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Im Kapitel Stand der Forschung wird die neue Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung mit der historischen Entwicklung des Rechnungswesens in den Gemeinden in Verbindung gebracht. Dabei werden im Besonderen die Unterschiede und Gründe für die Umstellung von der veralteten Kameralistik auf die moderne doppelte Buchführung beleuchtet, sowie ein Einblick in das Rechnungswesen der öffentlichen Verwaltung im Nachbarland Deutschland gegeben. Im Anschluss werden die wesentlichen Neuerungen der Maßnahmen der VRV 2015, welche ab dem 1. Jänner 2020 verbindlich einzuhalten sind, dargestellt.

2.1 Rechnungswesen der öffentlichen Verwaltung im europäischen Kontext

Das Rechnungswesen der öffentlichen Verwaltung wird dazu genutzt um die mengen- und wertmäßige Erfassung, Auswertung und Verarbeitung von wirtschaftlichen Tätigkeiten der Vergangenheit und Gegenwart zu erfassen. Reinbert Schauer beschreibt den Zustand des Rechnungswesens vor der Bundeshaushaltsrechtsreform als primär finanzwirtschaftlich und zeigt auf, dass es ausschließlich auf Zahlungsströme ausgerichtet war. Außerdem erwähnt Schauer, dass der Rechnungsstil der Kameralistik einen starken Einfluss hatte. Erst im Jahr 2009 wurde auf Grund der Bundeshaushaltsrechtsreform die Darstellung der erarbeiteten und verbrauchten Ressourcen eingeführt und zu einer Verbundrechnung auf doppischer Basis zusammengeführt (vgl. Schauer 2020, S.9).

Bereits ein Jahr zuvor wurde im Nachbarland Deutschland die Umstellung von Kameralistik auf die doppelte Buchführung vollzogen. Hierbei nennt Holger Mühlenkamp die Vorteile der Doppik gegenüber der Kameralisitk. Da in der deutschen öffentlichen Verwaltung die Buchhaltung bis dahin nur zahlungswirksame Vorgänge erfasst wurden, um die Einhaltung des Haushaltsplanes und dessen Dokumentation zu gewähren, konnte in der doppelten Buchführung erstmals auch der Periodenerfolg gemessen werden. Die Nettovermögensänderung, die den Gewinn oder Verlust der Gemeinde widerspiegelt, macht sichtbar, inwiefern sich die wirtschaftliche Substanz geändert hat (vgl. Mühlenkamp 2007, S 705).

Der Wirtschaftswissenschafter Ota Šik vertritt in seinem Werk „Ein Wirtschaftssystem der Zukunft“ die Position, dass Unternehmer*innen stets das Ziel der Gewinnoptimierung verfolgen. Dies ist unter anderem auf ein gut funktionierendes Rechnungswesen zurück zu führen (vgl. Šik 1985, S. 81f). Dies widerspricht dem Handeln einer Gemeinde. Im Unterschied zu Šik hat Mühlenkamp angeführt, dass die Gebietskörperschaften nach dem Wohlfahrtsmaximierungsprinzip handeln.

Doch aus diesem Grund stößt das Rechnungswesen in der öffentlichen Verwaltung an die Grenzen des Machbaren. Besonders bei der Erfüllung öffentlicher Aufträge und Aufgaben ist die Messbarkeit der Leistungen gemäß buchhalterischer Vorschriften schwierig. Die errechneten Größen wie Erträge und Aufwände bestimmen die einzelwirtschaftlichen Erfolgsgrößen, die jedoch bei Gebietskörperschaften nicht den tatsächlichen Wert entsprechen. Das betriebswirtschaftliche Ergebnis einer Leistung durch die Gemeinde zeigt ausschließlich den Einfluss auf das Vermögen der Gemeinde nicht

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aber den sachzielorientierten Erfolg bei Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Infolgedessen muss die erbrachte Leistung dem gesellschaftlichen Ressourcenverbrauch gegenübergestellt werden (vgl. Mühlenkampf, S. 705f).

