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KAPITEL 7: Maria Clementine Martin und ihr Engagement für die katholische Sache (1837-1842)

II. Unter Verdacht der Preußischen Regierung

Am 25. Oktober 1839 wandte sich das Ministerium des Innern und der Polizei in Berlin an den Kölner Regierungspräsidenten Gerlach mit dem Hinweis, dass bei der Redaktion der Allgemeinen Preußischen Staatszeitung eine anonyme Schmähschrift aus Köln eingegan-gen sei und forderte die Kölner Behörde auf, eine Untersuchung zur „Ermittlung der Quel-le“ einzuleiten.597

Das an das Blatt gesandte Schreiben trug die Überschrift:

„Ha bald beginnt der Kampf für die Katholische Religion.

Hurrah gegen die preußischen Hunde so lautet die Losung der Rheinländer.“598

594 GJA; Fink-Lang, S. 533.

595 A.a.O.

596 A.a.O.

597 GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 2 Spec. Lit. K. Nr. 15, fol. 39r.

598 A.a.O., fol. 43r.-44v.

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Es enthielt massivste Anfeindungen gegen den preußischen Staat, dessen Regierung und namhafte hohe Beamte.

Kritik und Schmähungen richteten sich aber auch gegen katholische Persönlichkeiten, so-weit sie nicht der Gruppe der Ultramontanen angehörten.

Darüber hinaus bezog die Schrift, von den darin enthaltenen beleidigenden Äußerungen abgesehen, wiederum Position gegen den Hermesianismus und für den Ultramontanis-mus.

Nicht zuletzt machte sich der Autor des anonymen Schreibens, wie es in den Behördenak-ten hieß, seiner „der Königl. Regierung“ gegenüber bestehenden „feindseelige(n) Gesin-nung Luft“, deren Motiv nicht zuletzt in dem Verbot „der Münchener historisch-politischen Blätter“ lag.599

In der Schmähschrift hieß es weiter:

„Die nichtswürdige Regierung will also keinen Frieden, keine Versöhnung mit ihren aufgebrachten katholischen Unterthanen.“600

Und:

„Auf ihr Katholiken aller Länder, vor dem Glauben verschwindet aller Völ-ker:Unterschied; bewaffnet euch gegen die ruhsisch:preuhsische Knuten und Kam-aschen:Herrschaft, gegen diesen scheuhslichen Militär und Beamtendespotismus, der kein Versprechen mehr hält, keiner Humanität und Gerechtigkeit mehr zu bedürfen glaubt, nur stolz auf seine Flinten und Kanonen ist (…).“601

Der Kölner Regierungspräsident beauftragte auf Geheiß Berlins die Polizeidirektion mit der Untersuchung, den oder die Verfasser(in) des Pamphletes zu ermitteln.602

Dabei richtete sich die Untersuchung vor allem gegen Maria Clementine Martin und ihren Gehilfen, die bei der Kölner Polizei schon seit längerem in Verdacht standen, ähnliche Schmähschriften verfasst zu haben.603

Hierzu hieß es in der Verfügung des Kölner Regierungspräsidenten an den Polizeidirektor Heister vom 9. Dezember 1939, er entnehme dessen Bericht vom 3. Dezember 1839:

„wie Sie zwar der Meinung sind, daß das fragliche Schreiben von derselben Feder her-zurühren scheint, aus welcher bereits seit zwei Jahren ähnliche anonyme Schmäh-schriften in hiesiger Stadt hervorgegangen seien, es jedoch den Bemühungen der Poli-zeibehörde noch immer nicht gelungen sei, den schon lange bestehenden Verdacht,

599 GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 2. Spec. Lit. K. Nr. 15, fol. 46r.

600 A.a.O., fol. 44r.

601 A.a.O., fol. 44v.; dazu auch Herres, S. 154.

602 GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 2 Spec. Lit. K. Nr. 15, fol. 40r.

603 A.a.O., fol. 52r.; Herres, a.a.O.

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daß die gedachten Schriften von der Klosterfrau Martin und ihrem Gehülfen herrüh-ren sollen, aufzukläherrüh-ren, und die Entdeckung der Schuldigen herbeizufühherrüh-ren“.604 Dazu meinte der Regierungspräsident:

„Bei dem nicht unbedeutenden Geschäftsverkehr in welchem die p. Martin mit dem Publikum in Verbindung steht, dürfte es nicht schwierig sein, unter der Hand ander-weite auf ihr Geschäft Bezug habende Schriftstücke zu erhalten, um damit die Hand-schriften vergleichen, und auf diese Art vielleicht dem Schreiber näher auf die Spur kommen, und den Gerichten zur Bestrafung überweisen zu können.“605

Daher forderte er den Kölner Polizeichef auf,

„diesem Gegenstand Ihre fortwährende Aufmerksamkeit zu widmen und das Treiben und den Verkehr der p. Martin und ihres Gehülfen möglichst genau zu überwa-chen“.606

Mit Schreiben gleichen Datums unterrichtete das Kölner Regierungspräsidium Minister von Rochow über das Ergebnis der Nachforschungen.

