Zusammenarbeit mit Marcantonio Chiarini (Entwurf der Quadraturmalerei) und Gaetano Fanti (Ausführung der Quadraturmalerei).

274 Langer 1990, S. 65 f.

275 Abbildung Kat. Ansbach 1990, Abb. 27.

276 Garas 1989, S. 91; Garas 1986, S. 15 ff.; Langer 1990, S. 66.

277 Garas 1989, S. 84.

278 Garas 1986, S. 13 f.; Hansmann 1989, S. 100.

In Carlones Deckenbildern lassen sich zunehmende Rokokoeinflüsse erkennen. Garas vergleicht in diesem Zusammenhang den Marmorsaal des Oberen Belvederes, in dem noch barocke Fülle herrsche, mit dem Sommergesellschaftssaal im selben Gebäude, in dem sich bereits eine zunehmende Auflockerung erkennen lasse, die zu einer leichteren, helleren Darstellungsweise führe. Stuck und Quadraturamalerei seien bereits zurückhaltender angewandt.279 Auch Prohaska zeichnet Carlones Entwicklung vom Barock- zum Rokokomaler nach. Er ist der Ansicht, dass Carlone in seinen Fresken in Breslau, Ludwigsburg und Stadl-Paura italienische bzw. römische Vorbilder aufgenommen hat und sich in die Gruppe der spätbarocken Maler in Mitteleuropa einreiht. Gleichzeitig lasse sich aber auch eine zunehmende Lockerung der schweren körperbetonten Kompositionen erkennen. Leerstellen würden breiter, Bewegungsimpulse dymanischer und die Figuren schlanker und zarter. Hell-Dunkel-Kontraste würden abgemildert. Diese Entwicklung lasse sich schon am Palais Daun beobachten. Um 1720 habe sich Carlone schließlich ganz zum Rokokomaler entwickelt.280

Klara Garas weist darauf hin, das Carlone Figurenkompositionen in leicht abgewandelten Variationen wiederholt. Manke schließt daraus, daß seiner Erfindungskraft Grenzen gesetzt waren, zumindest bezüglich der Bildvorstellungen, weniger im Formalen. Klára Garas betont dagegen, daß es üblich war, einmal ausgeführte Kompositionen immer wieder zu verwenden, um mit leichten Veränderungen eine schnellere Bearbeitung von Aufträgen zu ermöglichen. So handelt es sich bei dem Triumph Auroras im Deckenbild der Ahnengalerie in Ludwigsburg (Abb. 29) um ein fast wörtliches Zitat der Darstellung im Gartensaal des Oberen Belvedere in Wien.281 Die Wiederholung seiner Bildmotive glich Carlone durch den zunehmend virtuosen Vortrag, leuchtene Farbigkeit und zarte Formgebung aus.282