2.2 Die Kameralistik in der öffentliche Verwaltung

Die Kameralistik ist als finanzwirtschaftliche Rechnung aufgebaut, welche die Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellt. Romuald Bertl beschreibt in seinem Artikel

„Kameralistik vs Doppik“, dass die Einnahmen und Ausgaben im Haushaltsvoranschlag geregelt sind, die Ausführung jedoch im Rahmen des Vollzugs des Haushaltes passiert.

Eine Gegenüberstellung der Zahlen und Daten aus dem Rechnungsabschluss und dem Voranschlag findet jährlich statt (vgl. Bertl 2013, S. 208). Reinbert Schauer kritisiert die schlechte Darstellung der Vermögenswerte und ist der Meinung, dass eine einfache Bestandsrechnung, wie sie in der Kameralistik geführt wird, keine optimale Aufzeichnung des Vermögens bietet (vgl. Schauer 2020, S. 13).

Der Ursprung der Kameralistik liegt in der Geldrechnung und Verwaltung der Fürsten im 16. Jahrhundert. Das Wort „camera“ entspricht der heutigen Beschreibung einer fürstlichen Rechnungskammer. Wie Reinbert Schauer in seinem Werk belegt, wurden zu damaliger Zeit Einnahmen und Ausgaben von Geld und Naturalien erfasst. Ebenfalls erwähnt der Autor den Hofrat Johann Matthias Puechberger, welcher mit seinen Werken die Kameralistik weiterentwickelte und die Soll-Rechnung einführte. Im Jahr 1762 wurde die kamerale Buchführung in überarbeiteter Form in der österreichischen öffentlichen Verwaltung implementiert. Diese Form des Rechnungswesens hatte das Ziel, den Vollzug des Haushaltsvoranschlages zu gewährleisten (vgl. Schauer 2020, S. 15).

Zu Beginn galt die Kameralistik als revolutionäre Form der Buchführung und ermöglichte ein modernes Haushaltswesen. Besonders die mögliche Budgetkontrolle galt als Instrument, welches auch bei den damaligen Unternehmer*innen als durchaus vorbildlich galt. Am Anfang des neuen Jahrtausends beschrieben die Autoren Lothar Beyer und Hans Georg Kinzel in Ihrem Werk „Öffentliches Rechnungswesen: Kameralisik oder Doppik?“ das vorherrschende Rechnungswesen als Bremse für Innovationen und zeigten den Bedarf einer Reform auf. (vgl. Beyer / Kinzel 2005, S. 351f)

2.3 Reform des Bundeshaushalts

Das klassische System der Führung des Bundeshaushaltes, welches durch das Bundeshaushaltsgesetz 1986 festgelegt war, zeigte aufgrund von einer inputlastigen Sichtweise schwere Mängel auf. Die Autoren Gerhard Steger und Alfred Pichler kritisieren die Tatsache, dass angesichts der jährlichen Budgetvorgaben und der eingeschränkten Rücklagefähigkeit von ungenutzten Finanzmittel den budgetverantwortlichen Personen nur wenige Sparanreize geschaffen wurden (vgl. Steger/Pichler 2008, S. 7). Dieses Faktum bezeichnet Schauer als so genanntes "Dezemberfieber“, da die noch zur Verfügung stehenden Finanzmittel bis zum Jahresende ausgegeben werden mussten, um diese im kommenden Jahr nicht zu verlieren. Ein Übertrag der Mittel auf das folgende Finanzjahr wäre mit der Bildung von Rücklagen möglich gewesen, wurde jedoch durch eine schwierige Abwicklung nur selten durchgeführt (vgl. Schauer 2020, S.29). Dies erschwerte ein korrektes Wirtschaften und verhinderte eine mehrjährige Planung des Budgets. Auch Bertl

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sieht die mangelnde Rücklagenbildung als Grund für die fehlende Haushaltsdisziplin und bezeichnet diese als Systemlücken, die zu einer Erhöhung des Schuldenstandes führten (vgl. Bertl 2013, S. 205).

