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V. Rechtslage bis zur 6. GWB Novelle

1. Systematik der Kartellordnungswidrigkeiten

Die Ordnungswidrigkeitentatbestände der §§ 38 und 39 GWB a. F. ließen keine klare Systematik erkennen.316 Durch Einzeltatbestände sollte ein möglichst lückenloser Schutz des Wettbewerbs erreicht werden.317

311 Vgl. Bechtold, 1. Aufl., § 98, Rdnr. 11, BGHSt 25, 208ff.; Emmerich, 7. Aufl., S. 51.

312 Vgl. Emmerich, Kartellrecht, 8. Aufl., S. 25; FK-Achenbach, 46. Lfg., September 2000, Vorbem. § 81 GWB 1999, Rdnr. 9.

313 FK-Achenbach, Vorbem. §§ 38-39, Rdnr. 8 m.w.N.

314 Insoweit hat sich also keine Veränderung der Rechtslage durch die 6. GWB Novelle ergaben; vgl.

FK-Achenbach, 46. Lfg., September 2000, Vorbem. § 81 GWB 1999, Rdnr. 9.

315 Vgl. beispielsweise den Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamts 1999/2000, BT-Drucksache 14/6300, S. 42, woraus hervorgeht, daß bei den 1999 und 2000 geführten Ordnungswidrigkeitenverfahren die 1997 erfolgte Hochstufung von Submissionsabsprachen zu Straftaten noch keine Anwendung fand.

316 Zur Konzeption der Bußgeldtatbestände vgl. Leistner S. 29ff.; Tiedemann, Kartellverstöße, S. 22.

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Nach der Höhe der angedrohten Sanktion wurde zwischen schweren Kartellord-nungswidrigkeiten nach § 38 GWB a. F. und leichteren Verstößen nach § 39 GWB a. F.

differenziert.318 Im Bereich der schweren Kartellordnungswidrigkeiten des § 38 GWB a. F.

konnten drei Typen von Tatbeständen unterschieden werden:319

- Originäre Bußgeldtatbestände320 der §§ 38 Abs. 1 Nr. 1, 7, 9, 10, 11 und 12 GWB a. F., die sich durch eine selbständige Tatbestandsformulierung auszeichneten und in der Regel im Tatbestand auf materielle Vorschriften des GWB verwiesen.

- Akzessorische Verstöße321 nach § 38 Abs. 1 Nr. 2, 4, 5 und 6 GWB a. F.

gegen kartellbehördliche Verfügungen.

- Vorschriften, die Verstöße gegen gesetzliche Verbote sanktionierten; dazu ge-hörten § 38 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 8 GWB a. F.

Die Ordnungswidrigkeitentatbestände des § 39 GWB a. F. waren unter dem Aspekt der Höhe der Bußgeldandrohung leichte Kartellverstöße, die der Sicherung behördlicher Aus-kunftsrechte dienten, sowie der Durchsetzung von Anmelde-, Anzeige-, Vorlage- und Dul-dungspflichten. Es handelte sich dabei in erster Linie um Verstöße im Bereich der Vorfeldbekämpfung der Wettbewerbsbeschränkungen, daher wurden sie auch als "typisches Verwaltungsunrecht"322 oder auch als Ungehorsamstatbestände323 bezeichnet.

2. § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB a. F.

Eine Ahndung von Submissionsabsprachen kam nach § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB a. F. in Betracht. § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. verwies im Tatbestand auf kartellrechtliche Primärvorschriften,324 formulierte jedoch selbständig die Tathandlung. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. handelte ordnungswidrig, wer sich über die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit eines Vertrages oder Beschlusses hinwegsetzte, der nach den §§ 1, 15, 20 Abs. 1, §§ 21, 100 Abs. 1 Satz 3, § 103 Abs. 2 oder § 106 GWB a. F. unwirksam oder nichtig war.

317 Vgl. Brunner S. 6ff. Die Technik der Bezugnahme auf materielle Vorschriften in den Ordnungs-widrigkeitentatbeständen des GWB führte dazu, daß die Regelungen unübersichtlich und kompliziert waren; die Vorschriften wurden daher auch als "Ordnungswidrigkeitensalat" bezeichnet, vgl.

Baumann/Arzt, ZHR Bd. 134, 1970, 24, 33; kritisch auch Leistner S. 29; Tiedemann in HWiStR, Stichwort Kartellordnungswidrigkeiten, S. 2.

