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KAPITEL 3: Maria Clementine Martin und die Kölner Zeit (1825–1843)

I. Von der Unternehmensgründung zum Königlichen Privileg durch Friedrich Wilhelm II von Preußen

7. Ausstattung der Waren der Maria Clementine Martin mit dem Preußischen Adler

Diese negative Entscheidung setzte offensichtlich bei Maria Clementine Martin Kräfte frei, um auf anderem Wege zu einer Absicherung und Steigerung ihres Warenabsatzes, ja zu einer Vorrangstellung ihres Unternehmens gegenüber der Konkurrenz, zu gelangen.

Denn nach etwas mehr als einem Jahr ergriff Maria Clementine Martin erneut die Initiati-ve und richtete am 7. NoInitiati-vember 1829 ein Mediatgesuch an König Friedrich Wilhelm III., mit welchem sie darum bat, auf ihren Produkten den Preußischen Adler führen zu dürfen.

Um ihrem Verlangen besonderen Nachdruck zu verleihen, nahm sie auf ihre Verdienste, die sie sich auf Grund der Versorgung der „vaterländischen Krieger“ nach der Schlacht bei Waterloo erworben hatte, Bezug.

Dazu führte sie im Einzelnen aus:

„Cöln a/Rh. den 7.t November 1829

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König!

Allergnädigster König und Herr!

Allerunterthänigstes Gesuch der Klosterfrau Maria Clementine Martin, Köln am Rhein, um die allerhöchste Erlaubniß den Preußischen Adler auf ihren Fabrikaten führen zu dürfen.

Ew. Majestät sind ein so gütiger liebreicher Vater der vielen Millionen Menschen, wel-che Allerhöchstdieselben als ihren König und Herrn verehren zu können für das höchs-te Glück ihres Lebens halhöchs-ten, daß der blendende Glanz des Thrones gleich geworden ist, dem Lichte der göttlichen Vorsehung, welches selbst den Niedrigsten aus dem Staube aufrichtet und erquickt, wenn er vertrauensvoll seinen Blick dahin hebt.

320 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 29r.-29v.

321 A.a.O., fol. 30r.-30v.

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So darf denn auch eine arme Klosterfrau, deren geringer Verdienste um die Pflege der verwundeten vaterländischen Krieger nach der Schlacht von Waterloo im Jahr 1816 durch die Bewilligung einer jährlichen Pension von 160 Thaler mit Königlicher Großmuth anzuerkennen geruhten, es wagen, Allerhöchstdieselben ein Gesuch demüthigst vorzutragen, in deßen Gewährung sie den schönsten Lohn ihrer täglichen inbrünstigen Gebethe für das Wohl Euer Majestät und Ihres ganzen Hauses für die kurze Zeit bis zur Vollendung ihrer irdischen Laufbahn sehen würde.

An den Klöstern zu Coesfeld und Brüssel erlernte ich die Kunst das ächte Karmeliter oder Melißenwaßer zu verfertigen, und später erhielt ich durch die Vermittlung guter Menschen, ein Recept zur Bereitung des besten Kölnischen Waßers (Eau de Cologne).

Als ich mich im Jahre 1825 unter dem Schutze des Herrn Erzbischofs Grafen Spiegel zum Desenberg hier häuslich niederließ, schien mit die Destillation der besagten aro-matischen Wäßer ein schickliches Mittel zur nützlichen Beschäftigung in den Neben-stunden meiner täglichen Andachtsübungen, und zur Sicherung meines Unterhalts durch eigener Täthigkeit darzubiethen.

Der Himmel segnete meine Unternehmung; meine Fabrikate, auf welche ich, um die-selben immer mehr zu vervollkommnen, die langgewohnte ängstliche Sorgfalth ver-wandte, fanden den besonderen Beifall Sachverständiger Männer und wurden bald vom Publikum gesucht.

Ew. Majestät wage ich von beiden eine kleine Probe allerunterthänigst zu Füßen zu legen. Möchten dieselben mit allerhöchster Huld und Gnade aufgenommen und mit die allerhöchste Erlaubnis zu Theil werden, meine Fabrikate mit dem Preußischen Ad-ler zieren zu dürfen. Es würde mir dann für den Rest meiner irdischen Laufbahn kein Wunsch mehr übrigbleiben.

In höchster Verehrung ersterbe ich als Ew. Majestät allerunterthänigste treugehor-samste Magd

gez. Maria Clementine Martin Am Dom No. 19 An des

Königs Majestät Berlin“322

Die von Maria Clementine Martin vorgebrachten Argumente verfingen und die Königlich Preußische Regierung erteilte ihr durch „Allerhöchste Kabinettsorder“ am 28. November 1829 das Privileg, ihre Produkte mit dem „Preußenadler zu zieren“323.

