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Anträge der Maria Clementine Martin auf Anerkennung des Carmelitergeistes als Arznei und Einräumung eines Alleinverkaufsrechtes durch die Preußische

KAPITEL 3: Maria Clementine Martin und die Kölner Zeit (1825–1843)

IX. Anträge der Maria Clementine Martin auf Anerkennung des Carmelitergeistes als Arznei und Einräumung eines Alleinverkaufsrechtes durch die Preußische

Regierung (1832)

Über diese wieder einmal gegen die Konkurrenz erhobenen Anschuldigungen hinaus stell-te Maria Clementine Martin den weitreichenden Antrag, die Regierung möge ihr das aus-schließliche Recht zu Herstellung und Verkauf ihres Produktes Melissengeist einräumen und dieses überdies als Arznei anerkennen, um damit eine noch größere Vorzugstellung als die bislang schon verliehene eingeräumt zu erhalten.464

Sie äußerte sich in dem Zusammenhang wie folgt:

„Bei dem Schutze, den gleichwohl Königlich. Hochgewißliche Regierung und Berück-sichtigung meines unbesch[olte]nen Wandels und meines [xxx] industriösen Strebens mir stets gedeihen ließ, wage ich zu hof[fen], daß auch in dem gegenwärtigen meine moralische Existenz gef[ähr]denden, Ereignisse meine Hülfe u[m] Unterstützung schenkt werde gleichwie das Rosenbaumsche u[nd] der Voglerische Zahntinktur ge-gen […] Ereignisse dritter Personen geschützt worden ist.

In dieser Beziehung möge [xxx] hochgewißliche Regierung g[estat]ten, bei der betref-fenden Be[handlung] den oben angedeuteten Ant[rag] näher untersuchen und constat[iren] zu lassen.

Den weisen Anordnungen Königl. Hochgewißlicher Regierung fest vertrauend, ver-harrt mit den Gesinnungen schuldigster Ehrerbietung

464 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 92v.

125 Dero ergebenste Dienerin

Maria Clementine Martin Klosterfrau No- 19 am Dom“465

Wenn Maria Clementine Martin im Bemühen um die Erlangung eines Verkaufsmonopols für ihren Melissengeist und dessen Anerkennung als Arznei bemerkt, sie sei „gegenwär-tig“ in ihrer „moralischen Existenz“ gefährdet, ist das Ausdruck dafür, dass sie sich bei einer Ablehnung ihres Gesuchs persönlich insofern tief getroffen sähe und dies nicht al-lein als eine Missachtung ihrer Unternehmensleistung empfände.

Die Kölner Regierungsbehörde sandte die Eingabe der Unternehmerin Martin am 27. De-zember 1832 an den Staatsminister von Altenstein weiter.

Sie erstattete diesem gegenüber Bericht und befürwortete das Gesuch der Gewerbetrei-benden Martin, ihr das ausschließliche Recht für die Herstellung und den Verkauf ihres Melissengeistes einzuräumen und dieses Produkt als Arzneimittel anzuerkennen, in dem sie ausführte:

„ Wie in allen Carmeliter=Klöstern [wurd]e auch in dem hiesigen, bis [xxx][u]nter der französischen Regierung [erfolg]ten] Aufhebung desselben, der [sogen]annte Carmeliter-Geist oder das Nonnenwasser bereitet und unter [Beif]ügung eines Ge-brauchszettels, worin [da]s aromatische Wasser als [Univers]almittel gepriesen wur-de,ver[debitir[t]. Späterhin bezogen, die davon [xxx]] Personen es unmittelbar von [a]nderen Carmeliter-Klöstern [beson]ders von Regensburg, bis sich [im Ja]hr 1825 ei-ne Klosterjungfer [desse]lben Ordens hier niederließ, [und] ei-neben der Eau de Cologei-ne das Nonnenwasser selbst bereitete und [debi])tirte.

