• Keine Ergebnisse gefunden

2. Grundzüge einer Theorie öffentlicher Aufgabenwahrnehmung in Kleinstaaten

3.3 Internationaler Vergleich der Gemeindehaushalte

3.4.1 Ergebnisse zur Aufgabenwahrnehmung

Um einen Uberblick über die Aufgabenwahrnehmung zu gewinnen, wird die parallel zum Ausgabenvergleich durchgeführte Erhebung des Ist-Zustandes in der Aufgabenwahrnehmung zusammengestellt. In

Ab-86 Ausnahmen bilden die Gemeinden Vaduz und Schaan in Liechtenstein (Kapital- und Ertragsteuer) und Tourismusgemeinden (zum Beispiel Lech) in Vorarlberg durch die Getränkesteuer.

Ergebnisse zur Aufgabenwahrnehmung

Abbildung 3.24: Empirisch feststellbare Aufgabenwahrnehmung in Liechtenstein

Private Organisationen Land Ausland

- Kleinkinderbetreuung - Innere Sicherheit - Strafvollzug

- Sozialpsychiatrische -Justiz - Militärische LV

Betreuung - Aussenpolitik - Berufsbildung

- Kultur - Subventionierte Land- - Tertiäres Bildungswesen - Sport und Waldwirtschaft - Sozialpsychiatrische

- Zivile LV Betreuung

- Landes Versorgung - Stationäre Kranken­

- Sekundärschulen versorgung - Krankenversorgung - Hochrangiges Verkehrs­

- L1S netz

- Öffentlicher Verkehr - Alters- und Hinterlasse-- Gewässerverbauungen nenversicherung

- Landesstrassen

. - Wohnungsbau - Kindergärten - Abfallentsorgung -Primarschulen . ] - Wasserversorgung

- KH Vaduz " - Abwasserentsorgung . - Kultur - Alters- und Pflegeheime - Alters- und Pflegeheime

- Brandschutz, Feuerwehr - Gemeindestrassen - Abwasserentsorgung

Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände

Anmerkung: Aufgabenbereiche sind nach dem Aspekt Durchführung, Produktion zuge­

ordnet.

bildung 3.24 sind die einzelnen Aufgabenbereiche aufgeführt, wobei für die Zuordnung der Aspekt Produktion, Durchführung entscheidend war: Wer produziert eine bestimmte Aufgabe?

Viele Aufgaben werden vom Land und den Gemeinden selbst durch­

geführt. Rechts oben in Abbildung 3.24 sind Aufgaben angeführt, die im Ausland wahrgenommen werden. Rechts unten finden sich die Agen­

den, die von Gemeindeverbänden erledigt werden. Gemessen an den Hypothesen lassen sich im wesentlichen die erwarteten Aufgabenzuord­

nungen feststellen.87

87 Die Fallstudien, die bezüglich einzelner Aufgabenbereiche in Kapitel 4 durchgeführt werden, zeigen, dass bei genauerer Analyse durchaus Verbesserungen in der Aufgaben­

zuordnung denkbar sind. Für erste Verbesserungsvorschläge siehe Punkt 3.5.2.

Was nun die Produktion im Ausland anlangt, so zeigt es sich, dass für den Kleinstaat neben der eigentlichen Produktion die Organisation der Bereitstellung von ebenso grosser Bedeutung sein kann. Es genügt viel­

fach, dass der Kleinstaat für die Bürger und die Unternehmen eine Zu­

griffsmöglichkeit auf eine Vielfalt von Leistungen sichert; sie müssen nicht auch noch von internen staatlichen Institutionen oder im Inland selbst hergestellt werden. Beispiele dafür sind Einrichtungen im höher­

rangigen Bildungs-, Verkehrs- und Gesundheitswesen.

Im Zug dieses 3. Kapitels werden institutionelle Details der Aufga­

benerfüllung (zum Beispiel Aufgabenverteilung zwischen Landes- und Gemeindeebene) nur insoweit ausgeführt, als sie zum Verständnis der betreffenden funktionalen Ausgabearten erforderlich scheinen. Der ei­

gentliche Schwerpunkt der Analyse liegt auf der Ebene von Ausgaben beziehungsweise Nettobelastung.

Die Ergebnisse zur Aufgabenwahrnehmung legen es aber nahe, im nachfolgenden 4. Kapitel anhand von Fallstudien zu überprüfen, wie die Arbeitsteilung zwischen In- und Ausland, zwischen Land und Gemein­

den (Gemeindeverbänden), zwischen öffentlichem und privatem Sektor (privaten Organisationen) bei ausgewählten Aufgaben in Liechtenstein genau ausschaut. In diesem Zusammenhang sind einige auffällige Aufga­

benzuordnungen zu orten:

- Im Hinblick auf die Aufgab enteilung mit dem Ausland Hesse sich zum Beispiel darüber diskutieren, ob Einrichtungen in der höheren Berufsbildung (LIS), Krankenanstalten beziehungsweise die sozial­

psychiatrische Betreuung im Inland betrieben oder im Ausland mit­

benutzt werden sollen.88 Die Doppelpfeile in Abbildung 3.25 deuten diese nicht eindeutigen Zuordnungen an.

- Was die Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinden betrifft, so wäre es vorstellbar, dass diese nicht unbedingt Kindergärten, Alters­

und Pflegeheime beziehungsweise die Abwasserentsorgung (betrifft die Gemeinde Balzers) (alleine) betreiben. Als alternative Betreiber kämen durchaus Gemeindeverbände beziehungsweise Non-Profit-Organisationen in Frage. Die Pfeile in Abbildung 3.25 zeigen diese möglichen Alternativen an.

