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5. Diskussion

5.6. Herausforderungen bei der Versorgung internationaler Patienten

5.6.3. Liquidation

„Die Finanzierungsprobleme der deutschen Krankenhäuser werden durch die umfangreich beschriebenen Potentiale von und aus diesem Segment nicht flächendeckend gelöst. Erlöse aus der Behandlung von internationalen Patienten können die Finanzierungsprobleme in der stationären Versorgung höchstens abfedern.“ (Blum 2015)

Der Markt für ausländische Patienten bietet auf den ersten Blick dennoch viele Vorteile. Die ökonomischen Risiken werden allerdings oft vernachlässigt (Penter 2013). Der ausländische Patient stellt sehr hohe Anforderungen und Wünsche an das Krankenhaus. Eine Klinik muss diesen Bedürfnissen gerecht werden und entsprechende Investitionen vorhalten. Hier entscheidet sich, inwiefern sich ein Engagement in diesem Geschäftssegment überhaupt rentiert. Die Wirtschaftlichkeit in diesem Sektor muss kalkulierbar und einschätzbar bleiben.

Die hohen Erlössummen müssen den Aufwandskosten gegenübergestellt werden.

Nach Wasem ist der deutsche Krankenhausmarkt von der Globalisierung nur marginal beeinflusst. Auch wenn der ökonomische Druck steigt und somit die Attraktivität für internationale Konzerne steigt, wird die Grundstruktur des Krankenhausmarktes eher ein nationaler bzw. regional organisierter Markt bleiben (Ekkernkamp, Debatin et al. 2015).

Die Abrechnungsformen des EU-Sozialversicherungsabkommens (EU Formular

112)33F33F15 und der Privat-/Selbstzahler sind die üblichen Verfahren für die Vergütung

medizinischer Behandlungen von Patienten, die nicht in Deutschland krankenversichert sind. Bei dem Sozialversicherungsabkommen besteht ein Vertrag zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem jeweiligen Staat. Somit hat der Patient im Ausland den gleichen oder ähnlichen Leistungsanspruch, und die Kosten werden unter den Sozialversicherungsträgern der betroffenen Länder

15Der Vordruck E 112 ist für Versicherte, die sich in ein anderes als das für ihre Versicherung zuständige Land begeben, um dort eine seinem Krankheitszustand angemessene Behandlung zu erhalten.(Verband der Ersatzkassen e.V. 2008)

ausgeglichen. Die Abrechnung der Privat oder Selbstzahler erfolgt für die Patienten außerhalb dieser gesetzlichen Regelungen. Der Patient kommt selbst für die anfallenden Kosten auf oder hat eine spezielle Vereinbarung mit seiner Botschaft bzw. seinem Land oder Krankenversicherung (DVKA -Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland 2017, GKV Spitzenverband 2015). Besonders die ausländischen Selbstzahler bergen ein hohes Zahlungsausfallsrisiko für die Krankenhäuser. Aber auch Zahlungsmodalitäten bei der Abrechnung mit internationalen Versicherungen oder sogar staatlichen Verträgen stellen für das einzelne Klinikum eine hohe Herausforderung und ein hohes Risikopotential dar (Nawarecki 2012). Zahlungsausfälle sind ein kontinuierliches Risiko und werden aktuell mit einem hohen dreistelligen Millionenschaden für deutsche Krankenhäuser beziffert (Schwerdtfeger 2016).

Nach Blum werden bei jedem viertem ausländischem Patienten Abrechnungsprobleme bekannt. Im Jahr 2013 konnten die Krankenhäuser im Schnitt nur 90 Prozent der Erlösforderungen realisieren (Blum 2015). Für die in dieser Studie befragten Experten besteht aus medizinischer Sicht kein Handlungsbedarf. Sobald Komplikationen auftreten würden jedoch auch die Klinikdirektoren mit der Erhöhung der Kosten konfrontiert.

