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3 Die Baugeschichte von Schloss Ludwigsburg und die Entwicklung von einer Drei- zu einer Vierflügelanlage

3.3 Hinweise auf die Nutzungsmöglichkeiten von Galerien

sehr summarisch abgehandelt werden. Wahrgenommen wurde vor allem die Menge der Bilder.

Künstlernamen waren nur von Interesse, wenn es sich um große Namen wie Raffael, Michelangelo, Tizian, Corregio oder Dürer handelte. Viele Besucher waren auch nicht in der Lage, die Ikonographie zu entschlüsseln. Leonhard Christoph Sturm bemerkte zum Beispiel zu der Decke eines Kabinetts des Hôtel Bisseuil in Paris lediglich, dass es sich um ein mythologisches oder symbolisches Thema handelte. Daher sahen sich die Bauherren gezwungen, entsprechende Bildwerke in gedruckter Form zu erläutern.145

Camer besondere Aufmerksamkeit. Er sagt dazu: „Sie nehmen im dritten Stockwerk eine zentrale Stellung ein, können aber durchaus auch als Verbindungsgang zwischen den Außenflügeln dienen.“150 Fruttenbach legt Wert auf gute Beleuchtung durch zahlreiche Fenster, damit die Kunstwerke gut erkennbar sind. Sturm stellt sich in seinem Prodromus Architecturae Goldmannianae von 1714 einen hufeisenförmigen Palast vor, in dem die Kunstsammlungen im 2. Obergeschoss untergebracht sind.

Dabei handelt es sich um Bibliotheksräume, einen Antiquitätensaal und eine Statuengalerie, einen Saal für Natur- und Kunstraritäten sowie zwei Gemäldegalerien (Schilderei-Spaziergänge). Eine weitere Gemäldegalerie legt Sturm im Mezzanin über der Gemäldegalerie des 2. Hauptgeschosses an. Ein weiterer Schilderei-Spatziergang wird von Sturm auf dem Weg zur Treppe des Seitenflügels eingeplant. Insgesamt ist das obere Hauptgeschoss in der rechten Palasthälfte ganz der Kunst gewidmet.151 Büttner weist darauf hin, dass die Galerie bei Goldmann ein Raum ist, den man um seiner selbst Willen aufsucht, um sich in Mußestunden durch einen anregenden Ausblick aus dem Fenster oder durch die Betrachtung von Dekorationsprogramm und Kunstwerken zu erfreuen.152 Moser differenziert zwischen der Funktion von Galerien als Verbindungsgang und als Repräsentationsraum: „Die Gallerien seynd entweder aus Noth, um dadurch eine Communication mit andern Gebaeuden zu machen, oder, wie meh=rentheils, zum staat. Ihre Bekleidung und Auszierung be=steht meistens in kostbaren Gemaehlden an Portraiten und schil=dereyen, auch Statuen, oder in grossen praechtigen Spiegeln; oftmahls ist beydes beysammen.“153 Moser fährt fort: „Galerie ist der Nahme eines jeden langen Gangs oder in eine schmale Laenge gebauten Gemacht, es seye nun zum Spa=zierengehen, oder anderm Gebrauch. Jn dem Sinn, wie sie in diese Abtheilung gezogen werden, seynd sie eigentlich zu Verwahrung der Kunst=Stuecke und Natur=Seltenheiten bestimmt.“154 Bei Florin sind Galerien lange schmale Räume oder Säle mit Fenstern an beiden Langseiten oder blinden Fenstern mit Spiegeln an einer Seite. Die Türen an den Schmalseiten liegen einander gegenüber. In den Galerien sind Gemälde, Statuen, Büsten, Brustbilder und andere Kunstwerke ausgestellt, um sie beim Flanieren präsentieren zu können. Florin empfiehlt als Bodenbelag für Gänge, Galerien, Säle und Sommerzimmer polierte Marmortafeln, die in unterschiedlichen Farben in Muster gelegt werden sollen. Zur Wandgestaltung von Hauptsälen und Galerien sollten seiner Meinung nach Marmor, Stuck und Fresken bevorzugt werden.155

Zahlten weist darauf hin, dass Frisoni die ludwigsburger Kommunikationsgalerien als Bibliothek und Sammlungsraum vorschlug, in dem die Antiken und Kostbarkeiten aufgestellt werden sollten, so wie es in anderen Schlössern üblich gewesen sei.156 Eine zusätzliche Ausstattung der

150 Fruttenbach, zitiert nach Krupp/Schmitt 1997, S. 267 ff.

151 Krupp/Schmitt 1997 S. 267 ff., 270.

152 Büttner, Galerie 1972, S. 75 f.

153 Moser 1755, S. 289. Siehe auch Kotzurek 2001, S. 43.

154 Moser 1755, S. 396. Aus dieser Definition erklärt sich auch die synonyme Verwendung des Begriffes Galerie für Korridore und andere Kommunikationswege in den ludwigsburger Quellen.

