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5. H AUSHALTSRECHTSREFORM DER G EMEINDEN

5.1 Entwicklungsprozess – VRV 2015

Bereits im Jahr 1974 gab es Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Form und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände. Dies wurde in der Präambel zum Schlussprotokoll von Heiligenblut vereinbart. Die Vereinheitlichung betrifft unter anderem das Ansatzverzeichnis für Länder und Gemeinden und das Postenverzeichnis für Bund, Länder und Gemeinden, wobei es bei Letzterem zu Anpassungen kommen kann. Ebenfalls wurden regelmäßige Treffen von Vertreter*innen des Bundes, der Länder und Gemeinden beschlossen. Diese Maßnahmen mussten gemäß § 16 Abs 1 des Finanzverfassungsgesetzes 1948 zuvor noch vom Bundesminister für Finanzen in Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof mittels Verordnung beschlossen werden. Der Verordnung sind Anmerkungen beizufügen, um die Anwendung der gesetzlichen Vorgaben zu erleichtern (vgl. BMF 2010b, S. I). Um die künftigen Weiterentwicklungen und nötige Anpassungen gemeinsam erarbeiten zu können wurde das ständige Voranschlags- und Rechnungsabschluss Komitee (VR-Komitee) installiert. Dieses Gremium besteht aus Vertreter*innen des Bundes, der Länder und Gemeinden. Der Wechsel des Vorsitzes findet, genauso wie die Treffen dieses Komitees, einmal jährlich statt. Bei den Versammlungen werden essenzielle Änderungen besprochen und in Verbindung mit Expert*innen des Rechnungshofes Empfehlungen erarbeitet (vgl. Bröthaler 2014, S. 221).

Bereits mit dem Bundeshaushaltsgesetz 1986 wurde das Fundament gelegt, auf welchem die Reform 2013 entscheidend aufgebaut werden konnte. Aufgrund der Einführung des Drei-Komponenten-Rechnungssystems und der Modernisierung des Rechnungswesens auf Bundesebene war der nächste logische Schritt die Ausbreitung des neuen Regelwerks des Bundes auf die Länder und Gemeinden (vgl. Meszarits 2017a, S. 96). Mit internationalen Erfahrungswerten und internationalen Rechnungslegungsstandards für den öffentlichen Sektor wurde die Haushaltsrechtsreform des Bundes aufgebaut. Die Bundeshaushaltsrechtsreform gilt als Grundlage für die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 (VRV 2015), welche im Herbst desselben Jahres im Bundesgesetzblatt kundgemacht wurde. Im Anschluss wurde die Verordnung vom VR-Komitee einstimmig beschlossen. Die internationalen Erfahrungen und Standards trugen ebenfalls zur Entwicklung der VRV 2015 bei. Die Überlegung war, die Bundeshaushaltsrechtsreform auf die Bundesländer und Gemeinden auszudehnen, scheiterte jedoch an den Gegenstimmen der Entscheidungsträger*innen der Länder und Gemeinden (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 7).

Haushaltsrechtsreform der Gemeinden

Nachdem das Reformpaket für das neue Bundeshaushaltsrecht geschnürt wurde, setzte der Rechnungshof seinen Fokus auf die bis dahin schon veraltete VRV 1997.

Aufgrund der Ergebnisse der Überprüfungen zeigte sich, wie beim Bund, ein deutlicher Reformbedarf der Rechnungslegung der Länder und Gemeinden. Diese entsprach nicht den hohen Anforderungen einer modernen Buchhaltung und bestärkte die Kritiker*innen, welche eine Reform für Länder und Gemeinden forderten (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 7).

Der Rechnungshof kritisierte besonders scharf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Länder und Gemeinden nach der VRV 1997. Der Geltungsbereich der Verordnung lässt einige Lücken bei der Bewertung zu. Ausgegliederte Einheiten werden von der Verordnung nur mangelhaft behandelt und eine Miteinbeziehung im Sinne einer Konsolidierung ist nicht vorgesehen (vgl. Hauth 2009, S. 131).