318 Tiedemann teilt nach dem Maßstab der Abhängigkeit der Bußgeldtatbestände vom übrigen Recht des GWB in eigenständige (originäre), abhängige (akzessorische) und die Kategorie der Ungehor-sams -Tatbestände des § 39 GWB a. F. ein, vgl. Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38 Rdnr. 14ff.; siehe auch Bechtold § 38 Rdnr. 2, 8, 14; v. Gamm §§ 38, 38a Rdnr. 2; Strickrodt WuW 1960, 825; Leistner S. 36, der im wesentlichen der Einteilung Strickrodts folgt.

319 Vgl. FK-Achenbach, Vorbem. §§ 38-39, Rdnr. 6.

320 Vgl. Tiedemann, Kartellverstöße, S. 22.

321 Bezeichnung nach Tiedemann, Kartellverstöße, S. 22.

322 Müller-Gugenberger, Hdb. Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl., § 46 Rdnr. 55.

323 Vgl. Tiedemann, Kartellverstöße, S. 23.

324 Brunner S. 46; Leistner S. 39.

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Umstritten war, ob es sich bei § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. um eine Blankettnorm handelte.325 Es wird teilweise zwischen echten und unechten Blankettnormen unter-schieden.326 Echte Blankettnormen sind "offene" Tatbestände, deren Ausfüllung der Gesetzgeber einer anderen Instanz überläßt, beispielsweise dem Landesgesetzgeber oder der Verwaltung.327 Unechte Blankettnormen zeichnen sich dadurch aus, daß der vollständige Tatbestand durch Zusammenlesen der im selben Gesetz enthaltenen Bezugsnormen ermittelt werden kann.328 Da die Bezugsnormen des § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. ebenfalls im GWB zu finden waren und sich dadurch der vollständige Tatbestand ergab, war § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. als unechte Blankettnorm zu verstehen.329 Angesichts der Weite des Tatbestandes von § 1 Abs. 1 GWB a. F. und den dadurch begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken330 wurden nur eindeutige Verstöße von § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. erfaßt.331 Wenn ernsthaft Zweifel bestanden, ob ein Verhalten kartellrechtlich zulässig war, kam eine Ahndung nicht in Betracht. Allerdings ergaben sich diese Zweifel bei der Erfassung von Submissionsabsprachen in der Regel nicht.

§ 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. wurde schon durch die Tathandlung des Hinwegsetzens als solches erfüllt, ohne einen tatbestandlichen Erfolg vorauszusetzen; die Vorschrift war demnach als schlichtes Tätigkeitsdelikt einzustufen.332 Da die von der Tathandlung ausgehende generelle Gefährdung der Wettbewerbsordnung bereits tatbestandsmäßig war, ohne daß es auf den Eintritt einer konkreten Gefahr im Einzelfall ankam, handelte es sich um ein abstraktes Ge-fährdungsdelikt.333

325 Vgl. Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 38 Anm. 1; zum Problem der Bestimmtheit von Blan-kettstrafgesetzen vgl. Tiedemann, Tatbestandsfunktionen, S. 239ff.

326 Zu bemerken ist freilich, daß weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur bei der Verwendung des Begriffs immer zwischen unechtem und echtem Blankettgesetz differenziert wurde (und wird); so war in KG WuW/E OLG 2321, 2323 in Bezug auf § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB von Blankettgesetz die Rede, ohne daß ausgeführt wurde, welches Verständnis damit zugrunde gelegt wurde;

Langen/Hennig, 8. Aufl., § 38, Rdnr. 19 bezeichnete § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB als Blankettgesetz, da die Norm auf andere Vorschriften im GWB verweise; er verwendet damit eine Formulierung, die eine Charakterisierung der Norm als unechtes Blankettgesetz nahelegt.

327 Nach Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 18ff., 20 handelt es sich hierbei um das "staatsrechtliche" Verständnis des Begriffs; Dannecker in Wabnitz/Janovsky, Hdb. Wirtschafts - und Steuerstrafrecht, 15. Kapitel, Rdnr. 30.