[G]egen den Verkauf des Fabrikats ließ [sich] [xxx] nichts erinnern, die Ortspolizei-[xxx] untersagte der Clementine Martin in Gemäßheit der Verfügung der Ministerien der Medinzinal-Ange[legenhei]ten und des Handels vom 17ten [October] 1822 die Bei-fügung des gewöhn[lichen] [Ge]brauchszettels, bis ihr auf [wie]derholte Eingaben, [xxx], von dem Dirigenten der Abtheilung des Innern unseres Kollegii die Führung des abschriftlich hier beigefügten Zettels, in welchem jede marktschreierische Anpreisung des Mittels möglichst vermieden ist, zugestanden wurde.

Diese Begünstigung verdankte sie wohl insbesondere dem Umstande, daß sie nach der Schlacht bei Waterloo große Verdienste um die Pflege der verwundeten vaterlän-dischen Krieger erworben hat, welche des Königs Majestät bereits im Jahr 1816 durch Bewilligung einer jährlichen Pension anzuerkennen geruht haben. Auch haben Aller-höchst dieselben ihr mittelst an des Herrn Staats-Ministers von Schuckmann Excellenz gerichteter Kabinetts-Ordre vom 28sten November 1829 zu erlauben geruht, das Etiquett des von ihr fabricirten Melissen= und köllnischen Wassers mit dem Preussi-schen Adler versehen zu dürfen.

Der dadurch bewirkte gute Absatz des Melissenwassers hatte bald die Nachmachungung des Wassers und des K. Wappens zur Folge. Zu letzterer

465 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 92v.-93r.

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nung fanden sich des Königs Majestät durch unseren an die Königlichen hohen Mini-sterien des Innern gerichteten Antrag vom 31sten July v.J. Allerhöchst bewogen, mit-telst Allerhöchster Kabinets-Ordre vom 16ten October v.J. / Gesetzsammlung Nr. 17 / festzusetzen, daß der eigenmächtige Gebrauch und die Abbildung des Königlichen Wappens zur Bezeichnung von Waaren, auf Aushängeschildern oder Etiquetten mit einer Geldbusse von 5 bis 50 Thalern oder Gefängnißstrafe von 8 Tagen bis 6 Wochen belegt werden soll, insbesondere glaubten wir uns darauf beschränken zu müssen, die Anpreisung des Fabrikats als Arzneimittel in den beigefügten gedruckten Gebrauchs-zetteln zu erlauben.“466

Die Kölner Medizinalbehörde kam dann noch kurz auf die laufenden Verfahren gegen Carl Rueb zu sprechen und brachte zum Ausdruck, dass das Ministerium dem Generalprokura-tor doch die Kassation in Auftrag geben möge.467

Auf das Gesuch der Maria Clementine Martin zurückkommend, erklärte man:

„Inzwischen hat die Klosterfrau Martin in der abschriftlich anliegenden Vorstellung vom 3ten, d.M. unsere Verwendung dafür aufgesucht, daß ihr die ausschließliche Erlaubniß zur Fabrikation des Carmeliter-Geistes oder Melissenwassers unter Beifü-gung des Eingangs erwähnten Gebrauchszettels ertheilt werden möchte in derselben Art wie dem Dr. Vogler zu Halberstadt und dem hiesigen Zahnarzt Rosenbaum der Verkauf ihrer Zahntincturen in Niederlagen ausnahmsweise gestattet worden ist.

Da es nach dem Vorhergangenen unmöglich sein wird, die der Martin ertheilte und Al-lerhöchsten Orts gewissermassen bestätigte Erlaubniß zum Verkauf des Melissenwasser zu verletzen unter Beifügung eines möglichst bescheidenenen Ge-brauchszettels zu verfahren, so finden wir zur Verhütung weiteren Verkaufs gegen die Gewährung des Gesuchs um so weniger zu erinnern, als die so erworbenen Verdienste der Person einiger Berücks[ichti]gung werth scheinen und ihr vorgerücktes Alter und Kränklichkeit voraussehen lassen, daß ihr Privileg bald erlöschen wird.

