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Verlegung des Konvents der Annuntiatinnen in das Kloster der Tertiarinnen in Glane (1803), Einmischung der Maria Clementine Martin in die Wahl der

III. Die Zeit der Martins in Jever (1782–1819)

4. Verlegung des Konvents der Annuntiatinnen in das Kloster der Tertiarinnen in Glane (1803), Einmischung der Maria Clementine Martin in die Wahl der

4. Verlegung des Konvents der Annuntiatinnen in das Kloster der Tertiarinnen in Glane (1803), Einmischung der Maria Clementine Martin in die Wahl der Oberin der Tertiarinnen (1808) und Aufhebung des Klosters (1811)

Über den Umzug berichtete die Chronik:

„Unsre Stühle auf’m Chore, und unsre Gegitter im Sprechhause wurden ausgebro-chen, und unser P. Antonius mußte am 3ten September mit Selben nach dem Kloster Glane fahren, um allda das Chor und Sprechhaus, nach Möglichkeit wegen des engen Raumes, einzurichten. –

Endlich ward der Stab gebrochen; und der Sentenz gesprochen, daß wir mußten am 29sten September in Festo S. Michaelis Archangeli abreisen. - - - Wir reiseten also in Gottes Namen des Morgens um 7. Uhr in Kutschen und Chaisen von Coesfeld ab unter Begleitung unsers Hochw. P. Exprovincialis Marcellini Molkenbuhr, und unsers geistli-chen Vaters Hofkammerrathen Wethmar, langten um 5 Uhr des Abends auf dem Klos-ter Glane glücklich an, wurden von den dasigen Geistlichen Jungfern Tertiarien, von dem zeitlichen Confessarius P. Christophorus Ellerhorst, und von unserm P. Antonius auf’s liebreichste und freunschaftlichste empfangen: Speiseten des Abends und noch 3. Tage hernach im Refectorio zusammen – und Sodenn fiengen wir an, unserm Gott und unsern Naechsten in Friede und Einigkeit auf’s eifrigste zu dienen.“ 162

Der Bericht endete mit dem Hinweis auf die Erkrankung der Mutter Ancilla:

„Unsre Ehrwürdige Mutter Sr. M. Catharina Bisping, die am 28. Julius als am Feste der H. Mutter Anna nach dem Abendessen eine Art Schlagfluss erhielt, mussten wir we-gen ihren Kraenklichen und Schwaechlichen Umstaenden im Kloster zu Coesfeld zu-rücklassen; Sie folgte ihren lieben Kindern den 14. October dem naemlichen Jahres 1803 mit Sr. M. Felicitas Tebrink und 3. Layschwestern, welche ihr in ihrer Krankheit zur Aufwartung dienten.“163

Als bittere Ironie der Geschichte kann der Umstand bezeichnet werden, dass die Pläne, das Annuntiaten-Kloster in Coesfeld mit hohen Kosten als Residenz für den Rheingrafen umzubauen, letztlich nicht verwirklicht wurden. Der Bau wurde nie vollendet und auch nie von dem Rheingrafen bezogen.164

161 BAM, GV AA, Coesfeld, St. Lamberti, A 73, N. 19, Schreiben des Ex-Provinzials Molkenbuhr an Herrn Vicarius Generalis vom 24. Oktober 1803, lit. A.

162 LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1339, S. 62.

163 A.a.O.

164 Potthoff, S. 199; siehe auch Hagenbruch, S. 56-57.

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Ob Maria Clementine Martin zusammen mit ihren Mitschwestern die Reise von Coesfeld nach Glane Ende September 1803 antrat, steht nicht fest.

Sie war am 6. Mai 1803 mit Schwester M. Helena Caniels, die im Jahre 1801 aus dem Klo- ster Venlo in das Kloster Coesfeld gekommen war, wegen deren „kränklichen und anderen Umständen“ zurück nach Venlo gereist165, und da über die Rückkehr von Maria Clementi-ne Martin nach Coesfeld nichts berichtet wird, ist es also denkbar, dass sie sich zum Zeit-punkt der „Translocation“ am 29. September 1803 wieder in Coesfeld aufhielt, jedoch ist auch nicht auszuschließen, dass sie sich auf direktem Wege von Venlo in das Kloster Glane begeben hat.

Dass Maria Clementine Martin ihrem Konvent auch nach der Übersiedlung in das Kloster Marienflucht in Glane angehörte, ist belegt.

So ist ihr Name gleich in mehreren Aufzeichnungen erwähnt, etwa in den Pensionslisten, über die der Rentmeister Riese Buch führte; ferner anlässlich der Unterzeichnung der bei der Auflösung des Klosters Glane erforderlichen Etaterstellung.166

Aber auch andere Dokumente bestätigen ihren Aufenthalt im Kloster Marienflucht.