328 Vgl. Dannecker in Wabnitz/Janovsky, Hdb. Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kapitel, Rdnr. 31.

Nach Tiedemann konnte aus der für das Ordnungswidrigkeitenrecht typischen Trennung von Verbot und Sanktion nicht die Blankettnatur der Tatbestände des GWB begründet werden, er sieht daher in diesen Vorschriften keine Blankettgesetze, wobei allerdings davon auszugehen ist, daß er damit nur das Vorliegen eines (echten) Blankettgesetzes im staatsrechtlichen Sinne ablehnte, vgl. Im-menga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., Vor § 38, Rdnr. 20.

329 Nach Fischötter lag kein Blankettgesetz vor, denn § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. verweise zwar auf andere Vorschriften als Ausfüllungsnormen, umschreibe jedoch eine eigene tatbestandsmäßige Handlung des Hinwegsetzens; zudem würden die Bezugsnormen per se noch kein ordnungswidriges Verhalten beschreiben, vgl. Fischötter im GK Vorbem. Ordnungswidrigkeiten, Rdnr. 37.

330 Umstritten war, ob § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB dem Bestimmtheitsgebot des Artikels 103 Abs. 2 GG ent-sprach; vgl. Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., § 38, Rdnr. 1; Leistner S. 66ff.; Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 38 Anm. 1.

331 Vgl. Immenga/Mestmäcker-Tiedemann, 2. Aufl., § 38, Rdnr. 1; Müller-Gugenberger, Hdb.

Wirtschafts strafrecht, 2. Aufl., § 46, Rdnr. 26.

332 Tiedemann in HWiStR, Stichwort Kartellordnungswidrigkeiten, S. 2; Immenga/Mestmäcker-Tie-demann, 2. Aufl., § 38, Rdnr. 2; Dannecker NStZ 1985, 49ff., 53.

333 Tiedemann in HWiStR, Stichwort Kartellordnungswidrigkeiten, S. 2; Immenga/Mestmäcker-Tie-demann, 2. Aufl., § 38, Rdnr. 2, FK-Achenbach, § 38, Rdnr. 6.

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Voraussetzung für eine Ahndung von Submissionsabsprachen nach § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB a. F. war ein nach § 1 GWB unwirksamer Vertrag bzw. Beschluß, über dessen Unwirksamkeit sich der oder die Täter hinweggesetzt haben.

a) Voraussetzungen des § 1 GWB a. F.

§ 1 GWB a. F. bestimmte, daß Verträge, die Unternehmen oder Unterneh-mensvereinigungen zu einem gemeinsamen Zweck abgeschlossen haben, sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die objektiv dazu geeignet waren, spürbar die Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs zu beeinflussen, unwirksam waren. § 1 GWB a. F.

untersagte nicht die wettbewerbsbeschränkende Abrede als solche, sondern es wurde nur die zivilrechtliche Unwirksamkeit festgesetzt. Erst im Zusammenwirken mit § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB a. F. wurde das Hinwegsetzen über die zivilrechtliche Unwirksamkeit zur Ordnungs-widrigkeit.

§ 1 GWB a. F. wurde auch als Kartellverbot334 bezeichnet.335 Mit § 1 GWB a. F. sollte in erster Linie die wettbewerbsbeeinträchtigende Abstimmung wirtschaftlich selbständiger, mit-einander konkurrierender Unternehmen verhindert werden.336 Ein Erfahrungs- und Meinungsaustausch zwischen Unternehmen war grundsätzlich mit dem GWB vereinbar. Nicht erfaßt wurden von § 1 GWB a. F. grundsätzlich vertikale Wettbewerbsbeschränkungen in Austauschverträgen.337 § 1 GWB a. F. war ebenfalls nicht anwendbar auf Verträge, die durch Zusammenschlüsse aus mehreren Unternehmen eine neue wirtschaftliche Einheit formten.338

Submissionsabsprachen waren nach § 1 Abs. 1 GWB a. F. unter den folgenden Vor-aussetzungen unwirksam:

(1) Beteiligung von Unternehmen

Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 1 GWB a. F. auf Submissi-onsabsprachen war die Beteiligung von Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen. Das Verhalten von Privatpersonen war grundsätzlich nicht tatbestandsmäßig.339 Um den Wettbewerb möglichst umfassend zu schützen, wurde der Unternehmensbegriff des § 1 GWB

334 Vgl. Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 1; 6.

335 Kritisch zu Recht Brunner, der anmerkt, in der Unwirksamkeitsanordnung des § 1 GWB a. F. sei kein

"echter" Verbotstatbestand zu erkennen, vgl. Brunner S. 51; ebenso Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 6; ähnlich Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 5, 14, 15.

