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5. Diskussion

5.11. Methodik und Limitationen

5.11.3. Interview

Das leitfadengestützte Interview ist durch offene Fragen gekennzeichnet (Mayer 2013; S.37). Ein einheitlicher offener Gesprächsleitfaden garantiert eine systematische Vergleichbarkeit der einzelnen Interviewdaten. Dadurch wird auch die Offenheit der qualitativen Forschung verdeutlicht. Die Aufgabe des Interviewers besteht auch darin, diese Offenheit in dem vorliegenden Themenfeld zu begrenzen. Themenferne Ausschweifungen sind nicht zielführend und belasten unnötig die Interviewzeit (Mayer 2013; S.38).

Eine Erweiterung des Leitfadeninterviews stellt das Experteninterview dar (Gläser, Laudel 2010). Dabei ist der Befragte weniger als Person, sondern in seiner Funktion als Experte für ein spezielles Handlungsfeld interessant. Der Experte ist Repräsentant für eine Gruppe und einen klar definierten Wirklichkeitsausschnitt (Flick 2000, Mayer 2013). Nach Meuser und Nagel tragen Experten Verantwortung für die Implementierung oder die Kontrolle einer Problemlösung und/ oder verfügen über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse (Meuser, Nagel 2005; S.71). Nach Mayer gilt jemand als Experte, der also auf einem begrenzten Gebiet über ein klares und abrufbares Wissen verfügt (Mayer 2013). Auf seinem Wissensgebiet zeichnet sich weiterhin nach Meuser und Nagel ein Experte durch sichere Behauptungen und eindeutige Urteile aus (Meuser, Nagel 2010; S.484). Ein Experte wird schließlich durch die spezifische Struktur seines Wissens charakterisiert (Pfadenhauer 2007; S.449-461, S.117). Diese spezielle Struktur ist gekennzeichnet von einem hervorragenden Überblick zu einem Thema oder Teilgebiet. In der vorliegenden

Arbeit treffen sämtliche in der Literatur geforderten Spezifika auf die befragten Klinikdirektoren der ausgewählten universitären herzchirurgischen Kliniken zu.

Interviewleitfaden

Für die durchgeführten Experteninterviews wurde ein Leitfaden mit offenen Fragen strukturiert. Somit fokussierte sich das Interview auf die Einschätzung der Experten zu dem Geschäftsmodell „Internationale Patienten“ in der Herzchirurgie und es konnte die Wahrscheinlichkeit reduziert werden, wichtige Aspekte zu übersehen.

Diese Methodik orientierte sich an den Empfehlungen von Meuser und Nagel (Meuser, Nagel 2010; S.486ff.). Eine sehr konkrete und klar abgegrenzte Fragestellung wurde in den leitfadengestützten Experteninterviews nicht angewendet. Es konnte damit eine gewisse Offenheit in der Gesprächsatmosphäre erzeugt werden. Diese Offenheit ist insbesondere von hoher Bedeutung, wenn übergeordneten Themenkomplexen Nachfrage-Themen zugeordnet werden. Des Weiteren wurde mit einem grob strukturierten Frageschema dem Interviewer eine Gedächtnisstütze konstruiert, um sämtliche wichtige Frageblöcke in dem Interview zu erfassen. Nach Friebertshäuser kann ein Leitfaden im Experteninterview jedoch auch eine Gefahr darstellen: Das Interview könne entweder zu einem Frage- und Antwort-Dialog verkürzt werden oder dem Befragten werde zu viel Raum für seine möglicherweise auch zusätzlichen Themen und die Entfaltung seiner Relevanzstrukturen gelassen (Friebertshäuser 1997 S.377). Dies müsse durch den Interviewer beachtet und ggfs. untersagt werden.

Stichprobenbildung

Anders als in der quantitativen Forschung wird der Fokus in der qualitativen Forschung nicht so sehr auf die statistische Repräsentativität gelegt. In der qualitativen Forschung ist die inhaltliche Repräsentation entscheidender (Flick 1999; S.57)(Schmidt, F., Merkens 1997; S.100). Allerdings sollen die gewonnenen Erkenntnisse der Experteninterviews auch auf andere Fälle übertragbar und generalisierbar sein (Friebertshäuser 1997; S.73). Bei qualitativen Studien steht der inhaltliche Gesichtspunkt gegenüber der Zufallsstichprobe bei der Auswahl im Vordergrund. Auch in der vorliegenden Arbeit wurden die Experten nach diesen Gesichtspunkten ausgewählt. Eine statistische Repräsentativität ist damit nicht

eindeutig gegeben. Dennoch wurde mit einer kleinen Anzahl an Interviews eine große Datenmenge generiert (Eisend, Kuß 2010; S.44ff.).

