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5. Diskussion

5.6. Herausforderungen bei der Versorgung internationaler Patienten

5.6.7. Kommunikation

Die sozio-kulturellen Herausforderungen in dem Bereich der Versorgung von ausländischen Patienten sind enorm und nicht zu unterschätzen. Fehlerhafte Kommunikation bzw. Deutungsverhalten können zu direkten und indirekten höheren Kosten für das Krankenhaus und den Patienten führen. Die verbreitete Annahme in der westlichen, naturwissenschaftlich geprägten Medizin, dass Krankheit unbeschadet der kulturellen, sozialen und individuellen Determinanten Allgemeingültigkeit besitzt, führt in der klinischen Praxis zu enormen Missverständnissen in der Interaktion mit ausländischen Patienten. Die soziokulturelle Struktur der betreffenden Gesellschaft spielt für das Erleben eines Krankheitsbildes eine entscheidende Rolle (Zimmermann 2000; S.54). Die deutschen Krankenhäuser haben sich in den letzten Jahren speziell seit der DRG-Einführung vermehrt zu Wirtschaftsunternehmen entwickelt. Dies hat die sowieso schon vorhandene anonyme und sachliche Atmosphäre vieler deutscher Kliniken noch verstärkt. In dieser Atmosphäre fühlen sich ausländische Patienten oft vernachlässigt, da sie nicht die erwartete oder auch gewünschte Pflege bzw.

Betreuung erhalten (Zimmermann 2000; S.68). Die Basis für eine erfolgreiche medizinische Behandlung ist aber neben der fachlichen Qualifikation der Leistungserbringer das Vertrauen in das Krankenhaus und seine Ärzte und Pflegekräfte. Dieses Vertrauen wird vor allem durch eine einheitliche sprachliche und kulturelle Verbindung geschaffen (Dehn-Hindenberg 2008, Keller 2002). Es sollte daher kommunikativ geschultes Personal vorgehalten werden, welches nicht nur spezielle Situationen deuten kann, sondern auch Tabu-Bereiche kennt und vermitteln kann. Besonders bei der Patientenaufklärung und beim Einholen des Einverständnisses für eine bestimmte Therapieform ist eine fehlerfreie und empathische Kommunikation zwischen Arzt und Patient erforderlich.

Schwerwiegende medizinische und rechtliche Konsequenzen können die Folge von Kommunikationsstörungen in diesem Schritt des Behandlungspfades werden.

Nicht selten klaffen die Erwartungen der internationalen Patienten an die Ärzte und Pflege und deren durch das deutsche Gesundheitswesen geprägte Selbstverständnis auseinander. Diese Lücke bereitet den Boden für gefährliche Missverständnisse und sollte von beiden Seiten minimiert werden (Zimmermann 2000; S.64/65). Auch Marquardt beschreibt die Notwendigkeit der möglichst verlustarmen verbalen Kommunikation im Arzt-Patienten-Verhältnis. In einer immer stärker technisierten Medizinwelt ist die Zeit für ein ausführliches Gespräch meist sehr begrenzt (Marquardt 2015). Hinzu kommt, dass die ausländischen Patienten aus Ländern kommen, die zumeist über hochgerüstete Medizintechnik verfügen und längere Gespräche mit dem Arzt bzw. Pflegekraft gewohnt sind.

Neben der sprachlichen Verständnishürde ist damit die limitierte Zeit für das Arzt-Patienten-Gespräch eine weitere besondere Herausforderung bei der Behandlung ausländischer Patienten. Nach empirischen Untersuchungen wird die Anamnese bei der Hälfte der ausländischen Patienten abgebrochen bzw. nur unzureichend durchgeführt. Nach den ersten Verständnisproblemen beschränkt sich ein Arzt oft darauf, die Diagnose mit sogenannten „objektiven“ Befunden zu erstellen (Zimmermann 2000).