336 Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Konkurrenten gleicher Wirtschaftsstufe werden auch als horizontale Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnet.

337 Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen sind solche Beschränkungen, die zwischen Marktteilneh-mern aufeinander folgender Wirtschaftsstufen stattfinden; eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung liegt beispielsweise vor bei Preisbindungen, die ein Lieferant seinem Abnehmer beim Weiterverkauf für gelieferte Waren auferlegt; vertikale Wettbewerbsbeschränkungen werden von den §§ 15 - 21 GWB a. F. erfaßt; auch in Austauschverträgen können horizontal wirkende Wettbewerbsbeschränkungen enthalten sein, auf die § 1 GWB a. F. Anwendung findet; vgl. Lan-gen/Klosterfelde/Metzlaff, 8. Aufl., § 15, Rdnr. 2.

338 Die kartellrechtliche Zulässigkeit solcher Verträge beurteilt sich nach den fusionskontrollrechtlichen Bestimmungen des GWB, den §§ 23ff GWB a. F. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., S. 56.

339 Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 7.

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a. F. weit gefaßt.340 Ein Unternehmen lag danach vor bei jeder selbständigen, nicht rein privaten und außerhalb des Erwerbslebens liegenden Tätigkeit einer Person in der Erzeugung oder Verteilung von Waren oder gewerblichen Dienstleistungen.341 Die dabei gewählte Rechtsform oder die Frage, ob das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurde, spielte keine Rolle. Ausgeschieden aus dem Unternehmensbegriff wurde der private Verbrauch,342 abhängige Arbeit und hoheitliches staatliches Handeln.343 Auch eine einzelne Person konnte als Unternehmen zu qualifizieren sein,344 beispielsweise eine Ein-Mann-GmbH.

Nicht erforderlich war, daß sich eine Person ausschließlich als Unternehmer im oben genannten Sinn betätigte. Es genügte, wenn sie sich im Einzelfall unternehmerisch am Wettbewerb beteiligte, auch wenn sie sonst hoheitlich oder als Privatperson handelte.345

Mit dem Begriff "Vereinigungen von Unternehmen" in § 1 GWB a. F. waren privatrechtliche Gesellschaften von Unternehmen gemeint, beispielsweise Vereine, Genossenschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Mitglieder sich wenigstens zum Teil aus Unternehmen zusammensetzen346. Auch öffentlich-rechtliche Unternehmensverbände (Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern) und Kammern freier Berufe gehörten in diese Kategorie.347

Umstritten war, ob ein Konzern als Unternehmen im Sinne von § 1 GWB a. F. zu beurteilen war.348 Ein Konzern ist eine Wirtschaftseinheit, die durch den Zusammenschluß rechtlich selbständiger Unternehmen entstanden ist. In Konzernen gebundene Unternehmen sind eigenständige Unternehmen nach dem GWB, wenn sie im Geschäftsverkehr mit Dritten verkehren.349 Je nach der konkreten Ausgestaltung des Konzerns war zu entscheiden, ob interne Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Konzernunternehmen durch Verträge oder Beschlüsse von § 1 GWB a. F. erfaßt wurden.350 Bei den an Submissionsabsprachen Be-teiligten handelte sich in aller Regel um Unternehmen im Sinne von § 1 GWB.351

340 Zum Unternehmensbegriff im Kartellrecht vgl. m. w. N. Rittner, 5. Aufl., § 6, Rdnr. 3ff; Emmerich, 7.

Aufl., S. 37ff.; Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 8; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 41; Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 2.

341 Vgl. Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 2; Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., S. 37; die h. M.

spricht von einem "funktionalen" Unternehmensbegriff, der auf das Handeln im geschäftlichen Verkehr abstellt, im Gegensatz zum früher vertretenen institutionellen Unternehmensbegriff, der auf das Unternehmen als solches abhob; vgl. Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 34, 40.

342 Zur Abgrenzung unternehmerischer Tätigkeit von der Tätigkeit privater Haushalte vgl. ausführlich Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 11ff.; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 35ff.;

Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 2a.

343 Siehe Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 16 zur Abgrenzung von hoheitlichem Handeln zum un-ternehmerischen Handeln.

344 Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 45.

