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Der kampanische Dialekt von Piedimonte Matese verfügt über sieben Vokale in betonter Stel-lung [i, e, , a, , o, u]. Die heutigen Vokalqualitäten sind auf den Zusammenbruch des Quan-titätensystems des klassischen Lateins zurückzuführen (siehe u. a. Lepschy & Lepschy 1986, Maiden 1997, etc.). Das Kampanische ist mit dem vulgärlateinischen System der betonten Vokale gleichzusetzen (Radtke 1988, 1997). Während in nachtoniger Stellung [i, , a, u] und [] auftreten können, sind in vortoniger Position nur [i, , a, u] beobachtbar.

2.2 Metaphonie

Unter Metaphonie versteht man allgemein den Prozess der Anhebung bzw. Diphthongierung betonter Vokale (siehe u. a. Rohlfs 1966: 12-15, Calabrese 1985, 1988, Maiden 1991, Fanci-ullo 1994, Savoia & Maiden 1997, etc.) in bestimmten Kontexten. Die Metaphonie kann prin-zipiell sowohl in geschlossener als auch in offener Silbe stattfinden. Im Kampanischen von Piedimonte Matese kommt es dabei zur Anhebung der mittleren Vokale //, /e/, die zu [e], [i]angehoben werden, bzw. von //,/o/zu [o],[u]Es handelt sich hierbei um die Metaphonie des arpinatischen Typs (oder ciocaresco, siehe u. a. Moro 2003: 74). Die Diphthongierung ist hier, anders als bei der Metaphonie des neapolitanischen Typs und in den meisten kampani-schen Dialekten (vgl. u. a. Radtke 1997: 56-59, Savoia & Maiden 1997: 18, Russo 2001, 2002, Maturi 2002, Moro 2003, etc.), nicht anzutreffen. Jedoch können nicht nur Input- und Outputsegment, sondern ebenso der auslösende, segmentale Kontext je nach Dialekt variieren (Savoia & Maiden 1997: 16). Während die Metaphonie in norditalienischen Dialekten zu-meist durch ursprüngliches /i/ in der nachtonigen Silbe ausgelöst wird (Savoia & Maiden 1997: 20), variiert in den meisten süditalienischen Dialekten, wie auch in Piedimonte Matese, der betonte Vokal aufgrund von originärem, nachtonigem /i/ und /u/. Das Phänomen findet seine Anwendung aber nicht nur innerhalb des Konjugationssystems (1a, b), sondern ebenso bei Nomina und Adjektiven. Dabei geht die Metaphonie einher mit einer Genus- (3a, c) bzw.

Numerusalternation (3b, d).

(3) a. tutarla /-la/ tutarelu //®e]/ /u/

Esel N-Dim., fem., Sg. vs. Esel N-Dim., mask., Sg.

‛kleiner weiblicher Esel’ ‛kleiner männlicher Esel’

b. mes /mes-/  misi /e/®i]/ /i/

‛Monat’ N, mask., Sg. vs. ‛Monate’ N, mask., Pl.

c. bna /bn-/ bonu //®o]/ /u/

‛gut’ A, fem., Sg. vs. ‛gut’ A, mask., Sg.

d. vaonu /vaon-/ vauni /o/®u]/ /i/

jung A/N, mask., Sg. vs. jung A/N, mask., Pl.

‛jung’/ ‛junger Mann’ ‛jung’ / ‛junge Männer’ 

Bezüglich des Verhaltens unbetonter Endvokale ist anzumerken, dass in den meisten kamp-anischen Dialekten ein Zusammenfall zu [] beobachten ist mit Ausnahme von auslautendem /a/, das sich gegenüber der Neutralisation am resistentesten verhält (vgl. Sornicola 1997: 332).

Für den vorliegenden Dialekt kann hingegen gesagt werden, dass /e, ,i/ in unbetonter Positi-on am Wortende zu Schwa zusammenfallen oder vollständig realisiert sind. Dies ist vor allem in interkonsonantischer Position zwischen zwei Wörtern Wort1#Wort23 beobachtbar, bspw.

[blvan,hübsche junge Frauen’, [blvan,aber *[blvanDort wird

der jeweilige Vokal obligatorisch vollständig realisiert. Zwar gilt für die Mehrzahl kampani-scher Dialekte auch der Zusammenfall der vorderen Vokale zu Schwa, hingegen bescheinigt Maturi (2002: 57) für einige benachbarte Dialekte Piedimonte Mateses das Auftreten von aus-lautendem /e/ als [e] oder []. Im hier untersuchten Dialekt kommt es zur Absenkung von aus-lautendem /e/ zu [].

