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5. H AUSHALTSRECHTSREFORM DER G EMEINDEN

5.4 Kennzahlen des Gemeindehaushaltes

Dieses Unterkapitel soll einen Überblick über die Kennzahlen verschaffen. Die neue Verordnung dient den Gemeinden als wertvolles Steuerungselement, und Kennzahlen dienen als wichtige Grundlage. Im nachfolgenden Kapitel 7.4 „Aussagekraft der Kennzahlen“ wird auf dieses Unterkapitel aufgebaut.

Die VRV 2015 bietet mit den Zahlen und Daten aus dem Drei-Komponenten-Rechnungssystem neue Möglichkeiten zur Berechnung von Kennzahlen. Die bereits genutzten Kennzahlen, basierend auf der VRV 1997, erfuhren eine Überarbeitung und wurden an die Neuerungen angepasst. Der KDZ-Quicktest Neu, welcher vom Zentrum für Verwaltungsforschung entwickelt wurde, bietet den Gemeinden die Möglichkeit, die Daten der drei Haushalte zu analysieren. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Entwicklung und Nachhaltigkeit der Finanzen der Gemeinde gelegt (vgl. Biwald / Hödl 2017, S. 25).

Sowohl bei der Berechnung als auch bei der Interpretation der Kennzahlen darf man die Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung, sei es die Bewertung des Vermögens oder die Einhebung von Abgaben, Gebühren und Steuern als Einnahmequellen der Gemeinde, nicht außer Acht lassen. Daher sind die typischen Kennzahlen der Privatwirtschaft nicht automatisch auch auf kommunaler Ebene anwendbar. Die folgenden Gründe unterstreichen diese Aussage:

 Die Einwohner*innen einer Gemeinde sind nicht mit Aktionär*innen gleichzusetzen. Finanzielle Überschüsse werden nicht als Dividende ausgeschüttet und bereits gezahlte Steuern und Abgaben werden bei einem Umzug nicht zurückerstattet. Daher sind Kennzahlen bezüglich der Rentabilität nicht möglich.

 Unternehmer*innen erzielen ihre Umsätze auf freien Märkten, welche durch Angebot und Nachfrage geregelt werden. Ein weiterer Faktor ist der Einsatz des Vermögens eines Betriebes. Gemeinden hingegen erwirtschaften ihre Einnahmen, unabhängig von ihrem Vermögen, zum Großteil durch Zwangsabgaben und Bedarfszuweisungen. Demgemäß ist die Berechnung von Kennzahlen der finanziellen Leistungsfähigkeit, wie sie in der Privatwirtschaft Anwendung findet, wenig sinnvoll.

 Wie zuvor erwähnt, besteht ein Großteil der Vermögenswerte einer Gemeinde aus Sachanlagen. Bei diesen besteht, im Gegensatz zu Vermögensgegenständen eines Unternehmens, welche erwirtschaftet wurden, im seltensten Fall die Möglichkeit zur Veräußerung. Demzufolge weisen diese Vermögensgegenstände

Haushaltsrechtsreform der Gemeinden

daher keinen marktbestimmten Preis auf. Die Werte vieler Kulturgüter, welche bereits seit Jahrhunderten im Besitz der Gemeinde sind, werden mit vorgegebenen Bewertungsmethoden analysiert. Mit den errechneten Daten kann mit der Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva einer Gemeinde das Nettovermögen beziehungsweise Eigenkapital der Gemeinde dargestellt werden.

Aufgrund der Tatsache, dass die Vermögenswerte auf der Aktivseite einer Gemeinde nicht zur Gänze mit Mittel der Passivseite finanziert wurden, ist das ermittelte Eigenkapital nicht vergleichbar mit dem Eigenkapital eines privatwirtschaftlichen Unternehmens. Somit sind Kennzahlen, basierend auf den Werten des Eigenkapitals, nicht auf dieselbe Weise interpretierbar.

Daraus lässt sich schließen, dass Kennzahlen der Privatwirtschaft eine Adaptierung benötigen, um eine Anwendbarkeit auf kommunaler Ebene schlüssig vertreten zu können (vgl. Meszarits 2017b, S. 20).

Bereits im Reformpaket des Bundeshaushaltsrechts wurden die Staatszielbestimmungen modifiziert und in der österreichischen Bundesverfassung verankert. Unteranderem wurden Bund, Länder und Gemeinden verpflichtet, die Sicherstellung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu gewähren. Dies hat zur Folge, dass der Gemeindehaushalt nachhaltig und ausgeglichen geführt werden muss. Um eben diese Nachhaltigkeit bewerten zu können, dienen die Ergebnisse der Nettoergebnisquote und Nettovermögensveränderungsrate (vgl. Schauer 2020, S. 106).

Für eine Gemeinde ist entscheidend, die Aufrechterhaltung ihrer Dienstleistungen und Infrastruktur zu gewähren. Daher besitzt die Nettoergebnisquote eine starke Aussagekraft. Diese zeigt das Verhältnis der laufenden Erträge zu den Finanzierungskosten für Dienstleistungen und Infrastruktur. Ein positiver Wert ist anzustreben, da dies bedeutet, dass die Kosten mit den eigenen Einnahmen gedeckt werden können und die Gemeindefinanzen nachhaltig im Gleichgewicht bleiben. Ein negativer Wert kann auf eine zu große Infrastruktur oder ein ausgeufertes Leistungsportfolio deuten (vgl. Biwald / Hödl 2017, S. 25).