Ein neues Instrument des Bundes, die Wirkungsorientierung, war ebenfalls angedacht, in den Haushalt der Länder und Gemeinden einzuführen. Dieses Steuerungselement sollte, mit den Erfahrungswerten des Bundes, in einer abgewandelten Form und auf die Bedürfnisse zugeschnitten, bei der Verwaltungssteuerung Vorteile verschaffen. Der Nutzen des Austausches zwischen den Organisationen des Bundes, beispielsweise den Ministerien, sollte auch die Zusammenarbeit der Gemeinden fördern (vgl. Geppl 2013 / S.

9f). Das BMF hat jedoch Ende April 2014 in einem Verordnungsentwurf die Wirkungsorientierung für die VRV 2015 verworfen. Die Gleichstellung von Frau und Mann, eines der Ziele der Wirkungsorientierung, wird weiterhin in die Verordnung aufgenommen (vgl. Biwald et al. 2015, S. 10). Aufgrund der geringen Regelungskompetenzen des BMF wurde die Wirkungsorientierung nicht auf die kommunale Ebene als Verpflichtung ausgedehnt. Weiters waren die Länder und Gemeinden gegen eine solche verpflichtende Einführung der Wirkungsorientierung. Für die Bundesländer befinden sich die Handlungen für die Wirkungsorientierung weiterhin im eigenen Wirkungsbereich. Dies ist bei den Gemeinden ebenfalls der Fall, wird jedoch in der Praxis nicht genutzt (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 8).

Wie bereits bei der Bundeshaushaltsrechtsreform wurde auch bei der VRV 2015 ein möglichst geringer Verwaltungsaufwand für die Umstellung angestrebt. Daher schalteten sich Länder und Gemeinden in den Entwicklungsprozess ein. Die Gemeinden wurden durch den österreichischen Gemeindebund und Städtebund vertreten (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 9).

5.1.1 Novelle 2018

Nachdem im Oktober 2015 die VRV 2015 per Erlass verordnet wurde, befassten sich in den folgenden zwei Jahren immer mehr Arbeitsgruppen mit der neuen Verordnung, um eine komplikationsfreie Umsetzung in den Gemeinden zu ermöglichen. Neben dem Gemeindebund sowie Städtebund wurden auch Vertreter*innen der Gemeindeabteilungen der Länder, das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung, die NÖ Gemeinde Beratungs

& SteuerberatungsgmbH und das BMF eingesetzt, um die Übergänge auf die VRV 2015 für Gemeinden zu erleichtern (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 10). In diesem Zuge wurden die Konten, beispielsweise zusammengefasst, umstrukturiert oder neugeschaffen. Dieser Schritt bedeutet eine Anpassung an die Gemeindepraxis. Die Neuerungen wurden in Kontierungsleitfaden für Gemeinden und Gemeindeverbände des KDZ eingepflegt (vgl.

Blöschl / Maimer 2017, S. 5f).

Haushaltsrechtsreform der Gemeinden

Die wohl bedeutendste Änderung der Novelle war die Vereinheitlichung des Inkrafttretens der VRV 2015. Gemeinden mussten erstmals im Finanzjahr 2020 die neue Verordnung umsetzen (vgl. Schauer 2020, S. 3). Zuvor waren Gemeinden mit einer Anzahl von über 10.000 Einwohner*innen dazu verpflichtet, die Umstellung im Jahr 2019 durchzuführen. Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohner*innen hatten bereits vor der Novelle das Ziel, die Einführung der VRV 2015 mit dem Finanzjahr 2020 umzusetzen. Die Vereinheitlichung des Inkrafttretens erleichtert die Zusammenarbeit der Gemeinden mit dem Rechnungshof des Bundes, den Rechnungshöfen der Bundesländer und der Statistik Austria. Die Verlängerung der Frist hat ebenfalls zur Folge, dass die Verwaltungen der Gemeinden und vor allem die Entwickler der Buchhaltungsprogramme für die Gemeinden nun mehr Zeit haben, die Umstellung der neuen Formvorschriften für den Voranschlag und den Rechnungsabschluss ordnungsgemäß umzusetzen (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 9).

Diese Tatsache stellt die Städte und Gemeinden vor ein besonders herausforderndes Jahr 2020, da sowohl die VRV 1997 als auch die VRV 2015 parallel anzuwenden sind. Der Voranschlag für das Haushaltsjahr 2020 muss bereits nach der neuen VRV 2015 erstellt werden, das Haushaltsjahr 2019 wird jedoch noch nach den Grundlagen der VRV 1997 abgeschlossen (vgl. Hörmann 2019, S. 10f).

