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5. Alternativer Lösungsversuch

5.1. Die Funktion von subordinierenden Konjunktionen

Um die Frage nach dem kategorialen Status der Konjunktionen zu beantworten, muss zuerst eruiert werden, was ihre Anwendung auslöst. Man betrachte folgende Beispiele:

29. Aunque tiene tiempo 29.1. Tiene tiempo 30. Porque no lo sabía 30.1. No lo sabía

31. Que tu padre ha llegado 31.1. Tu padre ha llegado.

Worin unterscheiden sich diese Konstrukte? Alle enthalten eine finite IP. Alle sind im Indika-tiv. Eine Evaluierung der Wahrheitsbedingungen ihrer Proposition ist allerdings nur im Falle von (29.1), (30.1) und (31.1) möglich. Profan gesagt: über (29.1), (30.1) und (31.1) kann so etwas wie "ja, es stimmt", "nein, es stimmt nicht" oder "ich weiß nicht" gedacht werden. Da-gegen lassen sich solche Urteile im Falle von (29), (30) und (31) nicht fällen. Nebensätze scheinen also nur dann einen Wahrheitswert zu haben, wenn sie von einem Matrixsatz beglei-tet werden. Schon Frege hatte dies festgestellt:

"Ein abgesonderter Nebensatz hat nicht immer einen Sinn, bei dem Wahrheit in Frage kommen kann, während das Satzgefüge, dem er angehört, einen solchen Sinn hat." (Frege 52003: 40)

Deklarativsätze scheinen also etwas zu haben, das dann abhanden kommt, wenn sie von einer subordinierenden Konjunktion eingeleitet werden. In Anlehnung an Ferrari (1995)7nenne ich diese Eigenschaft, die bei eingebetteten Konstrukten neutralisiert wird, Satzmodus. Was ist aber der Satzmodus?

Der Satzmodus kann als eine sowohl semantisch als auch kognitiv verankerte Erscheinung verstanden werden. Er ist eine der Semantik angehörende sprachliche Dimension, weil nur den Sprachsegmenten, die über einen Satzmodus verfügen, ein Wahrheitswert zugeschrieben

werden kann, so dass sie die semantischen Relationen Implikation und Kontradiktion einge-hen können. Andererseits ist der Satzmodus auch eine kognitiv fundierte Erscheinung, weil er mit dem menschlichen Vermögen korreliert, über Sachverhalte urteilen zu können. Ange-nommen wird auch, der Satzmodus stehe direkt mit der Illokution in Verbindung, ohne jedoch für deren semantische Repräsentation allein verantwortlich zu sein. Daher ist nach Ferrari (1995: 106-113) der Satzmodus

"[…] l'entità che, computata inferenzialmente, permette all'interpretante di ricostruire la forza illocutiva che il locutore ha inteso attribuire alla sua enunciazione […]. […] il SATZMODUS sta in una relazione privilegiata con l'illocuzione."

Mit dieser Auffassung bin ich allerdings nicht gänzlich einverstanden. Denn auch wenn der Satzmodus und die Illokution sich, wie von Ferrari betont, gegenseitig bedingen, stellen sie m.E. unterschiedliche Sprachdimensionen8 dar. Um diesen Gedanken zu erläutern, ist es not-wendig, kurz an die Wahrheitsbedingungssemantik anzuknüpfen.

Der Grundgedanke wahrheitsfunktionaler Semantiken besteht in der Annahme, dass die Be-deutung eines Sprachsegments mit seinen Wahrheitsbedingungen zusammenfällt:

"Einen Satz verstehen, heißt, wissen was der Fall ist, wenn er wahr ist. (Man kann ihn also verstehen, ohne zu wissen, ob er wahr ist.) Man versteht ihn, wenn man seine Bestandteile versteht." (Wittgenstein 91993: Satz 4.024)

Der Satzmodus hat m.E. mit diesem Evaluierungsvorgang zu tun. Illokutionen stehen dagegen mit dem Handlungszweck eines durch den Satzmodus modalisierten Sprachsegmentes in Ver-bindung. Wenn es einen Bezug zwischen Satzmodus und Illokution gibt, liegt dieser somit eher darin, dass der Satzmodus eine Art Stütze für die Illokution darstellt, und zwar in dem Sinne, dass satzmoduslose Sprachsegmente nur unter ganz spezifischen Bedingungen als Illo-kutionsträger fungieren können.

