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5. H AUSHALTSRECHTSREFORM DER G EMEINDEN

5.2 VRV 2015

Das kommunale Haushaltsrecht, im Besonderen das Rechnungswesen der Gemeinden, erfährt im Jahr 2020 eine revolutionäre Weiterentwicklung und zählt von nun an zu den modernsten in ganz Europa. Die Einführung eines integrierten Rechnungswesens mit dem Drei-Komponenten-Rechensystems, wird eine vollständige, periodengerechte und einheitliche Darstellung der Finanzlage der Gemeinden ermöglichen (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S.13).

5.2.1 Drei-Komponenten-Rechnungssystem

Die Eigenschaften des Drei-Komponenten-Rechnungssystem, das Herzstück der neuen VRV 2015, entsprechen jenen des Systems der Veranschlagung und Verbuchung des Bundes. Mit den Erfahrungswerten der Haushaltsführung des Bundes, konnte ein ähnliches System für die Gemeinden entwickelt werden, um eine Einheitlichkeit zu fördern (vgl. Meszarits / Saliterer 2013, S. 239f).

Haushaltsrechtsreform der Gemeinden

Ergebnishaushalt

Die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung schreibt den Gemeinden vor, ein Drei-Komponenten-Rechnungssystem zu führen. Dies bedeutet die Erweiterung der Kameralistik um einen Ergebnis- und Vermögenshaushalt und bildet so ein ineinandergreifenden System (vgl. Bogensberger et al. 2018, S. 48). Der Ergebnishaushalt soll die Erträge und Aufwendungen periodengerecht beinhalten. Bei einem Ertrag spricht man von einem Wertzuwachs, ein Aufwand wird als Werteinsatz definiert. Sowohl der Wertzuwachs als auch der Werteinsatz sind unabhängig vom Zeitpunkt der Zahlung.

Aufwendungen und Erträge sind im dementsprechenden Finanzjahr zu berücksichtigen, dem sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Der Ergebnishaushalt ist in Form eines Ergebnisvoranschlag und einer Ergebnisrechnung auszuführen (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S.17f).

Finanzierungshaushalt

Das zweite Element ist der Finanzierungshaushalt, welcher der IST-Rechnung der VRV 1997 entspricht. Dieser zeigt alle Einzahlungen und Auszahlungen und ist an dem Kassenwirksamkeitsprinzip angepasst. Bei einer Einzahlung handelt es sich um einen Zufluss von liquiden Mitteln innerhalb des Finanzjahres, welches am 1. Jänner beginnt und am 31. Dezember endet. Demzufolge sind Auszahlungen Abflüsse von liquiden Mitteln.

Der Finanzierungshaushalt wird in die allgemeine Gebarung und dem Geldfluss aus der Finanzierungstätigkeit unterteilt. Die allgemeine Gebarung zeigt sowohl die operative Gebarung mit den Einzahlungen und Auszahlungen der operativen Verwaltungstätigkeit als auch die investive Gebarung, welche die Einzahlungen und Auszahlung bei Investitionstätigkeiten, beispielsweise der Rückzahlung von Darlehen, präsentiert. Der Geldfluss aus der Finanztätigkeit umfasst die Zahlungen der Finanzierungstätigkeit der Gemeinde (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S.17f).

Vermögenshaushalt

Der Vermögenshaushalt wird als Vermögensrechnung geführt und ist auf der höchsten Ebene in lang- und kurzfristige Elemente gegliedert. Diese Gliederung, welche bereits beim Bund Anwendung findet, entspricht den Internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor (vgl. Meszarits 2017b, S. 13). Es kommt zu einer Gegenüberstellung der Vermögenswerte, Aktiva und Passiva, der Gemeinde. Bei der Vermögensrechnung werden die nichtfinanzierungswirksamen Aufwendungen, wie Abschreibungen von Sachanlagen und immateriellen Vermögenswerten, berücksichtigt.