In dem Rapport musste der Regierungspräsident einräumen, dass alle von der Polizeidi-rektion

„eingeleiteten Nachforschungen eben so wenig ein Resultat geliefert, als dieses mit der Ermittlung des Schreibers an die Dom=Geistlichkeit gerichteten Schmähschriften der Fall gewesen ist“.607

Bei diesem Ergebnis blieb es bis zuletzt.

Das jedenfalls ist den weiteren in der Akte befindlichen Schreiben vom 6., 19. und 21. Ja-nuar des Jahres 1840 zu entnehmen.608

Nachdem also die Ermittlungen gegen Maria Clementine Martin und ihren Gehilfen er-gebnislos verlaufen waren, setzte sie sich, wie schon angesprochen, erneut mit Joseph Görres in Verbindung.

Das geschah am 29. Januar 1840.

Obwohl sie auch diesen Brief nicht mit ihrer Unterschrift versah, stammt er aufgrund des eindeutigen Schriftbildes unzweifelhaft von ihrer Hand, so dass dem Hinweis der Verfas-serin, die „sich selbst eine arme alte Klosterfrau“609nennt, nur eine unterstützende Bestä-tigung zukommt.

604 GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 2 Spec. Lit. K. Nr. 15, fol. 52r.

605 GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 2 Spec. Lit. K. Nr. 15, fol. 52r.

606 A.a.O.

607 A.a.O., fol. 40r.-40v.

608 A.a.O., fol. 47r.; 48r.-48v.; 49r.-50r.

609 GJA; Fink-Lang, S. 539.

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Maria Clementine Martin begann ihren vielseitigen Brief wie folgt:

„Lange lange habe ich mich dulden müssen um zu wagen Euer Hochwohlgebohren, mit einigen Zeilen von Ihrer armen, alten, aber doch herzlich gesinnten KLosterfrau, gegen alle Vertheidiger unserer h. Sa[che] wieder zu belästigen.“610

Sie fuhr dann fort:

„(…) ich kann solange unsere Bischöfe sitzen, so lange kann ich nicht ablassen von solchen Männern, welche sich der h. Sache gewidmet – ich bin kränklich, aber meine Geistes Kräfte sind noch immer gesund; doch daß muß ich bekennen, sollte der Gräuel der Verwüstung sich nicht bald ändern, o so muß ich erliegen – ich habe Hoffnung daß es bald würde loßgehen – o wenn wir auch etwas mit bekämen es thäte nichts – Gott wölle uns helfen (…).“611

Wie schon in den beiden vorherigen Briefen beklagte sie erneut die

„Zustände in Köln und im Rheinland, die eiligen ‚Winkel‘-Weihen, durch den alten Weihbischof612, die preußischen Nachstellungen“ und informierte über „die preußi-schen Pläne mit den Katholiken“.613

Nicht unerwähnt ließ sie, dass sie „übrigens der liebe Gott (mir) bis jetzt vor allen Nach-stellungen unserer Feinde bewahrt“ habe.614

Zudem teilte sie Görres mit, dass sie sich in der ihr so bedeutsamen „katholischen Sache“

auch noch an andere Stelle gewandt habe und setzte ihn über ihren Brief in Kenntnis,

„den sie Metternich bei dessen Aufenthalt im Rheinland mit einem Kistchen Kölnisch Was-ser aus eigener Fabrik habe überreichen lassen“.615

Von Bedeutung ist in dem Zusammenhang, dass Maria Clementine Martin dem Präsent für die Fürstin Metternich einen Brief mit ihrem ureigensten Anliegen beigelegt hatte.

Dazu bemerkte Maria Clementine Martin, dass ihr „frommer Gehülfe“ und noch ein mit-gereister „Jüngling“ den Fürsten auf ein paar Minuten hätten sprechen können und führ-te in der Adresse an Görres aus:616

„so wurden dann selbe herauf gelassen (…) um ½ 2 Uhr erschien der Fürst (…) und dieser stelte sich just vor meinen Gehülfen mit der Frage: ‚Was ist ihr Wunsch mein

610 GJA; Fink-Lang, S. 539.

611 A.a.O.

612 Anm. d. Verfassers: Kölner Weihbischof war zu diesem Zeitpunkt Karl Adalbert von Beyer (1827-1842).

613 GJA; Fink-Lang, S. 539.

614 A.a.O.

615 A.a.O.

616 A.a.O.

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H.‘(…) daraufhin nahm mein Gehilfe das Wort und sagte, ‚daß sie im Nahmen ihrer Prinzipalin und der ganzen Rheinlande kähmen, S. Durchl. Glück zu wünschen in den Gauen der Rheinlande, nach erhaltener Gesundheit als seiner Heimath, zu gleich eine Bitte vorzutragen in Nahmen aller um etwaige Vermittlung bei unsern Landesfürsten, daß wir unseren allgeliebten Clemens August mögten wieder erhalten, anbei präsen-tirte seine Prinzipalin ein Kistgen Eau de Cologne, für dero durchl. Frau Gemahlin, welches der Fürst dabei selbst annahm festhaltend.‘