Excellenz hochgeneigtester Bestimmung sehen wir ganz gehorsamst entgegen.“468

Den Angaben des Kölner Medizinalrates Merrem begegnen in mehrfacher Hinsicht Zwei-fel. So trifft zum ersten seine Aussage nicht zu, „in allen Carmeliter-Klöstern“ sei das Kräu-terdestillat hergestellt worden. Zum zweiten bestehen Zweifel, dass auch in dem Kölner Karmelitenkloster im Dau, das von 1614 bis 1802 bestand, der „bekannte Carmelitergeist“

bereitet wurde.

Dafür könnte zwar sprechen, dass sich der „Erfinder“ des später als Regensburger Karmelitengeistes bezeichneten Kräuterdestillates bereits in seiner Kölner Zeit mit der Herstellung des Wassers beschäftigte, ehe er in das Kloster in Regensburg ging.

466 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 92r.-93v.

467 A.a.O.

468 A.a.O., fol. 93r.-93v.

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Gegen diese Annahme spricht indes, dass, von der Bemerkung des Kölner Medizinalbeam-ten Merrem einmal abgesehen, über eine Fabrikation des KarmeliMedizinalbeam-tengeistes im Kölner Kloster zu keiner Zeit etwas bekannt geworden worden ist.

Demgegenüber steht fest, und hier findet die Angabe Dr. Merrems ihre Bestätigung, dass das Kloster „Im Dau“ bis zu seiner Auflösung im Jahr 1802 den Karmelitengeist aus Re-gensburg bezog und hernach ehemalige Ordensgeistliche mit nicht unerheblichen Men-gen aus ReMen-gensburg bis ins Jahr 1834 beliefert wurden.

Soweit der Beamte der Kölner Regierung in seiner Stellungnahme auf die Herstellung des Karmelitengeistes und auf Maria Clementine Martin als „Klosterjungfer“ zu sprechen kommt, geht er offensichtlich von deren Zugehörigkeit zum Karmelitenorden aus.

Das lässt sich jedoch nicht eindeutig belegen, weil der vollständige Text aufgrund archiv-technischer Bearbeitung unwiederbringlich verloren gegangen ist.469

Zur Erinnerung: Dr. Merrem führte aus: „bis sich im Jahr 1825 eine Klosterjungfer [desse]lben Ordens hier niederließ und neben der Eau de Cologne das Nonnenwasser selbst bereitete und debitirte“.

Das Fragment „lben Ordens“ lässt stark auf die Formulierung „desselben Ordens“ schlie-ßen, wofür vor allem der Kontext spricht.

Darüber hinaus verbindet Dr. Merrem die Herstellung des Karmelitengeistes erkennbar mit dem Frauenorden der Karmeliten, wie anders sollte man seine Bezeichnung „Non-nenwasser“ für den „Carmelitergeist“ verstehen.

Erwähnenswert ist, dass auch die Regierung Köln zur Unterstützung des Antrages von Ma-ria Clementine Martin deren besondere Verdienste nach der Schlacht bei Waterloo an-führte, die ja nun nicht direkt mit der zur Entscheidung stehenden Frage in Verbindung standen.

Während für diese Argumentation noch Verständnis aufzubringen ist, versagt dieses, wenn die Behörde ausführt, die Berliner Ministerien sollten den Antrag der Unternehme-rin Martin bewilligen, wegen ihres „vorgerückten Alters“, Maria Clementine Martin war zu diesem Zeitpunkt 57 Jahre alt, bewilligen, bzw. dass sie auch infolge ihrer „Kränklichkeit“

wohl keine lange Lebenserwartung mehr habe, so dass „ihr Privileg bald erlöschen“ wer-de.

