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F. Submissionsabsprachen unter strafrechtlichem Aspekt

4. Vermögensschaden

Zu prüfen ist, ob mit der irrtumsbedingten Erteilung des Zuschlags an das abgesprochene Angebot ein Vermögensschaden bei der Vergabestelle eingetreten ist. Die Begründung eines Vermögensschadens stellt das Hauptproblem dar bei der Erfassung von Submissionsabsprachen unter § 263 StGB.738 Zu den Schwierigkeiten, die der Begriff des Vermögens und der des Vermögensschadens in § 263 StGB generell bereitet, kommen noch die Besonderheiten des Submissionsverfahrens.

Die Rechtsprechung739 arbeitet mit dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff, der zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen normativ korrigiert wird. Zum Vermögen gehören danach Güter und Positionen, denen ein wirtschaftlicher Wert zukommt und die unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen, also nicht rechtlich mißbilligt werden. Ein Vermögensschaden durch die Eingehung eines Vertrags liegt nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff vor, wenn der Vergleich der aus dem Vertrag resultierenden gegenseitigen Ansprüche ergibt, daß die Verpflichtung des Getäuschten den Wert seines Anspruchs übersteigt.740

Der in der Literatur741 überwiegend verwendete Vermögensbegriff ist im wesentlichen deckungsgleich mit dem der Rechtsprechung. Zum Vermögen einer Person zählt danach die Summe aller geldwerten Güter, soweit diese Vermögenspositionen unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen und nicht rechtlich mißbilligt werden. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der Wert des betroffenen Vermögens infolge der Vermögensverfügung geringer ist als vorher.742 Dies ist grundsätzlich mittels einer Saldierung der Vermögenslage vor und nach der Vermögensverfügung zu ermitteln. Wenn dem von der irrtumsbedingten Vermögensverfügung

736 Vgl. beispielsweise Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 23.

737 Vgl. OLG Hamm NJW 1958, 1151, 1152; Satzger S. 64; Schmid S. 88; Baumann NJW 1992, 1661, 1664;

Oldigs S. 62; Huhn S. 193; Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 25; Ranft wistra 1994, 41, 42; Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, 3. Aufl., Vor § 81 Rdnr. 96.

738 Ausführlich zum strafrechtlichen Vermögens- und Schadensbegriff Cramer, Vermögensbegriff S. 64ff.

739 Vgl. BGH JR 1988, 125; BGHSt 16, 321, 329; 16, 220, 221; m. w. N. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 13, Rdnr. 534.

740 Vgl. Luipold S. 91; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 13, Rdnr. 539; Tröndle-Fischer § 263, Rdnr. 32a; Oldigs S. 60ff.; FK-Achenbach, § 38, Rdnr. 31a.; Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 83ff.;

Satzger S. 71ff.; Huhn S. 197.

741 Vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 55 m. w. N.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 13, Rdnr. 530ff., 532; es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, auf alle entwickelten Konzeptionen zum Vermögens- und Schadensbegriff des § 263 StGB einzugehen. Eine auf den Submissionsbetrug bezogene Darstellung findet sich bei Satzger S. 66ff.

742 Vgl. Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 67; Satzger S. 68, 71.

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betroffenen Vermögen Gegenleistungen zufließen, ist zu prüfen, ob diese die Hingabe des Vermögenswertes ausgleichen. Ein Vermögensschaden entfällt, wenn eine Kompensation vor-liegt, also wenn die Vermögensminderung infolge der Vermögensverfügung unmittelbar durch zuwachsende Vermögensvorteile wieder ausgeglichen wird.743

Zur Ermittlung eines Vermögensschadens beim Eingehungsbetrug ist ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluß vorzunehmen.744 Dazu sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen zu betrachten. Ein Vermögensschaden ist zu bejahen, wenn der Anspruch auf die Leistung des Täuschendem im Vergleich zur eingegangenen Verpflichtung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten weniger wert ist.745 Es ist demnach erforderlich, den Wert der von den Vertragspartnern zu erbringenden Leistungen zu ermitteln.

