• Keine Ergebnisse gefunden

F. Submissionsabsprachen unter strafrechtlichem Aspekt

IV. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen

2. Die rechtswidrige Absprache

Der Begriff der Absprache ist noch weitgehend ungeklärt. Eine "Absprache" liegt jedenfalls vor, wenn sich mindestens zwei Bewerber über ihre bei einem konkreten Ausschreibungsverfahren abzugebenden Angebote verständigen.990

In der Literatur findet sich die Ansicht, daß als Absprache in diesem Sinne auch eine Verständigung zwischen mindestens einem Bewerber und Personen aus dem Lager des Ausschreibenden aufzufassen ist.991 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Eine Absprache im Sinne von § 298 StGB liegt nicht vor, wenn ein Bediensteter der Vergabestelle mit nur einem Wettbewerber Abmachungen trifft, es sei denn, dies initiiert oder fördert eine Verhaltenskoordination der Wettbewerber untereinander.992 Denn § 298 StGB dient in erster Linie der Bekämpfung horizontaler Wettbewerbsbeschränkungen.993 § 298 StGB ist nämlich als Kriminalisierung eines Teilbereichs der § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 und § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 25 Abs. 1 GWB a. F. konzipiert worden;994 diese Tatbestände sanktionierten aber horizontale Wettbewerbsbeschränkungen. Ein weiterer Beleg dafür, daß § 298 StGB gegen Absprachen der Anbieter untereinander gerichtet ist, liegt darin, daß sich die Rechtswidrigkeit der Absprache nach dem Kartellrecht bestimmt, und zwar nach § 1 GWB.995 Abmachungen zwi-schen nur einem Wettbewerber und dem Ausschreibenden fallen als vertikale Vereinbarungen

987 Gruhl, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 58, Rdnr. 13; Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 17 will bei der Abgabe eines Schutzangebots eher auf Beihilfe erkennen.

988 Achenbach WuW 1997, 958, 959; Schaller RiA 1998, 9, 11; Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 15;

Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 17.

989 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 15; SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 10; Girkens/Moosmayer ZfBR 1998, 223, 224; zur Beteiligung privater Ingenieur- und Planungsbüros an der Betreuung öffentlicher Bauvorhaben, vgl. Traumann S. 20.

990 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 12; Otto wistra 1999, 41; Dannecker in Wabnitz/Janovsky, Hdb.

Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 15. Kapitel, Rdnr. 131; SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 8.

991 Vgl. Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 12 und Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 11;

Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, 3. Aufl., Vor § 81 Rdnr. 108.

992 Zu denken ist an Fälle, in denen ein Bediensteter einem Wettbewerber - in der Regel gegen ent-sprechende Gegenleistung - zusätzliche Informationen über den ausgeschriebenen Auftrag zu-kommen läßt, die dieser bei der Erstellung seines Angebots verwendet und so einen Wettbewerbs-vorteil gegenüber seinen Konkurrenten erlangt oder ihm durch sonstige Manipulationen den Zu-schlag verschafft.

993 In diesem Sinne wohl auch Gruhl, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 58, Rdnr. 11; Joecks § 298, Rdnr. 4. Es kann eine Strafbarkeit wegen Bestechung (§ 299 Abs. 2; § 334 StGB) oder Vorteilsgewährung (§ 333 Abs. 1) vorliegen.

994 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption, BT-Drucks. 13/5584, S. 13.

995 Auch nach Tröndle -Fischer § 298, Rdnr. 12 und Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 13 richtet sich die Rechtswidrigkeit der Absprache nach § 1 GWB.

146

nicht unter § 1 GWB. Ein Bediensteter des Ausschreibenden kann an einer Absprache von mindestens zwei Anbietern beteiligt sein, wenn er deren Absprache anregt, ermöglicht oder unterstützt, zum Beispiel durch Herausgabe der Interessentenliste.996

Umstritten ist, ob neben vertraglichen Vereinbarungen auch abgestimmte Verhaltensweisen unter den Begriff der Absprache zu subsumieren sind.997 § 1 GWB verwendet die Begriffe der Vereinbarungen und der aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, so daß ein Vergleich nichts ergibt.998 Einige Autoren folgern aus dem Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG), daß abgestimmte Verhaltensweisen nicht von § 298 StGB erfaßt werden.999 Nach dem Willen des Gesetzgebers1000 und der überwiegenden Ansicht in der Literatur1001 sind allerdings zu Recht auch abgestimmte Verhaltensweisen tatbestandsmäßig, da die bei abgestimmtem Verhalten er-forderliche Abstimmung als Absprache i. S. von § 298 StGB aufzufassen ist. Der in § 298 StGB enthaltene Begriff der Absprache umfaßt jegliche Koordinierung der Angebote, die bei einer Submission eingereicht werden sollen. Dabei ist es unerheblich, ob die Koordinierung über eine Vereinbarung oder über ein abgestimmtes Verhalten erfolgt. Diese Auslegung entspricht auch dem Schutzzweck der Norm; der Wortlaut steht ihr nicht entgegen, denn auch ein abgestimmtes Verhalten enthält mit dem Erfordernis der Abstimmung ein Element, das als Absprache im Sinne von § 298 StGB verstanden werden kann; daher stellt dieses Ergebnis keine unzulässige, die Strafbarkeit ausdehnende Analogie dar.

