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F. Submissionsabsprachen unter strafrechtlichem Aspekt

III. Betrug zum Nachteil des aussichtsreichsten Mitbewerbers

Zu untersuchen ist, ob ein Betrug des Unternehmers zu Lasten eines redlichen, aber bei der Auftragserteilung nichtberücksichtigten Mitbewerbers vorliegt, wenn der Zuschlag an ein Angebot erteilt wurde,963 das das Ergebnis einer Submissionsabsprache war. Dabei sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen Fälle, in denen ein abgesprochenes Angebot nach dessen Abgabe von einem eingeweihten Mitarbeiter der Vergabestelle herabgesetzt wird, wodurch ein günstigeres Angebot eines Außenseiters unberücksichtigt bleibt. Zum anderen solche Fälle, in denen ein reguläres Angebot von einem abgesprochenen Angebot unterboten wird und den Zuschlag erhält, ohne daß nachträgliche Manipulationen vorgenommen wurden.

1. Betrug durch nachträgliche Manipulation des Angebots

Fraglich ist, ob ein Betrug des Unternehmers zu Lasten eines redlichen Mitbewerbers vorliegt, wenn ein Kartellangebot unzulässigerweise nach dem Eröffnungstermin durch einen Mitarbeiter der Vergabestelle herabgesetzt wird, so daß es niedriger ist als das günstigste re-guläre Angebot und in der Folge den Zuschlag erhält.

a) Täuschungshandlung, Irrtum, Vermögensverfügung

Die Täuschungshandlung liegt in der nachträglichen Abänderung des eingereichten Angebots durch den eingeweihten Mitarbeiter der Vergabestelle, dessen Handlung dem Täter zuzurechnen ist. Die Vergabestelle erteilt aufgrund ihrer irrtümlichen Annahme, daß das Angebot den Vergabebestimmungen entsprechend erstellt wurde, dem nachträglich manipulierten Angebot den Zuschlag.

Die Vergabestelle nimmt mit der Zuschlagserteilung an das abgesprochene Angebot eine Vermögensverfügung vor, die zum Verlust der Aussicht auf den Zuschlag an den Mitbewerber führt. Als Vermögensverfügung des Mitbewerbers ließe sich das nur annehmen, wenn ihm die Vermögensverfügung der Vergabestelle im Sinne eines Dreiecksbetrugs als eigene zuzurechnen ist. Der Dreiecksbetrug ist dadurch gekennzeichnet, daß der Getäuschte eine Vermögensverfügung vornimmt, die bei einem Dritten einen Vermögensschaden verursacht.

Die Vermögensverfügung der Vergabestelle, die zum Erlöschen der Aussicht auf Zuschlagserteilung führt, kann noch am ehesten einem Dreiecksforderungsbetrug zugerechnet werden.964 Umstritten ist, ob bei einem Dreiecksbetrug, der zum Erlöschen einer Forderung führt, ein Näheverhältnis zwischen Verfügendem und Geschädigten Voraussetzung ist. Weder bei BGHSt 17, 147 noch bei BGH NStZ 1997, 542 oder bei BGHSt 34, 379, 391 finden sich Ausführungen zur Frage der Vermögensverfügung; es wurde die Zuschlagserteilung der Vergabestelle als die betrugsrelevante Vermögensverfügung angenommen, ohne näher darauf

963 Nicht als Opfer eines Betrugs kommen die anderen Kartellmitglieder in Betracht, die absprachegemäß höhere Angebote als das herausgestellte Unternehmen abgegeben haben, da sie durch die Teilnahme an dem Kartell zum Ausdruck bringen, kein Interesse an der Erteilung des Auftrags zu haben, vgl. Satzger S. 213 m. w. N.

964 Vgl. LK-Tiedemann, 11. Aufl., § 263, Rdnr. 117.

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einzugehen, inwiefern die Verfügung der Vergabestelle als Vermögensverfügung des Min-destbietenden angesehen werden kann.965 Nach Joecks reicht es nicht aus, wenn der Getäuschte allein faktisch in der Lage war, die Forderung zum Untergehen zu bringen, da in diesem Falle aus dem Betrug als einem Selbstschädigungsdelikt ein Fremdschädigungsdelikt in Bereicherungsabsicht gemacht werde; erforderlich sei, daß der Verfügende eine besondere Beziehung zum geschützten Vermögenskreis aufweise und aus diesem heraus verfüge.966 Nach zutreffender Ansicht967 liegt ein solches besonderes Näheverhältnis vor in den Ausschreibungsfällen, da das formalisierte Vergabeverfahren der getäuschten Vergabestelle eine besondere tatsächliche und auch rechtliche Macht verleiht, die den Zugriff auf das betrof-fene Vermögen im Verhältnis zum Außenstehenden erleichtert.