Um bei Submissionsabsprachen eine Aussage darüber treffen zu können, ob durch den Vertragsschluß mit einem abgesprochenen Angebot ein Vermögensschaden eingetreten ist, muß das Angebot mit einer Bezugsgröße verglichen werden. Da ein echter Wettbewerb durch das Submissionskartell gezielt verhindert wird, führt das manipulierte Verfahren nicht zu einem im Wettbewerb entstandenen Preis. Es fehlt damit ein Maßstab, an dem man den infolge der Absprache zustandegekommenen Preis messen könnte.746 Die an Submissionsabsprachen beteiligten Unternehmen behaupten regelmäßig, durch ihre Absprachen seien die Auftraggeber nicht geschädigt worden, da kein Mehrerlös erzielt wurde.747 Zur Feststellbarkeit eines Vermögensschadens beim Submissionsbetrug wurden verschiedene Konzeptionen entwickelt, deren wichtigste nachfolgend vorgestellt werden.748

(a) Schadensgleiche Vermögensgefährdung - RGSt 63, 186

Das Reichsgericht749 hatte 1929 über eine Submissionsabsprache zu entscheiden, bei der ein Mitarbeiter der Vergabestelle einen Auftrag an ein Unternehmen vergeben hatte, ohne die an sich gebotene Ausschreibung durchzuführen. Er erhielt dafür vom Begünstigten 10 Prozent der Auftragssumme als Provision. Dieser Betrag wurde nach den vom Tatrichter zugrunde gelegten Angaben des Täters nicht dem Preis zugeschlagen, sondern ging vom handelsüblichen Gewinn des Unternehmens ab. Das RG ging davon aus, daß ein Vermögensschaden bei der Vergabestelle bereits dadurch eingetreten war, daß sie keine Auswahl unter mehreren

743 Siehe Rengier, Strafrecht BT 1, § 13, Rdnr. 67.

744 Vgl. BGHSt 16, 220, 221.

745 BGHSt 16, 220, 221; ein Eingehungsbetrug kann ferner vorliegen, wenn der Täter bei Vertragsschluß leistungsunfähig oder leistungsunwillig ist; vgl. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 13, Rdnr. 539; Cramer S. 7; Cramer, Kriminelle Kartelle, S. 27, 28; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 222;

Satzger S. 73.

746 Vgl. LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 195; zusammenfassend zur Problematik der Bestimmung des Wertes der zu vergebenden Leistung Satzger S. 74ff.

747 Vgl. BKartA WuW/E BKartA 2871, 2873.

748 Der Rahmen der vorliegenden Arbeit würde gesprengt, wenn alle in der Literatur entwickelten Konzepte zur Begründung eines Vermögensschadens beim Submissionsbetrug vorgestellt würden.

Der Vollständigkeit halber erwähnt seien noch die nicht behandelten Konzepte der Schadensbegründung durch Normativierung des Schadens und durch Beschränkung der wirtschaftlichen Be -wegungsfreiheit; zu Einzelheiten vgl. Satzger S. 71ff.