Abgesehen davon, dass sich die Kölner Behörde solch sachfremder Argumente bediente, sollte sich Regierungsrat Merrem vor allem in seiner Einschätzung des Lebensendes der

469 Anm. d. Verfassers: Auf telefonische Nachfrage vom 12.09.2013 teilte das LAV NRW mit, dass bei der zur Sicherung des Bestandes durchgeführten Entsäuerung der Akten die Fadenheftung entfernt, und die Ränder der einzelnen Seiten abgeschnitten worden sind, womit Wortteile unwiederbringlich verlo-ren gegangen sind.

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Unternehmerin Martin gewaltig täuschen, denn Maria Clementine Martin verstarb erst im Jahre 1843, also elf Jahre später als die Eingabe der Kölner Behörde datiert ist.

Da die Antwort aus Berlin auf sich warten ließ, erinnerte die Regierung in Köln mit Schrei-ben vom 29. Mai 1833 an deren Erledigung470, allerdings zunächst ohne Erfolg, und da auch die Antragstellerin nach knapp einem Jahr nichts darüber erfahren hatte, was mit ih-rer Eingabe geschehen war, setzte sie sich mit Schreiben vom 5. Oktober 1833 erneut mit der Kölner Behörde in Verbindung und erinnerte an die Erledigung ihrer Eingabe vom De-zember 1832.471

Dabei führte sie unter Wiederholung ihrer bisherigen Ausführungen zur Untermauerung ihres Begehrens weitere Argumente ins Feld.

So bemerkte sie, dass

„sowohl in hiesiger Stadt als in der Umgegend und besonders auf den sogenannten Kirchweihfesten und Jahrmärkten angeblich Melissenwasser oder Carmelitergeist ver-kauft wird, der keineswegs die eigenthümlichen Ingredienzien enthält und jeglichen in Vergleichung mit dem Meinigen in den Stand setzt, der fälschliche der Gesundheit ab-solut schädliche Fabrikat zu erkennen, ohne eben mit chemischen oder pharma-ceutischen Präparaten näher vertraut zu seyn.

Da indessen von den hiesigen verehrlichen Medizinalbehörde und den vorzüglichsten Lehrern der Heilkunde auf der Königl. Rheinischen Universität die Aechtheit und Rein-heit meiner Fabrikate von Melissenwasser als der GesundRein-heit ersprießlich anerkannt ist, und ich mir [xxx] schmeicheln darf, daß Eine Königl. Hochgewißliche Regierung dem meinem Geschäftsbetrieb lähmenden Unfug durch Verkauf von fälschlich nach-gemachtem Melissengeist, eventualiter bei der oberen Behörde, entgegen wirken werde, so wage ich hiermit Beziehungsweise meinen früheren ehrerbietigen Antrag zu erneuern“.472

Ob es sich bei dem auf Kirchweihfesten und Jahrmärkten angebotenen Melissengeist um das Produkt der Kaufleute Rueb, Wolff und Partner handelte lässt sich vermuten, weil sie in ihrem Schreiben ausdrücklich auf ihre Eingabe vom Dezember 1832 Bezug nimmt, in dem sie sich über die benannten Rueb, Wolff und Partner beschwert hatte.

Sicher ist das jedoch mangels weiterer Namensangabe nicht.

Auffallend ist, dass sie sich nicht scheute, die Qualität des Carmelitergeistes der Konkur-renz in Zweifel zu ziehen und sogar so weit ging, diesen als für die Gesundheit schädliches Präparat herabzuwürdigen, und von der Regierung zu fordern, den schädlich nachge-machten Melissengeist aus dem Verkehr zu ziehen, um dadurch dem ihren

470 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 94r.

471 A.a.O., fol. 96r.

472 A.a.O.

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trieb „lähmenden Unfug“ ein Ende zu bereiten473 und damit die Mitbewerber auszuschal-ten.

Dass sie mit ihren Eingaben zumindest Teilerfolge erzielte, bestätigen weitere Vorgänge in den Verwaltungsakten.

Aus denen wird zudem deutlich, dass die Regierungsbehörde gleichgelagerte Sachverhal-te ungleich behandelSachverhal-te.

Während die Kölner Medizinal-Polizei dem Antrag des Bonner Bürgers Joseph Mertens vom 18. November 1833, ihm die Erlaubnis zur Ankündigung und Verkauf des von ihm hergestellten „wohlriechenden Melissengeistes“ stattgab und dagegen „nichts zu erin-nern“ hatte, solange er als „Parfüm“ angeboten würde474, entschieden die Kölner Regie-rungsbeamten im Fall der Kaufleute Franz und Werner völlig anders.

Die Regierung in Köln lehnte deren gleichlautenden Antrag vom 21. Februar 1834 mit Schreiben vom 27. Februar 1834 ab und führte als Begründung an, sie könne die von den Antragstellern

„nachgesuchte Erlaubniß zum Verkauf Ihres selbst verfertigten Melissenwassers oder sogenannten Karmelitergeistes nicht ertheilen, da dergleichen Arzneipräparate nur von den Apothekern verkauft werden dürfen“.475

Man fuhr fort:

„Der Klosterfrau Clementine Martin hieselbst ist eine solche Erlaubniß nur aus-nahmsweise von des Königs Majestät Allerhöchst Selbst verliehen worden.“476

Hier war also nicht mehr, wie in all den bisher bekannten Fällen, insbesondere dem des Kaufmanns Mertens, die Rede davon, dass gegen einen Verkauf des Melissengeistes nichts einzuwenden wäre, wenn er als Parfüm angeboten würde.

Vielmehr verweigerte man in dem hier wiedergegebenen Fall die Zustimmung zum Ver-kauf des aromatischen Wassers ohne jede Einschränkung, weil dieses eine Arznei sei, die nur der Apothekerstand herstellen und verkaufen dürfte.

Damit verstieß die Medizinal-Polizei gegen geltendes Recht, denn nur dann, wenn die Firma Wolff & Werner den von ihr angebotenen Melissengeist als Arznei angepriesen hät-te, wäre gegen das von der Regierung erlassene Verbot nichts einzuwenden gewesen.

Aber für diesen Fall hätte der Behörde eine Hinweispflicht oblegen, die Unternehmer ent-sprechend über den Inhalt ihrer Anzeigen zu unterrichten.

473 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 96r.

474 A.a.O., fol. 98r.

475 A.a.O., fol. 101r.

476 A.a.O.

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Darüber hinaus enthielt das Schreiben der Kölner Regierung die bis dahin nicht gekannte Feststellung zu Gunsten der Firmeninhaberin Martin, dieser sei höchsten Orts die Aus-nahmebewilligung zum Verkauf eines Arzneimittels erteilt worden, zumindest lässt sich nichts anderes aus dem Kontext schließen.

Diesen Sachverhalt gilt es im Auge zu behalten, weil bis zu diesem Zeitpunkt nur die Er-laubnis der Fabrikantin Martin zu Herstellung und Verkauf ihres Melissengeistes bekannt war, solange sie diesen NICHT als Arzneimittel anpreisen würde.

Wie die Regierung von dieser Regel Abweichendes behaupten konnte, ist nicht nachvoll-ziehbar und stellt einen Verstoß gegen geltendes Recht dar, vor allem steht die Mitteilung der Behörde in krassem Widerspruch zu der Maria Clementine Martin am 4. Oktober 1826 bekanntgegebenen Entscheidung, dass sie unter Berufung auf die bestehenden ge-setzlichen Bestimmungen eine Ankündigung deren Melissengeistes als Arznei nicht bewil-ligen könne.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass sich auch im Jahre 1834 die Rechtslage in keiner Weise geändert hatte.

