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F. Submissionsabsprachen unter strafrechtlichem Aspekt

IV. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen

9. Tätige Reue

§ 298 StGB ist zu einem sehr frühen Tatzeitpunkt bereits tatbestandlich vollendet, daher kommen die Rücktrittsregeln des § 24 StGB nur in sehr begrenztem Umfang zur Anwendung.

Um dem Täter doch noch die Möglichkeit der Straffreiheit zu eröffnen, enthält § 298 Abs. 3 StGB eine Regelung zur tätigen Reue.1042 Danach kann der Täter Straffreiheit wegen tätiger Reue erlangen, wenn er freiwillig verhindert, daß der Ausschreibende das Angebot annimmt, oder die Leistung erbracht wird. Freiwilliges Verhindern liegt vor, wenn der Täter aus autonomen Motiven handelt und dabei davon ausgeht, die Tat könne noch vollendet werden.1043 § 24 Abs. 2 StGB ist entsprechend anwendbar,1044 d. h. wenn die Tat ohne das Zutun des Reuenden nicht vollendet wird oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird, genügt sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen um die Verhinderung der Tatvollendung.

1039 Vgl. Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 5.

1040 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 18; Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 18.

1041 So zu Recht Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 18 und Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 18.

1042 Kritisch Lüderssen BB 1996, 2525, 2527: "Entweder ist sie dis funktional, weil es zu diesem De-nunziantentum nicht kommen wird - diejenigen, die sich zu einem solchen Rückzug entschließen, werden, auch wenn sie die Redlichen auf ihrer Seite haben, befürchten, in der Branche Schwierig-keiten zu bekommen - oder sie erzeugt weitere Kriminalität (...): Sie ist ein Einfallstor für 'Kartellerpresser'". Reck BuW 1998, 222, 223 zweifelt, ob die Regelung der tätigen Reue die er-wünschten Erfolge bei der Bekämpfung von Submissionskartellen zeitigen wird, da die gut einge-spielten und langjährig operierenden Kartelle dadurch kaum gefährdet würden.

1043 Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 22.

1044 Achenbach WuW 1997, 958, 960; Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 22;

Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 20.

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V. Konkurrenzen

§ 298 StGB verdrängt nach überwiegender Auffassung1045 nicht § 263 StGB, da § 263 StGB das Vermögen schützt, während § 298 StGB als geschütztes Rechtsgut in erster Linie den freien Wettbewerb aufweist. Beide Tatbestände können danach aufgrund ihrer unterschiedlichen Schutzgüter zueinander im Verhältnis der Tateinheit stehen.1046 Da § 263 StGB nach § 263 Abs. 3 StGB einen besonders schweren Fall aufweist, ist § 263 StGB gegenüber § 298 StGB das schwerwiegendere Delikt.1047

Nach anderer Ansicht1048 verdrängt § 263 StGB den § 298 StGB. Maiwald1049 begründet dies damit, daß es sich bei § 298 StGB um einen Tatbestand im Vorfeld des § 263 StGB handle. Dies ergebe sich daraus, daß § 298 StGB in Wahrheit ein abstraktes Vermö-gensgefährdungsdelikt sei. Der freie Wettbewerb sei kein Selbstzweck sondern eine Struktur, die die Volkswirtschaft und die einzelne Person vor Vermögensschäden bewahren will.

Nach einer dritten Meinung1050 verdrängt § 298 StGB als Spezialregelung zur Erfassung von Submissionsabsprachen einen ebenfalls verwirklichten Submissionsbetrug nach § 263 StGB. Zur Begründung wird angeführt, daß nur so § 298 StGB den vom Gesetzgeber gewünschten "Charakter einer rechtsanwendungserleichternden, streitbeendenden Klärung"1051 habe bezogen auf die Frage, ob und wieweit Submissionsabsprachen nach

§ 263 strafbar sind.

Keine der dargestellten Ansichten unterscheidet beim Konkurrenzverhältnis von § 298 StGB und § 263 StGB hinsichtlich des Betrugs zwischen Eingehungsbetrug und Erfüllungsbetrug. Nach der hier vertretenen Ansicht ist ein Eingehungsbetrug durch den Vertragsschluß der Vergabestelle mit einem abgesprochenen Angebot nicht nachweisbar, weil kein zuverlässiger Vergleichsmaßstab zur Schadensfestellung ermittelt werden kann. Daher stellt sich das Konkurrenzproblem zwischen § 298 StGB und einem Eingehungsbetrug nach

§ 263 StGB nicht. Unter Zugrundelegung der Ansicht der Rechtsprechung kann beim Zuschlag an ein abgesprochenes Angebot ein Eingehungsbetrug gegeben sein. Die besseren Gründe sprechen dafür, in diesem Fall für das Konkurrenzverhältnis zwischen § 263 StGB und § 298

1045 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 1, 22; Gruhl, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 58, Rdnr. 20;

Schubert in Wabnitz/Janovsky, Hdb. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 12. Kapitel, Rdnr. 94;

Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 22; FK-Achenbach, 46. Lfg., September 2000, § 81 GWB 1999, Rdnr. 57; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 16, Rdnr. 699 weist darauf hin, daß durch die Annahme von Tatein heit die Möglichkeit eines besonders schweren Falls nach § 263 Abs. 3 StGB erhalten bleibt; ebenso Gruhl, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 58, Rdnr. 21;

Dannecker in Wabnitz/Janovsky, Hdb. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kapitel, Rdnr. 137; Lan-gen/Kollmorgen, 9. Aufl., § 81, Rdnr. 6; Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 21, Rdnr. 116.