Die an der Absprache Beteiligten müssen sich mindestens konkludent darüber geeinigt haben, daß die Auswahlentscheidung des Ausschreibenden in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll.1002 Allgemeine Gebietsabsprachen, Kundenabsprachen, Quotenabsprachen oder Absprachen zur sachlichen oder räumlichen Aufteilung eines Marktes können mittelbar auf eine Ausschreibung wirken, indem sie Unternehmer dazu veranlassen, an einer Ausschreibung (insofern "absprachegemäß") nicht teilzunehmen. Diese Absprachen können nicht unter § 298 StGB subsumiert werden trotz ihrer mittelbaren Wirkung auf ein Submissionsverfahren, da es sich nicht um Abmachungen handelt, die darauf abzielen, einem bestimmten Angebot den Zu-schlag zu verschaffen. Es fehlt in diesen Fällen am Bezug der Abrede zu einem konkreten Ausschreibungsverfahren.1003 Von den Umständen des Einzelfalls hängt es ab, welche Anforderungen an die Detailgenauigkeit der Absprache zu stellen sind. Unverbindlicher

996 Vgl. Girkens/Moosmayer ZfBR 1998, 223, 224; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 61, Rdnr. 146; SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 8; Gruhl, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., § 58, Rdnr. 11.

997 Vgl. Kleinmann/Berg BB 1998, 277, 279.

998 Kleinmann/Berg BB 1998, 277, 280 führen aus, daß der Begriff der Absprache völlig neu und dem System des GWB fremd sei; da keine Legaldefinition existiere, und der Begriff auch nicht in anderen strafrechtlichen Vorschriften Tatbestandsmerkmal sei, könne nicht auf bereits vorhandenen Auslegungsergebnisse vergleichend zurückgegriffen werden.

999 Kleinmann/Berg BB 1998, 277, 280; Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 16.

1000 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption, BT-Drucks. 13/5584, S. 14.

1001 Otto, Grundkurs Strafrecht, § 61, Rdnr. 145; Korte NStZ 1997, 513, 516; Bartmann S. 195; Gir-kens/Moosmayer ZfBR 1998, 223; Achenbach WuW 1997, 958, 959; FK-Achenbach, 46. Lfg., September 2000, § 81 GWB 1999, Rdnr. 50; Joecks § 298, Rdnr. 4; Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl.,

§ 298, Rdnr. 11; Lackner-Kühl § 298, Rdnr. 3; wohl auch Dannecker in Wabnitz/Janovsky, Hdb.

Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 15. Kapitel, Rdnr. 131; Immenga/Mestmäcker-Dannecker/Biermann, 3. Aufl., Vor § 81 Rdnr. 108 und Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 21, Rdnr. 103, 111.

1002 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 13.

1003 Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 20.

147

Informationsaustausch, bloße Sondierungsgespräche oder Absichtserklärungen reichen jedenfalls nicht aus.1004

Ein Verheimlichen der Absprache vor dem Ausschreibenden ist nicht erforderlich, ebensowenig eine Täuschung oder eine Irrtumserregung.1005 Durch den Verzicht auf das Täuschungselement sollen die Fälle des kollusiven Zusammenwirkens von Wettbewerbern mit Bediensteten der Vergabestelle erfaßt werden, deren Kenntnis von der Absprache der Vergabestelle unter Umständen zugerechnet werden kann.1006

Tatbestandsmäßig nach § 298 StGB ist die Abgabe eines Angebots, das auf einer

"rechtswidrigen" Absprache beruht. Die Frage der Rechtswidrigkeit des Angebots bestimmt sich nach dem Kartellrecht (§ 1 GWB).1007

Umstritten ist, ob die Rechtswidrigkeit der Absprache Tatbestandsmerkmal ist, oder bloßer (überflüssiger) Hinweis auf das allgemeine Rechtswidrigkeitserfordernis. Nach überwiegender Ansicht ist in der Rechtswidrigkeit der Absprache ein Tatbestandsmerkmal zu erkennen.1008

Nach einer Ansicht1009 ist die Rechtswidrigkeit der Absprache kein Tatbestandsmerkmal.