Ebenfalls behandelt wurden nicht rückzahlbare Zuschüsse für Investitionen, welche von nun an nicht mehr passiviert werden müssen. Konkret gemeint sind damit Bedarfszuweisungen an Gemeinden, welche für Investitionen genutzt werden und laut Richtlinien als nicht rückzahlbar gelten. Bei den Bedarfszuweisungen handelt es sich um Mittel, welche laut Finanzausgleichsgesetz von den Ertragsanteilen der Gemeinden vorweg abgezogen werden und auf Grund von Richtlinien durch die Länder auf die Gemeinden verteilt werden. Es ist daher schon aus dem Finanzausgleichsgesetz eindeutig ableitbar, dass es sich bei Bedarfszuweisungen um Eigenmittel der Gemeinden handelt.

Aus verwaltungsökonomischen Gründen wird auf die Erfassung dieser Investitionszuschüssen verzichtet (vgl. Bogensberger et al. 2018, S. 48). Hier kommt es jedoch in den Gemeinden in den unterschiedlichen Bundesländern zu divergierenden Arten der Verbuchung. In den Gemeinden der Bundesländer Burgenland, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg müssen Bedarfszuweisungen für Investitionen auf Grund landesrechtlicher Regelungen als Sonderposten passiviert. Bei dieser Art der Verbuchung fließen die Finanzmittel in die investive Gebarung und werden über die angesetzte Nutzungsdauer ertragswirksam im Ergebnishaushalt aufgelöst.

Niederösterreich, Steiermark und Tirol verpflichten die Gemeinden die übertragenen Finanzmittel ertragswirksam zu verbuchen. Das hat zur Folge, dass in den Gemeinden der Bundesländer Niederösterreich, Steiermark und Tirol die Gelder direkt das Nettoergebnis und den Saldo 1, also der operativen Gebarung, des Finanzierungshaushalts im vollen Umfang erhöhen (vgl. Blöschl 2020, S. 24f).

Bereits angeschaffte Vermögensgegenstände, welche auch erfasst wurden, werden mit der bisherigen Restnutzungsdauer weiterhin linear abgeschrieben, wenn deren Nutzungsdauer keine zehn Jahre übersteigt. Bei Vermögenswerten mit einer höheren Nutzungsdauer sind für eine Neuberechnung die Daten aus den Anlagen der VRV 2015 heranzuziehen. Expert*innen empfehlen gegenwärtige Anschaffungen mit den aktualisierten Nutzungsdauern abzuschreiben (vgl. Kandler / Schuchter 2018, S. 46).

Haushaltsrechtsreform der Gemeinden

Die Novellierung der VRV 2015 wurde am 23. Jänner 2018 abgeschlossen. Die Einführung des Drei-Komponenten-Rechnungssystems stand zu keinem Zeitpunkt zur Debatte (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S.11).

5.1.2 Geltungsbereich der VRV 2015

Das Regelwerk der neuen VRV 2015 ist sowohl auf Länderebene als auch auf Gemeindeebene gültig. Der Geltungsbereich umfasst außerdem die wirtschaftlichen Unternehmungen, Betriebe und betriebsähnliche Einrichtungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Bei Unternehmensformen ohne eigener Rechtspersönlichkeit handelt es sich um Betriebe mit marktbestimmten Tätigkeiten, Eigenbetrieben und Regiebetrieben. Der Begriff Unternehmung in Zusammenhang mit Gemeinden bezieht sich auf Organisationsformen mit wirtschaftlichen Tätigkeiten, welche eigene Vermögenswerte besitzen und mit Einnahmen und Ausgaben verbunden sind. Bei wirtschaftlichen Unternehmungen, Betrieben und betriebsähnlichen Einrichtungen ohne eigener Rechtspersönlichkeit, die eigene Wirtschaftspläne beziehungsweise anderen gesetzlichen Regelungen unterliegen sind die Wirtschaftspläne und Abschlüsse dem Voranschlag und Rechnungsabschluss der Gemeinde beizulegen. Zusammengefasste Daten sind für die Ergebnis- und Vermögensrechnung notwendig (vgl. Gneist / Heiss 2016, S. 2).

