• Keine Ergebnisse gefunden

Begutachtung und Vergleich des Carmelitergeistes der Maria Clementine Martin und des Regensburger Carmelitengeistes durch das Preußische

KAPITEL 3: Maria Clementine Martin und die Kölner Zeit (1825–1843)

I. Von der Unternehmensgründung zum Königlichen Privileg durch Friedrich Wilhelm II von Preußen

6. Begutachtung und Vergleich des Carmelitergeistes der Maria Clementine Martin und des Regensburger Carmelitengeistes durch das Preußische

Medizinal-Kollegium

Nachdem die ehemalige Annuntiatenschwester die behördlichen Voraussetzungen zu Herstellung und Verkauf des Carmelitergeistes, insbesondere die Gestattung der Zensur-behörde zum Druck der Gebrauchszettel, wenn auch in eingeschränktem Umfang, er-reicht hatte, wandte sie sich am 5. Juli 1828 an die Regierung in Köln und bat „um eine Prüfung und Bescheinigung der Qualität des von ihr verfertigten Melissenwassers durch die Königliche Medizinal Behörde“.315

Als Begründung führte Maria Clementine Martin an:

„Das Melissenwasser, welches ich mit hoher Erlaubniß Einer Königlichen Hochlöbli-chen Regierung, seit dem Jahre 1826 hierselbst verfertige und verdebitire, hat durch die Zeugnisse der Sachverständigen und durch seinen Absatz im Publico, seine Aechtheit und Vortrefflichkeit zwar hinlänglich bewiesen.“316

Sie fuhr dann fort:

„Als langjährige Conventualin eines Klosters, dessen Nahrungszweig hauptsächlich in der Verfertigung dieses Wassers bestand, und wo ich selbst Fabrikantin war; als auch durch den 8 jährigen Aufenthalt in dem Karmeliter Kloster zu Brühsel, besitze ich den Schlüssel zu diesem Specificum so gut, wie irgend ein anderes Kloster dieses Ordens;

und bin überdies durch meine eigenen Erfahrungen und Versuche bei der Fabrikation dahin gekommen den Gehalt desselben sogar noch um ein merkliches zu steigern.

Der Ruf der einmal von dem noch bestehenden Karmeliter Kloster zu Regensburg und unter dessen Firma ausgehenden Wassers, und die Berühmungen der hiesigen Ab-nehmer, welche dasselbe in sehr großer Quantitäten beziehen, jede Privat Fabrikation dieses Wassers als unaecht und unterschoben zu berüchtigen, haben indess den Ab-satz meines inländischen Privat Fabrikates in diesen zwei Jahren kaum aufkommen lassen, und [xxx] mir alle Hofnung, dasselbe irgend in Ru[f] zu bringen, wenn es mir nicht gelingen sollte, dem Regensburger Wasser eine höhere Auctoritat über den Werth des Meinigen entgegen zu setzen.

Bisher hat mein Absatz kaum dazu hingereicht um davon mit Hülfe meiner Pension, nothdürftig zu substituiren, und die zur Anlage des Geschäfts erforderlich gewesenen Vorschüsse, so wie die daraus zu entrichtete Steuer zu decken.

Sollte Eine Königliche Hochlöbliche Regierung auch aus Rücksicht auf eine einze[lne]

Person hierin keine Veranlassung nehmen k[ön]nen meine desfallsigen Gesuche Hochgeneigtest nachzugeben, so darf ich do[ch] darauf vertrauen, daß eine Königli-che HochlöbliKönigli-che Regierung, daran ein Interesse nehmen wird, inländisKönigli-che Fa[bri]kate, und insbesondere einen so gan[z] eintzigen und bei der ganzen wohlhabe[n]den Klasse der Bevölkerung Eingang findenden Artikel weiter Meinige

315 LAV NRW R, BR 9 Nr.1315, fol. 27r.-28r.

316 A.a.O.

81

gegen den Andrang auswärtigen Absetzer, welche dem Staat keine Steuer entrichten, zu beschützen und zu begünstigen.

Von dieser Seite schm[ei]chele ich mir von der gnädigen Fürsorge Einer Königl Hoch-löblichen Regierung alles für mich hoffen zu dürfen.

Des Endes habe ich eine Untersuchnung und Vergleichung meines, und des hier verdebitirten Regensburger Wassers durch Herrn Stadt Physikus Dr. Elkendorff be-wirkt, und erlaube mir, das von demselben mir ertheilte Zeugniß, wornach das Re-gensburger Wasser, sowohl an Feinheit und Annehmlichkeit dem Meinigen durchaus nachsteht nebst einer versiegelten Probe des letzteren Einer Königlichen Hochlöbli-chen Regierung mit der gehorsamsten Bitte vorzulegen, eine Untersuchung und Prü-fung beider Wässer durch die Königliche Medizinal Behörde (…) veranlassen (…) zu wollen.“ 317

Selbstbewusst meinte Maria Clementine Martin am Endes ihrer Antragsschrift, sie habe keinen Zweifel daran, dass das Urteil zu ihren Gunsten ausfallen werde und bat darum,

„ihr gnädigst ein Zeugniß ertheilen zu wollen“.318

Die Eingabe der Unternehmerin Martin ist vor allem in zwei Punkten von besonderer Re-levanz.