Ähnliches gilt für das Verhalten der hinteren Endvokale, die entweder zu Schwa oder zu [u]

zusammenfallen, bspw. [blvaon,hübscher junger Mann’, [blvaon,aber

*[blvaon in interkonsonantischer Position (Wort1#Wort2).Die Realisierung von aus-lautendem [o] ist nicht zu beobachten (siehe, bis auf wenige Ausnahmen, auch die Beispiele in Marrocco 1999: 418-423).

Für die Metaphonie bedeutet dies, dass die potentiell auslösenden phonologischen Kontexte nach wie vor erhalten sind. Die Berücksichtigung unbetonter Endvokale im interkonsonanti-schen Kontext als Auslöser für die Metaphonie gegenüber [], bleibt bei Maiden (1991) aus.

Anzumerken ist darüber hinaus, dass die Metaphonie nicht rekursiv ist. Demnach erhält man aufgrund der Metaphonie eine Anhebung von // nach [o] für /bn-/ zu [bonu], jedoch findet eine weitere Anhebung von [o] nach [u] nicht statt (*[buni]) (3c). Eine Ausnahme bilden die mit dem Augmentativsuffix /-onu/ gebildeten Nomina des Typs [vaonu]/[vauni] (3d) (vs.

[vana], ‛jung’/‛junge Frau’, A/N, fem., Sg.), wo eine Morphologisierung zu vermuten ist (ebenso [kafna], ‘Flegel’, fem., Sg. /[kafonu], ‘Flegel’, mask., Sg./[kafuni], ‘Flegel’, mask., Pl.).

2.3 Variation vortoniger Vokale

Die Daten in (2a bis d) belegen eine besondere Auffälligkeit bezüglich der Variation vortoni-ger Vokale: Während /e/ sowohl zu [] abgesenkt (2a) als auch zu [i] angehoben werden kann (2b), werden die hinteren Vokale entsprechend dem Verhalten der unbetonten Endvokale zu [u] neutralisiert (2c, d). Vortonige Vokale fallen nicht zu Schwa zusammen. Dies ist, ebenso wie die Metaphonie, nicht nur bei Verben (2a bis d), sondern auch bei Nomina und Adjekti-ven zu beobachten:

(4) a. [pnelu] /pen-/ /e/ ® [

‘Pinsel’ N, mask., Sg.

b. [plusu] /pel-/

‘behaart’ A, mask., Sg.

(5) a. [liam /le-/ /e/ ® [i]

‘Holz’, N, mask., Sg.

b. [riuni] /re-/

‘Nieren’, N, mask., Pl.

(6) a. [purtelu] /pr-/ // ® [u]

‘Ferkel’, N, mask., Sg.

b. [pukilu] /pk-/

‘kleines bisschen’ A-Dim., mask., Sg.

(7) a. [pulastru] /pol-/ /o/ ® [u]

‘Hähnchen’, N, mask, Sg.

b. [rusa] /ros-/

‘rötlich’, A, fem., Sg.

Die Variation vortoniger Vokale ist für verschiedene süditalienische Dialekte, in denen es zu einer Anhebung kommt, bereits von Maiden (1988), Bafile (1997) und für das Altneapolitani-sche von Formentin (1993) und Moro (2003) untersucht worden. In diesen Varietäten ist die Variation vortoniger Vokale abhängig von a) ihrer vortonigen Position und b) von der Quali-tät des betonten Vokals. Demnach sei eine Anhebung des vortonigen Vokals nur möglich, wenn es sich auch beim betonten Vokal um einen hohen Vokal handelt. Somit komme es zu einer regressiven Vokalharmonisierung (armonia regressiva, Maiden 1988). Im Gegensatz dazu spielt für Bafile (1994) im Neapolitanischen die Qualität des betonten Vokals keine Rol-le.

Im untersuchten Dialekt geschieht jedoch nicht nur eine Anhebung, sondern auch eine Ab-senkung desselben Vokals. Die Qualität des betonten Vokals spielt dabei keine Rolle, wie das folgende Beispiel zeigt. Eine Vokalharmonie von vortonigem und betontem Vokal ist hier nicht zu beobachten4:

(8) / m e t m u / ® * [ m tmu ]

[ ][HIGH] [HIGH][HIGH]

Die von Maturi (2002) untersuchten beneventanischen Dialekte weisen hingegen die Neutrali-sierung der vorderen Vokale zu [] bzw. der hinteren Vokale zu [u] in vortoniger Stellung auf.

Das Verhalten der hinteren Vokale ist somit identisch mit ihrer Neutralisation im Dialekt von Piedimonte Matese.

Die Frage muss also lauten, welche Mechanismen bei der Variation von /e/ und der hinteren Vokale in vortoniger Stellung wirken, die unterschiedliche Outputs bei gleich bleibendem Input erzeugen. Hierfür und für die Untersuchung der Metaphonie wird zunächst das Funda-ment auf der Basis eines phonologischen Modells bereitet.