749 RGSt 63, 186, 188.

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Angeboten hatte, da bei der Auftragsvergabe nur ein Angebot vorlag. Wenn der Vergabestelle aber mehrere Angebote vorgelegen hätten, wäre es nach Ansicht des Reichsgerichts wahrscheinlich gewesen, daß unter diesen ein günstigeres Angebot gewesen wäre. Die durch den Verzicht auf die Einholung weiterer, eventuell günstigerer Angebote begründete Gefahr einer Vermögensbeschädigung beurteilte das Reichsgericht als derart groß und naheliegend, daß dies bereits als Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB anzusehen sei. Die Provi-sionszahlung des Täters an den Mitarbeiter der Vergabestelle indizierte nach Ansicht des Reichsgerichts ebenfalls einen Vermögensschaden mindestens in dieser Höhe. Die Vorinstanz hatte aus der Provisionszahlung keine Rückschlüsse auf einen Vermögensschaden gezogen, denn da sie vom Unternehmen aus dem Gewinn bestritten worden sei, habe sich der Preis nicht erhöht. Dieser rechtlichen Beurteilung widersprach das Reichsgericht, ihr stehe die Erfahrungstatsache entgegen, daß der Teilnehmer an einem Wettbewerb genötigt sein könne, sein Angebot unterhalb einer Höhe zu halten, bei der ihm der "handelsübliche" Nutzen bleibe, sowie die Tatsache, daß sehr wohl ein Mitbewerber, der nicht 10 Prozent des Kaufpreises abzugeben hatte, in der Lage sein könnte, um einen Betrag in dieser Höhe oder um einen Teil davon billiger anzubieten. Das OLG Frankfurt hat den Gedanken der schadensgleichen Vermögensgefährdung durch Submissionsabsprachen aufgegriffen, allerdings unterblieb eine abschließende Stellungnahme.750

Nach einer Ansicht751 resultiert eine konkrete Vermögensgefährdung aus dem Ver-tragsschluß mit einem abgesprochenen Angebot, da dies den Verlust der Möglichkeit bedeutet, einen günstigeren Marktpreis durch eine Preisbildung im freien Wettbewerb zu erzielen. Bereits die Ausschaltung des Preiswettbewerbs bewirkt danach eine konkrete Vermögensgefährdung, die einem Vermögensschaden gleichgestellt wird. Die bloße Möglichkeit, bei einem regulär verlaufenden Submissionsverfahren einen günstigeren Abschluß zu erreichen, stellt demnach den Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB dar.

Einige Autoren752 stehen der Konzeption des Vermögensschadens mittels einer Vermögensgefährdung grundsätzlich ablehnend gegenüber; im wesentlichen sehen sie darin eine Verletzung des Gesetzlichkeitsprinzips (Artikel 103 Abs. 2 GG). Da es sich noch nicht um eine wirkliche Vermögensminderung handle, reiche eine schadensgleiche Vermögensgefährdung zur Begründung eines Vermögensschadens generell nicht aus. Die Fälle des Eingehungsbetrugs seien dem Versuchsstadium des Betrugs zuzurechnen.

Gegen die Begründung eines Vermögensschadens durch den Eintritt einer Vermö-gensgefährdung durch den Vertragsschluß mit einem abgesprochenen Angebot sprechen gewichtige Einwände.753 Eine konkrete Vermögensgefährdung setzt voraus, daß ein zukünftiger Schadenseintritt mit der erforderlichen Sicherheit zu erwarten ist. Bei dem Vertrag, der mit dem Ausschreibenden und dem Unternehmer zustande gekommen ist, liegt die Problematik jedoch darin, Kriterien zu finden, um eine Aussage über die Ausgeglichenheit der

750 OLG Frankfurt NJW 1990, 1057, 1058.

751 Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 60; Baumann/Arzt ZHR 1970, 24, 50; Bau-mann NJW 1992, 1661, 1665, Fn. 42; Korbion in Ingenstau/Korbion, A § 25 Nr. 1, Rdnr. 35; weitere Nachweise bei Satzger S. 117ff.

752 Z. B. Ranft wistra 1994, 41, 43; weitere Nachweise bei Luipold S. 98ff. und Cramer, Vermögensbegriff S. 120ff.

753 Vgl. Riemann S. 113ff.; Satzger S. 123ff.

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gegenseitigen Ansprüche treffen zu können. Falls ein Vergleich von Leistung und Gegenleistung ein ausgeglichenes Verhältnis ergibt, ist es für § 263 StGB unerheblich, ob die Vergabestelle durch einen unbeeinflußten Wettbewerb ein günstigeres Angebot erhalten hätte. Damit geht es bei der Untersuchung dieses Vertrags nicht um eine Prognose hinsichtlich eines zukünftig zu erwartenden Schadenseintritts, der unter dem Aspekt der Vermögensgefährdung bereits als Vermögensschaden zu bewerten ist, sondern um die Bewertung der tatsächlichen Ansprüche aus dem Vertrag. Es ist also der falsche Ansatz, mit der Rechtsfigur der schadensgleichen Vermögensgefährdung eine Zukunftsprognose über die Wahrscheinlichkeit eines Scha-denseintritts zu fällen.