Die Stichprobenbildung kann grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen. Zum einen kann die Stichprobe nach bestimmten Kriterien vor Beginn der Untersuchung festgelegt und zum anderen kann die Stichprobe auf der Basis des jeweiligen Erkenntnisstandes während der Untersuchung schrittweise angepasst werden. In der vorliegenden Arbeit bestand eine klare Zielsetzung, so dass auch die Stichprobe nach eindeutigen Kriterien vor Beginn der Untersuchung festgelegt wurde. Die Kriterien ergaben sich aus der Fragestellung und den theoretischen Vorüberlegungen. Berücksichtigung fand auch die Vorstellung über Typik und Verteilung von Eigenschaften in der Grundgesamtheit (Flick 1999; S.78ff.). Die Generalisierung muss in der qualitativen Forschung immer im spezifischen Fall begründet werden. Dies bedarf einer Argumentation, warum die gefundenen Ergebnisse auch auf andere Situationen und Zeiten übertragbar sind. (Mayring 1999; S.23)(Heinze 1987; S.126ff.). In der vorliegenden Arbeit wurde ein sehr umschriebenes Gebiet untersucht. Die interviewten Experten repräsentieren die Meinungsführer in der deutschen Herzchirurgie. Die Klinikdirektoren besitzen Spezialwissen für das Gebiet Herzchirurgie und können sich durch eindeutige Aussagen auf Grund ihrer medizinischen Erfahrungen positionieren. Über die geographische Lage der ausgewählten Zentren soll eine annähernde Aussagekraft erreicht werden. Die interviewten Experten können zum einen ihre jeweilige regionale Situation abschätzen und zum anderen auf Grund ihrer medizinischen Erfahrung die Situation der Klinik in den nationalen bzw.

internationalen Kontext einordnen. Da alle deutschen herzchirurgischen Universitätskliniken vergleichbare Leistungsprofile aufweisen, können die in dieser Arbeit erhobenen Befunde zumindest auch auf die nicht zur Stichprobe gehörenden Universitätskliniken generalisiert werden.

Auswertung und Transkription

Das Ziel der Auswertung von Experteninterviews ist es, das Überindividuell-Gemeinsame herauszuarbeiten (Meuser, Nagel 1991; S.452). Das transkribierte Interview bildet dazu eine ideale Grundlage. Auch wenn die Auswertung in der qualitativen Forschung in der Literatur nicht so eng konzeptionell beschrieben ist, wie in der quantitativen Forschung, werden in der Literatur reliable Methoden und

Modelle zur Auswertung diskutiert (Mayring 1999, Lamnek 1995, Flick 2000).

Grundsätzlich gilt, dass es keine eindeutige und unabhängige Interpretation von Texten in der qualitativen Forschung gibt, so dass jedes Interview einer Anzahl von konkurrierenden Deutungen offen steht (Spöhring 2013; S.159). Diese Einschränkung trifft natürlich auch auf die in dieser Arbeit durchgeführten Experteninterviews zu.

Die leitfadengestützten Experteninterviews orientierten sich an thematischen Einheiten. Es fand eine Fokussierung auf das gemeinsam geteilte Wissen der Experten statt. Die fachübergreifende Relevanzstruktur der Experten sollte dabei analysiert werden, so dass ein thematischer Vergleich der Gemeinsamkeiten und Unterschiede durch typische Äußerungen entstand. Die Vergleichbarkeit der Texte wurde gemäß der Definition von Meuser und Nagel durch den gemeinsamen geteilten institutionellen organisatorischen Kontext der befragten Experten sowie durch die leitfadenorientierte Gesprächsführung gesichert (Meuser, Nagel 2005;

S.81).

Die Auswertung von qualitativen Daten ist nicht in der strukturierten und vorgegebenen Form wie bei der quantitativen Auswertung möglich. Die Analyseoptionen orientieren sich oft an den Ausarbeitungen von Donabedian (Donabedian 1992; S.4-5) und Mayring (Mayring 2010). Die Auswertungsmethode der Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2010; S.48ff.) legt zunächst das Material fest und analysiert auf dieser Basis die Entstehungssituation der Datenaufzeichnung. Über eine formale Charakterisierung des Materials findet eine theoretische Differenzierung der Fragestellung statt. Dann wird die Analysetechnik bestimmt. Dabei ist das vorherrschende Ziel der Analyse, das Material auf die wesentlichen Inhalte zu reduzieren und dabei einen überschaubaren Korpus des Grundmaterials beizubehalten (Mayring 2010; S.65). Weiterhin zeichnet sich nach Mayring (Mayring 2010; S.56) eine Inhaltsanalyse immer durch Regel- und Theoriegeleitetheit der Interpretation aus.

