• Keine Ergebnisse gefunden

Erfüllungsbetrug aufgrund der baupreisrechtlichen Preisreduktion

F. Submissionsabsprachen unter strafrechtlichem Aspekt

1. Erfüllungsbetrug aufgrund der baupreisrechtlichen Preisreduktion

Im Anwendungsbereich der Baupreisverordnung (VO PR Nr. 1/72859) war gesetzliche Folge eines Vertragsschlusses der Vergabestelle mit einem aufgrund eines Wettbewerbsverstoßes zustandegekommenen Angebot, daß eine Zahlungsverpflichtung der Vergabestelle nur in Höhe des Selbstkostenfestpreises entstand.860 Ein Erfüllungsbetrug könnte durch das Abrechnen zum Zuschlagspreis vorliegen, obwohl infolge der Submissions-absprache baupreisrechtlich nur der Selbstkostenfestpreis beansprucht werden durfte.861

855 Vgl. Tenckhoff, FS-Lackner, S. 677, 678; Luipold S. 91.

856 Vgl. LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 292; BGH wistra 1997, 144, 146 = NStZ 1997, 542, 543; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 51, Rdnr. 122; Achenbach NStZ 1997, 537; Tenckhoff, FS-Lackner, S. 677, 680; Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 91a; Tröndle-Fischer § 263, Rdnr. 32c.

857 Nach Luipold S. 91 ist es kennzeichnend für den Erfüllungsbetrug, daß der Ge schädigte nicht bereits vorher Opfer eines Eingehungsbetrugs wurde.

858 So Satzger ZStW, Bd. 109, 1997, 357, 370; kritisch Moosecker, FS-Lieberknecht, S. 407, 428.

859 VO PR Nr. 1/72: Verordnung PR Nr. 1/72 über die Preise für Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen vom 6. 3. 1972; BGBl. I, S. 293; abgedruckt bei Michaelis/Rhösa Bd. 2, Text -Teil, II Preisbildung und Vergebung öffentlicher Aufträge, 3 Baupreisrecht.

860 Und zwar von Anfang an, vgl. Ranft wistra 1994, 41, 44; Huhn S. 282 m. w. N.

861 Vgl. Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 60; Otto ZRP 1996, 300, 308; Cramer NStZ 1993, 42; Schönke/Schröder-Cramer, 26. Aufl., § 263, Rdnr. 137a; Tröndle-Fischer § 263,

121

Auch in der Rechtsprechung wurde darauf hingewiesen, daß mittels der baupreisrechtlichen Preisreduzierung ein Erfüllungsbetrug bei Submissionsabsprachen begründet werden kann.862

a) Anwendungsbereich

Das Baupreisrecht galt nach § 1 VO PR Nr. 1/72 für Bauleistungen auf Grund öffentlicher oder mit öffentlichen Mitteln finanzierter Aufträge.863 Mit öffentlichen Mitteln geförderte Bauaufträge waren nach § 2 Abs. 2 VO PR Nr. 1/72 solche, die von der öffentlichen Hand zu mehr als fünfzig Prozent finanziert bzw. gefördert wurden.864 Sachlicher Anwendungsbereich der Baupreisverordnung waren Bauleistungen; darunter fielen nach § 3 Abs. 1 VO PR Nr.

1/72 alle Bauarbeiten, soweit sie mit oder ohne Lieferung von Stoffen und Bauteilen der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung baulicher Anlagen dienten.

Die Baupreisverordnung wurde durch die Verordnung vom 16. 6. 1999 mit Wirkung zum 1. 7. 1999 aufgehoben,865 daher ist diese Konzeption eines Erfüllungsbetrugs überholt.866 Es gibt - soweit ersichtlich - keine anderweitigen Regelungen, die in einer der Baupreisverordnung entsprechenden Weise anwendbar sind. Die allgemeine Preisverordnung VO PR Nr. 30/53867 nimmt nach § 2 Abs. 5 ausdrücklich Bauleistungen von ihrem Anwendungsbereich aus und wurde auch im Zuge des Wegfalls der Baupreisverordnung nicht verändert bzw. angepaßt.