Hierauf sagte der Fürst, Guth, wer ist denn ihre Prinzipalin? Darauf nannten selbe meinen Nahmen, der Fürst fragte, ist es eigener Fabrik? Ja – Nun guth sagte der Fürst, ich kenne Ihre Wünsche, und wir wollen dann diß Kistgen mit Brief gleich nach den Zimmer unserer Gemahlin bringen, hierauf trat der nechststehende Kammerherr her-vor, nahm daß Kistgen aus den Händen des Fürsten, welcher sich empfahl und gingen nach dem Gemach der Fürstin, wo dann mein Ziel erreicht worden, da dieselbe also beide den Brief gelesen; ich habe denselben ganz allein aufgesetzt, ein junger Kaplan mein Freund hat die Schreibfehler verbessert durch diese Abschrift welche ich noch hatte; nach 3 täge wie die Jünglinge wiederkehren, habe ich noch meinen Schritt de-nen 5 guten Pastöres kundgethan, welche über alle Maaßen erfreut waren, sonst ist alles still geblieben.

Es hat aber der junge Fürst bei seiner Anwesenheit, auch von einem frommen Bürger einen Brief an den Fürsten mit genommen, und es ist noch mehr geschehen welches ich nicht schreiben darf(!).617

Ich habe also vor Gott mein bestes gethan – nun ich hoffe daß alles sich baldest wird ändern, denn die Fallstricke sind zu viele, welche dem Volk gelegt werden.“618

Damit nicht genug! Maria Clementine Martin sah sich veranlasst, den von ihr hochverehr-ten Görres „über die Intrigen beim Papst, Gerüchte um Alertz619, der angeblich ein Spion der Preußen sein soll“, zu unterrichten, um nach ihrer „Bitte um Trostbrief für sich und

‚unsre armen guten Pastoren‘ noch „Grüße an Professor Klee“620 ausrichten zu lassen.621

Im Kontext dazu sind die Ausführungen im „Monats=Bericht pro März 1842“, den der Re-gierungspräsident Gerlach am 1. April 1842 „An den Königlichen Wirklichen Geheimen Staats=Minister des Innern und der Polizei, Herrn von Rochow, Excellenz in Berlin sand-te,“622 aufschlussreich.

Darin äußerte sich der Regierungspräsident kurz über den Amtsantritt des neuen katholi-schen Kirchenoberhauptes von Köln und führte dazu aus:

617 GJA; Fink-Lang, S.539.

618 A.a.O.

619 Anm. d. Verfassers: Clemens August Alertz (1800-1866), Leibarzt der Päpste Gregor XVI. und Pius IX.

620 Anm. d. Verfassers: Heinrich Klee (1800-1840), Prof. in Würzburg (1825) und Bonn (1829) gegen den Willen von Georg Hermes und Erzbischof Ferdinand August von Spiegel.

621 GJA.

622 GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 505 Nr. 2 Bd. 2, S. 228r.-229v.

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„Der Herr Bischof von Geihsel hat durch sein würdevolles und angemessenes Beneh-men sich bis jetzt, wie es mir scheint, den Angriffen der Partheien entzogen, und sich keine Blößen zum Angriffe gegeben.

Es könnte zwar die große Zufriedenheit der ultra fanatischen Parthei, selbst die der Klosterfrau Martin mit dem neuen Bischofe auffallen; inzwischen ist mir auch entfernt nichts bekannt geworden, welches als eine Concession für die Ultramontanen zu be-zeichnen wäre.

Sehr möglich ist es übrigens, daß die mehrgenannte Parthei dem Herrn Bischof an-fänglich schmeichelt, in der Hoffnung sich um so eher auf ihn einen Einfluß zu verge-wissern.

Der bischöfliche Hirtenbrief hat sich des ungetheilten Beifalls zu erfreuen gehabt.“623 Im weiteren Verlauf des Monatsberichts geht der Kölner Regierungspräsident noch auf

„Die Allerhöchste Kabinets=Ordre vom 18ten Februar d. J. hinsichtlich der theilweisen Wiedereinführung der rheinischen Gesetzgebung bei Untersuchung und Bestrafung der Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Beamten im Bezirke des Appellationshofes zu Cöln, die vorzügliche Freude bei den rheinischen Juristen und Advokaten hervorgebracht habe“624,

ein.

623 GStA PK, I. HA Rep. 77, Tit. 505 Nr. 2 Bd. 2, S. 228r.

624 A.a.O., S. 228r.-228v.

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KAPITEL 8: Peter Gustav Schaeben – Universalerbe, alleiniger Unternehmensnachfolger

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