Der ausländische Patient trifft seine Entscheidung häufig nicht autonom, sondern nur im Rahmen seiner Familie. Wenn sich der Arzt auf dieses Vorgehen einlässt, kann es aus westlicher Sicht medizinethisch zu einer Verletzung der Selbstbestimmung kommen bzw. auch als Beeinflussung des Patienten gedeutet werden. Auch die körperliche Interaktion zwischen Arzt und Patient in bestimmten Phasen der Diagnose und Therapie kann bei ausländischen Patienten schwierig sein, denn es kann schnell ein religiöses Tabu verletzt werden. Anhand dieser Beispiele wird ein potenzieller Mehraufwand für den Arzt in der Gesprächsführung deutlich. Dieser Mehraufwand zieht sich durch den gesamten stationären Patientenaufenthalt. Die Pflege auf der Station wie auch z.B. die Verwaltung bei der Patientenaufnahme müssen eine adäquate Kommunikation verfolgen (Hoefert, Härter 2010).

Unterstützung kann das medizinische Personal durch professionelle Dolmetscher erhalten. In Deutschland besteht nach §630e Absatz 1 (BGB) eine Aufklärungspflicht im Vorfeld der Behandlung. Dieses Gespräch muss verständlich sein und ist nicht zwingend von einem professionellen Dolmetscher durchzuführen.

Es muss jedoch lediglich die Verständlichkeit sichergestellt werden, was z.B. auch

durch eine Krankenschwester oder Angehörige gewährleistet werden kann (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages 2017). In anderen europäischen Ländern hat ein ausländischer Patient bzw. der im Inland lebende Migrant jedoch gesetzlichen Anspruch auf Beistand durch einen professionellen Dolmetscher (Hackenbroch 2000). Illing (Illing 2000) geht auf Grundlage eines Artikels im Deutschen Ärzteblatt (Rieser 2000; A-430-A-431) speziell auf die Erwartungen von ausländischen Patienten an die deutsche medizinische Versorgung ein. Nach Illing sei während des therapeutischen Vorgangs ein Dolmetscher unumgänglich. Sollten die Angehörigen kein Deutsch sprechen, sei auch eine Begleitung der Angehörigen sinnvoll. Der Dolmetscher kann das Vertrauen des Patienten und seiner Angehörigen durch seine Kommunikation positiv und negativ beeinflussen (Hoefert, Härter 2010).

In den letzten Jahren sind nach Hoefert (2010) verschiedene Modelle zur Deckung des Bedarfs an Dolmetschern in Krankenhäusern entwickelt worden. Neben Gemeindolmetschern31F31F16 sind ethnomedizinische Zentren beansprucht worden.

Nach Meyer (2004) werden auch gezielt Fortbildungen von zweisprachigem Medizinpersonal forciert. Der Krankenhausalltag sieht sich allerdings oft mit spontanen und unplanbaren Übersetzungsnotwendigkeiten konfrontiert. In diesen Szenarien wird auf Verwandte, ausländisches Reinigungspersonal, zweisprachiges Pflegepersonal oder Ärzte zurückgegriffen. Vorteile der Übersetzungen durch diese Personen sind das bereits gefasste Vertrauen der Patienten und der medizinische Hintergrund des Personals (Meyer 2004). In der vorliegenden Untersuchung gaben 38% der befragten Patienten an, dass Ärzte oder Pflegende die Übersetzungen vorgenommen hätten. In 15% hätten die Angehörigen übersetzt und bei 47% der Patienten kamen interne oder externe Dolmetscher zum Einsatz (s. Abbildung 19). Allerdings geben nur 31% der Patienten an, sich mit dem Pflegepersonal und den Ärzten in ihrer Landessprache verständigt zu haben, der Rest der Patienten hätte auf Englisch oder Deutsch kommuniziert (s. Abbildung 18). Wenn bei 47% der befragten Patienten jedoch ein Dolmetscher hinzugezogen wurde, der höchstwahrscheinlich die Muttersprache beherrscht hat, bleibt anzunehmen, dass die Ursache für diese Diskrepanz (47% : 31%) in einer Ungenauigkeit beim Ausfüllen der Fragebögen, in einer Unschärfe

16Andere Bezeichnung für Sprach- und Integrationsmittler

in der Formulierung der Fragen zu finden ist oder dass es Situationen gegeben haben muss, in denen der Dolmetscher bei der Kommunikation mit Pflegenden und Ärzten nicht anwesend war. Die Ergebnisse sind damit gänzlich im Einklang mit den in der Literatur berichteten Szenarien. Allerdings kann gemäß dem Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer diese Praxis zu schwerwiegenden Folgen in der Behandlung führen.