Daraus folgt, daß Bauleistungen, die von § 3 Abs. 1 VO PR Nr. 1/72 erfaßt wären, nicht der Preisverordnung unterliegen.868 Zudem enthält das allgemeine Preisrecht keine Höchstpreisvorschriften, die bei Submissionsabsprachen für die Begründung eines Betrugs herangezogen werden können.869

b) Anspruch auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis

Die Baupreisverordnung ließ Wettbewerbspreise nach § 5 Abs. 2 VO PR Nr. 1/72 unberührt. Bei einem infolge von Submissionsabsprachen zustande gekommenen Angebot lag allerdings kein Wettbewerbspreis in diesem Sinne vor; bei einem solchen reduzierte sich nach § 5 Abs. 3, §§ 7, 9 Abs. 1 VO PR Nr. 1/72 der Zuschlagspreis "automatisch" auf den

Rdnr. 34; Baumann NJW 1992, 1661, 1665; Mitsch JZ 1994, 877, 889; a. A. Lüderssen wistra 1995, 243, 248.

862 Vgl. BGH NJW 1995, 737, 738; BGH NJW 1992, 921, 923.

863 Vgl. Michaelis/Rhösa-Greiffenhagen, Bd. 1, VO § 2 G II Ziff. 1.

864 Vgl. Michaelis/Rhösa-Greiffenhagen, Bd. 1, VO § 2 G II Ziff. 3; Huhn S. 281.

865 BGBl. I 1999, 1419; vgl. Michaelis/Rhösa-Greiffenhagen, Bd. 1, VO § 2 G S. 1; Anlaß für die Aufhebung der Baupreisverordnung war laut Greiffenhagen, daß sie sich vorrangig auf Selbstko-stenpreise bezog, die bei Bauaufträgen zunehmend weniger Bedeutung erlangt hätten.

866 Ebenso FK-Achenbach, 46. Lfg., September 2000, § 81 GWB 1999, Rdnr. 60; Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, 3. Aufl., Vor § 81 Rdnr. 101.

867 Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR Nr. 30/53) vom 21. 11.

1953; vgl. Michaelis/Rhösa-Greiffenhagen, Bd. 1, VO Präambel S. 1.

868 Vgl. Michaelis/Rhösa-Greiffenhagen, Bd. 1, VO § 2 G S. 1.

869 Vgl. Satzger S. 169, Fn. 530.

122

Selbstkostenfestpreis.870 Der bei Wettbewerbsbeschränkungen nach § 7 VO PR Nr. 1/72 zu ermittelnde Selbstkostenfestpreis richtete sich gemäß § 14 Nr. 4 VO PR Nr. 1/72 nach den der Preisverordnung als Anlage beigefügten "Leitsätzen für die Ermittlung von Preisen für Bauleistungen auf Grund von Selbstkosten (LSP-Bau)".871 Der Selbstkostenfestpreis errechnete sich aus den unternehmensspezifischen Kosten zuzüglich des Unternehmensgewinns, der nach Nr. 43 Abs. 1 LSP-Bau auf 6 Prozent der Selbstkosten begrenzt war.872 Im Ergebnis lag der Selbstkostenfestpreis in der Regel unter dem Zuschlagspreis.873

c) Täuschungshandlung

Umstritten ist, welche Anforderungen an die für den Erfüllungsbetrug relevante Täuschungshandlung zu stellen sind. Beim "klassischen" Erfüllungsbetrug täuscht der Täter typischerweise erst nach Vertragsschluß in der Erfüllungsphase des Vertrags.874 Diskutiert wird, ob die Täuschung bei der Angebotsabgabe über das Zustandekommen des Angebots als Täuschung auch für den Erfüllungsbetrug wirkt, oder ob eine selbständige Täuschungshandlung in der Erfüllungsphase vorliegen muß.875 Der BGH876 hat zur Frage der Täuschungshandlung - insofern wenig aufschlußreich877 - ausgeführt, die für den Erfüllungsbetrug relevante Täuschungshandlung könne bei der Angebotsabgabe, beim Vertragsschluß und bei der Einforderung des Werklohns geschehen sein.