b) Vermögensschaden

Der redliche Mitbewerber, der um den Zuschlag gebracht wurde durch die nachträgliche Manipulation, hat einen Vermögensschaden erlitten, da er eine vermögenswerte Exspektanz verloren hat. Denn der Mitbewerber, dessen Angebot am Eröffnungstermin das günstigste ist, hat eine vermögenswerte Gewinnaussicht.968 Der Vermögensschaden ist in der Vereitelung dieser vermögenswerten Gewinnaussicht des Mitbewerbers zu sehen.

c) Vorsatz, rechtswidrige Bereicherungsabsicht

Der Vorsatz des Täters muß die objektiven Tatbestandsmerkmale des Betrugs umfassen, dazu gehören auch die vermögensrelevanten Folgen seines Tuns für den Mitbewerber.

Die stoffgleiche rechtswidrige Bereicherungsabsicht hat der BGH969 bei einem Täter zu Recht bejaht, der durch sein Verhalten die Gewinnaussicht des aussichtsreichsten redlichen Mitbewerbers vereitelte. Die erforderliche Stoffgleichheit zwischen dem Vermögensschaden des Mitbewerbers und der angestrebten Bereicherung lag vor, da es genügt, daß der erstrebte Vorteil und der eingetretene Schaden auf derselben Vermögensverfügung beruhen und der Schaden zu Lasten des geschädigten Vermögens geht.970 Durch die Entscheidung der Vergabestelle, den Auftrag an das manipulierte Angebot zu vergeben, ist unmittelbar der Schaden beim redlichen Mitbewerber eingetreten, da dadurch dessen begründete Gewinnaussicht zerstört wurde.

965 Die pauschale Bejahung des Näheverhältnisses bzw. das völlige Übergehen der Problematik in der Rechtsprechung stellen auch LK-Lackner, 10. Aufl., 1988, § 263, Rdnr. 115; LK-Tiedemann, 11. Aufl.,

§ 263, Rdnr. 117 und Satzger S. 232 fest.

966 Joecks § 263, Rdnr. 59.

967 LK-Lackner, 10. Aufl., 1988, § 263, Rdnr. 115; LK-Tiedemann, 11. Aufl., § 263, Rdnr. 117; Satzger S. 232, 233. A. A. Schönke/Schröder-Cramer, 26. Aufl., § 263, Rdnr. 67, 88. Cramer ist der Ansicht, daß es an einer Vermögensverfügung fehlt, wenn der Täter durch Täuschung gegenüber der ausschreibenden Stelle die Nichtberücksichtigung eines Konkurrenten erreicht, da die Vergabestelle keine tatsächliche Möglichkeit habe, über fremdes Vermögen zu verfügen.

968 BGHSt 17, 147, 148; BGHSt 34, 379, 390, 391; BGH wistra 1997, 144, 145 = NStZ 1997, 542, 543;

Tröndle-Fischer § 263, Rdnr. 28; Schönke/Schröder-Cramer, 26. Aufl., § 263, Rdnr. 88.

969 BGHSt 34, 379, 391.

970 Zustimmend Tröndle-Fischer § 263, Rdnr. 39; Schönke/Schröder-Cramer, 26. Aufl., § 263, Rdnr. 168.

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d) Ergebnis

Bei nachträglicher Änderung eines bereits eingereichten Angebots, so daß es nunmehr günstiger als das günstigste reguläre Angebot ist, liegt ein Betrug vor zu Lasten des günstigsten redlichen Mitbewerbers, dessen Aussicht auf Gewinn vereitelt wurde.

