• Keine Ergebnisse gefunden

Anzeigeerstattung der Maria Clementine Martin gegen die „Farina-Firma“ der Kaufleute Wolff und Rueb wegen Verkaufs von Carmelitergeist

KAPITEL 3: Maria Clementine Martin und die Kölner Zeit (1825–1843)

VIII. Anzeigeerstattung der Maria Clementine Martin gegen die „Farina-Firma“ der Kaufleute Wolff und Rueb wegen Verkaufs von Carmelitergeist

Hier geht es um eine Eingabe der Maria Clementine Martin vom August 1832, mit der sie sich direkt an den „Regierungs- und Medizinalrath“ Merrem wandte und darin folgendes vortrug:

„Nachdem den hiesigen Kaufleuten Wolff, Rueb & Compe durch den Appellations-gerichtshof das Recht, die Firma Farina bei ihrem Kölnischwaßer Debit zu gebrauchen, mit Rücksicht auf die Rheinische und altländische Verfassung, förmlich abgesprochen worden, bedienen sich diese Leute, wie mir von dritten Personen mitgetheilt wird, aber auch aus eigener Wahrnehmung – unwürdiger Mittel, dem früheren Verbote zuwider den sogenannten Carmelitergeist öffentlich zum Verkauf auszustellen. Ob-gleich ich bei der oberflächlichen Anschauung dieser – von mir bereiteten und mit den gehörigen Ingredienzien versehenen Fabrikate gefunden habe, daß Wolff et Comp. in derselbe allerley spirituöse erhitzende Substanzen hineingebracht haben, die der ur-sprünglichen Zusammensetzung – wie es von den Carmeliter-Conventualen her mir bekannt ist – durchaus fremd sind, so kann ich nicht umhin, Euer Hochwohlgeboren als sogenannter hiesigen Sanitäts-Behörde auf diese willkürliche vielleicht der Ge-sundheit nachteilige Zubereitung der Melissengeister gehorsamst aufmerksam zu machen, und die deßfallsige Verfügung hochherer weisen Anordnungen zu überlas-sen, indem ich gleichzeitig zu bemerken so frei bin, daß mir von einer Erlaubniß, wo-rauf der Wolf et Rueb nunmehr zur Fabrizirung des Melissengeistes und dessen Feil-bietung mit Gebrauchszettel befugt sind, seither auf direktem Wege nicht bekannt geworden ist.“451

Schließlich äußerte Maria Clementine Martin den Verdacht, dass die Druckerei der Domkurie die inkriminierten Gebrauchszettel hergestellt habe, um dann zu schließen, sie hoffe zuverlässig, „daß ich durch dritte unbefugte Personen in meiner Industrie nicht be-einträchtigt werden möge“.452

Da jedoch die Medizinalbehörde in der Sache Rueb bereits aktiv war, nahm man die Ein-gabe der Unternehmerin Martin lediglich zu den Akten.

Auch diese Ausführungen der Geschäftsfrau Martin enthalten wiederum Interessantes.

450 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 131r.

451 A.a.O., fol. 84r.-84v.

452 A.a.O., fol. 84v.

121

Soweit sie gleich zu Beginn ihres Schreibens ausführt, den Kaufleuten Wolff und Rueb sei durch Urteil des Appellationsgerichtshofs verboten, den Namen FARINA in ihrer Firma zu führen, bezieht sie sich auf das Urteil des Gerichts vom 5. Juli des Jahres 1832, mit dem die Berufung der Beklagten Wolff und Rueb gegen das Urteil des Königlichen Landgerichts zu Köln vom 28. November 1831 abgewiesen, und mit welchem den Unternehmern Wolff und Rueb die Namensführung FRANZ CARL MARIA FARINA in ihrer Firma rechtskräftig un-tersagt worden war.453

Dass sich die beiden Kölner Kaufleute Wolff und Rueb, richtiger die Ehefrau Rueb, nach diesem für sie nachteiligen Urteil durch Abschluss eines rechtlich nicht angreifbaren Ver-trages mit einem Gesellschafter Namens JOHANN MARIA FARINA die Berechtigung ver-schafft hatten, mit einer Firma FARINA am Marktgeschehen teilzunehmen, konnte Maria Clementine Martin im Zeitpunkt ihrer Eingabe bei der Medizinalpolizei nicht wissen.

Allerdings mussten Wolff, Rueb und Farina zuvor einen weiteren Prozess über zwei In-stanzen hin erfolgreich bestreiten.