Sie machte beispielsweise im Sommer des Jahres 1808 von sich reden, indem sie sich in die Wahl der Oberin des ihr und ihren Annuntiatenschwestern Heimstatt bietenden Kon-vents der Tertiarinnen einmischte.167

Dazu heißt es in den „Anmerkungen des Beichtvaters der Tertiarien in Glane“, die den Vorschlag enthalten, die Wahl der Oberin zu wiederholen:

„Von Seiten der Regierung ist nichts zu befürchten, denn die mischt sich gar nicht in das Innere.

Einen Beweis davon haben wir [xxx], weil die unzufriedene Annuntiate Clementine, die sich an den Provinzialrath gewandt hat, davon keine Unterstützung bekommen hat, sondern vielmehr hat der Provinzialrath sich deshalb bey unserm P. Provincial nach der Sache erkundiget.

Aus diesen u‘ anderen Gründen halte ich für dienlich daß die S Rosa ohne vorherige Wahl nicht bestätigt werde.

Inzwischen hat die Sache keine Eil.“168

Interessant ist, dass sich Maria Clementine Martin mit ihrer Eingabe, über deren genauen Inhalt ebenso wenig bekannt ist wie über den Grund ihrer Unzufriedenheit, in die Angele-genheiten eines Ordens einmischte, dem sie selbst nicht angehörte.

165 LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1339, S. 61.

166 LAV NRW W, Kaiserreich Frankreich Gruppe C 1 Nr. 47; a.a.O., C 1 Nr. 67.

167 BAM, GV AA, Epe, St. Agatha, A 22.

168 A.a.O.

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Dass allerdings der Wahl der Schwester Rosa Görding zur Oberin der Tertiarinnen wegen fehlender Einstimmigkeit auch von kirchlicher Seite Bedenken begegneten, dürfte zutref-fend sein, denn der Provinzial der „westpfälisch-sächsischen“ Provinz, P. Firminus Flören, empfahl nicht ohne Grund deren Wiederholung.169

Als P. Firminus Flören am 4. Juli 1808 erklärte, seiner Meinung nach eile die Sache nicht, weil er „gestern von der bevorstehenden Aufhebung dieses Klosters gehört“ habe,170 konnte er nicht ahnen, dass noch drei Jahre vergingen, ehe die Aufhebung des Klosters Marienflucht in Glane vollzogen wurde.171

Napoleon verfügte durch Dekret im dem Jahre 1811 die Auflösung aller Franziskanerklös-ter und besiegelte damit auch das Schicksal des KlosFranziskanerklös-ters der Tertiarinnen in Glane, denn diese waren Franziskanerinnen der 3. Regel.172

Und indem sich die Annuntiaten ab dem Jahre 1803 mit den Franziskanerschwestern das Kloster teilten, waren sie von dessen Auflösung ebenfalls betroffen.

Das Kloster in Glane gehörte mittlerweile zum Lippe Departement. Bei seiner Aufhebung befanden sich dort 12 Tertiarinnen und 12 Annuntiaten, darunter auch Maria Clementine Martin.173

Vier Jahre zuvor, also 1807 befanden sich noch 16 Tertiarinnen und 21 Annuntiaten in Glane, und bei der Verlegung von Coesfeld nach Glane ist von 23 Annuntiaten und 4 sog.

Emigrantinnen die Rede.174

Was die wirtschaftliche Seite betrifft, kann das Kloster der Tertiarinnen nicht als vermö-gend angesehen werden, denn einer Schätzung des Rentmeisters Eldering aus dem Jahre 1807 zufolge betrugen Guthaben und die Einkünfte 312 Rtl. Kapitalzinsen. Hinzu kamen 134 Gld. an Pacht und Zehnten sowie 821 Gld. an nicht eintreibbaren Geldern.175

Die bei Auflösung des „Doppelklosters“ Glane aufgestellten Inventar- und Vermögensver-zeichnisse sind von der Oberin, ihren beiden Vertreterinnen und schließlich auch von Ma-ria Clementine Martin unterzeichnet.

169 BAM, GV AA, Epe, St. Agatha, A 22.

170 A.a.O.

171 Potthoff, S. 199.

172 Wilhelm Kohl, Art. Glane – Terziarinnen, gen. Marienflucht, in: Karl Hengst (Hrsg.), Westfälisches Klos-terbuch Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil 1, Münster 1992, S. 354.