Anhand dieser Erkenntnisse war es sinnvoll, das Bundeshaushaltsgesetz zu überarbeiten. Dies führte dazu, dass die Gesetzgeber eine Weiterentwicklung des Haushaltsrechtes des Bundes vorantrieben. Diese Umstellung passierte in zwei Etappen und am 1. Jänner 2009 erlangte die erste Etappe ihre Wirksamkeit. Steger und Pichler heben in Ihrer Studie hervor, dass sich die Einführung in zwei Etappen bewährte, da die Verwaltungsorgane im Vorfeld genug Zeit für die technische Umstellung hatten, um alle Schritte ordnungsgemäß zu setzen. Darüber hinaus erwähnten die Autoren den Einsatz von Maßnahmen zur Sensibilisierung der Mitarbeiter*innen in der Verwaltung für diese Thematik (vgl. Steger/Pichler 2008, S.19). Doch die entscheidenden Maßnahmen, die bis heute Anwendung finden, folgten mit der Einführung der zweiten Etappe. Neben dem Einsatz einer modernen doppelten Buchführung wurde auch die wirkungsorientierte Haushaltsführung im Gesetz verankert, die die Basis für eine ergebnisorientierte Dienststellensteuerung ist. Das integrierte Rechnungswesen bietet einen besseren Einblick in die verbrauchten Ressourcen und deren Auswirkungen auf die folgenden Perioden. Die gesammelten Daten werden der politischen Ebene bereitgestellt und sollen eine Informationsquelle für die finanzielle Lage des Bundes sein. Diese Eigenschaft lässt sich mit internationalen Erfahrungen bestätigen. Diese Tatsache stellten die Autorinnen Kuntner und Schallmeiner in ihrem wissenschaftlichen Artikel fest (vgl. Kuntner / Schallmeiner 2013, S.228f).

2.4 Reformbedarf in den Bundesländern und Gemeinden

Die Bemühungen des Bundes das Rechnungswesen auf Bundesebene zu modernisieren, erhöhte den Druck auf die Länder und Gemeinden, ebenfalls Anpassungen der länder- und gemeindespezifischen Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung vorzunehmen. Die Autoren Matzinger und Pfau erwähnen in Ihrem Werk, dass auch der Rechnungshof sich verstärkt mit einer Überarbeitung der VRV 1997 beschäftigte und deren Funktionalität überprüfte. Die Prüfungsergebnisse zeigten, dass die die Rechnungslegung der Länder und Gemeinden die Anforderungen eines modernen Rechnungswesens nicht erfüllen konnten. Matzinger und Pfau stehen im Einklang mit den Aussagen des Rechnungshofs (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S. 7).

Bereits im Jahr 1974 wurde in dem Schlussprotokoll zur Heiligenbluter Vereinbarung festgehalten, dass eine Vereinheitlichung der Form der Voranschläge und Rechnungsabschlüsse der Länder und Gemeinden angestrebt werden muss. Diese Forderung wird von Autorin Saliterer in ihrem Artikel „Einheitliche Weiterentwicklung des Haushalts- und Rechnungswesens der Länder und Gemeinden“ erwähnt und als weiteres ausschlaggebendes Argument für die Überarbeit der Verordnung genannt (vgl. Saliterer 2013, S.1). Saliterer kritisiert die ablehnende Haltung der Entscheidungsträger*innen der Gemeinden gegenüber den Inhalten der Bundeshaushaltsrechtsreform und den geforderten Maßnahmen zur Vereinheitlichung. Ebenfalls werden die Finanzskandale erwähnt, welche auf ein Versagen bei der Erfassung und Bewertung des Vermögens und Schulden zurück zu führen sind (vgl. Saliterer 2013, S. 4).