Die Übernahme von Übersetzungstätigkeiten und Vermittlungen solle daher von professionellen Dolmetschern ausgeführt werden. Fremdsprachigen Patienten soll der Zugang zum deutschen Gesundheitssystem mit einer qualitativ hochwertigen ärztlichen Versorgung über ebenso hochwertige Kommunikationsdienstleistungen ermöglicht werden (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer 2016, Marquardt 2015).

Dies wird auch von Marquardt (2015) in einer Stellungnahme zum Arzt/ Patienten Gespräch gestützt (Marquardt 2015). Die Vor- und Nachteile beim Einsatz der verschiedenen Dolmetscher17 sind in Tabelle 14 zusammengestellt (Wunn 2006, Payer 1993).

Tabelle 14: Vor- und Nachteile unterschiedlicher Dolmetschertypen

GRUPPE VORTEILE NACHTEILE

Freunde und Verwandte Leicht verfügbar, kostenneutral, gleicher

17Es handelt sich hier nicht um Dolmetschen im üblichen Sinne, sondern um Sprachmitteln. Ein Sprachmittler muss mehr als nur die wörtliche Übersetzung leisten: „…,die durch die wissenschaftlich-medizinischen Konzepte geprägten Sachverhalte des Arztes auf die Verständnisebene des Patienten zu transportieren und die seitens des Patienten angebotenen, durch sein laienmedizinisches Verständnis geprägten Fragen und Ausführungen auf die medizinischen relevanten Sachverhalte hin zu hinterfragen und diese dem Arzt mitzuteilen.“ (Zimmermann 2000)

Ausländisches

Bei der Bestellung eines Dolmetschers sollten unbedingt auch die Bedeutung eines möglichen Geschlechts- und/oder Altersunterschieds zwischen dem Patienten und dem Dolmetscher beachtet werden. Ansonsten können starke interpersonelle Unterschiede zwischen dem Patienten und Dolmetscher aus falsch verstandenem Respekt bzw. Schamgründen zu fehlerhaften Übersetzungen und Fehlinterpretationen kommen.

Der Dolmetscher sollte den Patienten im Vorfeld, während des Klinikaufenthaltes und in der Nachbehandlung zur Verfügung stehen. Von einer durchgehenden Betreuung, in dessen Verlauf sich ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Patienten und dem Dolmetscher entwickeln kann, profitieren der Patient, seine Genesung und schließlich auch das Krankenhaus. Kommunikationsbedingte Komplikationen werden vermieden, die Zufriedenheit des Patienten mit der Behandlung steigt und der Therapie- und Betreuungsaufwand und damit das Erlös-Gewinn-Verhältnis verbessern sich.

Ein fest angestellter Dolmetscher bzw. Sprachvermittler muss nicht nur auf Abruf verfügbar sein, sondern kann auch mit anderen, z.B. logistischen Aufgaben während des Behandlungspfades betraut werden. Das Universitätsklinikum in Freiburg hat bereits im Jahr 2000 hierzu eine neunseitige Tätigkeitsbeschreibung angefertigt. Dieses Konzept ist als „Freiburger Modell der sozial- und ethnomedizinischen Versorgung und psychosozialen Betreuung ausländischer Patienten“ bekannt geworden (Zimmermann 2000; S.411ff.).

In einer Studie im Jahr 2017 (Struckmann, Augustin et al. 2017) sind Beweggründe von zahnärztlichen Patienten, eine Behandlung im Ausland durchführen zu lassen,

analysiert worden. Kommunikationsschwierigkeiten sind nicht beschrieben worden. Neben der englischen Sprache konnte auch vermehrt auf die Praxisangestellten als Dolmetscher zurückgegriffen werden. Diese Befunde decken sich mit der Einschätzung der in diesem Projekt befragten Experten.