Außerdem werden Bestände und laufende Veränderungen des Vermögens, der Fremdmittel und des Nettovermögens dargestellt. Beim Vermögenshaushalt handelt es sich nicht nur um ein Bestandteil der Eröffnungsbilanz und Rechnungsabschluss, sondern auch um eine wichtige Basis für die doppische Buchführung der Gemeinden (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S.17f).

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In der oben dargestellten Abbildung zeigt sich die Verzahnung der drei Komponenten.

Die Geschäftsfälle werden mehrdimensional dargestellt und es wird ein detailliert Einblick in die Finanzlage der Gemeinde ermöglicht sowie die Aufzeichnung der Zahlungsströme werden nachvollziehbar erfasst. Die Grundlage für dieses System bildet das Veranschlagungs- und Rechnungssystem des Bundes (vgl. Meszarits 2017b, S. 10).

Mittelaufbringungs- und Mittelverwendungsgruppen

Zahlungsströme von abgeschlossenen Geschäftsfällen, die Budgetierung aber auch Aufwendungen für beispielsweise Personalkosten werden in den Mittelaufbringungs- und Mittelverwendungsgruppen (MVAG) dargestellt und dem richtigen Haushalt zugewiesen.

Der Begriff des Haushalts findet sowohl im Voranschlag als auch im Rechnungsabschluss seine Anwendung. Konten mit verwandten Zwecken werden in Gruppen aggregiert, um die Transparenz zu steigern. Die verwendeten Konten müssen mindestens einer MVAG zugeteilt werden und im Anschluss dem dementsprechenden Haushalt zugeordnet zu werden.

Abbildung 2: Drei-Komponenten-Rechnungssystem (Quelle: Meszarits 2017b, S. 10).

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Um die Gliederung zu erleichtern wurden den MVAG Ziffern zugeordnet, welche im Fachjargon Codes genannt werden. In der folgenden Auflistung werden die MVAG und deren dazugehörigen Codes aufgezeigt:

 Ziffer 1: Vermögenshaushalt

 Ziffer 2: Ergebnishaushalt

 Ziffer 3: Finanzierungshaushalt

 Ziffer 4: nicht voranschlagswirksame Gebarung

Die im Haushalt verwendeten Konten werden gemäß ihrem MVAG-Code zusammengefasst. Dabei werden die Konten der passenden MVAG-2-Ebene, den Bereichs- und Detailnachweisen, zugewiesen, um im weiteren Verfahren einer der oberen MVAG-1-Ebene, welche dem Gesamthaushalt entspricht, zugeordnet zu werden. Diese Handlung ermöglicht die genaue Zuordnung der Konten zu einen der bereits genannten Haushalte. In der VRV 2015 werden die Kontenbezeichnungen und MVAG-Codes in den Anlagen erläutert und sind verbindlich einzuhalten (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S.21). Die erfassten Aufwendungen, Erträge, Einzahlungen und Auszahlungen dürfen ausschließlich ein Finanzjahr widerspiegeln. Die Verwendung des Kontenplan, welcher in der VRV 2015 definiert ist, ist gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Biwald / Maimer 2019, S. 6). Ähnlich wie die Handhabung im Bundeshaushalt besteht die Möglichkeit der Untergliederung der Gruppen in ein Globalbudget und Detailbudget. Die Entscheidungsträger*innen der Gemeinden können freiwillig die Darstellung in Global- und Detailbudget wählen. Im Gegensatz zum Bundeshaushaltsrecht und der verpflichtenden Einführung der Global- und Detailbudgets sind laut Meinung der Expert*innen die Unterteilungen nicht einzuhalten, um den Verwaltungsaufwand gering zu halten (vgl. Hörmann 2018, S. 29).