345 Beispiele und Nachweise bei Emmerich, Kartellrecht, 7. Aufl., S. 39.

346 Rittner, 5. Aufl., § 6, Rdnr. 27ff.; Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 24; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 98ff., 102; Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 3.

347 Rittner, 5. Aufl., § 6, Rdnr. 28, 29; Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 25.

348 Nach h. M. ist der Konzern als Unternehmen zu behandeln, vgl. Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 9;

Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 56ff.; a. A. Rittner, 5. Aufl., § 6, Rdnr. 26;

Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 2e; zur Ahndung von Wettbewerbsverstößen ver-bundener Unternehmen nach dem Recht der Europäischen Union, vgl. Lipowsky S. 11, 136ff., 164ff.

349 Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 9; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 65; Rittner, 5. Aufl., § 6, Rdnr. 26.

350 Zu Einzelheiten vgl. Emmerich, 8. Aufl., S. 34 m. w. N.

351 Vgl. Franzen S. 46.

43 (2) Kartellvertrag bzw. -beschluß

Die Submissionsabsprache zwischen den beteiligten Unternehmen mußte entweder als Vertrag zu einem gemeinsamen Zweck oder als Beschluß im Sinne von § 1 GWB a. F. zu qualifizieren sein.

Für den Vertragsbegriff galten grundsätzlich die zivilrechtlichen Regeln,352 d. h. es waren übereinstimmende Willenserklärungen von mindestens zwei Parteien erforderlich, die damit eine bestimmte Rechtsfolge begründen wollten. Eine kartellrechtliche Besonderheit war insofern gegeben, als daß es bei den betreffenden Verträgen nicht auf einen Rechtsbindungswillen ankam, da es sich um wettbewerbsbeschränkende Verträge handelte, die nach § 1 GWB keine rechtliche Bindungswirkung entfalteten.353 Diese kartellrechtliche Modifikation des Vertragsbegriffs im Rahmen des § 38 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 1 GWB a. F.

stellte keinen Verstoß gegen das Analogieverbot (Artikel 103 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 OWiG) dar. Denn nach zutreffender Ansicht354 war dies noch als zulässige Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Vertrag" in § 1 GWB a. F. und nicht als unzulässige Analogie zu beurteilen. Bis zur 2. GWB Novelle 1973 war umstritten, ob abgestimmte Verhaltensweisen auch vom Vertragsbegriff des § 1 GWB a. F. umfaßt wurden.355 In der 2. GWB Novelle 1973 wurde das Verbot abgestimmter Verhaltensweisen in § 25 Abs. 1 GWB a. F.

aufgenommen und durch § 38 Abs. 1 Nr. 8 GWB a. F. bußgeldbewehrt. Abgestimmte Verhaltensweisen wurden danach nicht vom Vertragsbegriff des § 1 Abs. 1 GWB a. F. erfaßt.

Die vertraglichen Festlegungen von Unternehmen zur Absprache ihrer Submissionsangebote waren als Vertrag im Sinne von § 1 GWB a. F. zu betrachten.356

(a) Verträge zu einem gemeinsamen Zweck

Die vertragliche Regelung des Angebotsverhaltens bei der Submission mußte einen Vertrag

"zu einem gemeinsamen Zweck" im Sinne von § 1 Abs. 1 GWB a. F. darstellen.357

Das Tatbestandsmerkmal "zu einem gemeinsamem Zweck" hatte die Funktion, horizontale Kartellverträge von den vertikalen "sonstigen Verträgen" im Sinne von § 15ff. GWB a. F.

abzugrenzen358 und wurde zunächst in Anlehnung an die zivilrechtlichen Regelungen zur Gesellschaft in § 705 BGB interpretiert.359 Daraus wurde abgeleitet, daß es sich bei dem zu

352 Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 28ff; Schreven in Müller/Gießler/Scholz GWB § 38, Rdnr. 14;

Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 4a; Leistner S. 40; Bechtold, 1. Aufl., § 1, Rdnr. 3;

Rittner, 5. Aufl., § 7, Rdnr. 22; FK-Achenbach, § 38, Rdnr. 19.

353 Es war davon auszugehen, daß dies auch den Beteiligten bewußt war; Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 31, 32; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 115, 116, 121; zur Dis kussion vgl.

Immenga aaO., Rdnr. 118ff.