173 AAW, Coe, Nachlass Riese, Nr. 101; BAM, GV AA, VI A 33; BAM, DA IV A 62, hier werden 17

Annuntiaten aufgeführt; Gronau und Epe Landschaft Geschichte Volkstum unter Mitarbeit vieler Hei-matfreunde, hrsg. von Heinrich, Gronau i. Westf. 1939, S. 125-126; Bremer a.a.O., der allerdings nur 11 Annuntiaten nennt.

174 Kohl, S. 354; Potthoff, S. 200.

175 Kohl, a.a.O.

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Die ehemaligen Ordensfrauen waren gehalten, mit ihren bürgerlichen Namen zu unter-schreiben. So finden wir für Maria Clementine Martin mehrfach die Unterschrift WILHELMINE Martin.176

Zöge man eine Zwischenbilanz, würde man resümieren, dass Maria Clementine Martin nicht nur in eine unruhige Zeit geboren wurde, sondern dass diese vielmehr auch wäh-rend ihres Aufenthaltes im Kloster anhielt.

So erlebte sie im Kloster Coesfeld zunächst die Auswirkungen des Siebenjährigen Krieges und den damit verbundenen Einquartierungen des Militärs. Es folgte die Auflösung ihres Klosters und die damit verbundene Übersiedelung in das Kloster in Glane, bis sie schließ-lich auch diese Heimstatt verlor, um sich danach, allein auf sich gestellt, im weltschließ-lichen Le-ben behaupten zu müssen.

Über das Leben in Coesfeld um 1800 berichtet geradezu minutiös der französische Flücht-ling Abbé Baston (1741-1825) in seinen Memoiren.

Baston wurde 1766 zum Priester geweiht und 1770 zum Professor für Theologie an die Universität Rouen berufen. 1788 wurde er schließlich zum Domkapitular erhoben.

Die Französische Revolution zwang ihn, wie zahlreiche andere Geistliche auch, seine Hei-mat zu verlassen und so gelangte er schließlich im Jahre 1794 nach Coesfeld.

Die erwähnten Memoiren erschienen in drei Bänden und wurden 1961 von Heinrich Weber ins Deutsche übersetzt.

Abbé Baston ist als Zeitzeuge einzigartig, enthalten seine Aufzeichnungen doch exakte Beschreibungen von Land und Leuten im Münsterland.

Über die Frauenklöster, Augustinerinnen, Bernhardinerinnen und Annunziaten schrieb er:

„Unsere Frauenköster bieten alle Schattierungen, die man sich nur wünschen kann.

Nur in einem sehr wichtigen Punkte stimmen sie alle überein: im Ordenscharakter.

Die Augustinerinnen sind im allgemeinen gute Mädchen vom Lande und stammen von hörigen Eltern. Die Annunziaten sind gewöhnlich bürgerlichen Ursprungs. Die Bern-hardinerinnen sind adelig, aber nicht immer von jenem kapitalfähigen Adel mit sech-zehn oder mehr Ahnen, der in Deutschland vor sich selber eine Achtung hat, die ande-re ausschließt.“177

Und weiter:

176 LAV NRW W, Kaiserreich Frankreich Gruppe: C 1 Nr. 47; a.a.O., C 1 Nr. 67; namentliche Hervorhebung durch Verfasser.

177 Heinrich Weber, Coesfeld um 1800 - Erinnerungen des Abbé Baston, in: Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Kreises Coesfeld, Heft 3, Coesfeld o. J. [1961], S. 68-69.

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„Die Augustinerinnen singen schlecht und ohne Geschmack. Man denkt an kleine Jun-gen, die schreien, wer’s am besten kann. Die Annunziaten singen gut, aber sie forcie-ren ihre Stimmen. Wie die vorhergehenden haben sie die metallisch klingenden Stim-men von Knaben. Die Bernhardinerinnen haben FrauenstimStim-men. Nur dadurch gefallen sie französischen Ohren.“178

Schließlich:

„Die Augustinerinnen empfangen Besuch in ihrer Klausur, aber gehen nicht aus ihr heraus. Die Annunziaten empfangen weder Besuch noch haben sie Ausgang. Die Bernhardinerinnen tuen beides. Die Augustinerinnen heißen gemeinhin die ‚großen Nonnen‘, die Annunziaten die ‚kleinen Nonnen‘, die Bernhardinerinnen die ‚reichen Damen‘.

Von allen diesen Namen bezeichnet der letzte am wenigsten gut die Sache. Das wohl-habendste dieser Klöster ist das der kleinen Nonnen: es hat keine Schulden. Die Au-gustinerinnen haben ziemlich viel für uns getan, die Annunziaten fast nichts. Die Bernhardinerinnen hätten viel zu viel getan, wenn man bei der Nächstenliebe von ei-nem ‚zuviel‘ sprechen könnte.“179

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