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3. Die Konjunktionen in der Generativen Grammatik

3.1. Entstehung und Entwicklung des Komplementiererbegriffs

Der Komplementiererbegriff wird von Rosenbaum (1967) eingeführt. Komplementierern, zu denen that, whether und for-to gezählt werden, werden folgende drei Eigenschaften zuge-schrieben:

1. Sie sorgen dafür, dass eine Verbalphrase als Komplement eines regierenden Prädikats fungieren kann.

2. Sie sind eine Funktion des regierenden Prädikats. Es ist also das Prädikat des Matrix-satzes, welches das Vorkommen der einen oder anderen Form auslöst (z.B. that oder whether).

3. Sie sind semantisch leer.

4. Sie befinden sich nicht in der Tiefenstruktur, sondern werden erst später mit Hilfe von Transformationsregeln eingeführt.

Problematisch an diesem Verständnis des Komplementiererbegriffs ist einerseits das aufwän-dige System von Transformationsregeln, die benötigt werden, um die verschiedenen Satzarten zu generieren (Komplementsatz, indirekter Interrogativsatz, Relativsatz), sowie die Annahme, diese Formen seien semantisch leer.

In den siebziger Jahren wird der Komplementiererbegriff entscheidend von Bresnan (1970, 1972, 1973, 1974) verändert. Bresnan geht davon aus, dass Komplementierer aufgrund ihrer Distribution (vgl. die Beispiele 9, 10 und 11 aus Bresnan 1972: 60) nicht semantisch leer sein können. Wäre dies nämlich der Fall, müssten (9), (10) und (11) synonymisch sein:

9. She never said that we should leave

10. She never said whether we should leave 11. She never said for us to leave.

Daraufhin schlussfolgert sie, dass Komplementierer nicht als eine reine grammatische Funkti-on angesehen werden können. Vielmehr stellten sie wie etwa PräpositiFunkti-onen eine eigenständi-ge Kategorie dar, die durch den in der Tiefenstruktur platzierten COMP-Knoten (COMP = complementizer) dominiert wird. Komplementierer nehmen Prädikate als Komplement, die ihrerseits von einem übergeordneten Verbalknoten subkategorisiert werden. Folgende Phra-senstrukturregel erfasst diese Verhältnisse:

12. S'5 ® COMP S.

Da wiederum die semantische Interpretation des subkategorisierten Komplements in Verbin-dung zum Komplementierertyp steht, führt Bresnan (1972) die Konvention der [±wh]-Spezifizierung ein. Komplementierer mit dem Merkmal [+wh] (etwa what, whether, when etc.) sorgen dafür, dass das Prädikat, das sie einleiten, eine freie Variable enthält, so dass es (im Sinne der logischen Semantik) semantisch unbestimmt bleibt. [-wh]-Komplementierer (z.B. that) markieren dagegen ihr Prädikat als 'definit', so dass es als semantisch bestimmbar gilt. Schließlich weitet Bresnan (1970, 1972) ihre Beschreibung des Nebensatzes auf den ein-fachen Satz aus und stellt die Hypothese auf, dass sich alle Sätze, ob eingebettet oder nicht eingebettet, durch die Phrasenstrukturregel (12) generieren lassen. Das Hauptargument für diese Generalisierung liefern direkte Fragesätze. Da nicht eingebettete Fragesätze genauso wie eingebettete indirekte Fragesätze durch ein [+wh]-Wort eingeleitet werden, nimmt die Autorin an, dass sowohl die einen als auch die anderen auf der Ebene der Tiefenstruktur for-mal gleich zu sein haben. Dass der COMP-Knoten in den Deklarativsätzen nicht manifest ist, lasse sich somit auf Transformationsregeln zurückführen.