Es bestehe keine systematische Notwendigkeit, den Täter bei Kenntnis aller die Rechtswidrigkeit begründenden Tatsachen von der Vorsatzstrafe freizustellen, wenn er diese Umstände lediglich fehlerhaft werte; daher sei ein Irrtum über die rechtliche Bewertung ein in der Regel vermeidbarer Verbotsirrtum.1010

Rudolphi1011 sieht in der Rechtswidrigkeit der Absprache ein "gesamttatbewertendes Merkmal". Wenn der Täter die Rechtswidrigkeit der Absprache erfaßt habe, so sei ihm auch notwendig die Bewertung der Gesamttat als rechtswidrig bekannt, da er wisse, daß seine Angebotsabgabe sich als Realisierung der rechtswidrigen Absprache erweise. Dies bedeute,

1004 Vgl. Otto wistra 1999, 41; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 61, Rdnr. 145; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 16, Rdnr. 700.

1005 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption, BT-Drucks. 13/5584, S. 14;

Dölling ZStW Bd. 112, 2000, 334, 348; kritisch beurteilt dies Otto, Grundkurs Strafrecht, § 61, Rdnr. 146; Bartmann S. 196 hält den Verzicht auf das Täuschungselement für unzweckmäßig, da es in der Praxis unschwer nachzuweisen sei und insofern nicht grundlos aufgegeben werden sollte;

Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 13, 17; Otto wistra 1999, 41; Lüderssen BB 1996, 2525, 2526; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2, § 16, Rdnr. 700; Lackner-Kühl § 298, Rdnr. 3; SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 4 und Korte NStZ 1997, 513, 516 betonen, daß es sich bei § 298 StGB nicht um ein betrugsähnliches Delikt handelt; während Arzt/Weber, Strafrecht BT, § 21, Rdnr. 109 in § 298 ein betrugsähnliches Delikt sehen im Hinblick auf die in der Praxis dominierenden Fälle der Täuschung der Vergabestelle.

1006 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption, BT-Drucks. 13/5584, S. 14.

1007 Vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption, BT-Drucks. 13/5584, S. 14 (wo freilich auf §§ 1, 25 GWB a. F. abgestellt wird); König JR 1997, 397, 402; Kleinmann/Berg BB 1998, 277, 279; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 61, Rdnr. 145; Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 12; SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 8; Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 17; Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 13.

1008 Vgl. Otto wistra 1999, 41; Wiedemann/Klusmann, Hdb. KartellR, § 56, Rdnr. 17; König JR 1997, 397, 402; Lackner-Kühl § 298, Rdnr. 3; Dannecker in Wabnitz/Janovsky, Hdb. Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 15. Kapitel, Rdnr. 132; Wolters JuS 98, 1100, 1102; Joecks § 298, Rdnr. 4.

1009 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 12; Schönke/Schröder-Heine, 26. Aufl., § 298, Rdnr. 13. Nach Heine hat das Merkmal "rechtswidrig" eine Doppelfunktion. Für Absprachen, die generell nach dem GWB zulässig sind, begrenze diese Erlaubnis den Tatbestand des § 298 StGB. Ansonsten stehe es für das allgemeine Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit.

1010 Tröndle-Fischer § 298, Rdnr. 17.

1011 SK-Rudolphi § 298, Rdnr. 9.

148

daß ein Verbotsirrtum vorliege, wenn der Täter trotz Kenntnis aller die Rechtswidrigkeit begründenden Tatumstände sein Verhalten als rechtmäßig betrachte.

Bei § 81 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB ist die Kenntnis des gesetzlichen Verbots der Ver-einbarung nach der hier vertretenen Ansicht eine Frage des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit des Verhaltens und kein normatives Tatbestandsmerkmal. Diese Auslegung findet ihre Stütze maßgeblich in der Struktur des § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB, der ein Zuwiderhandeln gegen das Verbot des § 1 GWB sanktioniert. Bei § 298 StGB ist jedoch die Rechtswidrigkeit der Absprache nur Voraussetzung dafür, daß eine Sanktionierung der Tathandlung erfolgen kann, die in der Abgabe des Angebots bei einer Ausschreibung besteht. Der Gesetzgeber hat sich bei § 298 StGB an der kartellrechtlichen Rechtslage orientiert, wie sie vor der 6. GWB Novelle bestand: § 1 GWB a. F. normierte die zivilrechtliche Unwirksamkeit bestimmter wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen; § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. sanktionierte erst das Hinwegsetzen über die Unwirksamkeit; nach richtiger Ansicht war die Unwirksamkeit der Vereinbarung ein normatives Tatbestandsmerkmal. § 298 StGB sanktioniert - vergleichbar mit

§ 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. - nicht den Abschluß der rechtswidrigen Vereinbarung, sondern nur die Abgabe eines darauf beruhenden Angebots. Bei § 298 StGB sprechen daher die überzeugenderen Gründe dafür, daß die Rechtswidrigkeit der Absprache ein Tatbestands-merkmal darstellt.