Aber es ergeben sich noch einige andere Ungereimtheiten in der Sache.

Obwohl die Medizinalbehörde der Firma „Franz et Werner“ den Verkauf des Melis-senwassers verbot, ließen diese im „Fremden=Blatt der Stadt Köln“, das am Sonntag, dem 2. März des Jahres 1834 erschien, und das einen Beitrag aus dem „Hochwächter“, der ra-dikal oppositionellen Zeitung für Stuttgart und Württemberg, über den Fall Caspar Hauser enthielt, folgende Anzeige veröffentlichen:

„Sehr feiner Punschsyrup zu 20 Sgr. Bischofessenz auf 2 Quart zu 2 ¼ Sgr., ächter Ja-maika-Rum zu 20 Sgr. per Flasche.

Ebenso Eau de Cologne véritable das Duzend Fläschchen zu 1 Thlr. 10 Sgr. und ächtes Melissen=Wasser bei

F.F. Franz et A. Werner, Hochstraße Nro. 53.“477

Dass nach dem den Gewerbetreibenden Franz und Werner erteilten behördlichen Verbot solches Handeln nicht sanktionsfrei bleiben konnte, versteht sich.

Ebenso überrascht es nicht, dass die Annonce auch Maria Clementine Martin auf den Plan rief.

Über die Anzeige der Konkurrenz unterrichtete sie die Regierung mit Schreiben vom 10.

März 1834 und behauptete, dass „Franz et Werner den Verkauf von angeblich ‚ächtem

477 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 104v.

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Melissenwaßer‘ angezeigt und zwar ohne seine Berechtigung zum Fabriciren und Verkaufe von Melissenwaßer überhaupt in glaubhaften Documenten nachgewiesen zu haben“.478 Sie fuhr dann fort:

„Eine solche Anzeige war mir sogleich äußerst befremdend und die dieserhalb meiner-seits stattgefundene Ermittlung hat ergeben, daß der Franz und Cons. das von mir fabrizirte und gehörig versiegelte Melissenwaßer hinterrücklich verdebitiren, jedes Fläschchen mit drey und zwanzig Silbergroschen/: welches bei mir 10 resp. 12 Sgroschen kostet: / sich bezahlen lassen und dritten Personen vorspiegeln, dazu höhern Orts autorisirt zu seyn.“479

Maria Clementine Martin äußerte des Weiteren, sie komme nicht umhin zu bemerken,

„wie nachtheilig ein solches Verfahren der Franz & Werner meinem langjährigen Streben ist, den sogenannten Carmelitergeist oder Melissenwaßer rein und unver-fälscht meinen Mitbürgern zu liefern; wie sehr ich nach vielen Opfern in meinem Ver-kaufsgeschäft durch solche verabscheuungswürdige Mittel beeinträchtigt und [xxx]

Schaden [xxx] ausgesetzt werde.

Bei den wohlwollenden Gesinnungen Euer Hochgewißlichen Regierung und dem mir so oft gewordenen Schutze von Verfolgungen und Schikanen dritter Personen setze ich auch in dem vorliegenden Falle auf Wohldieselbe mein ganzes Vertrauen und wa-ge ehrfurchtsvoll um wa-genaue Ermittlung der Handlungsweise des Franz, die auf Willkühr zu beruhen scheint, zu bitten, aber ich andererseits die Versicherung aus-spreche, daß ich nur mein persönliches Recht versuchte und keinem Dritten, der die geeignete Legitimation hat, in den Weg zu treten die Absicht habe“.480

Während auch diese Beschwerde im Wesentlichen die bereits aus anderen Angelegenhei-ten bekannAngelegenhei-ten Vorwürfe „hinterrücklichen“ und „verabscheuungswürdigen“ Verhaltens der Mitbewerber enthielt, soll nicht unerwähnt bleiben, dass Maria Clementine Martin in dem Fall ihren Einspruch einschränkte und bemerkte, sie habe nicht „die Absicht, ihren Konkurrenten zu schaden, soweit diese über die für den Verkauf des Melissengeistes not-wendige Legitimation verfügten“.481

Allerdings reduziert sich dieser Vortrag allein wegen der zuvor in dem Schreiben vorge-brachten Anschuldigungen auf reine Rhetorik.