Das verliehene Privileg verschaffte der Unternehmerin Martin erhebliche Vorteile gegen-über den Konkurrenten.

322 PAHH, Bestand Spang, Schreiben der Maria Clementine Martin an des Königs Majestät vom 07.11.1829 (ohne Signatur) in Kopie und Abschrift.

323 A.a.O.

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Dies umso mehr, als nur wenigen der sonst so zahlreichen Eau de Cologne Fabrikanten in Köln diese Auszeichnung verliehen war.

So vermerken die Akten der Königlichen Regierung in Köln aus dem Jahr 1830 neben Ma-ria Clementine Martin allein die Unternehmer Johann Anton Farina, Carl Anton Zanoli und Joseph Luzzani, denen allerhöchsten Orts das Privileg der Wappenführung zur Ausstat-tung ihrer Waren erteilt worden war.324

Erwähnenswert ist in dem Zusammenhang, dass sich die Firma Johann Maria Farina ge-genüber dem Jülichsplatz vergeblich um den Titel des Hoflieferanten des Preußischen Kö-nigshauses bemüht hatte.

Dagegen zählte der Inhaber der Firma „Johann Anton Farina zur Stadt Mailand“, also je-ner Farina, der bei der Preußischen Regierung in Köln die Untersuchung gegen Maria Clementine Martin wegen unberechtigter Wappenführung eingeleitet hatte, zu den vom preußischen Königshaus privilegierten Unternehmern Kölns.

Dagegen blieb Carl Anton Farina trotz aller Anstrengungen und ausdrücklicher Berufung darauf, dass seine Firma das älteste Eau de Cologne Unternehmen in Köln sei, der diesbe-zügliche Erfolg versagt, was den erfolgreichen Unternehmer angesichts der zahlreichen Auszeichnungen der angesehensten Königs- und Fürstenhäuser Europas allenfalls geär-gert haben mag. Jedenfalls soll er sich „in der Folgezeit nicht weiter um die Angelegen-heit“ gekümmert haben.325

Obwohl die Verleihung zur Führung des Königlichen Wappens mit Sicherheit Präventiv-charakter bekam, blieb es dennoch nicht aus, dass Maria Clementine Martin den Behör-den wiederholt Verstöße zur Anzeige brachte, weil sich Konkurrenten ebenfalls des König-lichen Wappens bedienten und damit ihre Waren schmückten.

Ehe diese Thematik behandelt wird, soll zunächst kurz auf die bestehende Privilegien-praxis eingegangen werden.

324 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 35v.

325 Wilhelm Mönckmeier, Hermann Schaefer, Die Geschichte des Hauses Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz in Köln gegründet 1709, Eine Wirtschafts- und Handelsgeschichtliche Studie, Berlin-Grunewald 1934, S. 156-157.

86 II. Zur Privilegienpraxis in Preußen um 1825

Während im Ancien Régime die Rechtsordnung durch das Institut des privilèg geprägt war, änderte sich diese Dominanz, nahezu alles Recht in Ausnahmerecht zu zwängen, mit der französischen Revolution.326

Fortan galten in Frankreich an Stelle der Ausnahmeregeln allgemein verbindliche Rechts-bestimmungen.

Daran anschließend setzte in Deutschland eine intensive Diskussion über die zukünftige Rolle der Privilegien in der deutschen Rechtsordnung ein, in deren Folge diese beibehal-ten wurden, wobei die Privilegiengewalt nach der Reichsauflösung 1806 auf die souverä-nen Einzelstaaten überging.327

Im Staatsgebiet von Preußen galt das ab 1794 eingeführte Allgemeine Landrecht (ALR), das umfangreiche Regelungen über Privilegien enthielt, und das bis in die 1. Hälfte des 19.

Jahrhunderts keine Änderungen erfahren hat.

Mit der Niederlage Napoleons und als Folge des Wiener Kongresses gelangte das Rhein-land 1815 an Preußen und während das ALR in allen preußischen Provinzen galt, ließ Kö-nig Friedrich Wilhelm III. den Code Civil im Rheinland und der späteren Rheinprovinz als

„Rheinisches Recht“ bestehen.

Es überrascht nicht wenig, dass, obwohl die französische Revolution sich radikal vom Rechtsinstitut des Privilegiums abwandte, der Code Civil solche Vorschriften letztendlich wieder aufnahm.

Durch das Maria Clementine Martin von König Friedrich Wilhelm III. erteilte Privileg, ihre Produkte mit dem Preußen Adler zu versehen, erlangte diese, wie vor allem das Beispiel des ältesten Kölnisch Wasser Herstellers „Farina gegenüber dem Jülichsplatz“ zeigt, des-sen Fabrikzeichen die Konkurrenten ungeniert nachahmten, einen für ihr Unternehmen bedeuteten Wettbewerbsvorteil.