(1) Selbständige Täuschung bei der Erfüllung

Nach einer Ansicht878 kann die Täuschung, die maßgeblich für den Vertragsschluß war, nicht zur Begründung eines Erfüllungsbetrugs herangezogen werden. Ein Erfüllungsbetrug liegt danach nur vor, falls eine Täuschungshandlung bei der Abwicklung des Vertrags vorgenommen wird.

870 Vgl. m. w. N. Satzger S. 170; Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 60; Cramer S. 25.

871 Leitsätze für die Ermittlung von Preisen für Bauleistungen auf Grund von Selbstkosten (LSP-Bau) BGBl. 1972 I S. 293; abgedruckt bei Michaelis/Rhösa, Bd. 2, Text -Teil, II Preisbildung und Vergebung öffentlicher Aufträge, 3b Baupreisrecht.

872 Vgl. Michaelis/Rhösa-Greiffenhagen, Bd. 1, VO § 2 G II Ziff. 6.

873 Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 60; Kanski S. 180; Satzger S. 170; andere Informationen hat offenbar Lüderssen, wistra 1995, 243, 248ff.: "Die Baufirmen wären, wie man leicht erfahren kann, mit dem ihnen nach Nr. 43 (1) der Leitsätze für die Ermittlung von Preisen für Bauleistungen aufgrund von Selbstkosten zugebilligten "Entgelt für das allgemeine Unterneh-menswagnis bei Selbstkostenfestpreisen" von 6 % durchaus zufrieden, würden auf dieser Basis gerne abschließen und erfüllen; es könnte also gar nicht zum Betrug kommen."

874 Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 75; Kanski S. 174 m. w. N.; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 228, 233.

875 Grundlegend zu der Problematik Cramer, Vermögensbegriff S. 182, S. 190.

876 BGH NJW 1992, 921, 923.

877 Vgl. Moosecker, FS-Lieberknecht, S. 407, 427; siehe Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 36 mit einer Zusammenfassung der Kritik im Schrifttum an den Ausführungen des BGH zum Vorliegen eines Erfüllungsbetrugs.

878 Vgl. Joecks wistra 1992, 247, 252; Hefendehl ZfBR 1993, 164, 169; Hefendehl JuS 1993, 805, 810, 811;

Kanski S. 102ff., 168, 169, 181, 191; Huhn S. 269, 280; Tenckhoff, FS-Lackner, S. 677, 692; siehe auch zusammenfassend Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 37.

123 (2) Fortwirkende Täuschung vor Vertragsschluß

Die für den Erfüllungsbetrug relevante Täuschungshandlung wird von einigen Autoren879 mit guten Gründen in der fortwirkenden Täuschung vor bzw. bei Vertragsschluß über das Zu-standekommen des Angebots gesehen, bei der verheimlicht wird, daß das Angebot nicht unter Wettbewerbsbedingungen kalkuliert wurde. Das Verschweigen der Wettbewerbs-beschränkung führt dazu, daß die Vergabestelle von der Möglichkeit, den Preis herabzusetzen, keinen Gebrauch macht. Wenn der Getäuschte mehr leistet, als er zu leisten verpflichtet ist, spielt es nämlich keine Rolle, ob die Mehrleistung aufgrund einer Täuschung vor oder nach Vertragsschluß erfolgt.880 Nach richtiger Ansicht881 kann daher auch eine Täuschung vor Vertragsschluß einen Erfüllungsbetrug begründen, wenn sie in der Erfüllung des Vertrags fort-wirkt und Ursache für die Vermögensverfügung bei der Erfüllung ist.882 Bei der Un-terscheidung zwischen Eingehungs- und Erfüllungsbetrug kommt es nicht darauf an, ob der Täter mit der Täuschungshandlung bereits bei der Eingehung der Verbindlichkeit beginnt oder erst bei der Erfüllung. Die Abgrenzung ist folglich danach vorzunehmen, ob die schädigende Vermögensverfügung bereits in der Eingehung des Vertrags liegt, oder ob sie in der Annahme der Leistung als Erfüllung unter dem Einfluß der fortwirkenden Täuschung zu erkennen ist.