354 Vgl. Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 127.

355 Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 32.

356 Vgl. Oldigs, S. 22, 23.

357 Im Gegensatz dazu das europäische Kartellrecht, das in Artikel 85 Abs. 1 EG-Vertrag nicht zwischen Verträgen zu einem gemeinsamem Zweck und solchen ohne einen gemeinsamen Zweck differenziert;

vgl. FK-Huber/Baums, 30. Lfg. Januar 1993, § 1, Rdnr. 409.

358 Vgl. Baums JuS 1990, 608, 609; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 144 m. w. N.; Lan-gen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 41ff.; zur neueren Rechtsprechung vgl. Bechtold NJW 1997, 1959, 1961.

359 Vgl. den Überblick zur Entwicklung des Tatbestandsmerkmals "zu einem gemeinsamen Zweck" bei FK-Huber/Baums, 30. Lfg. Januar 1993, § 1, Rdnr. 412ff; 426ff.; Baums JuS 1990, 608, 611; Fuhrmann in Erbs/Kohlhaas, W 59, § 1 Anm. 5.

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untersuchenden Vertrag um ein Gesellschaftsverhältnis bzw. zumindest um ein gesell-schaftsähnliches Rechtsverhältnis360 handeln mußte. Da ein Submissionskartell in der Regel als Gesellschaft bürgerlichen Rechts anzusehen ist, lag ein Vertrag zu einem gemeinsamen Zweck in diesem Sinne vor.361

In der Folgezeit wurde es für das Vorliegen eines gemeinsamen Zwecks als ausreichend er-achtet, wenn zwischen den Beteiligten eine über das bei Austauschverträgen übliche Maß hinausgehende Interessenbindung vorlag.362 Auch nach diesem Verständnis des Tatbestandsmerkmals konnte die einem Submissionskartell zugrunde liegende Vereinbarung als Vertrag zu einem gemeinsamen Zweck eingestuft werden. Der nächste Schritt war, das Merkmal des gemeinsamen Zwecks eigenständig zu bestimmen und am Schutzzweck des GWB auszurichten.363 Nach Ansicht des BGH364 war zur Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag i. S. des § 1 GWB zu einem gemeinsamen Zweck geschlossen wurde, eine Gesamtwürdigung des Vertrages erforderlich unter Berücksichtigung der mit dem Vertrag verfolgten wirtschaftlichen Ziele, ferner der Umstände, die zu dem Vertragsschluß geführt haben und der Entwicklung der Beziehungen zwischen den Vertragspartnern.

Eine Vereinbarung zu einem gemeinsamen Zweck im Sinne des § 1 Abs. 1 GWB a. F. lag grundsätzlich vor, wenn die Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Vertragspartnern der eigentliche Zweck und Gegenstand des Vertrags war.365 Bei Verträgen, mit denen die Konkurrenten ihre bei der Vergabestelle abzugebenden Angebote festlegten und koordinierten, war der gemeinsame Zweck in diesem Sinne die Beseitigung der durch die öffentliche Ausschreibung geschaffenen Wettbewerbssituation untereinander.366 Der ausschreibenden Stelle wurde gleichzeitig ein echter, funktionierender Wettbewerb vorgetäuscht.367 Auch wenn ein Unternehmen einseitig absprachegemäß ganz darauf verzichtete, bei einer Submission ein Angebot abzugeben, lag ein Vertrag mit dem gemeinsamen Vertragszweck der Wettbewerbsbeschränkung vor; dies wurde auch als einseitiges "Abkaufen von Wettbewerb"

bezeichnet.368 Bei dauerhaften Submissionskartellen war neben der Sicherung des Zuschlags an den Herausgestellten ein weiterer gemeinsamer Zweck der Vereinbarung die langfristig

"geordnete" Verteilung der ausgeschriebenen Aufträge innerhalb des Kartells.369 Das OLG

360 Vgl. Franzen S. 47; kritisch Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 147, der zu Recht da-nach fragt, da-nach welchen Kriterien sich die Gesellschaftsähnlichkeit beurteilen soll.

361 So auch Franzen S. 47.

362 Nachweise bei Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 146.

363 BGHZ 68, 6; Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 44ff, 46; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 145, 148.