Denn während die Mitbewerber sich nicht scheuten, dessen erfolgreiches Fabrikzeichen zu kopieren, traute sich die Konkurrenz eher weniger solche unbefugt zu kopieren, auf denen das Hoheitszeichen des Königshauses abgebildet war.

Dennoch blieben, wenn auch nur vereinzelt, Verstöße und Nachahmungen der Fabrikzei-chen der Firma Martin nicht aus, wie aus Beschwerden der Maria Clementine Martin folgt.328

326 Lieb, S. 58.

327 Ders., S. 59, S. 64 u. S. 89.

328 LAV NRW R, BR 9 Nr. 1315, fol. 34r.-34v.

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Bei dem der Unternehmerin Maria Clementine Martin eingeräumten Sonderrecht, ihre Waren mit dem Preußischen Wappen zu versehen, handelte es sich nicht etwa um ein Privileg, durch das sie erst zur Ausübung ihres Unternehmens als Destillationsbetriebs be-rechtigt worden wäre.

Vor allem drängt sich diese Annahme auf, weil der Carmelitergeist seinem Ursprunge nach eher als Heilmittel denn als Parfümartikel anzusehen ist und so der Schluss nahe-liegt, Maria Clementine Martin habe für Herstellung und Verkauf dieses Wassers eine ausdrückliche Erlaubnis der königlichen Behörden benötigt.

Aber gefehlt, die zuständigen Behörden der preußischen Regierung betrachteten nicht nur das Kölnische Wasser der Maria Clementine Martin, sondern auch deren Carmeliter-geist als aromatisches Wasser, zu dessen Herstellung und Vertrieb es aufgrund der schon unter der französischen Besatzungszeit eingeführten und vom preußischen Staat fortge-führten Gewerbefreiheit keiner besonderen Erlaubnis bedurfte.

So hatte der preußische Staat mit dem „Edikt über die Einführung einer allgemeinen Ge-werbe-Steuer“ vom Oktober 1810 die meisten gewerblichen Beschränkungen in Preußen abgeschafft und stattdessen die Gewerbefreiheit eingeführt.329

Am Rande sei erwähnt, dass diese Maßnahme nicht etwa auf dem Gedanken einer grund-legenden Veränderung der Wirtschaftsordnung beruhte, sondern darauf, dem Staat da-mit einzig und allein dringende Staatseinnahmen zu sichern.330

Das von Maria Clementine Martin nachgesuchte und ihr vom preußischen König einge-räumte Privileg ist der später aufkommenden Auszeichnung und Verleihung des „Königli-chen Hoflieferanten“ vergleichbar.

Der Gestattung, den Preußen Adler auf ihren Produkten führen zu dürfen, kam in mehrfa-cher Weise besondere Bedeutung zu.

Zum einen waren nur wenige Unternehmen mit diesem Privileg ausgestattet, was natür-lich auch die Verbraucherseite registrierte und es sich insoweit um ein außerordentnatür-liches Werbemittel handelte.

Zum anderen verliehen die heraldischen Abbildungen auf den Produkten der „Kölnisch Wasser- und Melissengeist-Fabrik“ der Maria Clementine Martin ein Vertrauenssiegel ganz besonderer Art. So konnte das Publikum doch annehmen, dass den von Maria Cle-mentine Martin hergestellten Waren besonderes Vertrauen entgegengebracht werden könnte.

329 Lieb, S. 120.

330 A.a.O.

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Neben dieser Auszeichnung war natürlich die Qualität der von Maria Clementine Martin hergestellten Produkte, die in den Expertisen der medizinischen Sachverständigen beson-dere Erwähnung fand, für den Markterfolg maßgeblich.

Es ist bereits angesprochen, dass die preußischen Behörden den Carmeliter Geist als aro-matisches Wasser ansahen und ihn wie das Kölnisch Wasser als Parfümartikel behandel-ten.

Diese Thematik spielt für die frühe Unternehmensgeschichte des Hauses Maria Clementi-ne Martin eiClementi-ne ganz wesentliche Rolle. Das gilt auch für ihre wenigen auf diesem Felde tä-tigen Konkurrenten.

Die Tatsache, dass also die Preußische Regierung den von Maria Clementine Martin hgestellten Carmelitergeist unter die aromatischen Wässer einstufte, scheint auf den er-sten Blick für die Geschäftsentwicklung nicht gerade günstig, stellt sich jedoch im Nach-hinein als geradezu glücklicher Umstand heraus.

III. Der Verkauf aromatischer Wässer, Geheim- und Universalmittel und die

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