(b) Verlust einer vermögenswerten Exspektanz

Nach einer Ansicht754 ist ein vollendeter Vermögensschaden bei Submissionsabsprachen durch den Verlust einer vermögenswerten Exspektanz gegeben. Der Verlust einer vermögenswerten Exspektanz ist ein Vermögensschaden, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Möglichkeit einer Verbesserung der Vermögenslage tatsächlich bestanden hat, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Verbesserung vorlag und dieser naheliegenden Aussicht auf Vermögensmehrung im Geschäftsverkehr ein Wert beigemessen wird.755 Dieser Standpunkt beruht auf der Überlegung, daß die Vergabestelle bei einer unmanipulierten Ausschreibung eine reale Chance habe, einen Abschluß unter dem Kartellpreis zu bekommen. Diese Chance stelle einen echten Vermögenswert dar, der den gleichen strafrechtlichen Schutz verdiene, wie Chancen und Gewinnmöglichkeiten in anderen Bereichen. Wenn sich die Bewerber über ihre Preise abstimmten, werde diese Aussicht entscheidend zunichte gemacht. Da § 263 StGB auch tatsächliche Erwerbs- und Gewinnaussichten schütze, falls ihnen der Geschäftsverkehr bereits wirtschaftlichen Wert beimesse, könne nichts anderes gelten, wenn es um die Aussicht ginge, eine Vermögensminderung zu vermeiden.756

In der Literatur wird gegen diesen Ansatz zu Recht eingeworfen, daß die Aussicht des Ausschreibenden auf einen niedrigeren Wettbewerbspreis keine vermögenswerte Exspektanz ist.757 Bei Submissionskartellen, die wegen der Gefahr des Unterbietens notwendig sämtliche Teilnehmer einer Ausschreibung umfassen müssen, besteht keine ausreichend konkrete Chance auf frei kalkulierte, günstigere Angebote. Aus der Vereitelung dieser Chance kann daher kein Eintritt eines Vermögensschadens abgeleitet werden. Die abstrakte Aussicht der Ermittlung

754 Vgl. Eichler BB 1972, 1347, 1350; auch das OLG Frankfurt erwägt, ob die Aussicht des Aus-schreibenden auf Erzielung eines günstigeren Angebots von § 263 StGB geschützt ist, läßt diese Frage aber offen; vgl. OLG Frankfurt NJW 1990, 1057, 1058.

755 Vgl. BGHSt 17, 147, 148; BGHSt 34, 379, 390, 391; BGH wistra 1997, 144, 145 = NStZ 1997, 542; Satzger S. 214, 215; siehe auch Achenbach NStZ 1997, 536; Schubert in Wabnitz/Janovsky, Hdb.

Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 12. Kapitel, Rdnr. 84.

756 Die Vermögensverfügung sieht Eichler bei dieser Konstruktion nicht im Zuschlag an das abge-sprochene Angebot, sondern bereits in der Einbeziehung der abgeabge-sprochenen Angebote in die Ausschreibung bzw. im Unterlassen der nach den Verdingungsordnungen möglichen Aufhebung der Ausschreibung. Denn schon dies sei kausal für den Wegfall der Chance des Ausschreibenden, einen dem "objektiven" Wert entsprechenden Preis zu erzielen; vgl. Eichler BB 1972, 1347, 1351.

757 Joecks wistra 1992, 247, 250, 251; Kanski S. 137; Cramer S. 11ff., 14, 15; Satzger S. 101ff.; Satzger ZStW, Bd. 109, 1997, 357, 368; Oldigs S. 63ff.; Hefendehl ZfBR 1993, 164, 167; Otto wistra 1999, 41, 43;

Huhn S. 210; Grüner JuS 2001, 882, 885.

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eines Wettbewerbsangebots stellt noch keine ausreichend gefestigte Vermögensposition dar.

Letztendlich beruht diese Konzeption auf der Unterstellung, daß der Marktpreis in jedem Falle günstiger ist als der Kartellpreis.

(c) Vergleichsmaßstab "angemessener" Preis - BGHSt 16, 367

Nach einem anderen Konzept zur Feststellung eines Vermögensschadens ist der Zu-schlagspreis mit einem als "angemessen" bewerteten Preis zu vergleichen.

Außerordentlich bedeutsam war die Entscheidung des BGH758 vom 21. November 1961 für die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zum Submissionsbetrug. Im zur Entscheidung vorliegenden Fall hatten sich einige, aber nicht alle Teilnehmer einer beschränkten Ausschreibung bezüglich ihrer Angebote miteinander abgesprochen. Nicht ausgehandelt wurde, wer den Auftrag erhalten sollte, da dies aufgrund der konkurrenzlosen Ko-stengünstigkeit eines der Beteiligten von vornherein klar war. Die Höhe des von diesem Unternehmen abzugebenden Angebots wurde ebenfalls nicht abgesprochen. Das herausgestellte Angebot wurde nach den Feststellungen des Gerichts äußerst scharf kalkuliert.

Der Herausgestellte hat absprachegemäß auch einige der von den übrigen angeschriebenen Unternehmen abzugebenden Angebote erstellt. Den Unternehmen ging es bei der Absprache nicht um die Ausschaltung des Wettbewerbs, sondern sie wollten in erster Linie bei der Vergabestelle durch die Abgabe eines Angebots im Gedächtnis verbleiben, um bei späteren beschränkten Ausschreibungen berücksichtigt zu werden. Der Senat sah sich durch die tatrichterlichen Feststellungen daran gehindert, das herausgestellte Angebot als überhöht zu bewerten; der Herausgestellte habe den Zuschlag durch ein genaues, richtiges und angemessenes Angebot erlangen wollen.759 Der Auftrag wurde schließlich an ein anderes, nicht am Kartell beteiligtes Unternehmen vergeben, das nachträglich von der Vergabestelle an der beschränkten Ausschreibung beteiligt worden war und dessen Angebot um 10.000,- DM niedriger war als das Kartellangebot. Mangels Vermögensschadens hat der Senat eine Strafbarkeit wegen vollendeten Betrugs nach § 263 StGB verneint. Auch eine Strafbarkeit wegen Betrugsversuchs wurde abgelehnt, da der Täter durch seine Tathandlung den Ausschreibenden nicht zu einer Leistung habe bestimmen wollen, die mehr wert war, als die von ihm angebotene Gegenleistung, er also keinen Vermögensschaden verursachen wollte.

Diese Entscheidung bewirkte in der Folgezeit, d. h. für einen Zeitraum von rund 30 Jahren, daß die Rechtsprechung bei Submissionsabsprachen mangels feststellbaren Vermögensschadens nicht auf Betrug erkannte760 und aufgedeckte Submissionsabsprachen kaum mehr zur Anklage kamen.761

758 BGHSt 16, 367.

759 BGHSt 16, 367, 374.

760 Siehe beispielsweise LG Frankfurt, NStZ 1991, 86, 87: dort wird im Anschluß an die Argumentation aus BGHSt 16, 367 ein Vermögensschaden bei einem Submissionsbetrug abgelehnt. Vgl. dazu auch den dem Urteil des LG Frankfurt vorangehenden Beschluß des OLG Frankfurt vom 24. 7. 1989, NJW 1990, 1057 mit einer kurzen Zusammenfassung zur Rechtsprechung zum Submissionsbetrug; vgl.

auch Lüderssen wistra 1995, 243, 244, Fn. 17.

761 Vgl. BayObLG WuW/E OLG 745, 746, 753; Seifert, Kriminelle Kartelle, S. 17; Bruns NStZ 1983, 385, 388; Jaath, FS-Schäfer, S. 89, 102.