5.2.2 Eröffnungsbilanz nach der neuen VRV 2015

Die Erstellung der Eröffnungsbilanz, welche die VRV 2015 verpflichtend vorschreibt, beansprucht viel Einsatzzeit der Mitarbeiter*innen der Gemeinden. Für die Befüllung der Bilanz mit Zahlenmaterial müssen vorab die Vermögenswerte und Fremdmittel erfasst und bewertet werden (vgl. Meszarits 2017a, S. 98). Zum ersten Mal wird mittels Berechnung des Nettovermögens das Eigenkapital der Gemeinde ersichtlich. Die Bewertung der Sachanlagen und kommunalen Beteiligungen gewähren einen Einblick in die Substanz der Gemeinden und wie diese erhalten und finanziert werden (Biwald P. / Maimer A. 2020, S. 5). Die Eröffnungsbilanz ist in ein Aktivseite und eine Passivseite gegliedert, wie man es auch bei einer Bilanz in der Privatwirtschaft kennt. Auf der Aktivseite sind sowohl langfristige als auch kurzfriste Vermögenswerte enthalten. Bei dem langfristigen Vermögen handelt es sich beispielsweise um Sachanlagen, immaterielle Vermögenswerte, Beteiligungen, aktive Finanzinstrumente und langfristigen Forderungen. Liquide Mittel, kurzfristige Forderungen, Investitionszuschüsse, Vorräte und die aktive Rechnungsabgrenzung werden in der Kategorie kurzfristiges Vermögen aufgelistet. Die Passivseite weist die Werte der kurzfristigen und langfristigen Fremdmittel aus. Wichtige Bestandteil sind dabei die Rückstellungen, Finanzschulden und die passive Rechnungsabgrenzung. Das Nettovermögen, eine neue wichtige Kenngröße, ergibt sich

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durch die Bildung des Saldos auf der Passivseite und ist in Vermögenswerten gebunden und daher nicht als liquide Finanzmittel zu sehen (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S. 25).

Die erste Eröffnungsbilanz ist zum 1. Jänner 2020 anzufertigen. Für die Erstellung werden die Zahlen und Daten des Rechnungsabschluss aus dem Jahr 2019 benötigt, was zur Folge hat, dass erst ab April 2020 mit den Arbeiten begonnen werden kann und spätestens mit dem Rechnungsabschluss 2020 die Eröffnungsbilanz fertiggestellt werden muss (vgl. Biwald / Dessulemoustier-Bovekercke 2020, S. 3).

5.2.3 Voranschlag nach der neuen VRV 2015

Mit der VRV 2015 wird der Voranschlag nicht mehr mit Soll-Werten des ordentlichen und außerordentlichen Haushalts ausgestattet sein, sondern mit den Daten des Ergebnis- und Finanzierungsvoranschlags (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S. 18). Für die Erstellung des Voranschlags sind die Zahlen und Daten des Ergebnis- und Finanzierungshaushalts erforderlich. Gemäß VRV 2015 ist ein Vermögensvoranschlag, was einer Planbilanz entsprechen würde, nicht zu erstellen. Bei der Budgetierung sind die Salden der operativen und investiven Gebarung, der Maastricht-Saldo und wichtige Kennzahlen auschlaggebend (vgl. Meszarits 2017a, S. 98). Wichtige Bestandteile sind unter anderem der Vorbericht, der mittelfristige Finanzplan und der Investitionsnachweis (vgl. NÖ GHVO, § 2 Abs 1).

Die bereits zuvor genannten MVAG sind für die Darstellung des Ergebnis- und Finanzierungshaushalts essenziell. Die Darstellung der Einzahlungen und Auszahlungen der Gemeinde im Finanzierungshaushalt und die Erträge und Aufwände im Ergebnishaushalt werden im Voranschlag abgebildet. Beide Ebenen der MVAG sind bei der Erstellung von Bedeutung und fließen in den Aufbau des Voranschlags ein (vgl. Hörmann 2018, S. 44f).