Die Täuschung vor Vertragsschluß über die Submissionsabsprache hat zwei Wirkungen:883 Zum einen ist sie Voraussetzung dafür, daß das Angebot nicht vom Submissionsverfahren ausgeschlossen wird, zum anderen bewirkt sie, daß der Vergabestelle die Geltendmachung von Minderungsansprüchen, die aus der Submissionsabsprache resultieren, verborgen bleibt. Die zweite Wirkung der Täuschungshandlung ist relevant für die Erfüllung des Vertrags; sie kommt erst in der Erfüllungsphase zum Tragen.884

Ziel der Submissionsabsprache ist die Erlangung des Zuschlags, um den Auftrag zu den Bedingungen des Zuschlagspreises auszuführen und abzurechnen. Das Verschweigen der Submissionsabsprache beim Abschluß des Vertrags ist die Täuschungshandlung, die Voraussetzung für den Vertragsschluß ist; sie wirkt in der Erfüllung fort. Da die Vergabestelle ohne erneute Täuschungshandlung die Schlußrechnung auf der Basis des vereinbarten Preises bezahlen wird, ist gar keine weitere Täuschung in der Erfüllungsphase erforderlich.

879 Vgl. Oldigs S. 81ff.; Cramer NStZ 1993, 42; Cramer S. 21; Ranft wistra 1994, 41, 44; Bartmann S. 84;

Grüner JuS 2001, 882, 886. Instruktiv zum Problem Pawlik S. 280, 281.

880 Cramer S. 22; in diesem Sinne auch Otto, Grundkurs Strafrecht, § 51, Rdnr. 126.

881 Vgl. Puppe JZ 1984, 531, 532.

882 Insofern wird auch von einem "unechten Erfüllungsbetrug" gesprochen, vgl. Luipold S. 197; LK-Lackner, 10. Aufl., § 263, Rdnr. 229ff.; Rengier, Strafrecht BT/1, § 13, Rdnr. 74a; vgl. zum unechten Erfüllungsbetrug auch BayObLG NJW 1999, 663; siehe zu dieser Entscheidung auch die ablehnende Anmerkung Rengiers JuS 2000, 644; Tröndle-Fischer § 263, Rdnr. 32a zweifelt, ob es sich beim unechten Erfüllungsbetrug um eine vom Eingehungsbetrug abgrenzbare, eigenständige Fallgruppe handelt.

883 So zutreffend Satzger S. 173ff.

884 Eine Schwäche dieser Konzeption wird zu Recht in dem möglichen Einwand des Täters gesehen, bei seiner Täuschung vor bzw. beim Vertragsschluß nur das Erreichen des Zuschlags vor Augen gehabt zu haben, vgl. Satzger S. 174.

124

d) Irrtum, Vermögensverfügung

Der Ausschreibende irrt über den infolge der gesetzlichen Preisreduktion nach der Baupreisordnung tatsächlich geschuldeten Betrag.885

Der Täter bewirkt durch sein Verheimlichen der Absprache des Angebots, daß die Vergabestelle den vollen Zuschlagspreis bezahlt anstelle des nur gesetzlich geschuldeten Selbstkostenfestpreises. Das Bezahlen des den Selbstkostenfestpreis überschreitenden Betrags stellt die täuschungsbedingte Vermögensverfügung dar.886

e) Vermögensschaden

Ein Erfüllungsschaden durch Verheimlichen des Anspruchs auf Abwicklung zum Selbstkostenfestpreis ist nur unter der Voraussetzung zu bejahen, daß die Rechnung auf der Basis des Zuschlagspreises höher ist als der Selbstkostenfestpreis. Der Vermögensschaden liegt unter dieser Voraussetzung in der Differenz zwischen dem Selbstkostenfestpreis und der Endabrechnung auf der Basis des Zuschlagspreises.887 Der Selbstkostenfestpreis kann nicht zur Begründung eines Vermögensschadens herangezogen werden, wenn er gleich hoch oder höher als der Zuschlagspreis ist.