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Der dem BGH vorliegende Sachverhalt war in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlich. Zum einen wollten die an der Absprache beteiligten Unternehmen durch die Abgabe eines Angebots nach ihren Ausführungen in erster Linie erreichen, bei zukünftigen beschränkten Ausschreibungen berücksichtigt zu werden. Die Verständigung der Unternehmen hatte zum anderen nicht den Zweck, zu klären, wer den Auftrag erhalten sollte. Daher fanden auch keine Verhandlungen über die Höhe der zu erstellenden Angebote statt. Das herausgestellte Unternehmen wollte ferner mit der Absprache keine Gewinnmaximierung durch Überhöhung der Preise erreichen. Diejenigen Unternehmen, die kein eigenständiges Angebot kalkulierten, wollten zudem noch die Kosten der Erstellung eines Angebots sparen. Angesichts der Preis-differenz von 10.000,- DM zwischen dem abgesprochenen Angebot und dem Angebot, das schließlich den Zuschlag erhalten hatte, erscheint die tatrichterliche Annahme, das abgesprochene Angebot sei scharf kalkuliert gewesen, als zumindest zweifelhaft. In Anbetracht des zumindest ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risikos, das mit der Durchführung der Submis-sionsabsprache eingegangen wurde, erscheint der angeführte Zweck der Absprache wenig überzeugend. Zudem wäre einzukalkulieren gewesen, daß bei der Aufdeckung der Absprache die überführten Unternehmen von der Vergabe zukünftiger Aufträge ausgeschlossen würden.

Gerade die Berücksichtigung bei späteren Ausschreibungen wurde aber als Grund für die Teilnahme an dem Kartell vorgebracht.

Die Frage der Plausibilität der Ausführungen ist zwar letztendlich unerheblich, da der Tatrichter sie akzeptierte und sich der erkennende Senat daran gebunden fühlte. Sie ist jedoch deshalb von Relevanz, weil aus den außergewöhnlichen Umständen und tatrichterlichen Annah-men folgt, daß der dem Senat vorliegende Fall ein Sonderfall war. Es erscheint daher zweifelhaft, ob die auf den sehr speziellen Fall bezogenen rechtlichen Ausführungen der Ent-scheidung eine Übertragung auf alle Submissionsabsprachen ermöglichten.762

In der Literatur wurde die Konzeption des angemessenen Preises kontrovers beurteilt.763 Im Ergebnis kann diesem Ansatz nicht gefolgt werden,764 da er kein taugliches Kriterium ist, um den Zuschlagspreis als überhöht und damit vermögensschädigend zu beurteilen.765 Denn der angemessene Preis ist nicht identisch mit dem Wettbewerbspreis eines regulären Auschreibungsverfahrens und bleibt zudem letztendlich spekulativ. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die mit der Ermittlung eines als angemessen zu bewertenden Preises

762 Kritisch auch Möschel S. 28, 29, 71; Kanski S. 139; Huhn S. 176; Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2.

Aufl., Vor § 38, Rdnr. 59; Tiedemann ZRP 1992, 149, 151.

763 Die Konzeption des angemessenen Preises billigten Samson/Günther im SK, § 263, Rdnr. 146c; Bruns NStZ 1983, 385, 388; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 195, 343; ablehnend jedoch:

Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 58; Eichler BB 1972, 1347, 1350; Schmid S. 89ff; Baumann NJW 1992, 1661, 1664; Satzger S. 75; Oldigs S. 73, 74; Huhn S. 222ff. Nach Eichler BB 1972, 1347, 1350 wäre in dem Fall, der dem BGH vorlag, auf einen versuchten Submissionsbetrug zu erkennen gewesen. Den subjektiven Tatbestand sieht er - insofern dem BGH widersprechend - als gegeben an: Es sei bedingter Schädigungsvorsatz darin zu sehen, daß der Täter einen objektiven Marktpreis verhinderte und den Ausschreibenden hierüber täuschte. Damit habe der Täter billigend in Kauf genommen, daß sein Preis über dem "objektiven" Wert der geforderten Leistung liegen würde.