Stand der Forschung

2.5 Instrumente der neuen VRV 2015 ab dem Haushaltsjahr 2020

All die oben genannten Argumente führten dazu, dass die neue VRV 2015 mit frischen und effizienten Instrumenten ausgestattet wurde. Nach einer Novellierung der Verordnung Anfang 2018 wurde das Haushaltsjahr 2020 als neuer Startzeitpunkt erklärt. Unteranderem wurde das Drei-Komponenten-Rechnungssystem, das Herzstück der neuen Verordnung, eingeführt (vgl. Matzinger / Pfau 2018, S.1) Die Einführung wird von Saliterer begrüßt, da eine mehrdimensionale Abbildung aller Geschäftsfälle die Basis für eine hochwertige Informationsauswertung ist. Das kamerale System wird durch die Führung eines Finanzierungs- und Vermögenshaushaltes erweitert und bildet ein ineinandergreifendes System (vgl. Saliterer 2013, S.1f).

Bis 2020 mussten die Gemeinden den gesamten Vermögensbestand neu bewerten und im Vermögenshaushalt abbilden. Meszarits beschreibt dies als große Herausforderung für die Mitarbeiter*innen der Gemeinden, da auch die Bewertungsmethoden einen großen Spielraum bieten. So besteht die Möglichkeit die geeignetste Methode für eine bestmögliche Bewertung zu wählen, doch widerspricht diese Handlung dem Wunsch nach einer Vereinheitlichung der Daten und Informationen kritisiert Meszarits (vgl. Meszarits 2017a, S. 98).

Neben der Neubewertung des Vermögensbestandes bis 2020, ist auch die Erstellung der Eröffnungsbilanz ein aktuelles Thema für das Jahr 2020. Peter Biwald und Alexander Maimer führen aus, dass den Gemeinden ein herausforderndes Jahr bevorsteht:

„Im Jahr 2020 wird die Erstellung und der Beschluss der Eröffnungsbilanz im Mittelpunkt der Reformumsetzung der VRV Neu stehen.“ (Biwald P. / Maimer A. 2020, S. 5).

Die Erstellung der Eröffnungsbilanz zum 1.1.2020 bewirkt auch die Einführung des Vermögenshaushalts, als weiteren wichtigen Bestandteil im neuen kommunalen Rechnungswesen.

Zu den oben genannten Neuerungen kommt die Überarbeitung der Haushaltsrücklagen. Wie bereits bei der Vermögensbewertung ergeben sich hier Unterschiede bei der Handhabung zwischen den Gemeinden in verschiedenen Bundesländern. Hier weist Clemens Hödl in seinem Artikel besonders auf die Zahlungsmittelreserven hin, die nicht in allen Gemeinden berücksichtigt werden.

Außerdem erwähnt Hödl die ungleiche Behandlung der Bedarfszuweisungen. Da diese Geldmittel einen großen Teil des Budgets abdecken, haben diese einen starken Einfluss auf den Ergebnishaushalt. Gemeinden in Niederösterreich, Steiermark und Tirol verbuchen diese Mittel als Ertrag und erhöhen dadurch das Nettoergebnis (vgl. Hödl 2020, S. 22).

Die österreichischen Gemeinden stehen vor einem herausfordernden Wirtschaftsjahr.

Die weiterentwickelte VRV 2015 wurde mit 1.1.2020 eingeführt und soll die Vergleichbarkeit der Informationen aus dem Voranschlag und dem Rechnungsabschluss verbessern. Aufgrund der unterschiedlichsten Umsetzungen der Bewertung der Vermögensgegenstände aber auch bei der Verbuchung von Finanzmittel ist die angestrebte Vereinheitlichung gefährdet. Diese Forschungsarbeit wird die Unterschiede aufzeigen und deren Einfluss auf die Vergleichbarkeit untersuchen und mit dem generierten Wissen mittels Expert*inneninterviews die Forschungsfrage beantworten.

Stand der Forschung

Bereits bei der VRV 1997 zeigten Wissenschafter*innen auf, dass die Vergleichbarkeit nicht gegeben war. Die Möglichkeiten für eine Verbesserung wurden nun geschaffen, ergeben sich jedoch bei der Umsetzung Differenzen.

Methodik