Der Satzmodus kann nach Ferrari (1995) 'geschlossen' oder 'offen' sein9. Ist er geschlossen, was syntaktisch dem Satztypus 'deklarativ' entspricht, dann rückt der Vorgang der Evaluie-rung des Wahrheitswertes der Proposition automatisch in den Vordergrund (vgl. 29.1, 30.1 und 31.1). Ist der Satztypus nicht deklarativ, sondern interrogativ, imperativ oder exklamativ, dann ist der Satzmodus offen und die Evaluierung des Wahrheitswertes der Proposition tritt in den Hintergrund zugunsten anderer Dimensionen der sprachlichen Kommunikation, z.B. der illokutionären Kraft. Das ist in (32) der Fall, wo der offene Satzmodus die Versprachlichung einer höflichen Forderung unterstützt:

32. ¿Me pasas la sal, por favor?

Der Grund, weshalb (32) nicht als satzmoduslos eingestuft werden kann, liegt darin, dass die Durchführung eines Sprechaktes immer die Existenz einer hinsichtlich ihres Wahrheitswertes evaluierbaren Proposition voraussetzt. Wäre dies nicht der Fall, ließe es sich auch nicht erklä-ren, weshalb sich (32) bejahen oder verneinen lässt. Der Satzmodus darf allerdings nicht mit der morphosyntaktischen Eigenschaft Modalität gleichgestellt werden. Denn obwohl (29) und (29.1) die gleiche Modalität aufweisen, hat nur (29.1) einen Satzmodus.

Aus diesen Beobachtungen geht m.E. hervor, dass Formen wie que, aunque, porque etc. die Eigenschaft teilen, die Auslösung des Satzmodus zu unterbinden.

Die Folge davon ist, dass der Wahrheitswert der eingeleiteten IP, sofern diese wie in (29), (30) und (31) nicht im Skopus des Satzmodus eines Matrixsatzes steht, nicht mehr evaluierbar ist.

Da den Beispielen (29), (30) und (31) die für Deklarativsätze so entscheidende Eigenschaft Satzmodus fehlt, ist davon auszugehen, dass sie keine Sätze und daher auch keine Nebensätze sein können. Ich nenne sie daher Klauseln (vgl. Gaudino Fallegger, 2005). Das Hauptmerk-mal der Klauseln ist, dass ihr Wahrheitswert sich nur dann evaluieren lässt, wenn sie sich in der Domäne eines übergeordneten Satzmodus’ befinden.

Ausgehend von obigen Überlegungen definiere ich den Konjunktionsbegriff wie folgt:

Konjunktionen sind Lexeme, die aus einem Satz eine Klausel machen. Klauseln sind IPen, bei denen die Konjunktion die semantische Eigenschaft Satzmodus neutralisiert hat.

Die sonst allgemein anerkannte Annahme, die Hauptfunktion der subordinierenden Konjunktionen sei es, einen Satz in einen anderen zu integrieren, ist ausgehend von obiger Konjunktionsdefinition revidierungsbedürftig. Zum einen, weil durch Konjunktionen Klauseln und nicht Sätze in den Matrixsatz integriert werden. Zum anderen, weil m.E.

Konjunktionen dazu dienen, die IP, die sie einleiten, in die Domäne des Satzmodus des übergeordneten Satzes zu integrieren (vgl. Formalisierung 36).

Wenn aber Sätze einen Satzmodus haben und Klauseln nicht, wo lässt sich syntaktisch die semantische Eigenschaft Satzmodus ansiedeln? Diese Frage lässt sich wahrscheinlich je nach Ansatz sehr unterschiedlich beantworten. Ich möchte hier eine Lösung im Rahmen des Prin-zipien- und Parametertheoriemodells vorschlagen; daher nehme ich an, dass der relevante Knoten für den Satzmodus die CP ist.

Ist die CP overt, d.h. durch keine Konjunktion spezifiziert, dann verfügt die IP über einen Satzmodus (vgl. 33). Ist der Kopf des Knotens, also COMP, mit einer Konjunktion belegt, dann verfügt die IP über keinen Satzmodus (vgl. 34). Daraus geht hervor, dass syntaktisch betrachtet COMP ein 'anomaler' Kopf ist. Denn er ist 'aktiv', wenn er overt ist, d.h. wenn er

durch keine der Formen spezifiziert wird, die sonst in situ generiert werden können. Die Formalisierungen (33) bis (36) veranschaulichen diesen Gedankengang:

33. Einfacher Satz

Semantik [Satzmodus [Proposition]]

Syntax [ CP [ IP ]]

Satz [ Ø [ cantamos ]]

34. Klausel

Semantik [Satzmodus [Proposition]]

Syntax [ CP [ IP ]]

Satz [ aunque [ cantamos ]]

35. Koordination von finiten Sätzen

Semantik [[Satzmodus [Proposition]] Bindung [Satzmodus [Proposition ]]]