2. Betrug des Mitbewerbers durch Einreichen eines abgesprochenen Angebots

Wenn bei einer Ausschreibung nicht alle Angebote abgesprochen waren und das Kartellangebot den Zuschlag erhält, könnte ein Betrug zu Lasten des unberücksichtigten redlichen, aber im Verhältnis zum Kartell teureren Mitbewerbers vorliegen. Diese Konzeption beruht auf der Überlegung, daß abgesprochene Angebote im Anwendungsbereich der Vergaberegeln grundsätzlich von der Vergabe ausgeschlossen sind und daher nicht berücksichtigt werden dürfen; allerdings müßte zu einer Strafbarkeit wegen Betrugs zu Lasten des redlichen Bewerbers bei diesem ein Vermögensschaden eingetreten sein; ein solcher könnte möglicherweise im Verlust einer vermögenswerten Exspektanz liegen.

a) Täuschung, Irrtum, Vermögensverfügung

Der Täter, der den Zuschlag erhalten hat, täuscht die Vergabestelle darüber, daß sein abgesprochenes Angebot nach den Vergaberegeln erstellt wurde, also vor allem nicht das Produkt einer verbotenen Submissionsabsprache war. Die Vergabestelle irrt über das Zustandekommen des Kartellangebots. Indem die Vergabestelle dem manipulierten Angebot den Zuschlag erteilt, liegt eine Vermögensverfügung vor durch Eingehung einer Verbindlichkeit, die einen Vermögensschaden bei dem Opfer des Betrugs bewirkt durch den Verlust der Aussicht auf den Zuschlag.971

b) Vermögensschaden

Fraglich ist, ob durch den Zuschlag an das manipulierte günstigste Angebot der redliche, aber im Verhältnis zum manipulierten Angebot teurere Mitbewerber einen Vermögensschaden erlitten hat. Ein Vermögensschaden könnte durch den Verlust einer vermögenswerten Exspektanz vorliegen.972 Grundsätzlich hat der Außenseiter mit dem günstigsten, nach den Vergaberegeln erstellten Angebot die Chance darauf, den Zuschlag zu erhalten, denn abgesprochene Angebote sind zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen. Fraglich ist aber, ob es wahrscheinlich ist, daß in diesem Falle der Außenseiter den Zuschlag erhalten würde. Die Vergabestelle hat die Möglichkeit, nach § 26 Nr. 1 c) VOB/A das Vergabeverfahren insgesamt aufzuheben, wenn schwerwiegende Gründe bestehen; als solcher schwerwiegender Grund gilt auch, wenn das Submissionsverfahren kein angemessenes Angebot als Ergebnis hatte. Wenn das reguläre Angebot höher ist als das Kartellangebot, kann

971 Zu Einzelheiten siehe Satzger S. 232.

972 Zu den Schwierigkeiten, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. den Nachweis zu führen, daß das vorgelegte Angebot das günstigste war vgl. Erdl Rdnr. 386ff.

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die Vergabestelle daher nach § 26 Nr. 1 c) VOB/A das Verfahren aufheben. Nach der zutreffenden Ansicht Satzgers973 kann daher nicht mit der erforderlichen Sicherheit von einer Zuschlagserteilung an das reguläre Angebot ausgegangen werden, so daß keine vermö-genswerte Exspektanz vorliegt, deren Verlust einen Vermögensschaden darstellt.

Eine Ansicht will die Rechtsprechung des BGH974 auf die Fälle übertragen, in denen ein abgesprochenes Angebot eingereicht wurde und den Zuschlag erhalten hat.975 Zur Begründung wird vorgetragen, daß es für eine Strafbarkeit wegen Betrugs zu Lasten eines Wettbewerbers genüge, daß ein Angebot vorliegt, das den Vergabevorschriften nicht entspreche und bei dem der Auftraggeber darüber getäuscht werde, daß es sich um ein nicht zu berücksichtigendes Angebot handle. Dies sei bei allen abgesprochenen Angeboten der Fall.976

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da der redliche Mitbewerber keine ausreichend gesicherte vermögenswerte Aussicht auf Vermögensmehrung hat, deren Zerstörung einen Vermögensschaden begründen könnte. Wenn das reguläre Angebot der Höhe nach über dem herausgestellten Kartellangebot liegt, spricht die Möglichkeit einer Aufhebung der Submission gegen die Annahme einer vermögenswerten Gewinnaussicht des Mitbewerbers.

c) Ergebnis

Ein Betrug des redlichen Bewerbers, der das gegenüber dem herausgestellten Kartellpreis nächstgünstigste Angebot abgegeben hat, liegt nicht vor, da er keinen Vermögensschaden erlitten hat, insbesondere liegt kein Verlust einer vermögenswerten Exspektanz vor.