364 BGH NJW 1960, 145.

365 Vgl. FK-Huber/Baums, 30. Lfg. Januar 1993, § 1, Rdnr. 475; BGH NJW 1960, 145, 147.

366 Vgl. BGH WuW/E BGH 495, 497; BKartA WuW/E BKartA 2871, 2873; BayObLG WuW/E OLG 745, 747; Immenga/Mestmäcker-Immenga, 2. Aufl., § 1, Rdnr. 265; Franzen S. 47; Oldigs, S. 23, 22; FK-Huber/Baums, 30. Lfg. Januar 1993, § 1, Rdnr. 469, 470, 523.

367 Anschaulich BayObLG WuW/E OLG 745, 747.

368 OLG Stuttgart WuW/E OLG 699; zust. Langen/Bunte, 8. Aufl., § 1, Rdnr. 49; FK-Huber/Baums, 30.

Lfg. Januar 1993, § 1, Rdnr. 432, 473; Baums JuS 1990, 608.

369 Vgl. Franzen S. 47; in BGH WuW/E BGH 2000, 2001 wurde der gemeinsame Zweck im gegenseitigen

"Beistand bei Kostenangeboten" gesehen.

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Celle370 hatte als den gemeinsamen Zweck einer Submissionsvereinbarung folgendes angesehen:

"Der gemeinsame Zweck war der, durch die auf einander abgestimmten Angebote zu erreichen, daß der "Arge" (= Arbeitsgemeinschaft) der Zuschlag erteilt werde, sowie ferner, den als Außenseiter angesehenen Betroffenen C. in die Einheitsfront der beteiligten Malermeister einzubeziehen, sowie nicht als auskömmlich angesehenen Geboten entgegenzuwirken und so den früher zum Teil beeinträchtigten Arbeitsfrieden unter den Betroffenen zu sichern."

Nach einer Ansicht371 lag ein gemeinsamer Zweck im Sinne von § 1 Abs. 1 GWB a. F.

nur vor, wenn ein Submissionskartell auf eine gewisse Dauer angelegt war, wenn also über das Angebotsverhalten bei mehreren Submissionen Vereinbarungen oder Beschlüsse getroffen wurden. Zur Begründung wurde angeführt, daß es nicht im Interesse eines Konkurrenten liege, daß ein anderer Konkurrent begünstigt werde, wenn dieser Vorteil nicht später ausgeglichen würde. Ausgleichszahlungen oder das Bestreben, beim potentiellen Auftraggeber durch das Einreichen eines Scheinangebots im Gedächtnis zu bleiben, würden eine Vereinbarung, die ausschließlich zur Absprache der Angebote eines Submissionsverfahrens diente, nicht als Vertrag zu einem gemeinsamen Zweck charakterisieren. Folglich wäre eine Absprache für eine einzige Submission mangels gemeinsamen Zwecks von § 1 Abs. 1 GWB a. F. nicht erfaßt und damit auch nicht ordnungswidrig nach § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB. Dieser Meinung kann nicht zugestimmt werden, da sie den Schutzbereich von § 1 GWB a. F. zu sehr einengte. Der gemeinsame Zweck bei einer einmaligen Submissionsabsprache lag in der Ausschaltung des Preiswettbewerbs zwischen den Konkurrenten.372 Die darin liegende Wettbewerbsbeschränkung war von § 1 GWB a. F. erfaßt.

(b) Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen

Erfaßt wurden von § 1 Abs. 1 GWB a. F. ebenfalls Beschlüsse von Unterneh-mensvereinigungen und nach § 1 Abs. 2 GWB a. F. Beschlüsse der Mitglieder einer juristischen Person, soweit diese Unternehmen waren.373 Beschlüsse waren vom Anwen-dungsbereich des § 1 GWB a. F. erfaßt, wenn sie das Marktverhalten von Unternehmen regeln und koordinierten.374 Bei Beschlüssen war das Vorliegen eines gemeinsamen Zwecks kein tatbestandliches Erfordernis, da Beschlüsse grundsätzlich auf der Satzung einer zu einem gemeinsamen Zweck gegründeten Organisation beruhen.375 Beschlüsse waren in § 1 Abs. 1

370 OLG Celle WuW/E OLG 439.

371 Müller/Nacken in Müller/Gießler/Scholz GWB § 1, Rdnr. 17, 74 m. w. N.

371 Müller/Nacken in Müller/Gießler/Scholz GWB § 1, Rdnr. 17, 74 m. w. N.