Eine weitere Entwicklung erfährt der Komplementiererbegriff im Rahmen der 'Prinzipien- und Parametertheorie' (vgl. Chomsky 1981, 1986b, 1989). Dabei spielen die Anwendung der X-bar-Theorie auf den COMP-Knoten sowie die Unterscheidung zwischen lexikalischen und funktionalen Kategorien eine wesentliche Rolle. Nach der X-bar-Theorie sind Phrasen endo-zentrisch, uniform und hierarchisch strukturiert. Die Begriffe endozentrisch und uniform deu-ten darauf hin, dass Phrasen einen Kopf haben und unabhängig vom Kopftyp die gleiche for-male Struktur aufweisen. Hierarchisch strukturiert bedeutet, dass, wie in (13) dargestellt, Phrasen keine flachen linearen Konstrukte sind:

13. X''

Spec von X'' X'

X Y'' (Komplement)

X stellt den Kopf dar. Der Spezifizierer zusammen mit der X'-Ebene bildet die maximale Pro-jektion X''. Der Kopf mit dem eventuellen Komplement bildet die mittlere Ebene X' (vgl.

Chomsky 1981, 1986a, 1989).

Das X-bar-Schema wurde zuerst nur auf Phrasen mit lexikalischem Kopf angewendet. Lexi-kalische Köpfe, zu denen V(erb), N(omen), A(djektiv) und P(räposition) zählen, sind mit refe-rentiellen Merkmalen verbunden, die ontologischen Kategorien wie Ereignis (für V), Gegens-tand (für N), Zeit und Raum (für P) und Steigerung (für A) entsprechen. Deswegen weisen sie eine Argumentstruktur auf, die syntaktisch repräsentiert werden muss (Projektionsprinzip).

Eine Präposition wie etwa entre hat somit zwei Argumente, die durch NPen realisiert werden müssen :

14. Entre la calle1 y el río2.

Als sich die Auffassung durchsetzte, dass auch Lexeme ohne eine semantisch-referentielle Komponente und daher ohne Argumentstruktur projizierende Köpfe sein könnten, wurde das Konzept der funktionalen Kategorie eingeführt und die Anwendung der X-bar-Theorie auch auf diese ausgeweitet (vgl. Chomsky 1986a, Fukui/Speas 1986, Leffel/Bouchard 1991). Phra-sen, die zu einer funktionalen Kategorie gehören, selegieren ihre Komplemente nicht seman-tisch, sondern kategorial. Sie sind dabei mit einem Kasusnetz verbunden, das mit der Argu-mentenstruktur der lexikalischen Kategorien verglichen werden kann und die Gestaltung der maximalen Projektion steuert. Typische funktionale Kategorien stellen aus diesem Blickwin-kel nicht nur die Komplementierer dar, sondern auch die Determinatoren (vgl. Haegeman

21994: Kap. 11), welche Nominalphrasen selegieren, und die zur Verbalflexion gehörenden Morpheme. Die Verbalmorpheme bilden somit einen Knoten, der mit dem Symbol I (aus dem englischen Wort inflection, daher auch IP inflection phrase) dargestellt wird und Verbalphra-sen als Komplement nimmt. IPen fungieren ihrerseits als Komplemente des COMP-Knotens.

In COMP werden Komplementierer generiert, d.h. Formen, die durch das Merkmal [–wh]

spezifiziert sind. Die Verbindung eines Komplementierers mit seinem Komplement (IP) bil-det eine CP (also eine Komplementiererphrase aus dem englischen complementizer phrase).

Komplementiererphrasen sind somit an das X-bar-Schema angepasste Knoten6, die sich ober-halb der IP befinden. Komplementierer markieren die Propositionen, die sie einleiten, als

Ar-gumente eines übergeordneten Prädikats. Implizit gilt also, dass Phrasen, deren Kopf durch einen Komplementierer belegt ist, nicht als Adjunkt fungieren können. Das Baumdiagramm Nr. 15 veranschaulicht die Struktur einer CP:

15. CP

Spec-CP C'

C IP

Spec-IP I'

I VP

Spec-VP V'

V (-wh)

Ø María -e com- (nicht eingebetteter Satz) que María -e com- (eingebetteter Satz)