764 Auch der BGH erteilt dem Vergleichsmaßstab des angemessenen Preises später eine eindeutige Absage, vgl. BGH NJW 1992, 921, 923. Teilweise wird gegen die Konzeption des "angemessenen"

Preises als Vergleichsmaßstab angeführt, daß der Zweck des Ausschreibungsverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt werde, der nämlich darin bestehe, einen möglichst günstigen Wettbewerbspreis zu ermitteln, vgl. Jaath, FS-Schäfer, S. 89, 99; Otto wistra 1999, 41, 43.

765 Vgl. ausführlich Satzger S. 82ff.

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verbunden sind,766 kann der Wettbewerbspreis über oder unter diesem Preis angesiedelt sein.

Er kann beispielsweise niedriger als der angemessene Preis sein, wenn ein Unternehmen unbedingt den Auftrag erhalten will und deshalb seinen Gewinnanteil äußerst knapp kalkuliert.

Daher kann aus einem Vergleich des Zuschlagspreises mit dem angemessenen Preis nicht mit der im Strafrecht erforderlichen Gewißheit festgestellt werden, daß ein Vermögensschaden beim Ausschreibenden eingetreten ist.

(d) Vergleichsmaßstab "hypothetischer" Marktpreis - BGHSt 38, 186

Die Rechtsprechung befaßte sich erst in den 90er Jahren wieder ausführlicher mit dem Problem des Vermögensschadens beim Submissionsbetrug. Um feststellen zu können, ob der Vertragsschluß mit einem abgesprochenen Angebot einen Vermögensschaden darstellt, ist zunächst vom OLG Frankfurt767 und später vom BGH768 ein Vergleich des Zuschlagspreises mit einem als "hypothetischen Marktpreis" bezeichneten Preis vorgenommen worden. Als hypothetischer Marktpreis wird der Preis verstanden, der sich bei unbeeinflußtem Wettbewerb gebildet hätte. Anlaß war die Aufdeckung eines Submissionskartells bei der Ausschreibung von Aufträgen um den Ausbau des Rheins. BGHSt 38, 186 lag folgender Sachverhalt769 zugrunde:

Das Wasser- und Schiffahrtsamt Bingen hatte Ende der 70er Jahre Arbeiten zum Ausbau der Schiffahrtsrinne des Rheins öffentlich ausgeschrieben. Um den Auftrag bewarben sich neben anderen Unternehmen auch drei Anbietergemeinschaften, die sich jeweils aus mehreren Firmen zusammensetzten. Die Anbietergemeinschaften hatten ihre bei der Vergabestelle eingereichten Angebote untereinander abgesprochen. Vor der Festlegung der jeweils abzugebenden Angebote hatte jede Anbietergemeinschaft intern eine Kalkulation erstellt, die zur Ermittlung der "Nullbasis" diente. Die "Nullbasis" wurde aus dem arithmetischen Mittel der von den einzelnen Firmen intern ermittelten Preise unter Vernachlässigung des niedrigsten und höchsten Angebots errechnet770 und diente als Ausgangspunkt für die Berechnung der abzugebenden Angebote. Das herausgestellte Angebot erhöhte sich gegenüber der Nullbasis um den Betrag der Präferenzzahlungen, die an die anderen Kartellmitglieder und die Außenseiter zu entrichten waren. Die Nullbasis sollte von den beiden Anbietergemeinschaften, die nicht den Zuschlag erhalten sollten, um 4 Prozent und um 6,5 Prozent überboten werden;

die Außenseiter sollten ihre Angebote noch höher kalkulieren. Die Angebote enthielten eine Klausel mit der Erklärung, daß das Angebot nicht aufgrund einer wettbewerbsbeschränkenden

die Außenseiter sollten ihre Angebote noch höher kalkulieren. Die Angebote enthielten eine Klausel mit der Erklärung, daß das Angebot nicht aufgrund einer wettbewerbsbeschränkenden