1046 Rose, Anm. zu BGH, Urt. v. 11. 7. 2001 - 1 StR 576/00 NStZ 2002, 41; SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 15;

Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, 3. Aufl., Vor § 81 Rdnr. 115; Bangard wistra 1997, 161, 168; Otto wistra 1999, 41, 42; Kleinmann/Berg BB 1998, 277, 281; Schaupensteiner Kriminalistik 1997, 699, 701; Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 101a; Regge/Rose/Steffens JuS 1999, 159, 162; Korte NStZ 1997, 513, 516; Dölling ZStW Bd. 112, 2000, 334, 348.

1047 Vgl. Bangard wistra 1997, 161, 168.

1048 Vgl. Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl., S. 62; Maurach/Maiwald, Strafrecht BT/2, § 68, Rdnr. 9.

1049 Vgl. Maurach/Maiwald, Strafrecht BT/2, § 68, Rdnr. 2.

1050 Wolters JuS 98, 1100, 1102 und ihm folgend Krey, BT/2, Rdnr. 534b.

1051 So Krey, BT/2, Rdnr. 534b.

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StGB der Auffassung zu folgen, nach der die beiden Vorschriften im Verhältnis der Tateinheit zueinander stehen können. Für dieses Ergebnis sprechen die unterschiedlichen geschützten Rechtsgüter und der Wille des Gesetzgebers, der § 298 StGB in einem eigens geschaffenen Abschnitt mit dem Titel "Straftaten gegen den Wettbewerb" eingefügt hat.

An Maiwalds Begründung für die Annahme von Subsidiarität des § 298 StGB gegenüber

§ 263 StGB ist zu bemängeln, daß sie den unterschiedlichen geschützten Rechtsgütern nicht Rechnung trägt. Maiwald erkennt zu Unrecht das Rechtsgut des freien Wettbewerbs nicht als selbständiges Schutzgut an.

Die Ansicht, die für Spezialität des § 298 StGB im Verhältnis zu § 263 StGB eintritt, wird den unterschiedlichen Schutzrichtungen beider Strafnormen ebenfalls nicht gerecht und ist daher abzulehnen. Auch der vorgebrachte Gedanke der Erleichterung der Rechtsanwendung kann demgegenüber nicht zu einem anderen Ergebnis führen, da mit § 298 StGB der Unrechtsgehalt einer nachgewiesenen Vermögensbeschädigung nicht erschöpfend erfaßt wird.

Zu erwägen ist, ob eine Strafbarkeit wegen Erfüllungsbetrugs durch das Vereiteln von Ersatzansprüchen als Sicherungsbetrug zurücktritt. Dies käme in Betracht, falls der Erfüllungsbetrug zur Sicherung der Vorteile der durch die Submissionsabsprache bewirkten Auftragserteilung qualifiziert werden kann.

Ein Sicherungsbetrug als Anschlußbetrug nach einem Aneignungs- oder Bereicherungsdelikt tritt als mitbestrafte Nachtat gegenüber der Vortat zurück, wenn ein bereits verursachter Vermögensschaden nicht erweitert oder vertieft wird, sondern die Tat nur der Sicherung des Vorteils der Vortat dient.1052 Um einen solchen Anschlußbetrug handelt es sich auch, wenn gegenüber dem Verletzten Täuschungshandlungen begangen werden, um Herausgabe- und Schadensersatzansprüche zu verhindern.1053 Unklar ist allerdings, ob die Einreichung eines abgesprochenen Angebots als Vortat nach § 298 StGB1054 es erlaubt, einen nachfolgenden Erfüllungsbetrug als Sicherungsbetrug zu qualifizieren. § 298 StGB ist jedoch kein Aneignungs- oder Bereicherungsdelikt. Die Norm schützt in erster Linie den freien Wettbewerb, allerdings wird das Vermögen des Ausschreibenden mitgeschützt; in der Literatur wird angesichts dieses Umstands und des in der Regel vorliegenden Täuschungselements daher teilweise von einer

"Betrugsähnlichkeit" des § 298 StGB gesprochen.1055

Bei Submissionsabsprachen wird das Unrecht der Tat nicht maßgeblich durch das Verheimlichen etwaiger Gegenrechte geprägt, die aus der Preisabsprache abgeleitet werden können, sondern durch die Ausschaltung des Wettbewerbs und die Gefahr der Durchsetzung eines überhöhten Preisniveaus. Der Zuschlag und die Erfüllung des Vertrags zu den Konditionen des abgesprochenen Angebots ist das Ziel, das mit der Submissionsabsprache verfolgt wurde. Das Erstellen der Schlußrechnung unter Verheimlichung der Submis-sionsabsprache und der daran anknüpfenden Ansprüche stellt daher in gewissem Sinne eine Handlung zur Sicherung der durch den Vertragsschluß angestrebten Vorteile dar. Der Erfüllungsbetrug tritt allerdings trotzdem nicht als mitbestrafte Nachtat unter dem Aspekt eines

1052 Vgl. Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 114; Schönke/Schröder-Cramer, 26. Aufl., § 263, Rdnr. 184.

1053 Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 114; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 344.

1054 Bzw. eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB; falls mit der Zuschlagserteilung ein Eingehungsbetrug vorliegt, stellt sich das Problem nicht, da in diesem Falle die Eingehung und die Abwicklung des Vertrags eine einheitliche Tat darstellt.

1055 Vgl. Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 21, Rdnr. 109; a. A. Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, 3.

Aufl., Vor § 81 Rdnr. 103.

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Sicherungsbetrugs gegenüber § 298 StGB zurück, da durch die Vereitelung der betreffenden Ansprüche ein selbständiger Vermögensschaden eintritt, der nicht von § 298 StGB erfaßt wird.