155 Kotzurek 2001, S. 43, 46.

156 Zahlten, Achill 1977, S. 8, Anm. 8. Zahlten verweist auf Fleischhauer 1958, S. 198.

Kommunikationsgalerien mit Kunstgegenständen und Antiquitäten der herzoglichen Sammlungen, hätte sich auf die Zugänglichkeit der Räume ausgewirkt. Dies wird aus einem Revers aus dem Jahr 1729 deutlich. Darin verpflichtet sich Hofrat Laurentius von Sandrath, die ihm übertragene Aufsicht über Bildergalerie, Münzkabinett und alle weiteren Antiquitäten und Kunstgegenstände gewissenhaft auszuführen. Aus der Erklärung wird ersichtlich, dass es Fremden gestattet war, die Sammlungen anzusehen, allerdings nur unter Aufsicht. Unklar bleibt allerdings, ob sich der Herzog tatsächlich dazu entschlossen hat, die Galerien mit besagten Kostbarkeiten auszustatten, da entsprechende Quellen fehlen. Auch der genannte Revers ist lediglich als Hinweis zu bewerten, da er sich nicht direkt auf die Kommunikationsgalerien bezieht, deren Innenausstattung erst im Jahr 1730 begann. Zweifellos hätte die Zuständigkeit Sandraths jedoch auch bei den neuen Galerien gelegen, denn er hatte sich um alle herzoglichen Sammlungsgegenstände zu kümmern.157 Büttner betont, dass Galerien durch ihre Ausstattung zu den Räumen eines Palastes gehörten, die einem ausgewählten Publikum präsentiert wurden, um die Würde des Hausherren zu demonstrieren, so dass die Galerien als öffentliche Räume zu gelten hatten.158

Julius Bernhard von Rohr weist auf eine weitere Nutzungsmöglichkeit von Galerien hin: „So zeigen sich auch allenthalben auf dem Fuerstlichen Schloessern grosse und lange Saehle, welche theils zu mancher=ley Lustbarkeiten, an den Fuerstlichen Nahmens= und Geburths=Taegen, theils auch zu den Propositionen, die der Landschaft vorzutragen gewidmet sind [...].“159 Kotzurek schließt daraus, dass die von Rohr erwähnten Galerien als Festsäle genutzt wurden. Da Rohr allerdings im gleichen Paragraphen erwähnt, dass die Hofkapellen meist so angelegt sind, dass sie vom Fürsten trockenen Fußes erreicht werden können, kann auch angenommen werden, dass er an eine Funktion als Kommunikationsgalerie dachte.160 Anlässlich des Geburtstages der Mätresse Eberhard Ludwigs, Wilhemina von Würben, wurde ein Protokoll der Feierlichkeiten erstellt. Darin heißt es: [...]Mittwoch den: 1. Martÿ / heute wurde Jhro hochgräffl: / Exc: der Frau LandHofmeisterin / hoher Geburths Tag celebriret, und ist deßentwegen alles beÿ Hoff / in Galla erschienen, hat Sich auch / alles beÿ der Franzöß: Come-/ die [...] / auch in Bondeleien und Ball beÿ- / gewohnet, die Comöedie fing / an Vor 6. Uhren und dauerte / biß halb 9. uhren, da wurde / das Erste mahl die Paucken / zur Tafel geschlagen, als dann / die Zettel in Jhro hfrstl: Dhl: deß / Hertzogs audienZ Zimer Zur / Bondereien gegen deren 35 baar / waren, sodann wurde das 2.te / und gegen 10 Uhren alß die / Speißen auff die Tafflen gesezt / worden das 3.te mahl die Paucken / unter dem Trompeten schall Zur / Taffel

157 HStAS A 21 Bü 525, Revers vom 10. Juni 1729.

158 Büttner, Galerie 1972, S. 76.

159 Rohr 1733, S. 72 f.

160 Kotzurek 2001, S. 43; Rohr 1733, S. 72. „Die Hof=Capellen sind von vielen Jah=ren her an den allermeisten Orten also erbauet, daß Fuerstliche Personen aus ihren Gemaechern sich tro=ckenes Fusses in die Kirche begeben, und dem Wort Gottes daselbst zuhoeren koennen. So zeigen sich...“

geschlage, nach geendigter // Taffel fienge der Ball an solcher / in dem sogenannten ordens Saal / gehalten worden, und dauerte / mit großer LustbarKeit biß / nach mittnachts nach / 3. Uhren. /[...].161 Anhand der Beschreibung der Geburtstagsfeierlichkeiten zu Ehren der Gräfin von Würben lassen sich die Wege der Hofgesellschaft nachvollziehen. Obwohl die beiden Galerien zum Zeitpunkt der hier geschilderten Feier noch nicht fertiggestellt waren, ist es wahrscheinlich, dass die Feste auch nach der Vollendung des Schlosses und zu anderen feierlichen Anlässen in sehr ähnlicher Weise stattgefunden hätten. Der Weg hätte die Hofgesellschaft nach Vollendung der Schlossanlage zunächst durch die Ahnengalerie in das Theater geführt. Nachdem sie über den gleichen Weg wieder zurück in das Neue Corps de Logis gelangt wären, hätte die Hofgesellschaft sich zu einem späteren Zeitpunkt über die Bildergalerie in den Ordenssaal begeben.