88 In den Fallstudien in Kapitel 4 werden einige dieser institutionellen Wahlmöglichkeiten eingehend durchleuchtet.

Ergebnisse zur Aufgabenwahrnehmung

Abbildung 3.25: Vergleich der tatsächlichen mit der erwarteten Auf­

gabenwahrnehmung

Private Organisationen Land Ausland

LIS —Tertiäres Bildungs­

Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände

Anmerkung: Aufgabenbereiche sind nach dem Aspekt Durchführung, Produktion zuge­

ordnet.

Insgesamt lassen sich die Gründe für diskussionswürdige Aufgaben­

wahrnehmungen auf vier grundsätzliche Fragestellungen reduzieren:

1. Sollen für Infrastruktureinrichtungen, die ein grösseres Einzugsgebiet erfordern, im Kleinstaat eigene Strukturen aufgebaut werden, obwohl damit economies of scale nicht realisiert werden können?

Dies betrifft die in Abbildung 3.25 durch Doppelpfeile angedeuteten Bereiche stationäre Krankenversorgung (KH Vaduz vs. Vertrags­

spitäler), die sozialpsychiatrische Betreuung (interne Strukturen vs.

Vertragsspitäler) und das tertiäre Bildungswesen (Liechtensteinische Ingenieurschule vs. ausländische Bildungseinrichtungen).

2. In welcher institutionellen Struktur sollen Infrastruktureinrichtun­

gen, deren produktionsoptimale Grösse landesweit beziehungsweise überkommunal ist, geführt werden?

In welcher institutionellen Ausgestaltung soll etwa die Betreuung pflegebedürftiger Menschen in Alters- und Pflegeheimen oder die Abwasserentsorgung stattfinden (siehe Abbildung 3.25)?

Tabelle 3.27: Über- und unterdurchschnittliche Nettobelastung Liech­

tensteins im Vergleich zur Schweiz 1995

FL ist stärker belastet als CH CH ist stärker belastet als FL

Legislative, oberste Exekutive 2.5 zu 1 Rechtsprechung Überschuss Allgemeine Verwaltung 4 zu 1 Rechtsaufsicht Uberschuss Zivile Landesverteidigung 1.2 zu 1 Polizei 1.25 zu 1

Aussenpolitik 3.5 zu 1

Aussenhandelspolitik 4 zu 1 Militärische Landesverteidigung ? zu 1

Nationalstrassen ? zu 1

Kindergärten, Volksschulen 1.4 zu 1 Bundesbahn ? zu 1 Allgemeinbildende Schulen 1.7 zu 1

Höhere Berufsbildung 2.4 zu 1 Strafvollzug 4 zu 1

Kantons- bzw. Landesstrassen 2 zu 1 Berufsbildung 1.5 zu 1

Gemeindestrassen 1.7 zu 1 Hochschulen 2.1 zu 1

Off. Regionalverkehr 1.3 zu 1 Krankenanstalten (ohne KV) 2 zu 1

Abwasser 5 zu 1

Abfall 9 zu 1 Sozialversicherung (ohne KV) 1.3 zu 1

Feuerwehr 1.3 zu 1' Landwirtschaft 1.6 zu 1

Gewässerverbauungen 21 zu 1

Waldwirtschaft 3 zu 1

Ausgeglichene Belastung

Waldwirtschaft 3 zu 1

Ausgeglichene Belastung

Sozialhilfe 1.3 zu 1 Krankenanstalten (inkl. KV) 1 z u 1

Kulturförderung 4.5 zu 1 Sozialversicherung 1 z u 1

Wohnbauförderung 12 zu 1 Sportförderung 1 z u 1

Anmerkung: pro Einw.

3. Inwieweit sollen die vielfältigen Aufgaben- und Finanzierungsver­

flechtungen zwischen Land und Gemeinden entflochten werden?

In Abbildung 3.25 kommt nicht genügend zum Ausdruck, dass die Aktivitäten in vielen Aufgabenbereichen zwischen Land und Ge­

meinden zersplittert sind, was zwar historisch erklärbar, aber sachlich (ökonomisch) oft nicht (mehr) nachvollziehbar ist (Sozialhilfe, Pri­

marschulen, Kindergärten, Brandschutz).

4. Inwieweit können Produktionsaktivitäten an private Institutionen übertragen werden?

In einigen Aufgabenbereichen wäre zu überlegen, ob die Produktion nicht durch private Institutionen erfolgen könnte (zum Beispiel Alters- und Pflegeheime, Kindergärten, Gewässerverbauungen, siehe Abbildung 3.25).

Aus diesen Fragen kristallisieren sich folgende Aufgabenbereiche her­

aus, deren institutionelle Zuordnung diskussionswürdig ist:

Ergebnisse zur Ausgabenintensität und Nettobelastung - das Sozialwesen (ohne Sozialversicherung)

- Jugendförderung und Jugendschutz, - das Gesundheitswesen und

- das Bildungswesen.

Für die eingehende Untersuchung dieser Bereiche spricht auch, dass der liechtensteinischen Politik bei diesen Aufgaben zwar eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zukommt (die Aussenabhängigkeit ist relativ ge­

ring), aber dass dabei auf sehr vielfältige Weise auf das Ausland zurück­

gegriffen wird. Da alle diese Bereiche auch die Aufgaben- und Finan­

zierungsteilung zwischen dem Land und den Gemeinden berühren, gerät zwangsläufig das gesamte Beziehungsgeflecht, insbesondere der Finanzausgleich, in den Blickpunkt des Interesses. Die Aufarbeitung, Kommentierung und Verbesserungsvorschläge des Finanzausgleichs sollen deshalb ebenfalls eine weitere, notwendige Vertiefung dieses Pro­

jekts der Erfassung der Aufgabenerfüllung im Kleinstaat Liechtenstein bilden.

3.4.2 Ergebnisse zur Ausgabenintensität und Nettobelastung