Das trifft einmal auf ihre Aussage zu, sie habe über einen längeren Zeitraum dem Konvent eines Klosters angehört, dessen Einkünfte vorrangig aus der Herstellung und dem Verkauf des Karmelitergeistes resultierten, wofür sie als „Fabrikantin“ verantwortlich gewesen sei, und zum anderen auf die Behauptung, sie besitze durch ihren „8jährigen Aufenthalt im Karmeliten Kloster zu Brüssel, den Schlüssel zu diesem Spezifikum so gut, wie jedes Mit-glied dieses Ordens, dass sie wie die Karmeliter Geistlichen über das Arkanum des Karmeli-tergeistes verfüge“.

Diese Behauptungen begegnen ernsten Zweifeln.

Zum Ersten:

Nicht eine der zu Rat gezogenen Quellen lässt die Annahme zu, dass in den Klöstern in Coesfeld und Glane, in denen Maria Clementine Martin ihre längste Zeit als Ordensfrau verbrachte, jemals ein Karmeliter- oder Melissengeist hergestellt und verkauft worden sei.

Zum Zweiten:

Ebenso gibt es keine Beweise, dass Maria Clementine Martin jemals Mitglied des Ordens der Karmelitinnen, insbesondere des betreffenden Klosters in Brüssel gewesen wäre oder diesem in anderer Weise angeschlossen gewesen wäre.

317 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 27r.-28r.

318 A.a.O.

82

Aber ungeachtet dieser Tatsachen ist vor allem darauf hinzuweisen, dass in dem Brüsseler Kloster der Karmelitinnen zu keiner Zeit ein Karmeliten- oder Melissengeist hergestellt worden ist, ja mehr noch:

Dieses Kräuterdestillat, von der Legende seiner Herstellung im Kloster St. Juste abgese-hen, wurde immer nur in den Mannsorden der Karmeliten (OCD) hergestellt. Nur hier fand seine Entwicklung statt, nur hier verfügte man über das Arkanum seiner Herstellung.

Trotz dieser Quellenlage, die also erhebliche Zweifel an der Darstellung der ehemaligen Annuntiatenschwester und späteren Unternehmerin aufkommen lässt, bleibt ihre Fertig-keit als Fabrikantin des Karmeliter-Melissen-Geistes unbestritten, denn es steht zweifels-frei fest, dass Maria Clementine Martin in der Lage war, einen Melissengeist herzustellen, der es hinsichtlich seiner Qualität mit dem in der Rheinprovinz bekannten Regensburger Karmelitengeist ausweislich ärztlicher Gutachten aufnehmen konnte.

Allerdings muss in dem Zusammenhang offen bleiben, wann, wo und wie Maria Clemen-tine Martin ihre Kenntnisse zur Herstellung ihres Destillats erlangte.

Übrigens ist dem Gesuch vom Juli 1828 zu entnehmen, dass der Regensburger Kar-melitengeist in großen Mengen in Köln eingeführt wurde und hier reichlichen Absatz fand.

Aufschlussreich sind auch die Ausführungen der Antragstellerin Martin, wenn sie rekla-miert, sie komme gegen das Regensburger Fabrikat nicht an, weil ihr Melissengeist, da

„Privatfabrikat“, als „unächt“ verunglimpft würde, und sie daher nicht von dem Absatz ih-res Wassers, sondern letztlich nur mit Hilfe ihrer Pension existieren könne.

Folglich ersuchte sie die Hilfe des Staates, indem sie diesen um Protektion ihres Produktes gegenüber dem Importartikel aus dem Königreich Bayern bat.

Die Regierung in Köln gab den Antrag vom 5. Juli 1828 einschließlich der beigefügten Pro-ben an das Medizinal Kollegium in Koblenz ab und bat dieses um Entscheidung.319

Diese erfolgte mit dessen Stellungnahme vom 5. August 1828 und der Erwiderung:

„daß solche Mischungen nach der Natur ihrer Bestandtheile keiner chemischen Prü-fung unterworfen folglich deren Bestandtheile auf chemischem Wege nicht ermittelt werden können, weil dieselben in ihren physischen und chemischen Eigenschaften mit ähnlichen Auflaßungen von ätherischen Oelen in Weingeist [xxx] übereinkommen.

Auch eine vergleichende Prüfung mit dem Regensburger Melissen: Geist, der seit vie-len Jahren in Deutschland bekannt ist, können wir nicht unternehmen, weil wir von letzterem keinen Vorrath haben und die Prüfung durch Geruch und Geschmack auch zu keinem gewißen Resultate führen würde, so wenig als das Zeugniß des Königlichen Kreis=Physicus H. Dr. Elkendorf über das angeblich schwerere Gewicht (welches eben

319 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 27r.

83

kein Vorzug wäre) und dem feinerem und angenehmem Geschmack desselben ein sol-ches begründen kann.

Übrigens glauben wir noch bemerken zu müßen, da[ß] wir diesen Melissengeist, den die Verfaßer der pharm[a]copoea borussica nie als Heilmittel aufgenommen hab[en], den alle Apotheker nach der Vorschrift in de[r] pharma copoea gallica unter dem Na-men Alcoolat de melissa compositum eben so gut als die Klostergeistlichen bereiten können und der wenn er als Hei[l]mittel dienen soll, eigentlich auch nur von ersteren bereitet werden sollte, an und für sich für zu unwichtig ha[lten] um demselben von Seiten der Medizinalpolizey eine große Aufmerksamkeit zu schenken.“320

Die Kölner Medizinalbehörde unterrichtete die Antragstellerin Martin am 16. August 1828 über die Abweisung ihres Antrages.321

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE