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2. Grundzüge einer Theorie öffentlicher Aufgabenwahrnehmung in Kleinstaaten

3.2 Überprüfung des Soll-Profils der Aufgabenwahrnehmung Im folgenden werden die Ausgaben-Hypothesen des Soll-Profils aus

3.2.11 Vergleich der öffentlichen Aufgabenerfüllung auf Basis ökonomischer Aggregate

Gegenstand dieses 3. Kapitels ist der Vergleich der Aufgabenerfüllung zwischen dem Kleinstaat Liechtenstein und seinen grösseren Nachbarn Schweiz und Österreich. Bisher wurde die Aufgabenerfüllung anhand funktionaler Ausgabenkategorien verglichen. Nun soll dieser Staaten­

vergleich und zugleich die Uberprüfung der im 2. Kapitel aufgestellten, theoriegeleiteten Erwartungen über die Aufgabenerfüllung mit Hilfe ökonomischer Ausgabenkategorien abgerundet werden.

Die Erwartungen zur öffentlichen Aufgabenerfüllung im Kleinstaat auf der Grundlage der ökonomischen Ausgabengliederung wurden in Punkt 2.4.2.2 vorgestellt, und die dafür erforderliche Datenbasis für den Ausgabenvergleich zwischen Liechtenstein, der Schweiz und Österreich wurde in Punkt 3.1.4 aufbereitet.

Gemäss Punkt 2.4.2.2 besteht die Erwartung darin, dass im Kleinstaat Liechtenstein die ökonomischen Ausgabenaggregate eine deutlich un­

terschiedliche Struktur von jener der Vergleichsstaaten aufweisen. In

Vergleich der Aufgabenerfüllung auf Basis ökonomischer Aggregate Tabelle 3.21 werden die empirischen Werte präsentiert. Dabei ist zu be­

achten, dass der Vergleich auf ein Total von Ausgaben abstellt, welches im Vergleich zu Liechtenstein allerdings für die Schweiz um 14.6 Pro­

zent und für Osterreich um 8.5 Prozent überhöht ist. Dies hängt mit den in Tabelle 3.21 gesondert ausgewiesenen Transferzahlungen zwischen Bund und Kantonen (Schweiz) und Bund und Bundesländern (Öster­

reich) zusammen. Trotz dieser notwendigen Einschränkung haben die Ergebnisse aber Aussagekraft.

Personalaufwand

Beim Personal wird für Liechtenstein aufgrund von diseconomies of scale ein überdurchschnittlich hoher Aufwand erwartet. In der Realität des Jahres 1995 aber liegt der Personalaufwand von Liechtenstein mit 18.6 Prozent am Budgetvolumen gleichauf mit jenem von Österreich mit 18.2 Prozent, während in der Schweiz der Personalanteil am Budget mit 27.9 Prozent jenen von Liechtenstein um das 1.5fache übersteigt.

Die Ausgangshypothese ist also zu verwerfen. Der Kleinstaat Liechten­

stein produziert die von ihm wahrgenommenen Leistungen keineswegs personalintensiver als die grösseren Nachbarstaaten.

Intermediärverbrauch

Beim Sachaufwand wird wegen Zulieferungen aus dem kleinen, ge­

schützten Heimmarkt ein leicht überproportionaler Aufwand erwartet.

Im Vergleich zu Österreich liegt der Anteil am Total tatsächlich um knapp 20 Prozent höher, im Vergleich zur Schweiz hingegen ist der Un­

terschied nicht signifikant. Vielleicht ist aber auch der Heimmarkt der Schweiz für öffentliche Beschaffungen wenig wettbewerbsintensiv.

Zinsen

Wie zu erwarten war, gibt Liechtenstein aufgrund seiner ausgezeichne­

ten Finanzlage nur einen geringfügigen Haushaltsanteil (1.3 Prozent) für den Zinsendienst aus, während die Schweiz mit knapp sechs Prozent und vor allem Österreich mit fast elf Prozent einen bedeutsamen Bud­

getanteil für den Zinsendienst reservieren müssen.

Transferzahlungen

Für die Transferzahlungen können, je na ch Empfängergruppe, sehr un­

terschiedliche Erwartungen formuliert werden. Der Einfachheit halber werden bei der empirischen Uberprüfung laufende und Kapital-(=Inve-stitions-) Transfers zusammengefasst.

Die Transfers an Gebietskörperschaften nehmen in Liechtenstein auf den ersten Blick das erwartete, deutlich höhere Volumen ein. Werden bei der Schweiz die eingangs dieses Abschnitts erwähnten intragovern­

mentalen Transfers des Bundes an die Kantone dazugezählt (vgl. zweit­

letzte Zeile der Tabelle 3.21), so liegt das Transfervolumen in Liechten­

stein nicht über dem Niveau der Schweiz, während Osterreich hier deutlich zurückliegt. Die Erwartung, wonach im Kleinstaat aufgrund der Bedeutung des Zieles der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse ver­

gleichsweise hohe Transfers an den Gemeindesektor fliessen, kann - auf­

grund dieser Evidenz - nicht als bestätigt gelten.

Sehr deutliche Unterschiede zwischen den grösseren Nachbarn und dem Kleinstaat kommen hingegen bei den Transfers an öffentlich-recht­

liche Körperschaften zum Ausdruck. Hier weist Liechtenstein nur halb so hohe Belastungen wie die Schweiz und Osterreich auf. Dieses Ergeb­

nis zeigt, dass der Kleinstaat bei der Aufgabenerfüllung deutlich weniger ausdifferenzierte Organisationsstrukturen (zum Beispiel im Bereich der Sozialversicherungen und - im Fall Österreichs - der gesetzlichen Inter­

essenvertretungen und der Fonds) aufweist wie die grösseren Nachbarn.

Transferzahlungen an Unternehmen werden im Kleinstaat in über­

proportionaler Höhe erwartet. Diese Erwartung wird in der Praxis völ­

lig enttäuscht. Liechtenstein fördert seine Unternehmen nicht mit ausga­

beseitigen Subventionen sondern zum Teil im Weg des Beschaffungs­

wesens, vor allem aber mit den vergleichsweise viel günstigeren steuerlichen Voraussetzungen. Vielleicht ist aufgrund der Eigenheiten des politischen Prozesses im Kleinstaat die explizite, das heisst ausgabe­

seitige Subventionsvergabe in wirtschaftlich guten Zeiten ein politisches Tabu.

Transferzahlungen an Haushalte sollten gemäss der Erwartungsbil­

dung ("Stimmenkauf") überproportional hoch sein. Tatsächlich liegen sie knapp ein Drittel über jenen der Schweiz, können aber dem ausge­

bauten "Wohlfahrtsstaat" Österreich nicht "das Wasser reichen". Die Hypothese wird in der Praxis somit nicht bestätigt.

Vergleich der Aufgabenerfüllung auf Basis ökonomischer Aggregate Verbleiben, schliesslich, die Transferzahlungen an das Ausland, die wegen der vielfältigen Outsourcing-Programme staatlicher Aufgabener­

füllung im Kleinstaat als überproportional hoch angenommen werden dürfen. Diese Hypothese wird durch die Praxis eindrücklich bestätigt.

Hier liegt eine bemerkenswerte Besonderheit der Aufgabenerfüllung des Kleinstaates vor.

Bruttokapitalhildung

Im Bereich der Investitionen sollte der Kleinstaat deutlich hinter den grös­

seren Staaten zurückbleiben. Die Investitionen erreichen in Liechtenstein mit einem Anteil von 4.1 Prozent auch nur rund zwei Drittel des schwei­

zerischen Investitionsvolumens von 6.1 Prozent. Der Wert für Osterreich liegt aber wiederum nur bei der Hälfte von Liechtenstein. Letzterer Wert ist allerdings nicht wirklich aussagekräftig, weil in Osterreich der Gross­

teil der staatlichen Investitionstätigkeit mittlerweile ausserhalb der öffent­

lichen Budgets stattfindet (Gantner [Hrsg.] 1994). Deshalb muss die Hypothese, der Kleinstaat liege bei der Investitionstätigkeit deutlich hin­

ter den grösseren Staaten zurück, als vorläufig bestätigt gelten.

Darlehensgewährung und Beteiligungen

Es überrascht nicht, dass die höchst unterschiedlichen Budgetsituatio­

nen in den verglichenen Ländern hier ihren besonderen Niederschlag findet. Dieses Ergebnis hat mehr mit der gut genützten Nischensituation als mit einer abweichenden Form staatlicher Aufgabenerfüllung des Kleinstaates zu tun.