Diesen Prozess hatten mehrere Kölnisch Wasser Fabrikanten namens Farina gegen „Wolff u. Kons.“, wie es im Rubrum des Urteils hieß, angestrengt, in dem sie jedoch durch rechtskräftiges Urteil des Königlichen Rheinischen Appellationsgerichtshof vom 20. No-vember 1833 unterlagen.454

Der redaktionelle Leitsatz des Urteils, der im „Archiv für das Civil- und Criminal-Recht der Kö-niglichen Preußischen Rheinprovinzen“ veröffentlicht worden ist, lautete:

„Wem judikatsmäßig untersagt ist, sich bei seinem Handel und seiner Fabrikation des Familien=Namens eines anderen zu bedienen, dem ist deshalb nicht benommen, mit einem Individuum, welches denselben Namen rechtmäßig führt, einen wahren Gesell-schaftsvertrag zu errichten, und dieser Gesellschaft die Firma des fraglichen Namens beizulegen.“455

Diese Entscheidung machte den Gesellschaftern Wolff, Rueb und Farina den Weg zu Her-stellung und Verkauf von Kölnisch Wasser und Karmelitergeist frei, während die rechtli-chen Auseinandersetzungen, in die der Kaufmann Rueb mit seinem Unternehmen, wie bereits beschrieben, ab dem Jahre 1831 verstrickt war, noch weitere Jahre andauern soll-ten.

Dass die Unternehmensgründung der Kaufleute Wolff und Rueb mit dem Namenszusatz Farina im Zusammenhang mit den Verfahren steht, mit denen sich der Destillateur Rueb

453 Archiv für das Civil- und Criminal-Recht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen, Köln am Rhein 1832, Band 16, S. 251-256; URL:http://www.rg.mpg.de; URL:http://www.books.google.de (Aufruf am 13.02.2014 unter Eingabe: Franz Maria Farina Wolff).

454 Archiv für das Civil- und Criminal-Recht der Königl. Preuß. Rheinprovinzen, Köln am Rhein 1833, Band 19, S. 200-205; URL:http://www.books.google.de (Eingabe: Farina Rueb); URL:http://www.rg.mpg.de (Aufruf am 09.02.2014).

455 URL:http://www.books.google.de, a.a.O.; URL:http://www.rg.mpg.de (Aufruf am 09.02.2014).

122

auseinanderzusetzen hatte, ist wahrscheinlich, verlangte doch die von Wolff/Rueb herge-stellte Ware ihren Absatz, der ohne einen solchen Schritt gar nicht möglich gewesen wä-re.

Interessant ist in dem Zusammenhang der Vortrag der Kläger in dem angeführten Verfah-ren vor dem Rheinischen Appellationsgerichtshof.

Diese trugen nämlich vor, dass Carl Rueb, der „Schwager und Associé“456 des Kaufmanns Wolff, „eine Reise nach Italien unternommen habe, um ein Individuum mit dem Familien-namen Farina aufzufinden“457, um so zur Gründung einer Scheinfirma Farina zu gelangen.

Diesem Vortrag verwehrte der Gerichtshof, wie erwähnt, jedoch den Erfolg, indem er die Rechtmäßigkeit des Gesellschaftsvertrages annahm.458

Offensichtlich in Unkenntnis des Spruches des Rheinischen Appellationsgerichtshofs brachte Maria Clementine Martin mit Schreiben vom 3. Dezember 1832 bei der Regierung in Köln eine Beschwerde gegen die von Rueb und Wolff betriebene Gesellschaft unter der Firma Farina ein, indem sie der Behörde bekannt machte, ihr sei zur Kenntnis gelangt,

„daß hiesige Kaufhändler sich erdreisten, nicht allein in der Umgegend von Cöln und Bonn den sogenannten Karmelitergeist fälschlich nachzumachen, sondern auch in entfernten Gegenden der Monarchie, namentlich in der Nähe der Königlich. Residenz-stadt Berlin und umliegenden Ortschaften diesen fälschlichen Melissengeist durch Fuhrleute unter der Firma: ‚Farina‘ in Umlauf zu bringen.

Wie frivol nun ein solches hinterrückliches Benehmen ist, und wie unlauter die Quelle die Fabricierung dieses Melissenwassers erscheint, dies geht bis zur Erwiderung aus dem Umstande hervor, daß diesem unterschobenen Fabricate das täuschende Aus-hängeschild: ‚Farina‘ gegeben wird, da es doch sattsam bekannt ist, daß die Familie Farina sich niemals mit der Fabrication von Melissengeist, sondern lediglich mit der Fabricirung von kölnischem Waßer (eau de Cologne) abgegeben hat.

Zumindest ist durch die huldvolle Verwendung der hochgewißlichen Regierung mir, ih-re Gehorsamst unterzeichneten, ausnahmsweise gestattet worden, auf den Etiketten ihrer Melissengeistfläschgen das Königl. Wappen zu gebrauchen, sowie ferner von Königlich. Hohem Ministerium de(s) Innern mir die Befugniß eingera(eumt) wurde, in dem gesammten [xxx] der Preußischen Staaten, den als Arzneimittel von den Aerzten [xxx] befundenen Melissengeist zu ver(de)bitiren.