Dieses Ausfallrisiko von Zahlungen muss abgesichert werden, was angesichts der regulierten Preisgestaltung äußerst schwierig ist. Die in dieser Arbeit befragten Experten geben an, dass die internationalen Patienten wegen der nicht standardisierten Liquidationsprozesse sehr anfällig für Zahlungsausfälle zu sein scheinen. Versicherungsgesellschaften sind gegenüber der Absicherung dieser Zahlungsausfälle bzw. der erhöhten Forderungen durch Komplikationen sehr zurückhaltend. Ein mögliches Absicherungsmodell ist die Vorauszahlung oder die Abtretung der Forderung an Dritte. Die Vorauszahlung scheint auf dem ersten Blick eine effektive Strategie zur Reduzierung des Ausfallrisikos zu sein. Auch der Arbeitskreis „Internationale Patienten der deutschen Universitäts- und Großkliniken“ empfiehlt diese Vorgehensweise als sicherste Regelung. Nach Kostrzewski ist diese Methode mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden und es werden nicht alle Szenarien, wie z.B. Notfallpatienten abgedeckt. Bei unvorhergesehenen Komplikationen kann eine große Differenz zwischen den vorhandenen, vereinbarten, kalkulierten und erforderlichen

Geldmitteln entstehen. Hier kann das Abtreten einer Forderung an einen externen Dienstleister (Patientenbetreuungsunternehmen), idealerweise aus dem jeweiligen Heimatland des Patienten, sinnvoll sein. Die Patienten verlassen Deutschland in der Regel nach dem Klinikaufenthalt. Ein Patientenbetreuungsunternehmen im Heimatland des Patienten würde den Zugriffsbereich des Forderungsmanagements ins Ausland erweitern. Allerdings ist der Vermittlungsmarkt für Patienten sehr rudimentär geregelt, so dass viele Kleinst- und Einzelunternehmungen am Wettbewerb teilnehmen. Es könnte Liquidationsschwierigkeiten bei der Begleichung der Klinikforderungen entstehen, da diese Unternehmungen eher mit geringem Eigenkapital ausgestattet sind. Die Zusammenarbeit muss und sollte sich auf nachweislich seriöse Dienstleister beschränken (Kostrzewski 2012; S.493-496).

Alle Krankenhäuser, die im Jahr 2013 ausländische Patienten behandelt haben, waren zu 66% manchmal und zu 27% regelhaft von Zahlungsverzögerungen betroffen. Vollständige oder partielle Zahlungsausfälle bei ausländischen Patienten gaben 72% der Krankenhäuser an. Diese Zahlungsmoral verteilt sich auf alle Abrechnungsformen:

 Selbstzahler: 54%

 Deutschen Krankenversicherungen oder Kostenträger: 26%

 Ausländische Krankenversicherungen oder Kostenträger: 14%

 Sonstige Abrechnungsformen (Botschaft, Hilfsorganisationen): 6%

(Blum, Löffert et al. 2014)

Bei der Etablierung eines Geschäftsmodells „Internationale Patienten“ ist ein effektives Klinikmanagement unerlässlich, um Schaden von allen Patienten, dem Krankenhaus und dem Krankenhausträger abzuwenden, was am Beispiel der

„International Unit“ des Klinikums Stuttgart eindrucksvoll gezeigt wurde: Die

„International Unit“ des Klinikums Stuttgart hat seit ihrer Gründung stets einen hohen einstelligen Millionenbetrag im Wirtschaftsplan des Klinikums abgebildet.

Selbst im Jahr 2014, als das Defizit des Gesamtklinikums bei 24 Millionen Euro lag, konnte mit ausländischen Patienten ein positiver Deckungsbeitrag von einer Million Euro ausgewiesen werden (Bury 2016)(kma-online 2018). Dennoch hat das Klinikum Stuttgart aufgrund von gescheiterten Kooperationen mit den Ländern

Libyen und Kuweit insgesamt erhebliche Verluste generiert, und der städtische Haushalt in Stuttgart musste Rückstellungen in Höhe von 9,8 Millionen Euro bilden (PC 2017, kma-Online 2018, kma-online 2018). Es handelte sich in diesem Fall um Umsatzsteuerhinterziehungen im Zusammenhang mit nicht-medizinischen Leistungen. Das Klinikum erhielt zwar als Vorkasse vom Kriegsversehrtenkomitee aus Libyen 19 Millionen Euro, allerdings beliefen sich wegen der unzureichenden Kontrolle die Ausgaben des Klinikums auf 28,4 Millionen Euro. Allein 13,4 Millionen Euro wurden für Übernachtungen, Essen und Konsum fällig, ohne dass schriftlichen Vereinbarungen vorgelegen hätten. Die unabhängig agierende

„International Unit“ ist daher wieder geschlossen worden. Ausländische Patienten werden seitdem wieder im normalen Klinikbetrieb versorgt, Steuerungs- und Kontrollsysteme des Zentralklinikums finden wieder Anwendung.