Fraglich ist, ob die Vereitelung der Geltendmachung des Anspruchs auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis einen Vermögensschaden darstellt. Umstritten ist, ob dem Anspruch auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis Vermögenswert zukommt.

Hefendehl888 ist der Ansicht, die gesetzliche Reduktion auf den Selbstkostenfestpreis gehöre nicht zum strafrechtlich geschützten Vermögen, da § 7 VO PR 1/72 wettbewerbsschützende Funktion habe und entsprechende Verstöße sanktioniere. Es liege kein von § 263 StGB erfaßter Vermögenswert vor; vergleichbar sei dieser Anspruch mit einer staatlichen Geldstrafe oder einem Verwarnungsgeld, die ebenfalls nicht von § 263 StGB geschützt seien. Damit scheide ein Erfüllungsbetrug auf der Basis des Selbstkostenfestpreises aus.

Gegen die Ansicht Hefendehls wird in der Literatur889 zu Recht angeführt, seine Zweckbestimmung des § 7 VO PR 1/72 sei zu eng. Die Vorschrift habe auch die Funktion, einen Interessenausgleich der Beteiligten herbeizuführen. Dies ergebe ein Vergleich mit der Rechtslage, die ohne die Preisverordnung bestehen würde, da in diesem Falle der Ausschreibende den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten könne; mit dem Wegfall

885 Vgl. Satzger S. 172; Huhn S. 281.

886 Ebenso Satzger S. 172; Huhn S. 281; Bedenken hat Miehe S. 88ff., ob von einer Vermögensverfügung ausgegangen werden kann, wenn der Verfügende überhaupt nicht erkennt, Inhaber einer Forderung zu sein.

887 Vgl. Otto ZRP 1996, 300, 308; Satzger S. 172; Oldigs S. 82; Samson/Günther im SK, § 263, Rdnr. 146d.

Im Ergebnis stimmt auch Huhn mit dieser Ansicht überein, allerdings mit abweichender Begründung:

Huhn sieht in der baupreisrechtlichen Preisreduktion eine "Art kraft Ge setzes vereinbarte Vertragsstrafe", die als solche Bestandteil des von § 263 StGB geschützten Vermögens sei; vgl.

Huhn S. 283, 284.

888 Vgl. Hefendehl JuS 1993, 805, 809; Hefendehl ZfBR 1993, 164, 168; zustimmend Grüner JuS 2001, 882, 887.

889 Ranft wistra 1994, 41, 45; Cramer S. 24.

125

der Vertragsgrundlage würde nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen rückabgewickelt.

Die dabei entstehenden Ansprüche des Ausschreibenden wären Bestandteil des von § 263 StGB geschützten Vermögens, obwohl nach Bereicherungsrecht kein Betrag für Wagnis und Gewinn auszugleichen wäre; bei der Berechnung des Selbstkostenfestpreises werde jedoch dem Unternehmer auch eine Vergütung für sein Wagnis und ein Gewinnanteil zugesprochen.