Syntax [[ CP [ IP ]] koord. K. [ CP [ IP ]]]

Satz [[ Ø [ cantamos ]] y [ Ø [ hablamos ]]]

36. Komplexer Satz

Semantik [Satzmodus [[Proposition] È10 [Satzmodus [Proposition]]]]

Syntax [ CP [[ IP ] È [ CP [ IP ]]]]

Satz [ Ø [[ cantamos ] È [ porque [ nos gusta ]]]]

Als Ergebnis obiger Beobachtungen lässt sich folgende Generalisierung formulieren: Jedes Lexem, das eine finite IP selegiert und dafür sorgt, dass der resultierende Ausdruck 'satzmoduslos' ist, ist eine Konjunktion. Diese Aussage ist auch relevant, um den Unterschied zwischen subordinierenden und koordinierenden Konjunktionen zu klären. Man beachte folgende Imperativsätze:

37. ¡Hazlo bien!

38. ¡Pero hazlo bien!

39. ¡Y hazlo bien!

40. *¡De manera que hazlo bien!

41. *¡Porque hazlo bien!

Eine Aufforderung wie etwa (37) setzt die Existenz des Aussagesatzes 37.1. X se puede hacer bien/mal

voraus, d.h. eines Konstrukts, dessen Wahrheitswert evaluierbar ist. Imperativsätze sind daher genauso wie Aussagesätze an einen Satzmodus gebunden. Bei ihnen rückt allerdings die Eva-luierung des Wahrheitswertes in den Hintergrund zugunsten des durchgeführten Sprechaktes, so dass man sagen kann, dass ihr Satzmodus offen ist (vgl. S. 16). Wenn (38) und (39) seman-tisch und syntakseman-tisch korrekt sind, ist dies damit zu begründen, dass koordinierende Konjunk-tionen die semantische Dimension Satzmodus nicht neutralisieren können. Deshalb kann ihr interner Konnex trotz ihrer Präsenz weiterhin als Aufforderung fungieren. Subordinierende Konjunktionen wie de manera que oder porque saturieren COMP und neutralisieren deswe-gen den Satzmodus, so dass die Präsupposition eines Wahrheitswertes für ihren internen Konnex ausgeschaltet wird. Dies erklärt, weshalb (40) und (41) trotz des Imperativmodus’ gar nicht als Aufforderungen interpretiert werden können. Koordinierende Konjunktionen sind also reine Konnektoren, die dazu dienen, Sprachsegmente unterschiedlichen Typs auf der gleichen hierarchischen Ebene zu verbinden:

42. Suya y mía (Phrase + Phrase)

43. Porque me gusta y (porque) está barata (Klausel + Klausel) 44. Lo lavo y lo plancho (Satz + Satz)

45. (a) Lo he comprado.

(b) ¿Y te gusta? (Thematische Kontinuität im Dialog)

Aus diesem Blickwinkel kann also porque auf gar keinen Fall eine koordinierende Konjunktion sein. Kommt es daher in Konstrukten vor, die, wie etwa (25), den Eindruck erwecken, es könnte sich um koordinierte Sätze handeln, muss für diese Erscheinung eine andere Ursache, womöglich die Lockerung der Integration zwischen Matrixsatz und Klausel, angenommen werden.

Beispiele wie (21) und (22), in denen que keinen Komplementsatz einleitet, oder (24), wo die porque-Klausel vom übergeordneten Prädikat subkategorisiert wird und daher kein Adjunkt sein kann, stützen die Annahme, dass die in allen Ansätzen so hervorgehobene Distributionssymmetrie der Komplementsätze mit den Nominalphrasen und der Adverbialsätze mit den Adverbialphrasen kein adäquates Kriterium zur Bestimmung des kategorialen Status’ der Konjunktionen ist. Daher schlage ich vor, alle Formen, die die Eigenschaft haben, in COMP generiert zu werden und den Satzmodus auszuschalten, unabhängig davon, ob die eingeleitete Klausel syntaktisch ein Komplement oder ein Adjunkt ist, als Konjunktionen zu erfassen. Um diese Formen von jenen abzugrenzen, die wie y oder pues und pero nicht in COMP generiert werden, reicht es daher aus, die letzteren weiterhin als koordinierende Konjunktionen zu bezeichnen. Will man Formen wie para que oder a pesar de que von que unterscheiden, dann bietet sich als Lösung an, von X(que)-Konjunktionen zu sprechen. Das 'X' steht für den Teil der Konjunktion, der als Erweiterungspartikel zu que

fun-giert. 'Que' steht in Klammern, weil nicht jede X(que)-Konjunktion – man denke etwa an das kausale como oder das temporale mientras - ein que als Formativ beinhaltet.