Durch das Eingangs erwähnte gewinnsüchtige Verfahren hiesige[r] Kaufhändler, de-nen es bis jetz(t) gelang, beim Abgange positiv(er) Gesetzes=Bestimmungen den [xxx]

zu entschlüpfen, werde ich p(er)sönlich in meinem Gewerbs= (und) Nahrungszweige

456 URL:http://www.books.google.de, a.a.O.; URL:http://www.rg.mpg.de (Aufruf am 09.02.2014).

457 A.a.O.

458 A.a.O.

123

auf das Schän(d)lichste benachtheiliget und das (Pub)likum obendrein durch jenes m[it] ungeeigneten Ingredienzien vermischte Fabricat hintergangen.“459

Hier irrte Maria Clementine Martin gleich in mehrfacher Hinsicht.

Zum einen führten die Kaufleute Wolff und Rueb die Firma Farina, wie ausgeführt, völlig zu Recht, so dass die von der Beschwerdeführerin Martin gegenüber ihren Mitbewerbern behauptete Unterstellung „hinterrückliche(n) Benehmen(s)“ ins Leere ging.

Zum anderen irrte sie mit der Ansicht, die Firma Johann Maria Farina, hier spielte sie ein-deutig auf das Unternehmen gegenüber dem Jülichsplatz an, habe sich „niemals mit der Fabrikation von Melissengeist abgegeben“.460

Der Firmengeschichte zufolge begann nämlich Kölns ältester Eau de Cologne Hersteller

„im Sommer 1802 (…) mit der Fabrikation und dem Handel von Karmeliter- oder Melissen-geist - Eau de Carmes -, doch es blieb nur bei einem sehr kleinen Versuch“.

Zwar gab es im Hauptbuch für die Jahre 1804/05 „ein Konto ‚Eau de Carmes-Rechnung‘, doch fand sich nur im Jahre 1805 ein einziger Verkaufsposten in der Höhe von 42 fl. ver-zeichnet“.461

Und weiter heißt es, dass sich „der Handel auf den Ladenhandel“ beschränkte, und dass die Firma im „August 1808 (…) die Fabrikation des Karmeliterwassers wegen der teuren dazu gehörigen Ingredienzen wieder aufgesteckt ha(be)“.462

Aber vor allem erwies sich die von der Fabrikantin Martin vorgebrachte Unterstellung, der Melissengeist der von den Kaufleuten Rueb und Wolff betriebenen Firma Farina sei we-gen „ungeeigneter Ingredienzien“ minderer Qualität als falsch, wie das Urteil des Sachver-ständigen Harleß eindrucksvoll bestätigt.

Das wiegt um so mehr, als die Expertise von jemand stammte, dessen Reputation ihr selbst bei dessen Begutachtung ihres Melissengeistes sehr von Vorteil gewesen war, und der dem Rueb-Wolff‘schen Destillat attestierte, dass dieses dem der Firma Martin „in nichts nachstehe“.463

Dass sich Maria Clementine Martin zur Verteidigung ihres Geschäftes gegen unredliche Konkurrenz wehrte, ist legitim.

459 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 92r.-92v.

460 A.a.O., fol. 92r.

461 Mönckmeier, Schaefer, S. 145.

462 A.a.O.

463 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 134r., hier heißt es: „Die Klosterfrau Martin in Cöln hat für ihr Eignes von ihr fabricirtes, dem Ruebschen völlig gleichkommendes, doppeltes Melissenwasser so wie anson-sten Aerzte, so auch von mir schon länger ein amtliches Zeugnis begehrt und erhalten (…).“

124

Dabei war sie in der Wahl der Mittel wenig zurückhaltend und hielt sich mit herabsetzen-den Bemerkungen gegenüber herabsetzen-den Konkurrenten selbst und über die mindere Qualität de-ren Wade-ren nicht zurück.

So etwa, wenn sie in ihrer Eingabe davon spricht, „hiesige Kaufhändler erdreisteten sich, einen Karmelitergeist fälschlich nachzumachen“ und ihnen „hinterrückliches Benehmen“

vorzuwerfen.

In dem Vortrag der Antragstellerin Martin sticht aber ganz besonders die Äußerung her-vor, das „Königliche Hohe Ministerium des Innern“ habe ihr „die Befugniß eingeräumt“, in den „gesammten [xxx] der Preußischen Staaten“ den von den „Äerzten als Arzneimittel [xxx] befundenen Melissengeist zu verdebitiren“.

Denn obwohl die Unternehmerin Martin zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach behördli-cherseits darauf hingewiesen worden und ihr damit auch bekannt war, dass ihr Melissen-geist eben nicht als ARZNEI beworben und verkauft werden durfte, insinuierte sie unter Berufung auf das Urteil anerkannter Ärzte, das Ministerium habe ihr den Verkauf ihres Wassers als Arzneimittel gestattet.

IX. Anträge der Maria Clementine Martin auf Anerkennung des Carmelitergeistes

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE