• Keine Ergebnisse gefunden

5. Diskussion

5.7. Vertrieb und Marketing

5.7.1. Vermittlungsagenturen

Der ausländische Patient ist von einem Dienstleistungsnetzwerk umgeben. Als Träger der Kosten für die Behandlung treten Botschaften, Konsulate, Ministerien, Versicherungen und sogar Spendenorganisationen auf. Die medizinische Leistung wird erbracht von den Klinken und Rehabilitationseinrichtungen sowie von niedergelassenen Ärzten. Medikamente und medizinische Hilfsmittel bieten Apotheken, Sanitätshäuser oder Optiker an. Dolmetscher, Sicherheitsunternehmen, Anwälte, religiöse Einrichtungen und Bestatter bieten flankierende Services an. Für ein Freizeitangebot treten Tourismusanbieter auf den Plan: Kultureinrichtungen, Freizeitparks, Kur- und Wellnessanbieter u.v.m.

(Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH 2015). In dieses Netzwerk treten Patientenvermittler ein, die auf der einen Seite dem Patienten den Zugang zum internationalen Medizinmarkt bieten und auf der anderen Seite den Krankenhäusern ausländische Patienten vermitteln. Patientenvermittler sollten über zielgruppenspezifische kulturelle und sprachliche Kompetenzen verfügen und die Behandlungsangebote in dem jeweiligen Herkunftsland des Patienten kennen.

Darüber hinaus werden nach Boscher (2017) (Kirsch, Juszczak 2017; S.14) von einem Patientenvermittler eine Vielzahl weiterer Tätigkeiten gefordert:

 Kontaktanbahnung

 Bearbeitung der Erstanfrage

 Ermittlung des eigentlichen medizinischen Problems des Patienten

 Recherche zur Identifizierung von Kliniken und medizinischen Spezialisten

 Zusammentragen von notwendigen Daten des Patienten

 Beschaffung von Behandlungsangeboten und Kostenvoranschlägen für die angefragte medizinische Behandlung

 Vermitteln und Erklären der Inhalte im Gespräch mit dem Patienten

 Klärung der finanziellen Gegebenheiten

 Klärung des Entgeltes für den Vermittler

 Unterstützung bei der Suche nach finanziellen Lösungen für die Vorkasse

 Beantragung Visum, Organisation von Terminen

 Organisation von Unterkünften (Patient plus Angehörige) und der Anreise

In einer Befragung18 bei 64 in Deutschland lebenden Patientenvermittlern ist dieses Aufgabenfeld bestätigt worden.

Nach Blum setzen 81% der Krankenhäuser auf Vermittler oder Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Akquisition und Betreuung von internationalen Patienten. Bei einem ausländischen Patienten wird die Zuweiserbindung durch einen ambulanten, heimischen Arzt als ein wichtiges Element bei der Akquise angesehen, da zum einen die Zuweisungen und zum anderen auch die adäquaten Nachfolgebehandlungen erfolgen müssen. Gerade bei den hochspezialisierten und komplexen Fällen, wie. z.B. im Bereich der Herzchirurgie hat eine enge und stabile Zuweiserbindung eine enorme Auswirkung auf die Genesungsqualität, da hier die Patienten in einer sechs wöchigen ambulanten Kontrolle weiterbehandelt werden müssen. Zudem erleichtert oder ersetzt die Unterstützung von professionellen Patientenvermittlern die Entwicklung einer aufwändigen eigenen Marketingstrategie der Krankenhäuser. Die Entwicklung und Ausführung einer individuellen Marketingstrategie zur Akquise von ausländischen Patienten kann für die Kliniken mit erheblichem personellem und finanziellem Aufwand verbunden

18Erhebung mittels Fragebogen der Firma GHMC für eine der führenden Klinikketten in Deutschland. Nähere Details bei (Kirsch, Juszczak 2017; S.114)

sein. Somit bietet sich für die Kliniken ein Patientenvermittler bzw. eine Vermittlungsagentur an (Kirsch, Juszczak 2017).

Die Zusammenarbeit mit Patientenvermittlern kann jedoch ein zweischneidiges Schwert sein, weil die Tätigkeit des Patientenvermittlers kein geschützter Beruf ist (Westhoff, Westhoff 2016). Es gibt keine Zulassungsberechtigungen und Prüfungen. Folglich besteht auch kein Berufsverband bzw. Kammer zur Registrierung für Patientenvermittler und/ -betreuer (Stukenberg 2018). Dabei sollte das Berufsbild Patientenvermittler im Sinne der medizinischen Unterstützung für die Patienten und der moralisch-ethischen Verantwortung mit entsprechenden Qualitätskriterien geschaffen werden. Aktuell sind oft die einzigen Qualifikationen eines Patientenvermittlers, dass er in einem anderen Kulturkreis aufgewachsen ist und einige Jahre in Deutschland gelebt hat. Daraus ergibt sich ein hoch-volatiler Markt, in welchem an einem Tag bis zu 700 Vermittler auftreten und an einem anderen Tag nur die Hälfte. Nach Boescher sollten die Patientenvermittler aus den verschiedenen Kulturkreisen mit den verschiedenen Ansichten organisiert werden (Kirsch, Juszczak 2017).

Aktuell finden sich immer wieder dubiose Geschäftsgebaren in diesem Nischenbereich (Ludwig, Schepp et al. 2013). Unterschlagung von Geldern oder moralisch fragwürdige Einflussnahmen auf die Patienten machen immer wieder Schlagzeilen (Roth 2016). Transparenz und Vertrauen sind aber für die Verknüpfung von Patienten und Leistungserbringern sowohl in medizinischer als auch in betriebswirtschaftlicher Sicht von essentieller Bedeutung, denn allein die Regelung zur Vergütung des Patientenvermittlers ist nicht trivial. Entweder erfolgt eine Bezahlung direkt durch den Patienten oder durch das Klinikum. Nach einem Bericht des Deutschlandfunks entsteht hier das Risiko der doppelten Bezahlung.

In solchen Szenarien wird zum einen dem Klinikum eine Rechnung gestellt und zum anderen werde auch der Patient mit einer Rechnung konfrontiert (Westhoff, Westhoff 2016). Es kann dem Vermittler zudem unterstellt werden, dass er Kliniken und Spezialisten so auswählt, dass er von beiden Parteien die größtmöglichen Gebühren erheben kann. Dies entspricht nicht den gesetzlichen Forderungen und moralisch-ethischen Ansprüchen der medizinischen Berufsgruppen in Deutschland. Die Berufsordnung der Ärzte (Bundesärztekammer 2018) und der gesetzliche Krankenversorgungsauftrag formulieren deutlich die Wahlfreiheit der

Patienten nach rein fachlichen Kriterien. In der Praxis werden in einer rechtlichen Grauzone Pauschalbeträge an den Vermittler, z.B. prozentualer Anteil der Klinikrechnung für die Vermittlung von Patienten, gezahlt. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes zu einem Urteil des Landgerichtes Kiel vom 28.10.2011 (Aktenzeichen 8 O 28/11) ist die reine Patientenvermittlung und damit der Beruf des Patientenvermittlers unzulässig und sittenwidrig (Landgericht Kiel 2011).

Penney et al. haben im Jahr 2011 kanadische Patientenvermittler analysiert. Die Erkenntnisse sprechen tatsächlich für eine verstärkte Regierungsaufsicht von Vermittlern im Namen der Verbesserung der Kommunikation und zur Minimierung von Risiken für die Patienten. Zum Patientenschutz seien Interventionen wie die staatliche Überprüfung der Makler-Akkreditierungsstellen und eine ständige öffentliche Kontrolle gerechtfertigt (Penney, Snyder et al. 2011; S.17).

Ohne Regulierung im Bereich des Medizintourismus können dessen potenzielle positive Effekte nicht realisiert werden. Johnston (2010) geht sogar so weit, dass insuffiziente Regulierungen eine Reputationsschädigung des internationalen Medizintourismus zur Folge haben kann. Diese Vorschriften müssten entwickelt werden, was aber ein hinreichendes Wissen über die Auswirkungen des Medizintourismus voraussetze. Um diese Wissenslücken zu schließen, müssten umfangreiche, valide Daten zum Medizintourismus erhoben und in eine klare und einheitliche Definition gefasst werden. Die Wege der medizinischen Touristen und die Erfolgsquoten ihrer Operationen müssten klar dokumentiert werden und zusätzliche primäre Forschung zu den Auswirkungen des Medizintourismus sollte aufgebaut werden (Johnston, Crooks et al. 2010; S.24).

Auch Turner (2011) regt an, Risiken durch unseriöse Patientenvermittler über gesetzliche Regelungen zu reduzieren. Akkreditierungsstellen könnten dazu beitragen, dass Medizintourismus-Agenturen vernünftige und umsichtige Praxisstandards erfüllen. Um sicherzustellen, dass "medizinische Touristen" eine kompetente Betreuung im Ausland sowie eine angemessene Nachsorge bei ihrer Rückkehr erhalten, müssten Medizintourismus-Unternehmen diese hohen Praxisstandards erfüllen. Da die Gesundheitsversorgung zunehmend die nationalen Grenzen überschreite, müssten die Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität der Gesundheitsversorgung auch auf den Medizintourismus zur Förderung der Globalisierung der Gesundheitsdienste ausgerichtet sein (Turner

2011; S.1-7). Aus Sicht der Krankenhäuser ergeben sich zusammenfassend Vor- und Nachteile aus der Zusammenarbeit mit Vermittlungsagenturen, die in Tabelle 15 aufgelistet werden.

Tabelle 15: Vor- und Nachteile der Kooperation mit Patientenvermittlern aus Kliniksicht

VORTEILE NACHTEILE

Länderspezifität Berufliche Erfahrung des Vermittlers in Bezug auf

Art der Kunden Kundenselektion,

Erreichbarkeit von VIPs Keine Einflussnahme möglich

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung (Christ, Zutt 2004; S.267-280)

Nach einem Bericht im Deutschlandfunk (2018) handeln seriöse Kliniken direkt und allein (Stukenberg 2018). Stukenberg empfiehlt, dass die Vermarktungsstruktur nicht über eine Vermittlungsagentur, sondern über die Krankhäuser, die ihre Leistungen ausländischen Patienten anbieten möchten, selbst erfolgen sollte.

5.8. Zentrale nationale Vermittlungsstelle für internationale