In der vorliegenden Untersuchung steht der Inhaltsaspekt eindeutig im Vordergrund. Mit Blick auf das Erkenntnisinteresse der Arbeit wurde auf die Auswertung der paraverbalen Merkmale (Lautstärke, Lachen, Pause) und des

nonverbalen Verhaltens (Mimik/ Gestik) bei der Transkription verzichtet (Mayring 2010).

Inhaltliche strukturierende qualitative Inhaltsanalyse

Es existieren in der Sozialforschung eine Vielzahl von Methoden und Techniken qualitativer Inhaltsanalyse (Gläser, Laudel 2010). In der Literatur werden drei grundlegende Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse differenziert.

 Inhaltlich strukturierende, qualitative Inhaltsanalyse

 Evaluative, qualitative Inhaltsanalyse

 Typenbildende Inhaltsanalyse

Alle drei Methodentypen sind sowohl themenorientierte als auch fallorientierte Verfahren. Es spielen z.B. Betrachtungen auf Fallebenen in Form von Fallzusammenfassungen („Case Summarys“) in dem Auswertungsprozess eine wichtige Rolle. Der Unterschied zwischen einer quantitativen und qualitativen Auswertung wird nach Kuckartz an dieser Stelle deutlich. Die qualitative Inhaltsanalyse ist weitaus enger am Text in seiner Gesamtheit interessiert. In der quantitativen Form steht die Umwandlung des Datenmaterials in präzise Zahlen und somit eine Aufbereitung einer Zahlenmatrix im Vordergrund. Die inhaltlich strukturierende Inhaltsanalyse arbeitet mit vergleichenden Kategorien und gewinnt dadurch an Differenziertheit, Komplexität und Erklärungskraft. Die in dieser Arbeit durchgeführten leitfadengestützten Experteninterviews eigneten sich aufgrund der festen Leitfadenstruktur für eine Auswertung nach einer inhaltlich strukturierenden, qualitativen Inhaltsanalyse (Kuckartz 2012; S.77-98).

Die entstandenen thematischen Übersichten gewannen durch Komprimierung und Abstrahierung an analytischer Kraft und Evidenz, aus denen sich folgende Vorteile für die hier vorliegende Untersuchung ergaben bzw. ergeben:

 Es handelt sich um systematische und nicht episodische Erkenntnisse.

 Die Basis für die Ergebnisse sind die Originalaussagen der Experten, die somit als empirische Daten gewertet werden können.

 Das gesamte Material zum Thema Geschäftsmodell „Internationale Patienten in der universitären Herzchirurgie“ wurde bei der Auswertung berücksichtigt.

 Ergänzungen, Veränderungen und Akzentuierungen waren jederzeit möglich (flexibel und dynamisch).

 Das Vorgehen und die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sind durch die komprimierte Auswertung gut dokumentiert und für Dritte aufgrund der Verfügbarkeit der Originalaussagen gut nachvollziehbar.

 Die Abstrahierung stellt eine sehr gute Vorarbeit für mögliche folgende Analyseformen dar.

 Mit Bearbeitung einer QDA-Software besteht innerhalb der thematischen Struktur eine Verbindung zwischen den

Zusammenfassungen und dem Originalmaterial, die eine gute Nachvollziehbarkeit in beide Richtungen gewährleistet.

Bei der Betrachtung und Bewertung der Ergebnisse muss allerdings die eingeschränkte Sichtweise der Experten auf das spezielle Fach Herzchirurgie berücksichtigt werden. Außerdem beinhalten die Fragestellungen in dem Fragebogen und in den Experteninterviews, resultierend aus den Vorerfahrungen, eine Fokussierung auf arabische und russische Patienten. Es bleibt zu prüfen, ob dieser Bias eine Übertragbarkeit der Erkenntnisse auch auf andere Kulturkreise und Herkunftsländer erlaubt. Bemerkenswert ist, dass die Experten in den Interviews jeweils auf ihre Erfahrungen und Sichtweisen zu diesen beiden Herkunftsregionen auch ohne explizite Befragung eingegangen sind.