Um die im theoretischen Teil (Punkt 2.4.2.2) aufgeworfene Frage

"Können diseconomies of scale von Verschwendung unterschieden wer­

den?" beantworten zu können, wäre nun eine Kreuzgliederung der funktionalen Ausgabenbetrachtung mit der ökonomischen Struktur der Ausgaben im Ländervergleich vonnöten. Damit könnte dann für die ein­

zelnen funktionalen Bereiche, in denen Liechtenstein deutlich höhere Ausgaben als die Vergleichsstaaten aufweist, gezeigt werden, auf welche Ursachen - im Sinn des unterschiedlichen Einsatzes ökonomischer Ag­

gregate - der Befund zurückzuführen ist. An einem Beispiel gezeigt, könnte danach gefragt werden, ob auch in den anderen Staaten bei der Funktion Abwasser Personalkosten in Höhe von beinahe 40 Prozent

Tabelle 3.21: Drei-Staaten-Vergleich der Ausgaben des Jahres 1995 nach ökonomischen Ausgabekategorien

Funktion Ausgaben pro Einw. in CHF Ausgabenstruktur in %

FL CH A FL CH A

Laufende Ausgaben

- Personalaufwand 2 584 3 635 2 467 18.6 27.9 18.2

- Sachaufwand 1 76 7 1 622 1 444 12.7 12.4 10.6

- Zinsen 180 775 1 470 1.3 5.9 10.8

-Transfers an Gebiets­

körperschaften 3 234 1 391 933 23.3 10.7 6.9

- Transfers an öff.-rechtl.

Körperschaften 1 142 2 016 2 258 8.2 15.5 16.6

- Transfers an Unternehmen 0 388 778 0.0 3.0 5.7

-Transfers an

Haushalte/ge-meinnützige Einrichtungen 2 041 1 460 2 781 14.7 11.2 20.5

- Transfers an das Ausland 909 226 48 6.6 1.7 0.4

Total 11 858 11 513 12 180 85.5 88.3 89.7

Vermögensgebarung

- Brutto-Kapitalbildung 570 796 316 4.1 6.1 2.3

- Kapitaltransfers an GK 622 551 493 4.5 4.2 3.6

- Kapitaltransfers an

Kö. öff. Rechts 103 93 41 0.7 0.7 0.3

- Kapitaltransfers an

Unternehmen 0 0 233 0.0 0.0 1.7

- Kapitaltransfers an Haus­

halte/gemeinnützige Einr. 52 93 173 0.4 0.7 1.3

- Kapitaltransfers an Ausland 1 29 0 1 0.2 0.0 0.0

- Erwerb Wertpapiere 0 0 40 0.0 0.0 0.3

- Darlehensgewährung

und Beteiligungen 636 0 104 4.6 0.0 0.8

Total 2 012 1 533 1 400 14.5 11.7 10.3

Total 13 871 13 045 13 580 100.0 100.0 100.0

Abzgl. Finanzzuweisungen

Bund an Länder/Kantone 1 663 1 066 Revidiertes Total 13 871 11 383 12 515

Anmerkung: Liechtensteinischer Staatshaushalt (ohne PTT) mit schweizerischen Bund-und Kantonshaushalten Bund-und österreichischem BBund-undes- Bund-und Landeshaushalt (alle korri­

giert um Schuldentilgung und Zuführung an Rücklagen).

Vergleich der Aufgabenerfüllung auf Basis ökonomischer Aggregate Tabelle 3.22: Ökonomische Struktur der Aufgabenbereiche mit über­

durchschnittlicher Nettobelastung Liechtensteins in % (1995)

Aufgabenbereiche Ökonomische Struktur der Ausgaben Laufende Ausgaben Vermögensgebarung

Personalaufwand Sachaufwand Transfer Gde. An Priv./Gde. An Ausland Investitionen Kap. an Priv./Gde. Kap. an Gde. Total

Legislative, oberste Exekutive 32.8 54.4 6.7 6.1 Allgemeine Verwaltung 31.7 29.8 0.5 0.5

Rechtsprechung 83.1 16.9

Rechtsaufsicht 80.9 19.1

100 10.7 26.8 100 100 100

Polizei 88.0 8.6 0.7

Strafvollzug 68.2 31.8

Milit. Landesverteidigung

Zivile Landesverteidigung 21.0 35.8 12.2

2.7 100

Sportförderung 2.7 57.4

Krankenanstalten 34.1 63.5

Sozialhilfe 21.6 3.1 20.9 54.4

Strassenbau (niederrangig) 25.5 29.2 Bundesbahn

Öff. Regionalverkehr 100.0

45.3 100

100

Gewässerverbauungen 70.3 2.6

Abwasser 39.9 7.1 1.7

anfallen? Da es eine solche Statistik für die Schweiz leider nicht gibt, muss auf diesen Vergleich verzichtet werden. In Tabelle 3,22 kann aller­

dings eine isolierte Darstellung dieser Kreuzgliederung für Liechtenstein vorgelegt werden. Sie soll hier nicht mehr weiter interpretiert werden.