Neben den oben genannten Gebietskörperschaften und Organisationen sind auch die Gemeindeverbände dazu verpflichtet, ihre Voranschläge und Rechnungsabschlüsse gemäß der VRV 2015 zu erstellen. Im Gegensatz zur VRV 1997 wurden im Text der VRV 2015 die Gemeindeverbände ebenfalls genannt. Bei Verbänden mit einem Budgetvolumen unter dem Schwellenwert von EUR 700.000 werden ausschließlich eine Finanzierungsrechnung und deren Anlagen verlangt. Wasserrechtsverbände, welche nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 geregelt werden, sind weiterhin ausgenommen, da für diese Verbände der Bund direkt zuständig ist (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 12).

5.1.3 Entscheidende Neuerungen

Neben dem Bestreben der Vereinheitlichung der Darstellung und Gliederung der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse wurden Maßnahmen gesetzt, welche die tägliche Arbeit der Gemeindemitarbeiter*innen verändert. Die folgende Auflistung soll einen Überblick bieten und die Neuerungen aufzeigen:

 Das eingeführte ineinandergreifende Drei-Komponenten-Rechensystem bietet eine transparente Darstellung der Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der Gemeinden. Nun sind Gesamtsummen ersichtlich, wie beispielsweise der gesamte Schuldenstand der Gemeinde, welche zuvor nur in den Nachweisen zu finden waren. Dieses Zahlenmaterial ist mit der Einführung der VRV 2015 zu einem Bestandteil der Abschlussrechnung geworden.

 Um die Vermögenslage detailliert darzustellen kommt es zur erstmaligen Erfassung und Bewertung der Vermögenswerte, beispielsweise den Sachanlagen, Beteiligungen und Vorräten auf der Aktivseite. Auf der Passivseite werden unteranderem die Werte der Rückstellungen, Verbindlichkeiten und Investitionszuschüssen erfasst.

Haushaltsrechtsreform der Gemeinden

 Die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden werden nun nicht mehr als Restbestände auf Sachkonten gesehen, sondern auf Forderungs- und Verbindlichkeitskonten aufgeteilt und in der Vermögensrechnung erfasst.

Abgewickelte Zahlungsströme werden von nun an über ein Haushaltskonto geführt. Der Saldo der Passivseite, wird im Ausgleichsposten ausgewiesen und als Nettovermögen bezeichnet (vgl. Bogensberger et al. 2018, S. 70).

 Der von nun an geführte Ergebnishaushalt, welcher Einblicke bis auf die Ansatzebene zulässt, ermöglicht die periodengerechte Erfassung der Erträge und Aufwendungen. Diese werden dem Finanzjahr zugeordnet, in welchem der Wertzuwachs oder Wertverbrauch stattgefunden hat. Dies bedeutet, dass der Geschäftsfall unabhängig des Zeitpunktes der Zahlung erfasst wird (vgl.

Matzinger / Pfau 2018, S.13).

 Im laufenden Finanzjahr kann es zu Veränderungen des Vermögens kommen.

Diese Differenzen beruhen nun ausschließlich auf Buchungen auf den dementsprechenden Vermögenskonten. Daher ist eine Vermehrung oder Verminderung des Vermögensstandes unterjährig möglich.

 Bei der Verbuchung wird ab dem 1. Jänner 2020 ausschlaggebend sein, ob es sich bei der zu verbuchenden Summe um einen Aufwand, einen Ertrag, eine Einzahlung oder eine Auszahlung handelt. Expert*innen sind der Meinung, dass die eingeführten MVAG-Codes die Zuordnung zu den passenden Konten erleichtern werden.

 Eine Herausforderung stellt die erstmalige Bewertung des Vermögens dar. Die dafür nötigen Vorgaben sind in der VRV 2015 definiert und in den Übergangs- und Schlussbestimmungen niedergeschrieben.

 Der Finanzierungshaushalt entspricht der IST-Rechnung der ehemaligen Kameralistik und bietet Auskünfte zur Liquidität der Gemeinde.

Die Evaluierungen in den folgenden Jahren wird zeigen, wie die neuen Instrumente wirken (vgl. Auer / Schleritzko 2018, S. 28).