Nettoergebnisquote = Nettoergebnis Aufwendungen

Die Gemeinden sind überdies angehalten einen nachhaltigen und ausgeglichenen Haushalt zuführen, Dies bedeutet, dass das Nettovermögen die Kenngröße ist, welche es zu beobachten gilt. Um deren Veränderung deutlich zu machen, wird die Nettovermögensveränderungsrate berechnet. Hierfür ist es notwendig, zuvor einen bestimmten Bezugspunkt zu wählen, an dem das Nettovermögen gemessen wird. Dabei kann sowohl auf die Werte des Nettovermögens in der Eröffnungsbilanz zurückgegriffen werden als auch ein Durschnitt vergangener Jahre herangezogen werden. Die Tatsache, dass unterschiedliche Bewertungsmethoden des Vermögens der Gemeinden bei dieser Kennzahl zur Anwendung kommen könne, gilt es zu berücksichtigen, um eine valide

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Aussagekraft aufrechtzuerhalten. Für die folgende Formel wurde ein Durchschnitt des Nettovermögens der vergangenen fünf Jahre gewählt vgl. Meszarits 2017b, S. 30).

Nettovermögensveränderungsrate = Nettovermögen t

Nettovermögen Durchschnitt t-5 bis t-1

Die Kennzahlen, welche die finanzielle Leistungsfähigkeit einer Gemeinde bewerten, werden vor allem mit den Daten des Finanzierungshaushalts gespeist. Diese sind für die Steuerung des kommunalen Haushalts essenziell und sind ausschlaggebend bei Finanzentscheidungen.

Die Freie Finanzspitze, eine der Schlüsselkennzahlen einer Gemeinde, beschreibt die Situation des Geldflusses der operativen Gebarung abzüglich der laufenden Schuldentilgung. Bei der Gegenüberstellung des Saldos der Gebarung abzüglich der benötigten Finanzmittel für Tilgungen der Schulden, welche für Investitionen aufgenommen wurden, sowie der operativen Einzahlungen zeigt sich, welche Finanzmittel für weitere Investitionen zur Verfügung stehen. Die Kennzahl dient als Entscheidungshilfe betreffend Investitionsvorhaben (vgl. Meszarits 2017b, S. 36).

Freie Finanzspritze = Geldfluss operative Gebarung - Schuldentilgung Einzahlungen operative Gebarung *100

Neben der Freien Finanzspitze, ist die Eigenfinanzierungsquote die maßgebliche Kennzahl, um die finanzielle Leistungsfähigkeit und Liquidität der Gemeinde darzustellen.

Es wird dabei ein Vergleich der operativen und investiven Auszahlungen zu den dafür notwendigen Eigenmitteln aufgestellt. Ein Ergebnis der Rechnung über 100 bedeutet, dass die Gemeinde die Kosten des laufenden Betriebs ohne Fremdmittel aufrechterhalten kann (vgl. Biwald / Hödl 2017, S. 25).

Eigenfinanzierungsquote = Einzahlungen der operativen + investiven Gebarung Auszahlungen der operativen + investiven Gebarung

Um den Umgang mit Schulden und deren Ausmaß analysieren zu können, stehen den Entscheidungsträger*innen sowohl die Schuldendienstquote als auch die Berechnung der Verschuldungsdauer zur Verfügung.

Einen Großteil der Einnahmen einer Gemeinde bilden die eingehobenen Abgaben, Gebühren und Steuern sowie die Ertragsanteile. Die Schuldendienstquote zeigt eine Gegenüberstellung des Schuldendiensts, also aller Zins- und Tilgungszahlungen, und der Abgabenerträge. Eine geringe Schuldendienstquote ist von den Gemeinden zu favorisieren. Aufgrund von Stundungen und tilgungsfreien Jahren kann es auch ohne Entschuldung zu einer Senkung der Quote kommen. Die für die Berechnung notwenigen

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Daten und Zahlen werden dem Finanzierungshaushalt und den Einzelnachweisen der Finanzschulden entnommen (vgl. Meszarits 2017b, S. 26).

Schuldendienstquote = Gesamtschuldendienst Abgabenerträge *100

Als Ergänzung zur Schuldendienstquote dient die Berechnung der Verschuldungsdauer, welche die Dauer einer vollständigen Tilgung aller Verpflichtungen zeigt, vorausgesetzt die operative Gebarung bleibt konstant. Aufgrund der im Zuge der VRV 2015 eingeführten Vermögensrechnung und der darin enthaltenen präzisen Angaben zum Schuldenstand, wird die Aussagekraft dieser Kennzahl gesteigert (vgl. Meszarits 2017b, S. 25).

Verschuldungsdauer = Schuldenstand lt. Vermögensrechnung-Liquide Mittel Saldo der operativen Gebarung

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