Einen weiteren Hinweis auf die Nutzung der Ludwigsburger Galerien gibt die Untersuchung von Ute Christine Berger. Sie bezieht sich auf das Festin zu Ludwigsburg des Jahres 1764. Zu dieser Zeit war Carl Eugen regierender Herzog von Württemberg und nutzte das ludwigsburger Schloss gerne für Feste, schon bevor er seine Residenz dorthin verlegte. Das ludwigsburger Festin wurde aus Anlaß des 36. Geburtstages Carl Eugens veranstaltet und war besonders prachtvoll.162 Am 17. Februar 1764 begab sich die Hofgesellschaft nach Ludwigsburg, wohin der Herzog bereits am Vorabend vorausgereist war. Man fuhr am Vestibül des Neuen Corps de Logis vor. Die Gesellschaft teilte sich, um die großen Treppen, heute Treppe des Königs bzw. der Königin, emporzusteigen. Während die Hofgesellschaft die rechte Treppe nutzte, war die linke für das Volk vorgesehen, das über eine spezielle Galerie zum Festplatz geführt wurde. Ein exklusiver Kreis von Gästen, der die rechte Treppe nutzen durfte, wurde vom Herzog empfangen, um von ihm anschließend in den Marmorsaal geführt zu werden. Von dort aus wurde die Zimmerflucht der Beletage im Neuen Corps de Logis besichtigt.163 Ein Plan von Innocente Colomba zeigt die ephemeren Festdekorationen im östlichen Hof des Schlosses.164 Die den östlichen Vorhof umschließenden Gebäude werden im Grundriss angedeutet. Es handelt sich um die Ahnengalerie mit fünf Durchgängen zum inneren Hof, im Plan als Galleria beschriftet. Nördlich befindet sich das Theater und südlich ein Teil des Neuen Corps de Logis, sowie die Ehrenhofgitter als östlicher Hofabschluss. Im Bereich des Neuen Corps de Logis wurde eine Felsen- und Waldlandschaft sowie ein Saal errichtet.165 Der Landschaftsteil des Planes zeigte Felsgestein, verschlungene Wege und – im Zusammenhang mit der Ahnengalerie besonders wichtig – den Berg olimpus, sowie in der nördlichen Hälfte die Schmiede des Vulkan. Unterhalb des olimpus war ein künstlicher Wald errichtet worden.166 Der Übergang vom äußeren in den inneren Schlosshof erfolgte über die Ahnengalerie. Eine Beschreibung des Festes von Joseph Uriot aus dem Jahr 1764

161 HStAS A 21 Bü 148 Ludwigsburg. / Der Frau Landhofmeisterin / Geburths Tags celebrirung / d: 1. Martÿ 1730.

162 Berger 1996, S. 29 ff.

163 Berger 1996, S. 31 ff.

164 Abbildungen 4, 5 und 7 bei Berger 1996.

165 Berger 1996, S. 31 ff.

166 Berger 1996, S. 33 ff.

überliefert den Weg der Hofgesellschaft. „La cour & le Peuple après avoir monté la Peute qui conduisoit à l’Olympe, traversa un Vestibule, & une Gallerie...son Architecture étoit noble, & ornée d’une quantité des meilleurs Tableaux peints à l’huile qui soient dans la Gallerie des Peintures de son Altesse Sérenissime.“167 Die Hofgesellschaft und das Volk erklommen demnach den Hügel zum Olymp, um ein Vestibül und die Galerie zu durchqueren. Der Plan zeigt zwei Fensteröffnungen der Ahnengalerie, die besonders betont sind. Vermutlich handelt es sich um die Fenster, durch die man den Raum betrat. Der olimpus hatte die Höhe von 5,70 m, die Fenstergesimse im ersten Stock der Ahnengaleie beginnen in einer Höhe von 7 m. Der Höhenunterschied wurde wahrscheinlich durch eine Treppe überwunden. Allerdings wären die Gäste bei einem Einstieg durch die Fenster nicht durch ein Vestibül in die Galerie gelangt, es sei denn man hätte eine Art provisorisches Vestibül im Rahmen der Festarchitektur am oberen Treppenabsatz geschaffen. Laut Berger war die Ahnengalerie eine

„raffiniert eingeflochtene Zwischenstation“, so dass reale Welt und Scheinwelt miteinander verflochten wurden.168 Wahrscheinlich gelangten die Gäste auch wieder über die Fenster aus der Galerie in den inneren Schlosshof. In einem weiteren Plan wurde die Ahnengalerie im Ganzen eingezeichnet. Berger deutet dies so, dass die Galerie für den Übergang in den hinteren Schlosshof wichtig war.169

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Gestaltung der Galeriebauten am Neuen Corps de Logis