Diese Haltung könnte man als Ausdruck „Königlich Kaufmännischer Ethik“ ansehen, sie kann aber auch lediglich Reflex auf die in mehreren Verfahren gegen die Konkurrenz leid-voll gesammelten Erkenntnisse sein.

478 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 102r.

479 A.a.O., fol. 102r.

480 A.a.O., fol. 102v.

481 A.a.O.

132

Den Vortrag der Fabrikantin Martin nahm Regierungsrat Merrem auf, um sich am 18.

März 1834 an den Polizeidirektor Heister zu wenden und diesen aufzufordern, gegen die Inhaber des Unternehmens Franz et Werner eine Untersuchung durchzuführen.

Der Regierungsbeamte Merrem schrieb, die Behörde sehe sich veranlasst,

„darauf aufmerksam zu machen, daß der Verkauf des Melissenwassers, als eines Arz-nei=Präparats, gesetzlich nur den Apothekern gestattet und außerdem in hiesiger Stadt nur der Klosterfrau Clementine Martin ausnahmsweise von des Königs Majestät Aller Höchstselbst die Erlaubniß dazu ertheilt worden ist.

Es sind daher dergleichen Verkaufs=Anzeigen von Melissenwasser, mit Ausnahme der-jenigen der Clementine Martin, in hiesigen Blättern nicht zu dulden und ist denselben fernerhin das Imprimatur zu versagen.

Den F.F. Franz et A. Werner (Hochstraße No: 53.), von denen sich eine desfalsige An-zeige in dem Kölner öffentlichen AnAn-zeiger vom 2ten d.M. findet, obgleich denselben schon unterm 27sten v. M. der Verkauf ihres Melissenwassers von uns unmittelbar untersagt worden ist, haben Sie solchen bei Strafe der Confiscation und gerichtlichen Verfolgung nochmals zu verbieten“.482

Von dieser Beauftragung des Polizeidirektors setzte Dr. Merrem mit gleicher Post die Be-schwerdeführerin Martin in Kenntnis.483

Ist es schon bedenklich, dass die Kölner Medizinalbehörde mit der Unterrichtung einer in das Verfahren involvierten Partei ungerechtfertigt in den kaufmännischen Geschäftsver-kehr eingriff, so verletzte sie in weit größerem Umfang ihre Pflichten, als sie in ihrem Schreiben an den Polizeidirektor Heister behauptete, außer den Apothekern sei höchsten Orts lediglich der Unternehmerin Martin die Erlaubnis zum Verkauf des Melissenwassers als Arznei erteilt worden und in Konsequenz dessen ein polizeiliches Eingreifen gegen jede Werbung und jeden Verkauf durch andere Unternehmen außer dem Betrieb der Fabri-kantin Martin zu ahnden verlangte.

Zu erinnern ist, dass die Behörde selbst Maria Clementine Martin gleich zu Beginn ihrer unternehmerischen Tätigkeit unmissverständlich bedeutet hatte, dass es ihr nicht gestat-tet sei, den Karmeliter- oder Melissengeist als Arznei anzupreisen, woran auch nichts die Tatsache ändert, dass ihr gleichzeitig genehmigt war, Gebrauchszettel herauszugeben, in denen ihre Ware nicht nur als „Essenz zum Waschen und Riechen“, sondern auch zur in-neren Anwendung und Einnahme geeignet sei, womit sie an eine Arznei herankam.

Und das alles geschah vor dem Hintergrund der bereits einige Male erwähnten

Und das alles geschah vor dem Hintergrund der bereits einige Male erwähnten

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