Weiter wird angeführt, die Regelung des § 7 VO PR 1/72 sei keine einseitig wirkende Vorschrift, wie das für Sanktionen typisch sei, sondern sie wirke im Synallagma.890

Kanski891 äußert Bedenken, ob dem Anspruch der Vergabestelle auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis ein wirtschaftlicher Wert zukomme, dessen Vereitelung einen Vermögensschaden begründe. Letztendlich hinge es nämlich vom Zufall ab, ob die Vergabestelle von der Möglichkeit zur Vermögenseinsparung durch ihren Anspruch auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis erfahre, da sie diesen nur bei Kenntnis von der Submissionsabsprache realisieren könne. In der Regel sei der Täter zur Fortführung der Täuschung entschlossen. Mangels Vermögensschadens lehnt Kanski eine Strafbarkeit wegen Erfüllungsbetrugs im Bereich der BaupreisVO daher ab.892

Kanski wäre zuzustimmen, wenn die Zurechnung des Anspruchs auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis zum von § 263 StGB geschützten Vermögen vom Wissen um diesen Anspruch abhinge. Dies ist jedoch abzulehnen, da ansonsten der Täter, der es so geschickt anstellt, daß sein Opfer von der Vermögensbeschädigung keine Kenntnis erlangt, straffrei ausgehen würde. Die Wahrscheinlichkeit der Kenntniserlangung des Opfers von vermögensschädigendem Handeln kann nicht darüber entscheiden, ob ein vermögenswerter Anspruch und bei der Vereitelung dieses Anspruchs ein Betrug vorliegt. Folgte man Kanskis Argumentation, würde auch kein Betrug gegeben sein, wenn die Vergabestelle später von ihrem Anspruch erführe: Sie wüßte in diesem Fall, daß sie durch Täuschung an der Erhebung ihres Anspruchs gehindert wurde, mangels Vermögenswerts dieses Anspruchs läge aber nach Kanski kein Betrug vor.

Nach Bartmann893 begründet die Reduktion auf den Selbstkostenfestpreis keine vermögenswerte Position der Vergabestelle. Zur Begründung führt er an, daß die Preisreduktion erst durch die Täuschung des Anbieters über die unzulässige Absprache entstehe. Strafrechtlicher Schutz genieße jedoch nur bereits erlangtes Vermögen. Erst müsse eine Vermögensposition vorliegen, dann müsse die Täuschung hinzutreten, aufgrund derer sie dem Inhaber durch eine täuschungsbedingte Verfügung verloren gehe. Da die Abgabe eines Angebots im Rahmen einer Ausschreibung die zumindest schlüssige Erklärung enthalte, das Angebot sei eigenständig kalkuliert und unbeeinflußt zustande gekommen, folge die Täuschung vor Vertragsschluß über die erfolgte Absprache nicht etwa dem sanktionsbelasteten Zuschlag, wie dies zur Bildung von Vermögen erforderlich sei, sondern liege zeitlich stets vor dem Zuschlag und dem damit verbundenen Reduktionseffekt. Eine Manifestation des vermögenswerten Interesses der Vergabestelle an der Erlangung des Selbstkostenfestpreises

890 Cramer S. 24.

891 Kanski S. 181.

892 Nach Kanski fehlt es in der Regel zudem an der ihrer Ansicht nach für den Erfüllungsbetrug er-forderlichen weiteren Täuschungshandlung bei der Erfüllung des Vertrags.

893 Bartmann S. 90ff.; dabei greift er einen Gedanken von Hefendehl JuS 1993, 805, 810 auf.

126

könne deshalb nicht vor der Täuschung liegen, sondern müsse ihr notwendig nachfolgen. Die Täuschung über die erfolgte Absprache wirke daher isoliert betrachtet ,vermögensbildend'".

Bartmann verkennt die baupreisrechtlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis. Denn die Preisreduktion auf den Selbstkostenfestpreis ist nicht Folge der Täuschung gegenüber der Vergabestelle, sondern folgt aus der Tatsache, daß kein Wettbewerbspreis eingereicht wurde, mithin allein aus der wettbewerbsbeschränkenden Absprache. Der Selbstkostenfestpreis tritt daher ohne die von Bartmann ins Feld geführte Täuschungshandlung an die Stelle des Zuschlagspreises, wenn dieser nicht im Wettbewerb zu-standegekommen ist. Das Verheimlichen der Absprache als Täuschungshandlung ist also keineswegs eine "vermögensbildende" Maßnahme; die Täuschung ist nur Voraussetzung dafür, daß das Angebot im Vergabeverfahren berücksichtigt wird und den Zuschlag erhalten kann.

Bartmanns Ansicht kann daher nicht gefolgt werden.

Als Ergebnis ist festzuhalten, daß der Anspruch der Vergabestelle auf Leistung zum Selbstkostenfestpreis Bestandteil des von § 263 StGB geschützten Vermögens war.

f) Vorsatz, Absicht rechtswidriger Bereicherung

Der Täter muß in seinen Vorsatz neben den sonstigen objektiven Tatbestandsmerkmalen vor allem die baupreisrechtlichen Folgen der Submissionsabsprache aufgenommen haben, d. h.

er muß bei der Einreichung des Angebots sich darüber im Klaren gewesen sein, daß die Verbindlichkeit nur zum Selbstkostenfestpreis entstehen würde. In Kenntnis dieser Umstände muß ihm bei der Erstellung der Schlußrechnung bewußt gewesen sein, daß er nur den Selbstkostenfestpreis berechnen durfte. War dem Täter nichts von der gesetzlichen Preisreduktion bekannt, befand er sich in einem Tatbestandsirrtum. Dieser läßt nach § 16 Abs. 1 StGB den Vorsatz entfallen bezüglich der Rechtswidrigkeit der angestrebten Bereicherung, da in diesem Fall der Täter davon ausging, ihm stehe eine Forderung in der betreffenden Höhe zu.894 Eine Strafbarkeit wegen Erfüllungsbetrugs kommt also nur in Betracht, wenn der Täter die baupreisrechtlichen Konsequenzen der Submissionsabsprache kennt;895 in diesem Falle liegt in der Regel auch die rechtswidrige, stoffgleiche Bereicherungsabsicht vor bezüglich des Betrags der Schlußrechnung, der den Selbstkostenfestpreis übersteigt.896

g) Ergebnis

Wenn der auf dem Zuschlagspreis basierende Preis über dem Selbstkostenfestpreis lag, konnte ein Erfüllungsbetrug gegeben sein, sofern die weiteren Voraussetzungen vorlagen,

894 Vgl. Satzger S. 177.

895 Dies hängt maßgeblich davon ab, inwieweit die baupreisrechtlichen Konsequenzen von Sub-missionsabsprachen den betreffenden Personenkreisen bekannt sind. Satzger S. 178 bemängelt in diesem Zusammenhang zu Recht, daß bei der Veröffentlichung der "Rheinausbau" Entscheidung weder in BGHSt 38, 186, noch in BGH NStZ 1993, 40 die den Erfüllungsbetrug erörternden Passagen abgedruckt sind. Nur in BGH NJW 1992, 921 wurde der entsprechende Teil im Kleindruck wiedergegeben.

896 Vgl. m. w. N. Samson/Günther im SK, § 263, Rdnr. 146d.

127

insbesondere der erforderliche Vorsatz. Über einen Vergleich des Selbstkostenpreises mit dem Zuschlagspreis konnte kein Erfüllungsbetrug begründet werden, falls der ermittelte Selbstkostenfestpreis höher war als der Zuschlagspreis.897 In der Literatur findet die Begründung eines Erfüllungsbetrugs mittels der baupreisrechtlichen Preisreduktion auf den Selbstkostenfestpreis weitgehend Zustimmung.898 Die Schwachstelle dieser Konzeption ist der auf das öffentliche Baurecht beschränkte Anwendungsbereich; zudem erforderte sie die Kenntnis der baupreisrechtlichen Konsequenzen von Submissionsabsprachen.899 Durch die Abschaffung der Baupreisverordnung ist dieser Konzeption jedoch der Boden entzogen worden, ohne daß sie in der Praxis - soweit ersichtlich - Anwendung gefunden hat.