Dem Voranschlag wird, für ein besseres Verständnis der Zahlen und Daten, ein Vorbericht (Managementbericht) beigelegt, welcher den Spezifika der Bundesländer entsprechen muss. Dieser Bericht, welcher mit Hilfe des Tools des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung erstellt werden kann, soll in einer verkürzten Form Auskunft über die Inhalte des Voranschlags geben. Die interessierte Öffentlichkeit und die Regierungsmitglieder*innen der Gemeinde finden so die Informationen des Voranschlags in komprimierter Form vor (vgl. Biwald / Hödl 2019, S. 38).

Die Vorbereitung für die Umstellung im Jahr 2020 war eine Herausforderung für die Gemeinden. Die Mitarbeiter*innen der Gemeinden mussten die Vermögenswerte erfassen und bewerten, um diese in den Vermögenshaushalt abbilden zu können. Aufgrund der Spielräume bei der Bewertung wurde diese Aufgabe erschwert. Die Wahlmöglichkeit bietet den Gemeinden die Chance, die optimale Bewertungsmethode für das vorhandene Vermögen zu wählen (vgl. Meszarits 2017a, S. 98).

5.2.4 Rechnungsabschluss nach der VRV 2015

Mit der Einführung des Drei-Komponenten-Rechensystems wird der Rechnungsabschluss für das Jahr 2020 mit den gesamten Zahlen und Daten des Ergebnis, Finanzierungs- und Vermögenshaushalt gebildet. Geschäftsfälle müssen strikt dem abgelaufenen Finanzjahr zugeordnet werden, entsprechend jenem Zeitpunkt, wann diese

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wirtschaftlich schlagend werden. Der Zahlungseingang ist nicht relevant. Aufgrund der Umstellung waren strukturelle Adjustierungen notwendig und das Erfassen und Bewerten des Vermögens der Gemeinde sowie die Berechnung des Nettovermögens und Darstellung der Investitionszuschüsse und Fremdmittel waren erforderlich. Im Rechnungsabschluss wird die voranschlagsunwirksame Gebarung gesondert behandelt und in einem Nachweis erfasst jedoch in der Finanzierungs- und Vermögensrechnung berücksichtigt (vgl. Hörmann 2018, S. 47). Gemäß den Bestimmungen der VRV 2015 sind die wirtschaftlichen Unternehmungen, Betriebe und betriebsähnliche Einrichtungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit der Gemeinden in den Rechnungsabschluss einzubinden, auch wenn diese andere gesetzliche Regelungen anwenden. Die Beteiligung wird anhand der Anteile der Gemeinde an dem Eigenkapital oder Nettovermögen des Unternehmens bewertet. Bei Veränderungen des Eigenkapitals oder Nettovermögens der Gesellschaft, muss dies in der dafür vorgesehenen Neubewertungsrücklage ausgewiesen werden (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 11).

Für eine bessere Verständlichkeit des Zahlenwerks wird es eine Zusammenfassung des Rechnungsabschluss geben. Sollte bei der Erstellung Fehler in der Eröffnungsbilanz, welche spätestens mit dem Rechnungsabschluss vorgelegt werden muss, entdeckt werden, können diese bis zu fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Bilanz mittels Buchung direkt in das Nettovermögen eingearbeitet respektive ausgebessert werden.

Diese Möglichkeit der Korrektur beruht auf den Umstellungserfahrungen des Bundes und führt zu keiner Veränderung des Saldos der Ergebnisrechnung (vgl. Meszarits 2017a, S. 99).

Ein wichtiger Bestandteil des Rechnungsabschluss ist die Voranschlagsvergleichsrechnung. Hierbei wird ein Vergleich der Voranschlagswerte zu den tatsächlich getätigten Rechnungen erstellt. Dies passiert sowohl bei den Werten des Ergebnisvoranschlags als auch des Finanzierungsvoranschlags. Ausschlaggebende Abweichungen müssen im Abschluss begründet werden (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S. 19).